Verwaltungsrecht

Verwaltungsrechtsweg für Klage gegen Arbeitnehmerbeurteilung aus Anlass einer angestrebten Verbeamtung

Aktenzeichen  6 C 19.2407

Datum:
19.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RÜ2 – 2020, 67
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 126 Abs. 1
VwGO § 173 S. 1
GVG § 17a
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Rechtswegzuweisung des § 126 Abs. 1 BBG ist auch anwendbar auf Ansprüche vorbeamtlicher Art aus einer der dem Beamtenrecht zugeordneten Anspruchsgrundlagen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wendet ein Tarifbeschäftigter sich gegen eine aus Anlass einer angestrebten Verbeamtung erfolgte dienstliche Beurteilung, so verfolgt er einen beamtenrechtlichen Anspruch, für den der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.  (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 K 19.2206 2019-11-14 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. November 2019 – AN 16 K 19.2206 – aufgehoben. Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin ist Tarifbeschäftigte in der Entgeltgruppe 6 TVöD (Bund) beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt). Sie bewarb sich auf eine der ausgeschriebenen Verbeamtungsstellen für Tarifbeschäftigte des vergleichbar mittleren Dienstes (Verbeamtungsaktion 2018). Daraufhin wurde für sie zur Vorbereitung der Auswahlentscheidung eine „dienstliche Beurteilung“ als „Anlassbeurteilung“ wegen „Verbeamtung“ für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 nach Maßgabe von Nr. 2.2 der Richtlinie für die Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des BMI (ohne Bundespolizei) erstellt und am 22. Oktober 2019 eröffnet.
Die Klägerin hat am 8. November 2019 Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zu verurteilen, die dienstliche Beurteilung aus der Personalakte zu entfernen (AN 16 K 19.2206). Zugleich hat sie einstweiligen Rechtsschutz begehrt und beantragt, der Beklagten aufzugeben, die dienstliche Beurteilung bis zur Rechtskraft der Klage für Auswahlentscheidungen nicht zu verwenden (AN 16 E 19.2205). In beiden Verfahren hat die Klägerin beantragt, die Rechtssache an das ihrer Meinung nach zuständige Arbeitsgericht Nürnberg zu verweisen.
Mit Beschlüssen vom 14. November 2019 hat das Verwaltungsgericht jeweils den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Nürnberg verwiesen. Es liege weder eine Klage aus dem Beamtenverhältnis im Sinn von § 126 Abs. 1 BBG noch eine öffentliche Streitigkeit gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor, sondern eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Sinn von § 2 Abs. 1 ArbGG.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde vorliegend gegen die Verweisung der Hauptsacheklage, im Verfahren 6 C 19.2409 gegen die Verweisung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Die Klägerin tritt dem entgegen.
II.
Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, §§ 146 f. VwGO) und begründet.
Der Rechtsstreit, in dem sich die Klägerin der Sache nach gegen ihre Anlassbeurteilung im Rahmen der angestrebten Verbeamtung wendet, fällt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht in die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen. Die Klägerin verfolgt vielmehr einen Anspruch aus einem – angestrebten – Beamtenverhältnis, für den nach der Sonderzuweisung des § 126 Abs. 1 BBG der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.
Diese Vorschrift eröffnet den Verwaltungsrechtsweg für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis. Sie ist nach allgemeiner Auffassung auch anwendbar auf Ansprüche vorbeamtlicher Art aus einer der dem Beamtenrecht zugeordneten Anspruchsgrundlagen (Battis, BBG, 5. Aufl. 2017, § 126 Rn. 12 m.w.N.). Maßgeblich ist die wahre Natur des Rechtsverhältnisses, nicht die vom Rechtsschutzsuchenden vorgenommene rechtliche Zuordnung (Plog/Wiedow, BBG, Stand November 2019, § 126 Rn. 12). So sind Klagen auf Einstellung als Beamter oder gegen die Ablehnung einer solchen Einstellung – anders als Klagen auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Tarifbeschäftigter im öffentlichen Dienst (BVerwG, B.v. 19.7.2917 – 2 A 9.16 – juris; vgl. auch BAG, U.v. 11.6.2013 – 9 AZR 668/11 – juris Rn. 14 ff.) – beamtenrechtlich und fallen in die Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Anspruchsgrundlage ist das durch den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis begründete beamtenrechtliche Bewerbungsverhältnis (BVerwG, U.v. 25.10.2010 – 2 C 22.09 – BVerwGE 136, 140 Rn. 13). Der in Art. 33 Abs. 2 GG verankerte Grundsatz der Bestenauswahl vermittelt dabei jedem Bewerber ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2016 – 2 BvR 2453/15 – BVerfGE 143, 22 Rn. 18; BVerwG, B.v. 21.12.2016 2 VR 1.16 – BVerwGE 157, 168 Rn. 21; BayVGH, B.v. 23.4.2019 – juris Rn. 9).
Die Klägerin verfolgt mit ihrem gegen die Anlassbeurteilung gerichteten Rechtsschutzbegehren einen solchen (vor-)beamtenrechtlichen Anspruch, für den der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Bei dem Klagegegenstand handelt sich nicht um eine „normale“ dienstliche Beurteilung der Klägerin als Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst im Rahmen des Arbeitsvertragsverhältnisses, für deren Prüfung die Gerichte für Arbeitssachen zuständig wären (zur gerichtlichen Kontrolle solcher Beurteilungen etwa BAG, U.v. 18.8.2009 – 9 AZR 617/08 – BAGE 131, 367 ff.). Es handelt sich vielmehr um eine Anlassbeurteilung, die der Dienstherr ausschließlich im Rahmen des Auswahlverfahrens zur Besetzung der ausgeschriebenen Beamtenstellen im mittleren Dienst erstellt hat, nachdem die Klägerin sich um eine dieser Beamtenstellen beworben hatte. Als Grundlage für die Anlassbeurteilung hat der Dienstherr dementsprechend die Richtlinie für die Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich vom 7. April 2017 herangezogen, die nach Nr. 1.1. und 2.2 nur in dieser Fallkonstellation auf Tarifbeschäftigte Anwendung findet. Das Rechtsschutzziel der Klägerin ist darauf gerichtet, dass die streitige Anlassbeurteilung bei der Auswahlentscheidung keine Berücksichtigung findet. Anspruchsgrundlage ist nicht das Arbeitsvertragsverhältnis als Tarifbeschäftigte, sondern das (vor-) beamtenrechtliche Bewerbungsverhältnis, das die Klägerin mit Einreichung ihrer Bewerbung um eine der ausgeschriebenen Beamtenstellen begründet hat.
Die Kosten der erfolgreichen Rechtswegbeschwerde sind gemäß § 154 Abs. 1 VwGO von der Klägerin als unterliegende Partei zu tragen, weil sie die Rechtswegverweisung beantragt hatte und der Beschwerde mit förmlicher Antragstellung entgegengetreten ist. Gerichtskosten fallen für das erfolgreiche Beschwerdeverfahren nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht an. Eine Streitwertfestsetzung war daher entbehrlich. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GKG; vgl. BVerwG‚ B.v. 16.3.1994 – 4 B 223.93 – NVwZ 1994‚ 782).


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