Verwaltungsrecht

Vorläufige Zulassung zum Psychologiestudium – erfolglose Beschwerde

Aktenzeichen  7 CE 21.10039

Datum:
13.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28486
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayHZV § 7 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Maßgeblich für die Überbuchung ist das von der Hochschule prognostizierte Annahmeverhalten anhand der Erfahrungswerte der letzten Jahre. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Anlass zur Prüfung einer Überbuchung kann dann bestehen, wenn eine Hochschule in einem zulassungsbeschränkten Studiengang über mehrere aufeinander folgende Zulassungstermine hohe Überbuchungen vornimmt.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 E 20.10068 2021-02-17 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium Psychologie (BSc), 1. Fachsemester, an der F.-A.-Universität E.-N. (FAU) gemäß der Sach- und Rechtslage des Wintersemesters 2020/2021.
Sie macht geltend, dass mit der in der Satzung der FAU über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2020/2021 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 31. Juli 2020 festgesetzten Zahl von 88 Studienanfängerinnen und Studienanfängern die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
Das Verwaltungsgericht Ansbach hat den Antrag mit Beschluss vom 8. März 2021 abgelehnt. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass an der FAU über die kapazitätsdeckend vergebenen 103 Studienplätze hinaus noch weitere Studienplätze im Studiengang Psychologie (BSc) zur Verfügung stünden.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der vorliegenden Beschwerde.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht.
Das Verwaltungsgericht geht nach eingehender Prüfung der vorgelegten kapazitätsbestimmenden Faktoren und Ergebnisse der hochschulinternen Berechnungen für die Ermittlung der Zulassungszahl hinsichtlich des Studienjahres 2020/2021 zu Recht davon aus, dass die FAU ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Psychologie (BSc), 1. Fachsemester, ausgeschöpft hat. Der Verwaltungsgerichtshof folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, das allein die – vom Verwaltungsgericht nicht beanstandete – Überbuchung im streitgegenständlichen Studienjahr rügt, zu bemerken:
Nach § 7 Abs. 2 HZV (bzw. nach § 10 Abs. 1 Satz 4 in der bis 30.11.2019 geltenden Fassung) kann die Hochschule bei der Durchführung ihrer Auswahlverfahren durch Überbuchung der Zulassungszahlen berücksichtigen, dass vergebene Studienplätze voraussichtlich nicht besetzt werden. Damit soll ausgeglichen werden, dass zugeteilte Studienplätze nicht angenommen werden und die vorhandene Ausbildungskapazität möglichst erschöpfend genutzt wird. Maßgeblich ist hierfür das von der Hochschule prognostizierte Annahmeverhalten anhand der Erfahrungswerte der letzten Jahre (stRspr des Senats, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 7.1.2020 – 7 CE 19.10082 – juris Rn. 10; B.v. 19.9.2018 – 7 CE 18.10008 – juris Rn. 13). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Frage, wie viele Bewerberinnen und Bewerber die ihnen im Dialogorientierten Serviceverfahren (DoSV) angebotenen Studienplätze tatsächlich annehmen werden, um eine Prognoseentscheidung handelt, die erheblichen Unsicherheiten unterliegt. Daher lässt auch eine – in der ex-post-Betrachtung – fehlerhafte Prognose nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass die Hochschule vorhandene Ausbildungskapazität verschwiegen hätte. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Hochschule bei der Vergabe der überbuchten Studienplätze willkürlich oder rechtsmissbräuchlich gehandelt hat, etwa um tatsächlich vorhandene Kapazitäten zu verschleiern (vgl. NdsOVG, B.v. 20.2.2013 – 2 NB 386.12 – juris Rn. 23) oder um die Führung von Prozessen, die eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung festgesetzter Zulassungszahlen ermöglichen, zu konterkarieren (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.2011 – 6 CN 3.10 – juris Rn. 36). Der Senat hat hierzu mit Beschluss vom 4. April 2013 – 7 CE 13.10002 – (juris Rn. 11 f.) festgestellt, dass Anlass zur Prüfung einer Überbuchung