Verwaltungsrecht

Vorläufiger Rechtsschutz gegen Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis

Aktenzeichen  M 10 S 18.243

Datum:
9.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8127
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 81 Abs. 3
AsylG § 69 Abs. 1 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Antragsteller sein Ziel, die Ausreisepflicht auszusetzen, damit nicht erreichen kann und er unabhängig von der gerichtlichen Entscheidung über die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits ausreisepflichtig ist.  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein von einem Asylsuchenden während des laufenden Asylverfahrens gestellter Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels löst nicht die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG aus.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Ablehnung seiner Aufenthaltserlaubnis.
Der Antragsteller ist am 15. Oktober 2014 ohne Visum in das Bundesgebiet eingereist. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2014 hat die Regierung … den Antragsteller der Stadt … zugewiesen. Der Antragsteller ist weiterhin in … gemeldet, hält sich aber überwiegend in … auf.
Am 12. Januar 2015 stellte der Antragsteller einen Asylantrag beim Bundesamt für … und gab an, sierra-leonischer Staatsangehöriger zu sein.
Der Antragsteller gab in … eine Vaterschaftsanerkennung sowie eine Sorgerechtserklärung für ein deutsches Kind ab. Er wies sich gegenüber der Behörde mit einem gambischen Reisepass aus. Der Sohn wurde am … März 2017 geboren. Nach Angaben des Antragstellers im Asylverfahren hat er die Mutter seines Sohnes, eine deutsche Staatsangehörige, in einer Moschee geheiratet.
Der Antragsteller stellte am 18. April 2017 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug hinsichtlich seines deutschen Kindes. Mit Schreiben vom 18. April 2017 nahm der Antragsteller den Asylantrag gegenüber dem Bundesamt zurück. Mit Bescheid vom 21. April 2017 stellte das Bundesamt das Asylverfahren ein. Abschiebeverbote wurden nicht festgestellt. Eine Abschiebungsandrohung erfolgte durch das Bundesamt nicht. Der Bescheid wurde am 27. April 2017 zugestellt und ist mittlerweile bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 2017 hat die Antragsgegnerin den Antrag auf Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Am 15. Januar 2018 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 7. Dezember 2017 eingelegt und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Ferner hat er beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung werde gestellt, um die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 AufenthG wiederherzustellen. Durch die aufschiebende Wirkung der Klage werde das aufenthaltsrechtliche Verfahren verlängert und es werde dem Kläger ermöglicht, sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufzuhalten. Die Voraussetzungen des § 81 Abs. 3 AufenthG blieben gewahrt, denn der Kläger habe als Asylbewerber einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel gestellt. Dies sei ihm zu dem Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 39 Nr. 4 AufenthV möglich gewesen. Es komme nicht mehr darauf an, ob das Asylverfahren zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung gemäß § 55 Abs. 2 AufenthG beendet gewesen sei oder nicht. Nach dem Wortlaut des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG komme es lediglich auf das behördliche Verfahren zur Erteilung des Aufenthaltstitels an, welches durch die aufschiebende Wirkung der Klage noch nicht abgeschlossen sei. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 18. April 2017 habe keine Fiktionswirkung im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entfaltet. Der Antragsteller sei vielmehr seit dem Erlöschen seiner Aufenthaltsgestattung gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten in diesem Verfahren und dem Klageverfahren M 10 K 18.241 Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig.
Der Antragsteller verfolgt mit seinem Antrag das Rechtschutzziel, seine Ausreisepflicht auszusetzen. Die grundsätzlich bestehende aufschiebende Wirkung einer Klage (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) besteht nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht für Klagen gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis. Ein Kläger ist insoweit auf die Anordnung des Gerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO verwiesen, um die sofort vollziehbaren Rechtswirkungen der Ablehnung, insbesondere die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht zu suspendieren. Nach § 58 Abs. 2 AufenthG richtet sich die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht grundsätzlich nach der Vollziehbarkeit der Ablehnung eines Antrags auf Aufenthaltserlaubnis. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen der Antragsteller bereits aus anderen Gründen ausreisepflichtig ist. Ein Antrag bei Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO hat demnach nur ein Rechtschutzbedürfnis, wenn der Antragsteller sein Ziel, die Ausreisepflicht auszusetzen, damit überhaupt erreichen kann und nicht unabhängig von der gerichtlichen Entscheidung über die Ablehnung seines Antrags auf Aufenthaltserlaubnis bereits ausreisepflichtig ist.
