Aktenzeichen W 8 K 19.30955
AufenthG § 60 Abs. 8 S. 3
VwGO § 87b Abs. 3, § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1
EMRK Art. 3
ZPO § 708 Nr. 11, § 711
GFK Art. 33 Abs. 2
StGB § 176 Abs. 1
Leitsatz
1. Nach § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG steht der Widerruf grundsätzlich im Ermessen, weil das Bundesamt in einem vorangegangenen Verfahren die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme geprüft und verneint hat (negative Entscheidung) und dazu eine formalisierte Negativmitteilung erfolgt ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Bundesamt hat bei dem Ausschlussgrund des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG im Einzelfall zu prüfen, ob der Kläger mit der abgeurteilten Straftat die Schwelle zur „Gefahr für die Allgemeinheit“ überschritten hat. Erforderlich ist insofern eine zukunftsgerichtete Prognose. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 60 Abs. 8 AufenthG ist restriktiv im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GFK auszulegen. Es ist zu prüfen, ob eine echte Gefahr für die Allgemeinheit besteht und die Abschiebung Ultima Ratio ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Hinweis auf § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG hat zur Folge, dass in den dort bezeichneten Delikten die Aufhebung des Bescheides grundsätzlich zu erfolgen hat. Dies spricht für ein intendiertes Ermessen im Sinne eines Widerrufs, solange nicht ausnahmsweise in einer atypischen Fallgestaltung das Ermessen gegenteilig auszuüben wäre. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die entscheidungsreife Klage, die mangels eines wichtigen Grundes nicht vertagt werden musste, ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für … vom 12. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Nrn. 1 und/oder 2 des streitgegenständlichen Bescheides sowie auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Der Widerruf der mit Bescheid vom 11. Juni 2012 zuerkannten Flüchtlingseigenschaft sowie die Nichtanerkennung des subsidiären Status sind nicht zu beanstanden.
Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG sind gegeben. Nachdem im Jahr 2015 nach Prüfung ein Widerruf nicht erfolgt ist, steht eine spätere Widerrufsentscheidung im Ermessen, es sei denn der Widerruf erfolgt, weil das Bundesamt nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen hat (§ 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG).
Nach § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG steht der Widerruf grundsätzlich im Ermessen, weil das Bundesamt in einem vorangegangenen Verfahren die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme geprüft und verneint hat (negative Entscheidung) und dazu eine formalisierte Negativmitteilung erfolgt ist (vgl. Fleuß in Beck‘scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, herausgegeben: Kluth/Heusch, 20. Edition, Stand: 1.11.2018, § 73 AsylG Rn. 56). Allerdings besteht bei einem Widerruf gleichwohl kein Ermessen bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach dem ebenfalls neu gefassten § 60a Abs. 8 AufenthG. Bei § 60a Abs. 8 Satz 3 AufenthG wird das einzelfallbezogene Ermessen schon zur Anwendung der Norm ausgeübt (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 73 AsylG Rn. 29). Nach dieser Systematik ist die Ermessensausübung schon bei der Vorfrage des Absehens von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG zu prüfen. Jedoch hat der Hinweis auf § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG in § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG zur Folge, dass in den dort bezeichneten Delikten die Aufhebung des Bescheides zu erfolgen hat (Marx, AsylG, 10. Auflage 2019, § 73 Rn. 99).
