Verwaltungsrecht

Voraussetzung für Wiedereinsetzung in Vergütungsfestsetzungsfrist

Aktenzeichen  W 10 M 19.32211

Datum:
10.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2021
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JVEG § 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, § 4 Abs. 7 S. 1
BGB § 187 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Von der Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes ist auszugehen, wenn im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags plausibel ein nach der Lebenserfahrung naheliegender Sachverhalt darstellt wird, der eine Wiedereinsetzung begründet, und keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Angaben bestehen (Anschluss an LSG Münnchen BeckRS 2013, 72760). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit dem allgemeinen Verweis auf einen mehrwöchigen Auslandsaufenthalt, eine schweren Krebserkrankung der Mutter und die Schwangerschaft der Ehefrau wird ein Wiedereinsetzungsgrund bei einer insgesamt dreimmonatigen Frist nicht glaubhaft gemacht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist für den Antrag auf Vergütungsfestsetzung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Geschäftsführer des Übersetzungsbüros H… … … (im Folgenden: Antragsteller) begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 2 Abs. 2 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) für die Geltendmachung einer Dolmetschervergütung in der Verwaltungsstreitsache W 10 K 18.30733.
Für die Dolmetschertätigkeit in der mündlichen Verhandlung am 30. August 2019 wurde eine Rechnung in Höhe von 124,95 EUR übersandt. Die Liquidation, die das Datum 25. November 2019 trägt, ging ausweislich des Posteingangsstempels am 3. Dezember 2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg ein.
Mit Schreiben der Kostenbeamtin vom 4. Dezember 2019 wurde dem Antragsteller unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 JVEG mitgeteilt, dass sein Anspruch auf Zahlung der Vergütung erloschen sei und er bei Gericht einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen könne, sofern die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 JVEG vorlägen.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2019, eingegangen am 11. Dezember 2019, beantragte der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es aufgrund eines mehrwöchigen Auslandsaufenthaltes, einer schweren Krebserkrankung seiner Mutter und der Schwangerschaft seiner Ehefrau erst einen Tag nach Ablauf der Frist möglich gewesen sei, die Rechnung in den Briefkasten des Verwaltungsgerichts einzuwerfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie der Gerichtsakte des Verfahrens W 10 K 18.30733 Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, über den das Gericht entsprechend § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG durch die Einzelrichterin entscheidet, war abzulehnen, da ein Wiedereinsetzungsgrund entgegen § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG nicht glaubhaft gemacht wurde.
1. Der Anspruch des Antragstellers auf Dolmetschervergütung ist vorliegend erloschen.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG erlischt der Anspruch auf Vergütung oder Entschädigung, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat, geltend gemacht wird. Die Frist beginnt im Fall der Zuziehung als Dolmetscher gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG mit Beendigung der Zuziehung. Über den Beginn der Frist ist der Berechtigte zu belehren, § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 JVEG.
Ausweislich der gerichtlichen Verfügung vom 23. August 2019 wurde der Antragsteller für die am 30. August 2019 anberaumte Verhandlung herangezogen und über den Beginn der Frist belehrt. Die Heranziehung der Dolmetscherin endete am 30. August 2019 um 10:05 Uhr. Die Frist von drei Monaten begann daher gemäß § 187 Abs. 1 BGB am 31. August 2019 und endete gemäß §§ 188 Abs. 2 i.V.m. § 193 BGB am 2. Dezember 2019 um 24 Uhr, da das reguläre Fristende auf einen Sonnabend (30. November 2019) fiel. Der Eingang des Antrags auf Vergütungsfestsetzung am 3. Dezember 2019 war somit verfristet. Ein Antrag auf Verlängerung der Frist nach § 2 Abs. 1 Satz 4 JVEG wurde nicht gestellt.
2. Dem Antragsteller ist keine Wiedereinsetzung in die versäumte Vergütungsfestsetzungsfrist zu gewähren.
