Verwaltungsrecht

Versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung, Antragsbefugnis

Aktenzeichen  M 33 S 22.360

Datum:
26.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 765
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 2 Abs. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege eines Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz gegen eine versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung des Landratsamtes Berchtesgadener Land (Landratsamt) vom 14. Januar 2022.
Der verfügende Teil der Allgemeinverfügung, bekanntgemacht im Amtsblatt Nr. 2a des Landkreises Berchtesgadener Land vom 14. Januar 2022, lautet:
I.
Nicht angemeldete Versammlungen nach Art. 8 des Grundgesetzes im Landkreis Berchtesgadener Land werden nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 2 15. BayIfSMV wie folgt beschränkt:
1. Zwischen allen Versammlungsteilnehmern ist ein Mindestabstand von 1,5 m einzuhalten.
2. Die Versammlungsteilnehmer sind während der Versammlung durchgängig zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (FFP2-Maske) verpflichtet. Die Maske darf lediglich zu Identifikationszwecken sowie bei zwingenden Gründen (z.B. für Redebeiträge im Rahmen der Ausübung des Versammlungsrechts) abgenommen werden. Von der Maskenpflicht befreit sind Kinder bis zum sechsten Geburtstag sowie Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Maske aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund einer Behinderung nicht möglich oder unzumutbar ist, solange dies vor Ort sofort, insbesondere durch Vorlage eines schriftlichen ärztlichen Zeugnisses im Original nachgewiesen werden kann, das den vollständigen Namen, das Geburtsdatum und konkrete Angaben zum Grund der Befreiung enthalten muss.
3. Die nicht angemeldeten Versammlungen sind ausschließlich ortsfest zulässig.
4. Von Nr. 1-3 kann vor Ort durch Entscheidung des Einsatzleiters der Polizei abgewichen werden, sofern dies im Einzelfall vertretbar erscheint.
II.
Die Ziffer I gilt insbesondere nach derzeitigen Erkenntnissen der Polizei für die in den sozialen Netzwerken angekündigten Versammlungen in nachfolgenden Kommunen
a. Stadt B. R.: insbesondere montags ab 17 Uhr.
Der R.platz gemäß Anlage 1 sollte als ortsfester Versammlungsort genutzt werden.
b. Stadt F.: insbesondere montags ab 18 Uhr.
Der R.platz gemäß Anlage 2 sollte als ortsfester Versammlungsort genutzt werden.
c. M. T.: insbesondere montags ab 19 Uhr.
Der R.platz gemäß Anlage 3 sollte als ortsfester Versammlungsort genutzt werden.
d. Markt B.: insbesondere montags ab 18 Uhr.
Der W.platz gemäß Anlage 4 sollte als ortsfester Versammlungsort genutzt werden.
e. Stadt L.: insbesondere montags ab 18 Uhr.
Der R.platz gemäß Anlage 5 sollte als ortsfester Versammlungsort genutzt werden.
f. Diese Beschränkungen gelten auch für Ersatzversammlungen der o.g. Versammlungen, bei unwesentlichen Änderungen oder offenkundig nur vorgeschobenen Änderungen des Versammlungszweckes oder auch der Versammlungszeit.
g. Sofern es die konkreten Verhältnisse erforderlich machen, kann durch die Polizei eine andere Örtlichkeit als unter Ziff. II a.-e. definierten Plätzen festgelegt werden.
III.
Diese Allgemeinverfügung tritt am Tage nach ihrer Bekanntgabe in Kraft und mit Ablauf des 09.02.2022 außer Kraft.
Der Antragsteller hat am 21. Januar 2022 beim Verwaltungsgericht München Klage gegen die Allgemeinverfügung vom 14. Januar 2022 erhoben. Er beantragt zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trägt der in F … wohnhafte Antragsteller vor, dass er beabsichtige, sich an den kommenden Montagen – im Übrigen aber auch an allen weiteren Wochentagen im Geltungsbereich der angegriffenen Allgemeinverfügung, insbesondere in F … oder … … – zu Fuß fortzubewegen. Gelegentlich trage er sich bei dieser Fortbewegung mit einer kritischen Haltung zu den staatlichen Coronamaßnahmen. Soweit er Bekannten begegne, wolle er diese unter Einhaltung der üblichen Vorsichtsmaßnahmen begrüßen und sich mit ihnen frei und ohne Mund-Nasen-Bedeckung unterhalten dürfen. Am … Januar 2022 sei er aus diesen Gründen von Polizisten zu Unrecht für einen Versammlungsteilnehmer gehalten worden. Ihm sei ein Ordnungswidrigkeitenverfahren angedroht worden. Er halte es aufgrund der Unbestimmtheit der Allgemeinverfügung für möglich, dass ihm auch in Zukunft Verstöße gegen die Allgemeinverfügung vorgeworfen werden. Ein Verwaltungsakt müsse eindeutig zu erkennen geben, was von seinen Adressaten gefordert sei. Daran fehle es hier, weil der Normadressat der Allgemeinverfügung nicht hinreichend bestimmt erkennen könne, ob sein konkretes Handeln gegen die Allgemeinverfügung verstoße. Die Allgemeinverfügung unterstelle letztlich ohne Begründung, dass es sich bei Spaziergängen um Versammlungen im Sinne des Versammlungsrechts handele. Ein Spaziergänger wisse aber nicht, aus welchen Gründen sich der „Nebenmann“ oder die „Nebenfrau“ auf der Straße befinde, und könne daher nicht wissen, ob es dieser Person um eine Meinungskundgabe gehe. Ebenso gehe es sicherlich den Vollzugsbehörden. Auch das Landratsamt habe dies erkannt, da es selbst schreibe, dass eine Unterscheidung zwischen Versammlungsteilnehmern und Passanten kaum möglich sei. Unabhängig davon stehe das Infektionsschutzgesetz, solange der Bundestag keine pandemische Lage von nationaler Tragweite feststelle, einem Versammlungsverbot entgegen. Zudem sei das mit der Allgemeinverfügung verfügte Versammlungsverbot nicht erforderlich, es fehle an medizinischer Evidenz.
Der Antragsgegner stellt keinen Antrag.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Der Antragsteller ist insbesondere antragsbefugt. Die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage sowie eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO setzt voraus, dass der Antragsteller durch den angegriffenen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt möglicherweise in seinen eigenen Rechten verletzt ist (§ 42 Abs. 2 VwGO). Damit fehlt es an der Antragsbefugnis, wenn nicht hinreichend substantiiert dargelegt wurde, dass der angefochtene Verwaltungsakt (bzw. die Ablehnung oder Unterlassung des beantragten Verwaltungsakts) gerade die Rechtssphäre des Rechtsschutzsuchenden betrifft (Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 379). Zwar ist keine nachhaltige oder mehrfache Betroffenheit von dem angegriffenen Verwaltungsakt zu verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 21.8.2003 – 3 C 15.03 – juris Rn. 18 f.). Es müssen jedoch die Tatsachen, die eine Rechtsverletzung möglich sein lassen, so substantiiert dargelegt werden, dass es dem Gericht möglich ist zu klären, ob ein subjektives Recht der rechtsschutzsuchenden Person im konkreten Rechtsstreit einschlägig sein kann (Schmidt-Kötters in BeckOK, VwGO, Stand 1.10.2019, § 42 Rn. 210 m.w.N.).
Hiervon ausgehend kann der Antragsteller nicht geltend machen, in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG verletzt zu sein (a). Er kann sich jedoch auf eine mögliche Verletzung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG berufen (b).
a) Der angegriffene sofort vollziehbare Verwaltungsakt (in der Form einer Allgemeinverfügung) belegt sämtliche im Landkreis Berchtesgadener Land durchgeführten, unangemeldeten Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) mit Beschränkungen. Versammlungen in diesem Sinne sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (Art. 2 Abs. 1 BayVersG). Gegen die Beschränkung unangemeldeter Versammlungen im Wege einer auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG gestützten Allgemeinverfügung kann sich im Verwaltungsprozess grundsätzlich nur wenden, wer hinreichend substantiiert geltend macht, an von der Allgemeinverfügung betroffenen unangemeldeten Versammlungen teilnehmen zu wollen (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2022 – 10 CS 22.125).