dann bestehen kann, wenn eine Hochschule in einem zulassungsbeschränkten Studiengang über mehrere aufeinander folgende Zulassungstermine hohe Überbuchungen vornimmt. Dann muss geprüft werden, ob sich das von der Hochschule prognostizierte Annahmeverhalten auch unter Berücksichtigung aller hierbei bestehenden Unsicherheiten noch hinreichend auf Erfahrungswerte der letzten Jahre stützen lässt, oder ob die Hochschule selbst davon ausgeht, dass über die festgesetzte Zulassungszahl hinaus noch nutzbare Ausbildungskapazität vorhanden ist. Von Letzterem wird allerdings nur in Ausnahmefällen auszugehen sein. Eine punktgenaue Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungskapazität wird sich kaum erreichen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2021 – 7 CE 20.10001 u.a. – juris Rn. 12).
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass im streitgegenständlichen 1. Fachsemester eine Überbuchung um etwa 17% mit 103 zugelassenen Studierenden bei einer Zulassungszahl von „92“ (offensichtlich gemeint ist die in der Satzung genannte Zulassungszahl von 88 – siehe auch Seite 3 des angefochtenen Beschlusses -, da sich die festgestellten 17% aus dieser Zulassungszahl ergeben und nicht aus 92) zu verzeichnen sei und keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Überbuchung vorlägen. Dagegen hat die Antragstellerin nichts Substantielles vorgebracht, insbesondere lässt auch die von der Beschwerdebegründung reklamierte mathematische Ermittlung des „idealen Überbuchungsfaktors“ keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die FAU die Überbuchung willkürlich – d.h. zu anderen Zwecken als der zeitnahen Ausschöpfung der Ausbildungskapazität der Hochschulen dienend (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2013 – 7 CE 13.10109 – juris Rn. 9) – vorgenommen hätte.
Der Antragsgegner hat zudem im Beschwerdeverfahren glaubhaft aufgezeigt, warum und wie die Überbuchung zustande gekommen ist. Er hat hierzu nachvollziehbar ausgeführt, dass die Überbuchung dem System des dezentralen Dialogorientierten Serviceverfahrens und einer nicht vorhersehbaren unüblichen und einmaligen Situation geschuldet gewesen sei. Im letzten Jahr hätten viele Bewerber und Bewerberinnen, die ein Zulassungsangebot im Studiengang Psychologie (BSc) für die FAU erhalten hätten, dieses nicht angenommen und abgewartet, ob es in einem anderen höher priorisierten Studiengang oder an einer anderen favorisierten Universität ein Studienangebot geben werde. Dadurch seien über drei Wochen Studienplätze blockiert worden, von denen nicht absehbar gewesen sei, ob diese nicht doch angenommen würden, weshalb eine Überbuchung erfolgt sei, um die Auslastung der Kapazität sicherzustellen. Am Ende des Koordinierungsverfahrens am 30. September 2020 seien dann diese Angebote im DoSV automatisch in eine Zulassung umgewandelt worden. Erfahrungsgemäß führten diese „Zwangszulassungen“ nicht im großen Umfang zu Immatrikulationen, in 2020 hätten die automatischen Zulassungen jedoch in unerwartet großem Umfang Einschreibungen in diesem Studiengang nach sich gezogen. Da Universitäten, die sich nicht am DoSV beteiligt hätten, diese Studierenden anscheinend nicht im sonst üblichen Umfang zugelassen hätten, seien nahezu keine Exmatrikulationen erfolgt und die Studierenden mangels favorisierter Angebote an der FAU verblieben.
Abgesehen davon kommt es auf die kapazitätsrechtliche Wirksamkeit der Überbuchung der Zulassungszahl nicht an. Alle die Ausbildungskapazität der FAU erschöpfenden Studienplätze sind vergeben; Anhaltspunkte dafür‚ dass im begehrten Studiengang weitere freie Kapazitäten vorhanden sind‚ ergeben sich aus der vom Verwaltungsgericht überprüften Kapazitätsberechnung nicht und werden auch von der Antragstellerin nicht vorgetragen. Nur unter dieser Voraussetzung wäre jedoch die kapazitätsrechtliche Wirksamkeit einer Überbuchung von Belang für die Frage, ob der Antragstellerin ein Recht auf Zuteilung eines Studienplatzes zusteht (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2021 – 7 CE 20.10001 u.a. – juris Rn. 21).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.


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