§ 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG ist einschlägig. Denn der Kläger wurde zuletzt mit Urteil des Amtsgerichts Würzburg vom 13. April 2016 in der Fassung des Urteils des Landgerichts Würzburg vom 20. November 2017 des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Kläger ist damit rechtskräftig der Begehung einer vorsätzlichen Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung schuldig gesprochen worden. Er hat die Tat auch mit List begangen, wie die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt hat, indem der Kläger dem Mädchen unvermittelt unterhalb der Wasseroberfläche mit der Hand zwischen die Beine in den Genitalbereich fasste. Liegen diese gesetzlichen Voraussetzungen vor, führt dies indes nicht etwa automatisch zu einem Absehen von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG bzw. von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG. Die Entscheidung ist vielmehr ins Ermessen des Bundesamtes für … gestellt, das im Einzelfall zu prüfen hat, ob der Kläger mit der abgeurteilten Straftat die Schwelle zur „Gefahr für die Allgemeinheit“ überschritten hat. Erforderlich ist insofern eine zukunftsgerichtete Prognose (vgl. Koch in Beck‘scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Kluth/Heusch 20. Edition, Stand 15.8.2016, § 60 AufenthG Rn. 56 f.; Thym, Die Auswirkungen des Asylpakets II, NVwZ 2016, 409, 415).
§ 60 Abs. 8 AufenthG ist dabei verfassungskonform eng auszulegen. Es ist zu prüfen, ob eine echte Gefahr für die Allgemeinheit besteht. Die Prüfung hat streng am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Dabei ist unter anderem darauf zu achten, dass die Abschiebung eines politisch Verfolgten in den Machtbereich des Verfolgers unweigerlich als Hinnahme der Verfolgung wirkt. Sie kann deshalb nur die Ultima Ratio darstellen, was insbesondere bei der Anwendung von § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG zu berücksichtigen ist. Auch im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist die Vorschrift restriktiv auszulegen, weil es um eine Ausnahme von dem fundamentalen Grundsatz der Nichtzurückweisung des Flüchtlings in den Verfolgerstaat geht. Allerdings ist bei der Auslegung auch zu berücksichtigen, dass die betroffenen Rechtsgüter (wie Eigentum, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung usw.) bzw. ein Gewalteinsatz zentrale Wertentscheidungen im heutigen Westeuropa berühren. Außerdem ist zu beachten, dass zwischen Flüchtlingsanerkennung, Ausweisung und Abschiebung zu unterscheiden ist. Insofern gelten unterschiedliche Rechtsmaßstäbe. Der Entzug des Aufenthaltstitels bei Flüchtlingen, etwa durch eine Ausweisung, folgt weniger strengen Vorgaben als der Ausschluss vom Flüchtlingsstatus. Ein Flüchtling kann auch dann ausgewiesen werden, wenn der Ausschluss vom Flüchtlingsstatus scheitert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse. Darüber hinaus ist eigenständig zu beurteilen, ob ein absolutes Abschiebeverbot etwa nach Art. 3 EMRK besteht. Im jedem Einzelfall ist eine Entscheidung im Hinblick auf die Umstände im Heimatstaat vorzunehmen. Nur, wenn bei der hierbei vorzunehmenden Interessenabwägung – öffentliches Interesse an der Ausreise versus privates Interesse des Ausländers am Verbleib – ergibt, dass das öffentliche Interesse überwiegt, greift das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht (Thym, Die Auswirkungen des Asylpakets II, NVwZ 2016, 409, 415; Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR 12. Aufl. 2018, § 60 AufenthG Rn. 26 ff.).
Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass im Rahmen der Ermessensausübung grundsätzlich auch die für den Kläger sprechenden Gründe zu würdigen sind, konkret der – aktenkundige – Umstand, dass der Kläger als zunächst geborener Moslem zum Christentum konvertiert ist sowie sein Verhalten nach der Tat und auch der Umstand, dass er mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist. Die Beklagte hat, wie auch der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht hat, gerade im Hinblick auf die für den Kläger sprechenden Gründe die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt. Im Einzelnen wird auf die entsprechenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid auf S. 3 bis 5 sowie die Ermessenserwägungen in der Niederschrift auf Bl. 45 und 46 der Bundesamtsakte verwiesen. Die Beklagte hat zu Gunsten des Klägers unter anderem gewürdigt, dass bei dem geschädigten Mädchen keine bleibenden Schäden verblieben seien sowie die Umstände, dass er sonst strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei, in Arbeit stehe und auch Mitglied eines Bibelkreises bzw. einer christlichen Gemeinde sei. Damit hat die Beklagte in der Sache sehr wohl die Belange des Klägers auf der Stufe des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG bei der Frage, ob einer Widerrufsverfahren überhaupt eingeleitet wird, gesehen und gewürdigt (vgl. den betreffenden Vermerk zur Prüfung des Bundesamtes vom 3.12.2018, Bl. 43 bis 47 der Bundesamtsakte).
Abgesehen davon ist darauf hinzuweisen, dass der Hinweis auf § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG zur Folge hat, dass in den dort bezeichneten Delikten die Aufhebung des Bescheides grundsätzlich zu erfolgen hat (Marx, AsylG, 10. Auflage 2019, § 73 Rn. 99). Dies spricht für ein intendiertes Ermessen im Sinne eines Widerrufs, solange nicht ausnahmsweise in einer atypischen Fallgestaltung das Ermessen gegenteilig auszuüben wäre. Gerade beim Vorliegen der betreffenden Delikte, wie auch dem streitgegenständlichen, hat im Regelfall eine Aufhebung zu erfolgen.
Vor diesem Hintergrund führen die Aussagen der Klägerseite im Gerichtsverfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, zu keiner anderen Beurteilung, vor allem sind keine Ermessensfehler der Beklagten ersichtlich. Dies gilt schon hinsichtlich des Umstandes, dass die Beklagte bei der Ermessensausübung aufgrund einer vom Kläger begangenen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung von einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ausgegangen ist. Die Beklagte und das Gericht mussten im vorliegenden Verfahren nicht davon ausgehen, dass der Kläger die Tat in Wirklichkeit nicht begangen hätte, wie er zuletzt auch in der mündlichen Verhandlung erneut behauptete. Die Erfüllung des Straftatbestandes steht rechtskräftig fest, ohne das Gericht noch einmal in die Prüfung einsteigen musste. Dafür, dass das Strafurteil falsch sei sollte, gibt es auch keine triftigen Anhaltspunkte. So ist schon festzuhalten, dass ausweislich der beigezogenen Strafakten – abgesehen vom ausdrücklichen Geständnis des Klägers – die befassten Strafrichter in allen Strafurteilen jedenfalls keinen Zweifel daran hatten, dass der Kläger die Tat tatsächlich begangen hat. Ausweislich des Beschlusses des Oberlandesgerichts Bamberg vom 10. April 2017 wurde das zugrundeliegende Urteil des Landgerichts Würzburg vom 24. November 2016 im Wesentlichen aus Verfahrensgründen aufgehoben, weil der damals tätige Dolmetscher nicht vereidigt worden war. Des Weiteren merkte das Revisionsgericht noch an, dass die Begründung der Versagung der Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalte. Weitergehende Ausführungen sind diesem Revisionsurteil nicht zu entnehmen. Auch das von der Klägerseite angesprochene Gutachten führt ausdrücklich aus, die Angaben des Opfers der sexuellen Handlung des Klägers gingen hinsichtlich der Detailliertheit über die sprachliche Ebene einer Behauptung hinaus. Die sachverhaltsbezogenen Schilderungen der Betreffenden seien ausreichend konstant, quantitativ detailliert und logisch konsistent. Die Voraussetzungen für die Feststellungen eines Erlebnisbezugs seien erfüllt. Ihre differenzierte Aussage weise nicht auf eine unsachgemäße Belastungstendenz hin (s. S. 47 ff. des aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens der Diplompsychologin Gabriele Martin vom 15.11.2016).
Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid des Weiteren zu Recht darauf hingewiesen, dass der Umstand der Aussetzung zur Bewährung und die im vorliegenden Widerrufsverfahren zu treffende Prognose auf unterschiedlichen Maßstäben beruhten. Insofern ist festzuhalten, dass als Bewährungsauflage neben der Bestellung eines Bewährungshelfers ausdrücklich festgelegt ist, dass der Kläger während der Bewährungszeit öffentliche Schwimmbäder und Orte, an denen sich typischerweise Kinder und Jugendliche aufhalten, Spielplätze, Schulen, Horte und Ähnliches nicht aufsuchen dürfe. Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren bei ihrer Prognose aber zu Recht einzubeziehen, ob eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht, wenn diese Bewährungsauflagen wegfallen und damit für den Kläger nicht mehr die Gefahr droht, dass bei ihm als möglichen Bewährungsversager die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe wieder aufgehoben wird.
Die Ermessensentscheidung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sich verschiedene Personen, wie Ehefrau oder Schwiegermutter bzw. Arbeitgeber und Bekannte aus der Kirchengemeinde für den Kläger ausgesprochen haben und ihn als ehrlich und zuverlässig beschreiben, der nicht negativ aufgefallen sei und von dem sie sich keine öffentliche Bedrohung vorstellen könnten, wie auch schon schriftlichen Stellungnahmen bzw. Aussagen im Strafverfahren zu entnehmen ist. Denn diese Personen gehen offenbar entgegen dem rechtskräftigen Strafurteil davon aus, dass der Kläger die Straftat eines sexuellen Missbrauchs von Kindern nicht begangen hat und könne sich unter dem Aspekt auch keine Gefahr in der Zukunft vorstellen.
Des Weiteren ist anzumerken, dass der Umstand, dass sich der Kläger gegenwärtig rechtstreu verhält und womöglich auch bis zum Ende der Bewährungszeit keine weiteren Straftaten begehen wird, für sich die Prognose und die darauf beruhende Ermessensentscheidung der Beklagten nicht rechtswidrig macht. Denn die Beklagte hat gerade einen weitergehenden Prognosezeitraum in Blick zu nehmen, wenn die Bewährungszeit abgelaufen ist und die Bewährungsauflagen nicht mehr gelten. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger – so auch im Klageverfahren und auch entgegen seines Geständnisses im Strafverfahren – die Begehung einer Straftat ausdrücklich bestreitet und sein Fehlverhalten so womöglich verdrängt. Fehlt es dem Kläger aber an einer Einsicht des eigenen strafbaren Verhaltens, ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger nach der Straftat sein Verhalten in irgendeiner Weise geändert hätte und für die Zukunft nunmehr auszuschließen ist, dass er, wenn sich etwa nach Ablauf der Bewährungszeit wieder die Gelegenheit bieten sollte, doch wieder Straftaten, insbesondere gegen die sexuelle Selbstbestimmung begehen sollte. Gerade zum Umstand, dass die Bekannten und Verwandten des Klägers bescheinigen, dass er sich die ganze Zeit rechtstreu verhalten hat, ist anzumerken, dass er gleichwohl trotz seiner Rechtstreue die Sexualstraftat begangen hat. Überdies wurde ein Strafverfahren betreffend einer weiteren Sexualstraftat gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Schließlich wird darauf hingewiesen, dass der Kläger auch schon in seinem ersten Asylverfahren im Jahr 2008/2009 (vgl. dazu VG Würzburg, U.v. 3.7.2009 – W 6 K 08.30090) als Grund für seine Flucht aus dem Iran zwei unterschiedliche Gründe mit sexuellem Bezug vorgebracht hat.
Nach alledem war auch keine weitere Beweiserhebung seitens des Gerichts veranlasst. Der in der mündlichen Verhandlung bedingte gestellte Beweisantrag, die Bewährungshelferin, den Arbeitgeber, die Schwiegermutter, die Ehefrau sowie zwei Vertreterinnen der Kirchengemeinde als Zeugen einzuvernehmen zum „Beweis der Tatsache, dass sich der Kläger heute in der Gesellschaft nicht im Sinne des Strafgerichtsurteils kriminell verhält und auch in Zukunft nicht verhalten wird und er sich mit seiner Vergangenheit auseingesetzt hat und er sich nachweislich rechtstreu verhält und auch kein Kind missbrauchen wird“, abzulehnen (vgl. § 244 Abs. 3 StPO analog). Zunächst ist schon darauf hinzuweisen, dass Beweismittel nach § 87b Abs. 3 VwGO zurückgewiesen werden können, weil die diesbezüglich bis zum 5. August 2019 gesetzte Frist nicht eingehalten wurde. Des Weiteren ist der Beweisantrag zu unsubstanziiert. Denn er enthält schon keine bestimmte Angabe eines konkreten Beweisthemas. Vielmehr entsteht der Eindruck eines „Stocherns im Nebel“. Der Eindruck lässt sich nicht vermeiden, dass der Kläger selbst erst nach passenden Tatsachen sucht, um zu einem positiven Ergebnis zu kommen. Es sind keine Tatsachen konkret benannt. Auch der Bezug des jeweiligen Zeugen zur Beweistatsache sind vage. Es ist nicht festgelegt, welche konkrete entscheidungserhebliche Tatsache durch den jeweiligen Zeugen bewiesen werden soll. Ein Beweisthema muss konkret genug umschrieben sein, also muss klar sein, welche Bekundung welcher Zeuge über eine konkrete Wahrnehmung machen soll. Des Weiteren zielt das Beweisthema im Wesentlichen nicht auf Tatsachenbehauptungen, sondern zumindest zum Großteil auch auf Wertungen sowie die rechtliche Subsumtion. Die Prognoseentscheidung und deren Überprüfung obliegt indes der Beklagten und die betreffende Würdigung ist Sache des Gerichts. Positive Prognosen der Zeugen über ein mögliches künftiges Verhalten des Klägers kann nicht die rechtliche Würdigung des Sachverhalts ersetzen.
Soweit der Beweisantrag dahingehen sollte, dass sich der Kläger zurzeit rechtstreu verhält und sowohl bei der Arbeit als auch in der Kirchengemeinde wie auch im privaten familiären Bereich zuverlässig seine Aufgaben erfüllt, kann dieses Vorbringen als wahr unterstellt werden. Weiter kann als wahr unterstellt werden, dass die benannten Zeugen einen positiven Leumund für den Kläger abgeben. Auch das Gericht geht davon aus, zumal aus den Akten nichts Gegenteiliges ersichtlich ist und der Kläger bei erneuten Rechtsverstößen konkret bei Strafrechtsverstößen mit dem Widerruf der Aussetzung der Strafe zur Bewährung rechnen müsste. Für die weitergehende über den Bewährungszeitraum hinausreichende Prognose fallen die zu erwartenden Zeugenaussagen nicht gravierend ins Gewicht, um eine anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Für eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten des Klägers ist nichts ersichtlich.
Schließlich war auch keine Vertagung oder kein Ruhen bzw. ein Aussetzen des Verfahrens angezeigt. Zum einen ist die ausländerrechtliche Beurteilung unabhängig von der asylrechtlichen Beurteilung. Zum anderen ist nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblich auf den Tag der mündlichen Verhandlung abzustellen. Insbesondere geht es nicht an, die Entscheidung deshalb hinauszuschieben, damit der Kläger künftig erst noch für ihn positive Tatsachen schaffen kann, die für ihn eine günstigere Ermessensentscheidung ermöglichen könnten. Sollte sich in Zukunft aufgrund neuer Tatsachen bzw. Beweismittel eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ergeben, bleibt es dem Kläger unbenommen, eine Aufhebung des Widerrufs zu betreiben.
Nach alledem ist nach Überzeugung des Gerichts der Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Des Weiteren bestehen angesichts der streitgegenständlichen Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (eines Kindes) auch keine Bedenken gegen die Nichtanerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG. Letzteres hat die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid schon zutreffend ausgeführt. Darauf wird Bezug genommen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.