Verwaltungsrecht

Versagung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eines Syrers

Aktenzeichen  M 13 K 16.34395

Datum:
13.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 163102
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3

 

Leitsatz

Syrischen Staatsangehörigen droht bei einer unterstellten Rückkehr nach Syrien über den Flughafen Damaskus nicht schon allein deswegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, weil sie Syrien verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längerfristig in Deutschland aufgehalten haben. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht kann mit Einverständnis der Prozessparteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
1. Nach § 3 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) i.d.F. d. Bek. vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), neu gefasst durch das Gesetz zur Umsetzung der RL 2011/95/EU vom 28. August 2008 (BGBl I S. 3474), ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich außerhalb seines Herkunftslandes aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe befindet. Diesem Flüchtling wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylG), soweit nicht bestimmte, in § 3 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG geregelte Exklusionsklauseln den Flüchtlingsschutz ausschließen.
Als Verfolgungshandlung, die den Flüchtlingsschutz im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG auslösen, gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG entweder Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder solche Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in vorstehend beschriebener Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG).
Neben der staatlichen Verfolgung (§ 3c Nr. 1 AsylG) kann die Verfolgungshandlung auch von Parteien oder Organisationen ausgehen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den vorgenannten Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG).
Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung begründet ist, ist es gemäß § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich, ob der Flüchtling tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
2. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.
a) Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Sinne des § 3 AsylG vorverfolgt aus Syrien ausgereist ist, sind nicht ersichtlich. Es fehlt bereits an der Darstellung konkreter, den Kläger individuell betreffender Verfolgungsmaßnahmen wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
b) Der Kläger ist bei seiner Rückkehr in seine Heimat auch nicht aus beachtlichen Nachfluchtgründen von Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG bedroht.
(1) Allein der Umstand der (illegalen) Ausreise aus Syrien mit Asylantragstellung und längerfristigem Aufenthalt in Deutschland vermag für sich genommen eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der politischen Verfolgung nicht zu begründen.
Syrischen Staatsangehörigen droht bei einer unterstellten Rückkehr nach Syrien über den Flughafen Damaskus nicht schon allein deswegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, weil sie Syrien verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längerfristig in Deutschland aufgehalten haben (so auch BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 21 ZB 16.30338, 21 ZB 16.30364 – juris; OVG NW, B.v. 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A – juris; OVG SH, U.v. 23.11.2016 – 3 LB-17/16 – juris; OVG RhPf, U.v. 16.12.2016 – 1 A 10922/16 – juris; anders OVG LSA, U.v. 18.7.2012 – 3 L 147/12 – juris).
Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 27. September 2010 führt zur Behandlung von Rückkehrern aus, dass zurückgeführte Personen bei ihrer Einreise in der Regel zunächst durch die Geheimdienste über ihren Auslandsaufenthalt befragt würden. Eine vorherige Asylantragstellung oder der längerfristige Auslandsaufenthalt seien für sich allein aber kein Grund für eine Verhaftung oder Repressalien. Auch nach der Auskunft der Botschaft Beirut an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2016 liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass Rückkehrer nach Syrien ausschließlich aufgrund des vorausgegangenen Auslandsaufenthalts Übergriffe oder Sanktionen zu erleiden hätten.
(2) Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nicht ersichtlich.
Eine begründete Furcht vor Verfolgung besteht nicht aufgrund des Umstands, dass sich der Kläger durch seinen Auslandsaufenthalt der Wehrüberwachung entzogen hat (BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 21 B 16.30372 juris; a.A. OVG Saarl, U.v. 2.2.2017 – 2 A 515/16 – juris; OVG RhPf, U.v. 16.12.2016 – 1 A 10920/16.OVG – juris; OVG SH, U.v. 23.11.2016 – 3 LB 17/16 – juris). Nach der Auskunft des Deutschen Orient-Instituts vom 8. November 2016 an das OVG Schleswig-Holstein sehen sich „besonders männliche syrische Staatsangehörige (…) nach einer Wiedereinreise in das durch die syrische Regierung kontrollierte Gebiet wenn älter als 18 Jahre der Einberufung in den Wehrdienst gegenüber. (…) Auch wenn der Wehrdienst bereits verrichtet wurde kommt es seit Anfang 2011 dazu, dass männliche Staatsangehörige bis zu einem Alter von 42 Jahren erneut eingezogen werden“ (Auskunft der Deutschen Orient-Stiftung – Deutsches Orient-Institut vom 8.11.2016 an das OVG SH im Verfahren 3 LB 17/16). Nach der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe müssen sich syrische Männer im Alter von 18 Jahren für den Militärdienst registrieren und sind bis zum Alter von 42 Jahren wehrpflichtig (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.7.2014).
Der Kläger, der im Zeitpunkt der Entscheidung 68 Jahre alt ist, gehört nicht der Personengruppe an, die sich durch die Ausreise aus Syrien dem Militärdienst entzogen hat (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 21 B 16.30372 – juris). Vielmehr ist der Kläger im Jahr 2015, mit 66 Jahren, aus Syrien ausgereist.
Es ist daher nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien damit rechnen muss, vom syrischen Staat in Anknüpfung an eine ihm wegen der Ausreise aus Syrien unterstellten politischen Gesinnung verfolgt zu werden (vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 21 B 16.30371 – juris).
Andere gefahrerhöhende Umstände wurden weder vorgebracht noch sind solche ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 83b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff ZPO.


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