Vorliegend trägt der Antragsteller indes lediglich vor, sich im Landkreisgebiet, insbesondere in F. und in B. R., zu den in Rede stehenden Zeiten zu Fuß fortbewegen zu wollen. Gegebenenfalls wolle er Bekannte oder Arbeitskollegen persönlich begrüßen und mit diesen Personen persönliche Gespräche führen. Damit hat er nicht dargelegt, an Versammlungen im Sinne des Art. 2 Abs. 1 BayVersG bzw. des Art. 8 Abs. 1 GG teilnehmen zu wollen. Denn dies wäre nur bei Zusammenkünften mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung der Fall. Ein gewöhnlicher Spaziergang einer Einzelperson oder ein normales Gespräch mit Freunden und Bekannten weisen den hiernach erforderlichen Öffentlichkeitsbezug (vgl. M.W. Müller in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.9.2021, Art. 2 BayVersG Rn. 11) nicht auf, ganz unabhängig davon, mit welchen Gedanken man sich dabei „innerlich trägt“. Im Einklang mit diesen rechtlichen Wertungen will der Antragsteller sein geschildertes Verhalten auch explizit nicht als Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit verstanden wissen.
b) Eine Klage- bzw. Antragsbefugnis im Hinblick auf eine versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung kann jedoch auch dann gegeben sein, wenn der Rechtsschutzsuchende zwar vorträgt, dass er nicht an den betroffenen Versammlungen teilnehmen wolle, aber gleichwohl konkret befürchten müsse, beim Vollzug der Allgemeinverfügung aufgrund deren Unbestimmtheit für einen Versammlungsteilnehmer gehalten und deshalb als Dritter etwa in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG verletzt zu werden (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 274). Dritte können einen Verwaltungsakt unter Berufung auf Bestimmtheitsmängel angreifen, wenn ein Regelungsbereich betroffen ist, der für die Gewährleistung ihrer subjektiven Rechtspositionen von Bedeutung ist (Schröder in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 37 Rn. 47). Eine solche Betroffenheit des Antragstellers in seinen Rechten erscheint aufgrund seines Vorbringens zumindest möglich, weil er im Rahmen der Glaubhaftmachung seiner Betroffenheit konkret dargelegt hat, bereits am … Januar 2022 zu Unrecht für einen Versammlungsteilnehmer gehalten worden zu sein und deshalb – auch zukünftig – aufgrund der in Rede stehenden Allgemeinverfügung rechtliche Nachteile bis hin zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens befürchten zu müssen. Mit diesem Vorbringen wendet er sich nicht lediglich gegen Polizeimaßnahmen im Vollzug der Allgemeinverfügung. Mit dem Einwand, dass im Vollzug der Allgemeinverfügung aufgrund deren inhaltlicher Unbestimmtheit nicht zuverlässig zwischen Adressaten und Dritten unterschieden werden könne, macht er vielmehr ausdrücklich einen materiellen Rechtsfehler der Allgemeinverfügung selbst geltend, der für die Ausübung seiner subjektiven Rechte – zumindest seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) – relevant sein kann.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
a) Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Suspensivinteresse am Eintritt der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs vorzunehmen. Nach herrschender Meinung trifft das Gericht dabei eine eigene Ermessensentscheidung, für die in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs maßgeblich sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, weil die Klage zulässig und begründet ist, so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Bei offener Erfolgsprognose ist eine Interessenabwägung durchzuführen. Dem Charakter des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht dabei grundsätzlich eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (Gersdorf in BeckOK VwGO, Stand 1.7.2021, § 80 Rn. 176). Zum Schutz von Versammlungen ist indes schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt (BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 18 m.w.N.).
b) Diese Interessenabwägung geht zugunsten des Antragsgegners aus. Die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage wird sich, soweit sie zulässig ist, voraussichtlich als unbegründet erweisen, sodass kein Anlass besteht, nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage anzuordnen.
Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat die Anfechtungsklage nicht schon dann Erfolg, wenn der angegriffene Verwaltungsakt (objektiv) rechtswidrig ist – wofür hier im Übrigen keine Anhaltspunkte sprechen -, sondern nur dann, wenn der Kläger dadurch auch in seinen Rechten verletzt ist. Der Antragsteller, der sich hier als Dritter gegen die Beschränkung von Versammlungen wendet, kann daher nicht jedweden objektiven Rechtsverstoß geltend machen, sondern nur Verletzungen eigener Rechte bzw. solcher Rechtsvorschriften, die auch dem Schutz seiner Interessen zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2017 – 22 CS 17.1471 – NVwZ-RR 2018, 120 Rn. 12).
Wenn die Klage- bzw. Antragsbefugnis mit einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG begründet wird, ist der Prüfungsmaßstab im Rahmen der Begründetheit des Rechtsbehelfs entsprechend anzupassen bzw. zu reduzieren. Der Antragsteller muss sich insoweit an seiner Angabe, sich nur als Fußgänger und Passant (z.B. nach Einkäufen) in den betroffenen Bereichen aufhalten zu wollen, festhalten lassen. Eine umfassende rechtliche Überprüfung der Allgemeinverfügung kann er auf der Grundlage dieses Vorbringens nicht erreichen. Inwieweit die angegriffene Allgemeinverfügung – etwa hinsichtlich der Anforderungen an die behördliche Gefahrenprognose und die Verhältnismäßigkeit – mit den Vorgaben des Versammlungsrechts in Einklang steht, ist mangels Entscheidungserheblichkeit nicht näher zu beleuchten. Auch die vom Antragsteller unter Berufung auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (B.v. 3.1.2022 – 7 B 10005/22.OVG) angenommene Sperrwirkung des § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG) kann dahinstehen (vgl. jedoch insoweit bereits BayVGH, B.v. 17.1.2022 – 10 CS 22.126 – Leitsätze).
An der Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) der Allgemeinverfügung bestehen nach summarischer Prüfung keine ernsthaften Zweifel. Das Bestimmtheitsgebot darf nicht übersteigert werden. Die Erlassbehörde einer Allgemeinverfügung ist nicht verpflichtet, jeden Tatbestand mit exakt erfassbaren Merkmalen bis ins Letzte zu beschreiben, sondern nur insoweit, als dies nach der Eigenart des zu ordnenden Sachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Aus dem Bestimmtheitsgrundsatz ergibt sich insbesondere kein Verbot der Verwendung auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe, sofern sich mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift gewinnen lässt (vgl. Müller/Richter/Ziekow, Handbuch Zuwendungsrecht, 1. Aufl. 2017, Rn. 151). Diesen Anforderungen genügt die Allgemeinverfügung des Landratsamtes. Der Rechtsbegriff der Versammlung i.S.d. Art. 8 GG bzw. des Art. 2 Abs. 1 BayVersG ist durch die Jahrzehnte zurückreichende Entwicklung durch Rechtsprechung und Rechtswissenschaft inhaltlich hinreichend präzisiert, in seiner Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verankert. Dass eine Abgrenzung von Versammlungen zu anderen Veranstaltungen oder Menschenansammlungen einzelfallbezogen anhand des Gesamtgepräges erfolgen muss, liegt in der Natur der Sache (BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 10 B 14.2246 – NVwZ-RR 2016, 498 Rn. 47). Dieser Umstand stellt jedoch aufgrund der etablierten rechtlichen Maßstäbe für diese Würdigung (vgl. nur M.W. Müller in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.9.2021, Art. 2 BayVersG Rn. 1 ff. m.w.N.) die Vollzugsfähigkeit und die Bestimmtheit einer an den Versammlungsbegriff anknüpfenden Allgemeinverfügung nicht infrage. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist es auch für die Beteiligten erkennbar, ob sie an einer Versammlung teilnehmen, d.h. zusammen mit anderen durch die Art ihres Auftretens und des Umgangs miteinander Stellung nehmen und ihren gemeinsamen Standpunkt bezeugen (vgl. BVerfG, B.v. 10.12.2010 – 1 BvR 1402/06 – NVwZ 2011, 422, Leitsätze).
Soweit es beim Vollzug der Allgemeinverfügung im Einzelfall dennoch zu Fehleinschätzungen bei Polizeimaßnahmen kommen sollte, müssen sich die Betroffenen darauf verweisen lassen, nachträglichen oder – bei konkreter Wiederholungsgefahr – vorbeugenden Rechtsschutz gegen diese konkreten behördlichen Maßnahmen zu suchen (BayVGH, B.v. 17.1.2022 – 10 CS 22.125).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Da die Entscheidung die Hauptsache im Wesentlichen vorwegnimmt, besteht kein Anlass, den Streitwert gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu mindern.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben