Verwaltungsrecht

Vorläufiger Rechtsschutz gegen Versetzung aus dienstlichen Gründen

Aktenzeichen  6 CS 20.3152

Datum:
1.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1711
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
GG Art. 33 Abs. 5
BBG § 28 Abs. 2 S. 1, § 44 Abs. 1 S. 3, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4, § 61 Abs. 1, § 78, § 92 Abs. 1 Nr. 1 lit. a
PostPersRG § 2 Abs. 2 S. 2, § 4 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Das Ziel, einen seit geraumer Zeit beschäftigungslosen Beamten in eine Dauerbeschäftigung zu vermitteln, ist ein hinreichender Grund für eine Versetzung. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dass ein nicht gewünschter Ortswechsel den Beamten und seine Familie belastet und auch gesundheitlich ungünstiger ist als der gewünschte Verbleib am bisherigen Ort, liegt im Rahmen der regelmäßigen Nachteile einer Versetzung, die grundsätzlich in Kauf genommen werden müssen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Dienstherr ist nicht verpflichtet, zur Vermeidung einer Versetzung am bisherigen Dienstort eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit zu suchen, eine Stelle freizuräumen oder zu schaffen oder einen in der neuen Organistionseinheit nicht vorgesehenen Heimarbeitsplatz einzurichten. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Dem privaten Interesse des Beamten, zur Betreuung der Kinder am bisherigen Wohnort zu bleiben, wird durch die gesetzliche Möglichkeit, sich ohne Besoldung beurlauben zu lassen, hinreichend Rechnung getragen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
5. Das private Interesse, von den Vollzugsfolgen einer offensichtlich rechtmäßigen Versetzung durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung vorläufig verschont zu werden, ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer außergewöhnlicher Umstände schutzwürdig. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21b S 20.5613 2020-12-03 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 3. Dezember 2020 – M 21b S 20.5613 – wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die 1968 geborene, mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern im Alter von 12, 15 und 17 Jahren in M. (Oberbayern) wohnende Antragstellerin steht als Beamtin auf Lebenszeit (Postamtsrätin der Besoldungsgruppe A 12) im Dienst der Antragsgegnerin. Sie ist der Deutschen Telekom AG (Telekom) zugeordnet und seit dem 1. Januar 2017 ohne Beschäftigung, nachdem ihr bisheriger Arbeitsplatz in M. nach einer Umstrukturierung der Organisationseinheit weggefallen ist.
Nach Anhörung der Antragstellerin und Beteiligung des Betriebsrats (Beschluss der Einigungsstelle vom 28.4.2020 und 9.6.2020) versetzte die Telekom mit Bescheid vom 7. Juli 2020 die Antragstellerin mit Wirkung vom 1. Dezember 2020 zur Organisationseinheit Telekom Placement Services (TPS) an den Dienstort Darmstadt unter Übertragung eines mit A 12 bewerteten Personalpostens als „Senior Referentin Projektmanagement im Bereich Business Projects“ mit einer Wochenarbeitszeit von 27,5 Stunden.
Gegen die Versetzungsverfügung legte die Antragstellerin Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden ist.
Am 3. November 2020 hat sie beim Verwaltungsgericht beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2020 anzuordnen. Zur Begründung macht sie insbesondere geltend, dass ihr Ehemann in M. arbeite und daher örtlich gebunden sei. Die Eheleute hätten drei minderjährige Kinder, welche zweisprachig aufwüchsen und in M. ein französisches Gymnasium besuchten. Bei einem Umzug würden die Kinder aus ihrer aktuellen Ausbildung herausgerissen. Eine professionelle Kinderbetreuung übersteige finanziell die Möglichkeiten der Familie. Hinzu kämen weitere Kosten für die Zweitwohnung in Darmstadt sowie Fahrtkosten. Daneben sei für die Antragstellerin ein erheblicher psychischer Leidensdruck zu befürchten. Die Versetzung verstoße daher gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Die Antragstellerin habe über 15 Jahre hinweg ihre Tätigkeit mit sehr guten Arbeitsergebnissen aus dem Homeoffice heraus ausgeübt, weshalb nicht nachvollziehbar sei, dass diese Möglichkeit hier nicht ebenfalls in Betracht komme. Schließlich habe sich der Dienstherr nicht bemüht, einen Einsatz der Antragstellerin am Standort M. zu ermöglichen.
Mit Beschluss vom 3. Dezember 2020 hat das Verwaltungsgericht den von der Antragstellerin gestellten Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt. Die Versetzung der Antragstellerin sei nach summarischer Prüfung sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht rechtmäßig. Sie sei durch hinreichende dienstliche Gründe gerechtfertigt. Der für die Antragstellerin vorgesehene Arbeitsposten am Standort Darmstadt sei frei und müsse im Interesse einer geregelten Arbeitserledigung besetzt werden. Zudem sei der Anspruch der Antragstellerin auf amtsangemessene Beschäftigung zu erfüllen. Ein wohnortnäherer Einsatz sei von der Antragsgegnerin geprüft worden, aber nicht möglich gewesen. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch darauf, ausschließlich aus dem Homeoffice heraus zu arbeiten, weil eine solche Möglichkeit für die Organisationseinheit TPS nicht vorgesehen sei. Die Antragsgegnerin habe das ihr durch § 28 Abs. 2 BBG eingeräumte Versetzungsermessen ohne Rechtsfehler ausgeübt. Eine Versetzung erscheine nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar, obwohl der neue Dienstort ca. 400 km vom Wohnort der Antragstellerin entfernt liege, so dass ein Umzug oder die Begründung eines Zweitwohnsitzes erforderlich werde. Es gebe in Hessen mehrere Schulen, welche einen kombinierten deutsch-französischen Schulabschluss anbieten. Es stehe der Antragstellerin im Übrigen frei, sich gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a BBG unter Wegfall der Besoldung familienbedingt beurlauben zu lassen oder ihren Arbeitszeitanteil weiter zu verringern.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, auf deren Begründung Bezug genommen wird.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffende Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Aus den mit der Beschwerde innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründen besteht auch mit Blick auf die Lebenssituation der Antragstellerin und ihrer Familie kein ausreichend gewichtiger Grund, um die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Versetzung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen.
Im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin, ihrer Versetzung vorerst bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht Folge leisten zu müssen. Die streitige Versetzung ist – bei der im Eilverfahren angezeigten, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung – wohl rechtmäßig (1.). Das Interesse der Antragstellerin wiegt nicht so schwer, um gleichwohl abweichend von der gesetzlichen Grundregelung des § 126 Abs. 4 BBG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen und sie dadurch vorläufig von der Befolgungspflicht zu entbinden (2.).
1. Die Versetzung der Antragstellerin zur Organisationseinheit TPS auf einen Personalposten am Dienstort Darmstadt ist voraussichtlich rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der streitigen Verfügung, die aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen keinen formellen Bedenken begegnet (S. 9 des Beschlusses), ist § 28 Abs. 2 Satz 1 BBG. Danach ist eine Versetzung aus dienstlichen Gründen ohne Zustimmung des Beamten zulässig, wenn das neue Amt mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und die Tätigkeit aufgrund der Vorbildung oder Berufsausbildung zumutbar ist. Diese für Bundesbeamte allgemein geltende Vorschrift findet gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 PostPersRG auch auf die Beamten Anwendung, die – wie die Antragstellerin – bei den Postnachfolgeunternehmen beschäftigt und als solche Bundesbeamte sind (vgl. Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG). Bei der in Rede stehenden Personalmaßnahme handelt es sich um eine Versetzung in diesem Sinn. Zwar spricht die gesetzliche Definition des § 28 Abs. 1 BBG von der „Übertragung eines anderen Amtes bei einer anderen Dienststelle“. Bei Beamten der Postnachfolgeunternehmen, deren berufliche Tätigkeit (lediglich) als Dienst gilt (§ 4 Abs. 1 PostPersRG), tritt indes an die Stelle des Amtes der neue (abstrakt zu verstehende) Aufgabenbereich und an die Stelle des Dienststellenwechsels der Betriebswechsel (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 6 CS 19.1724 – juris Rn. 10; OVG Saarl, B.v. 19.1.2017 – 1 B 310/16 – juris Rn. 4 ff. m.w.N.). Demnach handelt es sich bei der streitigen Maßnahme um eine Versetzung, weil sie der seit dem 1. Januar 2017 beschäftigungslosen Antragstellerin den neuen (abstrakten) Aufgabenbereich einer „Senior Referentin Projektmanagement im Bereich Business Projects“ bei der Organisationseinheit TPS am Beschäftigungsort Darmstadt überträgt.
a) Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Versetzung sind, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, erfüllt.
Es bestehen – gewichtige – dienstliche Gründe für die Versetzung. Diese verfolgt wesentlich auch das Ziel, der seit geraumer Zeit beschäftigungslosen, aber voll alimentierten Antragstellerin eine (Dauer-)Beschäftigung zu vermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 6 CS 19.1724 – juris Rn. 12; B.v. 10.4.2018 – 6 ZB 18.324 – juris Rn. 7; B.v. 23.3.2017 – 6 B 16.1627 – juris Rn. 32; B.v. 9.7.2014 – 6 ZB 13.1467 – juris Rn. 10 m.w.N.). Die Versetzung liegt in einem solchen Fall nicht nur im betriebswirtschaftlichen Interesse der Antragsgegnerin, eine Gegenleistung für die fortlaufend gezahlten Bezüge zu erhalten, sondern auch im öffentlichen Interesse an einer sachgerechten und reibungslosen Aufgabenwahrnehmung. Durch sie wird der Beschäftigungsanspruch der Antragstellerin aus Art. 33 Abs. 5 GG erfüllt und damit ein – seit Jahren andauernder – rechtswidriger Zustand beseitigt.
Der der Antragstellerin bei der TPS übertragene Personalposten einer „Senior Referentin Projektmanagement im Bereich Business Projects“ bei der Organisationseinheit TPS in Darmstadt entspricht ihrem Statusamt als Postamtsrätin der Besoldungsgruppe A 12 in der Laufbahn des nichttechnischen Postverwaltungsdienstes. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass er der Laufbahn des technischen Dienstes zuzuordnen oder der Antragstellerin aufgrund ihrer Vorbildung oder Berufsausbildung nicht zumutbar wäre, sind nicht ersichtlich.
b) Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, hat die Telekom entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung ihr durch § 28 Abs. 2 BBG eröffnetes Versetzungsermessen auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange der Antragstellerin voraussichtlich ohne Rechtsfehler ausgeübt. Insbesondere erscheint die Versetzung der Antragstellerin nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar, obwohl der neue Dienstort Darmstadt ca. 400 km von ihrem Wohnort entfernt liegt, mithin ein tägliches Pendeln ausscheidet und ein Umzug oder die Begründung einer Nebenwohnung erforderlich wird.
(1) Ein Bundesbeamter muss nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die mit der Möglichkeit der Versetzung generell unvermeidlich verbundenen persönlichen, familiären und auch finanziellen Belastungen mit seinem Dienstantritt in Kauf nehmen. Das gilt insbesondere auch für die Belastungen, die auf einem Ortswechsel durch das ganze Bundesgebiet beruhen, denn jeder Bundesbeamte muss grundsätzlich damit rechnen, an verschiedenen Dienstorten in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt zu werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 6 ZB 18.324 – juris Rn. 10; B.v. 23.3.2017 – 6 B 16.1627 – juris Rn. 31; 24.7.2014 – 6 ZB 12.2055 juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 30.9.2014 – 1 B 1001/14 – juris Rn. 21). Der Dienstherr hat zwar bei beabsichtigten Personalmaßnahmen die sich aus der Lage der bisherigen Wohnung für den Betroffenen und gegebenenfalls auch seine Familie ergebenden Belastungen im Rahmen seiner Fürsorgepflicht (§ 78 BBG) zu berücksichtigen. Im Regelfall muss aber der durch eine seinen Dienstort verändernde Personalmaßnahme betroffene Beamte Nachteile, die sich aus dem Erfordernis des Ortswechsels ergeben, im Hinblick auf den Grundsatz der Versetzbarkeit eines Beamten als wesentlicher Bestandteil seiner Pflicht zur Dienstleistung (vgl. § 61 Abs. 1 BBG) grundsätzlich hinnehmen. Das gilt umso mehr, wenn die Personalmaßnahme – wie hier – wesentlich auch das Ziel verfolgt, einem zuletzt beschäftigungslosen, aber voll alimentierten Beamten eine dauerhafte Beschäftigung zu übertragen (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 6 CS 19.1724 – juris Rn. 15; B.v. 23.3.2017 – 6 B 16.1627 – juris Rn. 32).
Einen etwaigen schlechten Gesundheitszustand des Beamten oder eines Familienangehörigen, der die Belastung durch einen Ortswechsel verstärken würde, muss der Dienstherr in seine Abwägung einbeziehen. Die Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung wird der Dienstherr im Allgemeinen nicht in Kauf nehmen dürfen. Dagegen muss ihn nicht jede Möglichkeit einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung von einer Versetzung aus dienstlichen Gründen abhalten. Dass ein – nicht gewünschter – Ortswechsel den Beamten und seine Familie belastet und auch gesundheitlich ungünstiger ist als der gewünschte Verbleib am bisherigen Ort, liegt im Rahmen der regelmäßigen Nachteile einer Versetzung, die grundsätzlich in Kauf genommen werden müssen (Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, BBG 2009 § 28 Rn. 80 m.w.N.).
(2) In Anwendung dieses – strengen – gesetzlichen Maßstabs durfte und darf die Telekom wohl davon ausgehen, dass der Antragstellerin die Versetzung und der damit zwangsläufig verbundene Ortswechsel zumutbar sind. Dem stehen die mit der Beschwerdebegründung samt Anlagen vorgetragenen Einwendungen nicht entgegen.
Ohne Erfolg bleibt die Rüge, dass die seitens der TPS zugesagte Unterstützung durch die gute Vernetzung und eine Hilfestellung bei der Stellensuche nicht in dem zugesicherten Maße geleistet worden sei. Für den Dienstherrn besteht nämlich keine Suchpflicht nach anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten, wie sie das Gesetz in § 44 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 bis 4 BBG zur Vermeidung einer Versetzung wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand vorsieht. Die Antragstellerin kann auch nicht beanspruchen, dass für sie eine wohnortnahe Stelle frei geräumt oder eingerichtet wird (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 6 CS 19.1724 – juris Rn. 21). Wie das Verwaltungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, besteht auch kein Anspruch der Antragstellerin darauf, weiterhin ausschließlich aus dem Homeoffice heraus zu arbeiten, weil ihr bisheriger Arbeitsplatz in M. nach einer Umstrukturierung weggefallen und eine derartige – im Organisationsermessen des Dienstherrn stehende – Möglichkeit für die Organisationseinheit TPS bislang nicht vorgesehen ist. Dass die Antragstellerin im Zeitraum von 2016 bis jetzt rund 40 Bewerbungen um eine Stelle in M. geschrieben hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dass sie in diesem Zeitraum u.a. an Qualifizierungen teilgenommen, Stellenangebote analysiert, sich intern und extern beworben sowie marktübliche Änderungen im Zusammenhang mit der beruflichen Neuorientierung recherchiert hat, ändert nichts daran, dass sie seit dem 1. Januar 2017 für die Antragsgegnerin keine adäquate Gegenleistung mehr erbringt, obwohl sie von dieser weiterhin voll alimentiert wird.
Auch unter Berücksichtigung der notwendigen Betreuung der drei 12, 15 und 17 Jahre alten Kinder der Antragstellerin, die das französische Abitur (Baccalauréat) machen wollen, erscheint die Versetzung nach summarischer Prüfung nicht unzumutbar. Das gilt auch mit Blick darauf, dass die älteste Tochter im Mai 2021 das Baccalauréat schreiben und an der selektiven Aufnahmeprüfung zum Studium an der HEC (Hautes Etudes Commerciales) teilnehmen wird sowie angesichts der derzeit bestehenden, die Gesamtbevölkerung u.a. in Deutschland betreffenden Coronavirus-Pandemielage. Dabei steht außer Frage, dass ein mit der Versetzung zwangsläufig verbundener Ortswechsel erhebliche Auswirkungen auf die Lebenssituation der Antragstellerin und ihrer Familie haben dürfte. Das private Interesse der Antragstellerin, zur Betreuung ihrer Kinder am bisherigen Wohnort zu bleiben, muss jedoch hinter dem erheblichen öffentlichen Interesse zurücktreten, einer seit Jahren beschäftigungslosen, aber voll alimentierten Beamtin durch die Versetzung eine amtsangemessene Beschäftigung zu geben. Das ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BBG (i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 PostPersRG). Nach dieser Vorschrift wird Beamtinnen und Beamten, die Anspruch auf Besoldung haben, auf Antrag Teilzeitbeschäftigung oder Urlaub ohne Besoldung bewilligt, wenn sie (u.a.) – wie die Antragstellerin – mindestens ein Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, tatsächlich betreuen oder pflegen. Diese Vorschrift ermöglicht einen hinreichenden Interessenausgleich zwischen dem privaten Belang des betreuungswilligen Beamten und dem öffentlichen Belang des Dienstherrn, dass der alimentierte Beamte die geschuldete Dienstleistung erbringt. Auf Grund dieser gesetzlichen Wertung ist es grundsätzlich und so auch im Fall der Antragstellerin nicht zu beanstanden, einen beschäftigungslosen, aber voll alimentierten Beamten, der keinen Antrag nach § 92 BBG stellt, durch Versetzung eine Beschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von 27,5 Stunden zu übertragen, die der privaten Entscheidung zur Betreuung von Angehörigen zuwiderläuft (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 6 CS 19.1724 – juris Rn. 19; OVG NW, B.v. 25.9.2013 – 1 B 571/13 – juris Rn. 20; B.v. 7.6.2018 – 1 B 346/18 – juris Rn. 19; VGH BW, B.v. 20.6.2017 – 4 S 869/17 – juris Rn. 27). Die Antragstellerin kann auch unter Berücksichtigung ihrer Lebenssituation nicht die ungeschmälerte Fortzahlung der Besoldung unter gleichzeitiger Verschonung von der Dienstleistungspflicht verlangen (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 6 CS 19.1724 – juris Rn. 19).
Den privaten Belangen der Antragstellerin hat die Telekom auch dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass die Versetzung nach Anhörung vom 4. Februar 2019 mit Verfügung vom 7. Juli 2020 erst mit Wirkung zum 1. Dezember 2020 ausgesprochen wurde. Damit wurde eine angemessene Zeit zum Umzug und zur Neugestaltung der Betreuungssituation für die Kinder eingeräumt.
Die Versetzung ist auch nicht deshalb unzumutbar, weil der neue Arbeitsort etwa 400 km vom bisherigen Wohnort entfernt ist. Ein wohnortnäherer Einsatz ist von der Telekom geprüft worden, aber nicht möglich gewesen. Im Übrigen besteht keine Suchpflicht des Dienstherrn nach anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten, wie sie das Gesetz in § 44 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 – 4 BBG zur Vermeidung einer Versetzung wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand vorsieht. Die Antragstellerin kann, wie oben bereits ausgeführt, auch nicht beanspruchen, dass für sie eine wohnortnahe Stelle frei geräumt oder eingerichtet wird (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 6 CS 19.1724 – juris Rn. 21).
2. Das Interesse der Antragstellerin, der voraussichtlich rechtmäßigen Versetzung gleichwohl bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens (Widerspruch und gegebenenfalls anschließendes gerichtliches Klageverfahren) nicht Folge leisten zu müssen, rechtfertigt es nicht, entgegen der gesetzlichen Grundregelung des § 126 Abs. 4 BBG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.
Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Versetzung keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann sie nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2 VwGO im Einzelfall schon vor Klageerhebung anordnen. Das scheidet in aller Regel freilich aus, wenn die Versetzung – wie hier – bei summarischer Prüfung rechtmäßig ist. Denn das private Interesse des Beamten, von den Vollzugsfolgen einer offensichtlich rechtmäßigen Versetzung entgegen § 126 Abs. 4 BBG verschont zu bleiben, ist regelmäßig nicht schutzwürdig. Besondere außergewöhnliche Umstände, diese Regel zugunsten der Antragstellerin zu durchbrechen, liegen nicht vor. Zum einen kann, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat (S. 14, 15, 17, 18 des Beschlusses) den ärztlichen Attesten nicht entnommen werden, dass die Versetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen bei ihr oder ihrer Familie führt. Zum anderen muss sich die Antragstellerin auch insoweit auf die Wertung des § 92 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BBG verweisen lassen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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