Verwaltungsrecht

Vorbescheid, Nutzungsänderung zu Wettbüro, Gemengelage, Abgrenzung Vergnügungsstätte zu Schank- und Speisewirtschaft

Aktenzeichen  9 ZB 20.2770

Datum:
22.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9528
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 71
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 9 K 19.1782 2020-09-09 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 54.600 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beklagte wendet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 9. September 2020 (Az. AN 9 K 19.01782), mit dem dieses der Klage des Klägers auf Erteilung eines Vorbescheids für die Nutzungsänderung von Geschäftsräumen einer Bank zu einem Wettbüro stattgab.
Mit Bescheid vom 13. August 2019 lehnte die Beklagte den Vorbescheidsantrag des Klägers, mit dem dieser die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der geplanten Nutzungsänderung von Geschäftsräumen einer Bank zu einem Wettbüro mit 91 m2 Nutzfläche im Erdgeschoss des Gebäudes auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung G … klären wollte, ab, weil das Bauvorhaben in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet unzulässig sei. Auf die Klage des Klägers hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 9. September 2020 den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2020 auf und verpflichtete diese, den am 29. November 2018 vom Kläger beantragten Vorbescheid zu der Frage, ob „die Umnutzung der ehemaligen Bank-Geschäftsräume in einen Shop für Sportwetten bauplanungsrechtlich zulässig“ ist, zu erteilen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass das geplante Wettbüro in der hier vorliegenden Gemengelage bauplanungsrechtlich zulässig sei. Hiergegen richtet sich der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg. Es liegen weder die von der Beklagten geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr.3 VwGO).
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Beklagte innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
Die Beklagte trägt vor, das Verwaltungsgericht habe allein wegen einer fehlerhaften Beurteilung der Pilsbar „K …“ als Vergnügungsstätte die nähere Umgebung als Gemengelage eingestuft und sei nur so zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des geplanten Wettbüros gekommen. Dies führt jedoch nicht zur Zulassung der Berufung.
Das Verwaltungsgericht hat seiner planungsrechtlichen Beurteilung der maßgebenden näheren Umgebung zunächst das Straßengeviert W …straße, A …straße, B …straße und G …straße mit der dem Vorhaben gegenüberliegenden Straßenseite der W …straße bis zur Kreuzung mit der B …straße zugrunde gelegt. Im Folgenden hat es unter Berücksichtigung der dort beim Augenschein festgestellten unterschiedlichen Nutzungen ausgeführt, dass aufgrund eines deutlichen Überwiegens der Wohnnutzung kein faktisches Mischgebiet i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO vorliege. Diesen Ausführungen tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen. Das Verwaltungsgericht hat sodann eine Gemengelage angenommen und das Vorliegen eines faktischen allgemeinen Wohngebiets i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO verneint, weil diesem die genehmigte Pilsbar „K …“ im gleichen Gebäude wie das geplante Vorhaben widerspreche.
Anders als die Beklagte vorträgt, hat das Verwaltungsgericht bei seiner Bewertung der maßgebenden näheren Umgebung und der Beurteilung der Pilsbar „K …“ aber nicht allein darauf abgestellt, dass es sich bei der Pilsbar um eine Vergnügungsstätte handle. Zwar kann es – worauf die Beklagte zutreffend hinweist – insbesondere bei reinen Schankwirtschaften je nach den Verhältnissen des Einzelfalls auch noch zum typischen Gaststättengepräge gehören, dass dort neben dem Verzehr von Getränken noch Spielmöglichkeiten geboten und Geldspiel- und Warenspielgeräte aufgestellt werden und sich aus der nach § 3 Abs. 1 SpielV zulässigen Zahl an Geld- oder Warenspielautomaten ergeben, dass diese in Gasträumen mit dem Charakter als Schank- und Speisewirtschaft verträglich sind. Maßgebend ist hierbei aber jeweils der Schwerpunkt des Betriebes im Einzelfall (vgl. VGH BW, U.v. 28.11.2019 – 5 S 1790/17 – juris Rn. 35). Das Verwaltungsgericht hat hier nach dem Eindruck beim Augenschein angesichts der Größe des Gastraumes mit 75 m2 eine prägende Dominanz der Geldspielgeräte – unabhängig von deren konkreter Zahl – und vor allem aber der „hervorstechenden“ Dartspielgeräte angenommen, was angesichts der Raumaufteilung und der beim Augenschein gefertigten Lichtbilder nicht ernstlich zweifelhaft erscheint.
Das Verwaltungsgericht hat bei der Beurteilung der Gebietseinstufung das Vorliegen eines (faktischen) allgemeinen Wohngebiets allerdings nicht allein deshalb verneint, weil es die Pilsbar „K …“ als Vergnügungsstätte angesehen hat, sondern daneben – selbständig tragend – darauf abgestellt, dass es sich bei der Pilsbar keinesfalls um eine im allgemeinen Wohngebiet gebietsverträgliche Schank- und Speisewirtschaft handelt, weil diese nicht der Versorgung des Gebiets i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dient. Es begründet dies mit dem insgesamt beim Augenschein gewonnen Eindruck, insbesondere aufgrund der Außenbereichsgestaltung, der Lage sowie der Beleuchtung zur Nachtzeit. Dem tritt das Zulassungsvorbringen, das sich allein auf die Einstufung als Vergnügungsstätte bezieht, nicht entgegen. Stützt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung – wie hier – auf mehrere selbständig tragende Gründe, kommt eine Zulassung der Berufung nur dann in Betracht, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 9 ZB 15.2181 – juris Rn. 9). Dies ist hier nicht der Fall. Zu der vom Verwaltungsgericht verneinten fehlenden Verträglichkeit des Vorhabens bei Überschreitung des Rahmens der planungsrechtlichen Zulässigkeit verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht.
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht; die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Beklagte genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2020 – 9 ZB 18.1493 – juris Rn. 26). Die Rechtssache weist keine entscheidungserheblichen Fragen auf, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereiten, sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren herausheben (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2021 – 9 ZB 18.1513 – juris Rn. 12 m.w.N.). Die von der Beklagten angegriffene Einstufung der Pilsbar „K …“ als Vergnügungsstätte ist nicht entscheidungserheblich, da das Verwaltungsgericht zudem maßgebend darauf abgestellt hat, dass die Pilsbar jedenfalls nicht der Versorgung des Gebiets i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO diene und bei Zulassung des Vorhabens nicht zu befürchten sei, dass sich dies negativ auf die Umgebung auswirke.
3. Die Rechtssache hat nicht die von der Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2021 – 9 ZB 19.793 – juris Rn. 15). Dem wird das Zulassungsvorbringen, das schon keine konkreten Fragen formuliert, nicht gerecht.
Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass die Frage der Abgrenzung einer Vergnügungsstätte von einer Schank- und Speisewirtschaft anhand gesetzlich zulässiger Ausstattungselemente einer Gaststätte geklärt werden müsse, ist dies weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig. Abgesehen davon, dass die Frage nicht entscheidungserheblich ist, weil das Verwaltungsgericht maßgebend darauf abstellt, dass die Pilsbar „K …“ nicht der Versorgung des Gebiets i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dient, ist geklärt, dass die Abgrenzung nach dem Schwerpunkt des Betriebs im Einzelfall zu erfolgen hat (vgl. BVerwG, B.v. 22.7.1988 – 1 B 89.88 – juris Rn. 4; U.v. 20.8.1992 – 4 C 54.89 – juris Ls. 2 und Rn. 14; BayVGH, B.v. 4.10.2017 – 1 ZB 15.1673 – juris Rn. 5) und das Erscheinungsbild sowie eine wertende Gesamtbetrachtung maßgebend sind (vgl. VGH BW, U.v. 9.11.2020 – 3 S. 2590 – juris Rn. 44; OVG Bremen, B.v. 30.3.2021 – 1 LA 1809/18 – juris Rn. 14). Eine darüberhinausgehende verallgemeinerungsfähige Bedeutung zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf. Ob der Beurteilung des Verwaltungsgerichts anhand der beim Augenschein getroffenen Feststellungen zu folgen ist, ist keine Frage grundsätzlicher Bedeutung (vgl. BVerwG, B.v. 29.10.1992 – 4 B 103.92 – juris Rn. 4).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.2.2 und Nr. 9.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie entspricht dem Beschluss des Senats vom 21. April 2021 (Az. 9 C 20.2619), mit dem der Streitwertbeschwerde des Bevollmächtigten des Klägers stattgegeben wurde.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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