Letzteres ist beim Antragsteller der Fall: Unabhängig von der Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ist er ausreisepflichtig. Das Gericht kann somit die Rechtstellung des Antragstellers selbst dann nicht verbessern, wenn es die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen sollte.
Grundsätzlich benötigt der Antragsteller zum Aufenthalt in der Bundesrepublik einen Aufenthaltstitel (§§ 3, 4 AufenthG). Der Antragsteller ist ohne Aufenthaltstitel nach Deutschland eingereist. Nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist ein unerlaubt Eingereister vollziehbar ausreisepflichtig.
Daran ändert nichts, dass der Antragsteller während seines Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG erhalten hat und sich somit in diesem Zeitraum rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Denn die Aufenthaltsgestattung ist nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG mit Zustellung der Einstellungsentscheidung des Bundesamts vom 21. April 2017 erloschen, nachdem der Antragsteller seinen Asylantrag zurückgenommen hatte.
Ebenso verhilft dem Antragsteller nicht zu einem rechtmäßigen Aufenthalt, dass er während der Geltung seiner Aufenthaltsgestattung einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis gestellt hat. Ein Antrag auf die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis kann zwar unter den Voraussetzungen des § 81 Abs. 3 AufenthG dazu führen, dass der Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gilt (sog. Fiktionswirkung). Nach § 81 Abs. 3 AufenthG ist erforderlich, dass der betreffende Antragsteller sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen. Zwar zählt die Aufenthaltsgestattung nicht zu den Aufenthaltstiteln des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und der Aufenthalt eines Asylbewerbers ist nach Stellung seines Asylantrags rechtmäßig.
Gleichwohl hat der Antrag nicht die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zur Folge. Denn nach dem spezielleren und damit vorrangigen § 55 Abs. 2 AsylG finden die Regelungen nach § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG keine Anwendung (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2015 – 10 C 15.1470 – juris; OVG Bremen, B.v. 27.10.2009 – 1 B 224/09 – juris; OVG NRW B. v. 17.3.2009 – 18 E 311/09 – juris). § 55 Abs. 2 AsylG sieht vor, dass mit der Stellung eines Asylantrags die Erlaubnis-/Duldungsfiktionen nach § 81 Abs. 3 oder 4 erlöschen (Satz 1); etwas anderes gilt nur dann, wenn der Ausländer die Verlängerung eines ihm zuvor bereits erteilten längerfristigen Aufenthaltstitels beantragt hat (Satz 2). Der Ausländer verliert mit der Asylantragstellung grundsätzlich das vorläufige Bleiberecht nach § 81 Abs. 3 AufenthG. Es wäre widersprüchlich, einen Ausländer, der den Aufenthaltstitel nach der Asylantragstellung beantragt, in dieser Hinsicht günstiger zu behandeln als einen Ausländer, der den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor dem Asylantrag gestellt hat. Dementsprechend stellt § 43 Abs. 2 AsylG klar, dass der Abschiebung eines Asylbewerbers § 81 AufenthG nicht entgegensteht, anders gilt nur im Fall der Verlängerung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels (siehe zu alldem Bergmann/Dienelt/Samel, AufenthG, § 81 Rn. 31-37).
Auch die Regelung des § 10 AufenthG steht diesem Befund nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung entfaltet ein laufender oder früherer Asylantrag bestimmte Sperrwirkungen hinsichtlich der Erteilung eines Aufenthaltstitels (vgl. Maor in BeckOK Ausländerrecht, § 10 AufenthG Rn. 1 ff.). § 10 Abs. 1 AufenthG regelt Ausnahmen dieser Sperrwirkung für die erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels (insbesondere in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs). Daraus lässt sich allerdings nicht herleiten, dass ein von einem Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens gestellter Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG begründet, zumal durch die asylrechtliche Aufenthaltsgestattung dessen Aufenthalt ohnehin legalisiert ist. § 39 Nr. 4 AufenthV enthält schließlich lediglich eine Ausnahme von der Pflicht zum Durchlaufen eines Visumverfahrens für Asylbewerber, denen nach § 10 Abs. 1 und 2 AufenthG ausnahmsweise ein Aufenthaltstitel erteilt werden darf, und kann in diesen Fällen ebenfalls nicht als durchgreifendes Argument für die Begründung der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG herangezogen werden (zu alledem: BayVGH, B.v. 28.9.2015 – 10 C 15.1470 – juris, Rn. 6)
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann somit mangels Rechtschutzbedürfnis keinen Erfolg haben (vgl. OVG Bremen, B.v. 27.10.2009 – 1 B 224/09 – juris).
Er war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog.


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