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 JVEG gewährt das Gericht dem Berechtigten, wenn dieser ohne sein Verschulden an der Einhaltung einer Frist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG gehindert war, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses den Anspruch beziffert und die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung begründen. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Belehrung nach Absatz 1 Satz 1 unterblieben oder fehlerhaft ist.
Der Antragsteller hat als Wiedereinsetzungsgrund zwar vorgetragen, dass es ihm aufgrund eines mehrwöchigen Auslandsaufenthaltes, einer schweren Krebserkrankung seiner Mutter und der Schwangerschaft seiner Ehefrau erst einen Tag nach Ablauf der Frist möglich gewesen sei, die Rechnung in den Briefkasten des Verwaltungsgerichts einzuwerfen. Die vorgenannten Voraussetzungen liegen jedoch gleichwohl nicht vor, weil der Antragsteller gegenüber dem Gericht nicht glaubhaft gemacht hat, dass es ihm aufgrund dieser Hinderungsgründe unmöglich oder objektiv unzumutbar gewesen wäre, die dreimonatige Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG einzuhalten (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 60 Rn. 5 m.w.N.). Von der Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes im Rahmen der Darlegungslast des Antragstellers ist zwar schon auszugehen, wenn dieser im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags plausibel einen nach der Lebenserfahrung naheliegenden Sachverhalt darstellt, der eine Wiedereinsetzung begründet, und keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Antragstellers bestehen; dies gebietet eine verfassungskonforme Auslegung des Begriffs der „Glaubhaftmachung“ in § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG (vgl. BayLSG, B.v. 14.8.2013 – L 15 SF 253/12 – juris Rn. 44). Allerdings können weder die vorgetragene Schwangerschaft der Ehefrau des Antragstellers oder die Krebserkrankung der Mutter ohne weiteres ein Fristversäumnis entschuldigen, erst recht dann nicht, wenn die einzuhaltende Frist mehrere Monate beträgt. Der Antragsteller wurde ordnungsgemäß darüber belehrt, dass der Anspruch auf eine Dolmetschervergütung erlischt, wenn er nicht binnen drei Monaten geltend gemacht wird, so dass ihm die Folgen seiner Fristversäumnis bekannt waren oder jedenfalls hätten bekannt sein müssen. Der Antragsteller leidet selbst nicht an einer Erkrankung, die ihn an der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Ansprüche hätte hindern können. Inwieweit die Fristwahrung für den Antragsteller aufgrund der Schwangerschaft seiner Ehefrau bzw. der Krebserkrankung seiner Mutter unmöglich wurde, hat der Antragsteller weder vorgetragen, noch auf andere Weise nachgewiesen. Auch der angegebene mehrwöchige Auslandsaufenthalt führt vorliegend nicht dazu, dass der Antragsteller unverschuldet an der Einhaltung der dreimonatigen Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG gehindert gewesen wäre. Überdies ist bereits unklar, innerhalb welches Zeitraums der Antragsteller überhaupt ortsabwesend war. Der Antragsteller wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 2. Januar 2020 aufgefordert, bis spätestens 31. Januar 2020 Nachweise für seine genannten Hinderungsgründe vorzulegen. Da die Glaubhaftmachung durch die Einreichung von Belegen bislang nicht erfolgte, verbleiben auch aus diesem Grund berechtigte Zweifel an der schuldlosen Verhinderung des Antragstellers zur fristgemäßen Rechnungsstellung.
Da es nach alledem an einer Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes fehlt, war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzulehnen.
3. Die Entscheidung ergeht kosten- und gebührenfrei, § 4 Abs. 8 Satz 1 JVEG.
4. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand findet gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 JVEG die Beschwerde statt. Da § 2 Abs. 2 Satz 7 JVEG ausdrücklich nur die Regelungen des § 4 Abs. 4 Satz 1 bis 3 sowie Abs. 6 bis 8 JVEG für entsprechend anwendbar erklärt, eine Verweisung auf § 4 Abs. 3 JVEG dagegen fehlt, muss kein Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR erreicht werden (so auch Schneider, JVEG, 3. Aufl. 2018, § 2 Rn. 65; a.A. Bleutge in: BeckOK KostR, JVEG, 28. Ed. 1.12.2019, § 2 Rn. 25).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben