Aktenzeichen M 23 S 17.34432
Leitsatz
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 36 AsylG auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller, nach eigenen Angaben pakistanischer Staatsangehöriger vom Volke der Punjabis und sunnitischen Glaubens, reiste am … September 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … August 2016 einen Asylantrag.
In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am … November 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, seine Familie besitze in Pakistan kein eigenes Haus. Sein Bruder sei seit achtzehn Jahren behindert und schwer krank. Jedoch könne ihn die Familie nicht behandeln lassen, da sie nicht genügend Geld habe. Seine Eltern seien zu alt und er sei jetzt in Europa um die finanziellen Mittel zu verdienen. Er arbeite hier in Deutschland und schicke monatlich 500 bis 600 Euro nach Hause.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 17. Januar 2017, die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – nicht vorliegen (Ziffer 4.) und drohte dem Antragsteller mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Pakistan an (Ziffer 5.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller ausschließlich wirtschaftliche Gründe geltend gemacht habe. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Der Antragsteller sei erwerbsfähig und in der Lage, sich in Pakistan eine Lebensgrundlage zu schaffen.
Mit Schreiben vom … Februar 2017 (Bl. 133 d.A.) übermittelte der Antragsteller dem Bundesamt eine Vollmacht für seinen „Paten“ Herrn K.S., ihn in allen Angelegenheiten betreffend Asyl und Arbeitserlaubnis bei den entsprechenden Behörden zu vertreten. Ferner bat der Antragsteller darum, den Bescheid an ihn oder seinen Paten zu übersenden.
Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid am 21. Februar 2017 in den Briefkasten von Herrn K.S. eingelegt.
Am … März 2017 erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage gegen diesen Bescheid (Verfahren M 23 K 17.34430).
Zugleich beantragte der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Ferner wurde beantragt, dem Antragsteller Wiedereinsetzung in die abgelaufene Klagefrist zu gewähren. Der Kläger sei ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen, die Klagefrist von einer Woche einzuhalten. Der angefochtene Bescheid sei an die Adresse seines freiwilligen Helfers am 21. Februar 2017 zugestellt worden. Dieser habe versäumt, dem Antragsteller den schriftlichen Bescheid rechtzeitig auszuhändigen. Der Klage und dem Antrag war eine eidesstattliche Versicherung von Herrn K.S. beigefügt, wonach er aufgrund gesundheitlicher Probleme und Überlastung das Schreiben nicht gründlich gelesen und erst am 27. Februar 2017 an den Antragsteller weitergeleitet habe. Er habe übersehen, dass nur eine einwöchige Klagefrist bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, wobei Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt bleiben, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht ist daher, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG), zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG – und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage nach § 51 Ausländergesetz 1990 BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Entsprechend diesem Maßstab begegnet die Entscheidung des Bundesamts keinen ernstlichen Zweifeln. Das Gericht folgt den Gründen des angefochtenen Bescheids und nimmt auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine irgendwie geartete asylerhebliche Verfolgung oder Bedrohung. Das Gericht teilt die Auffassung der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller bereits eigenen Angaben zufolge nur aus wirtschaftlichen Gründen seine Heimat verlassen hat; demzufolge hat die Antragsgegnerin den Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt (§ 30 Abs. 2 AsylG). Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation in Pakistan und unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Antragstellers offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller als junger erwachsener Mann ist in der Lage, sein Existenzminimum in Pakistan zu sichern,
Die auf der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende Abschiebungsandrohung verbunden mit der einwöchigen Ausreisefrist nach §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist damit nicht zu beanstanden.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.