Verwaltungsrecht

Vorliegen eines Wettbüros

Aktenzeichen  M 8 E 16.4224

Datum:
7.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123
VwZVG VwZVG Art. 23 Abs. 1 Nr. 2, Art. 31 Abs. 3 S. 3

 

Leitsatz

Sind durch den Einbau einer Wand zwei Einheiten (Wettannahmestelle und Gastronomie mit Sportübertragungen) entstanden, zwischen denen keine direkte bauliche Verbindung (Verbindungstür) besteht, so ist gleichwohl von einem engen funktionalen und räumlichen Zusammenhang auszugehen, der hinsichtlich der betriebenen Nutzungsart der Räume den bauplanungsrechtlichen Charakter eines Wettbüros und damit einer Vergnügungsstätte begründet, wenn die beiden Einheiten unmittelbar nebeneinander in einem Gebäude liegen und über die nur einige Meter voneinander entfernt liegenden Eingangstüren fußläufig unkompliziert erreicht werden können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag gegen eine Fälligkeitsmitteilung der Antragsgegnerin vom 12. August 2016.
Die Antragstellerin betrieb in den Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Anwesens …-straße 165, Fl. Nr. … Gem. …, zunächst ein Wettbüro. Mit Bescheid vom 14. März 2016, der … zugestellt am 24. März 2016, ordnete die Antragsgegnerin auf der Grundlage der Erkenntnisse verschiedener Orteinsichten im Herbst 2015 nach Anhörung vom 10. November 2015 an, die Nutzung als Wettbüro im Erdgeschoss des Anwesens (Wettbüro …) unverzüglich, spätestens innerhalb von fünf Wochen nach Zustellung aufzugeben und in Zukunft zu unterlassen (Nr. 1), verfügte die sofortige Vollziehung (Nr. 2) und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Verpflichtung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro an (Nr. 3). Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21. April 2016 Klage erhoben, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen M 8 K 16.1844 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist. Den Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des Bescheids vom 14. März 2016 auszusetzen, lehnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19. Mai 2016 ab.
Bei einer Ortseinsicht der Antragsgegnerin vom 25. Mai 2016 wurde festgestellt, dass die Nutzung als Wettbüro nicht aufgegeben worden war. Daraufhin erging am 3. Juni 2016, der Antragstellerin zugestellt am 9. Juni 2016, eine Fälligkeitsmitteilung hinsichtlich des in Nummer 3 des Bescheids vom 14. März 2016 angedrohten Zwangsgelds in Höhe von 5.000 Euro sowie eine erneute Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 7.500 Euro für den Fall, dass der Verfügung vom 14. März 2016 nicht unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von drei Tagen nach Zustellung, Folge geleistet wird.
Unter dem 14. März 2016 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer Ladenfläche in ein Wettbüro. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19. Mai 2016, der Antragstellerin zugestellt am 21. Mai 2016, ab. Zur Begründung wurde von der Antragsgegnerin im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben verstoße gegen Bauplanungsrecht. Das Vorhaben füge sich nach der Art der baulichen Nutzung als Vergnügungsstätte nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Das Gebiet entspreche einer Gemengelage mit hohem Wohnanteil. Insbesondere liege kein Mischgebiet, kein Kerngebiet und auch kein Gewerbegebiet vor. Entsprechende Ausnahmemöglichkeiten bestünden somit nicht. Es gebe bislang dort keine genehmigte Vergnügungsstätte, so dass die erstmalige Errichtung städtebauliche Spannungen auslösen würde, die geeignet wären, als negativer Bezugsfall zu dienen. Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17. Juni 2016 Klage erhoben, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen M 8 K 16.2732 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist.
Unter dem 6. Juli 2016 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung der Ladenfläche in einen kleineren Laden und in eine Gaststätte. Nachdem die Antragstellerin auf die Aufforderung der Antragsgegnerin vom 28. Juli 2016 zur Beibringung von verschiedenen weiteren Bauvorlagen bis 16. August 2016 nicht reagiert hatte, teilte ihr die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17. August 2016, zugestellt am 19. August 2016, mit, dass der Bauantrag nach Art. 65 Abs. 2 BayBO als zurückgenommen gelte.
Bei einer weiteren Ortseinsicht am 8. Juli 2016 wurde von der Antragsgegnerin festgestellt, dass das ehemalige Wettbüro durch eine nachträglich eingebaute Wand in zwei Einheiten aufgeteilt worden ist. Dabei handle es sich um eine Ladeneinheit als Wettannahmestelle und eine Einheit, die als Gastraum mit Sportübertragungen genutzt werde.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 12. August 2016, der Antragstellerin zugestellt am 17. August 2016, teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass das in Nummer II.1 des Bescheids vom 3. Juni 2016 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 7.500 Euro fällig geworden ist und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro für den Fall an, dass der Verfügung vom 14. März 2016 nicht unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von drei Tagen nach Zustellung, Folge geleistet wird. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei einer erneuten Kontrolle am 8. Juli 2016 festgestellt worden sei, dass die aktive Nutzung als Wettbüro nach wie vor nicht aufgegeben sei. Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 14. September 2016 Klage erhoben, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen M 8 K 16.4198 anhängig ist und über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig begehrt die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz gegen die Fälligkeitsmitteilung im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO. Sie beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus der Mitteilung der Antragsgegnerin in Nummer I des Bescheids vom 12. August 2016 einstweilen einzustellen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das im Bescheid vom 3. Juni 2016 angedrohte Zwangsgeld sei entgegen der Fälligkeitsmitteilung im Bescheid vom 12. August 2016 nicht fällig geworden. Der Bescheid vom 3. Juni 2016 beziehe sich auf die Nutzungsuntersagung vom 14. März 2016. Diese betreffe die Nutzung der Räumlichkeiten als Wettbüro, die jedoch zum 1. Juni 2016 aufgegeben worden sei. Es seien ein kompletter Umbau der Räumlichkeiten, eine vollständige Trennung der Gaststätte und der benachbarten Ladenfläche, die Einrichtung eines Verkaufsraums, die Einrichtung eines Verkaufstresens für Wettscheine und eine vollständige Trennung zwischen den Räumlichkeiten, die mit Bildschirmen versehen sind und zum Verkauf von Wettscheinen dienen, erfolgt. In den Verkaufsräumlichkeiten würden keine Sportereignisse übertragen. Es fänden dort auch keine Livewetten unter Beobachtung des Ausgangs der Wetten statt. Eine Verfolgung von Liveübertragungen bzw. von Wettergebnissen sei nicht möglich. Die erlaubnisfreie Gaststätte sei vollständig von der Wettannahme getrennt. Die Kunden müssten über den Gehweg, also den Außenbereich einen neuen Eingang benutzen. Obwohl der Antragsgegnerin diese komplette Trennung bekannt gewesen sei, habe sie basierend auf der Nutzungsuntersagung vom 14. März 2016, die allerdings komplett andere Räumlichkeiten und eine vollständig andere Nutzung betroffen habe, ein weiteres Zwangsgeld fällig gestellt. Die Fälligkeitsmitteilung vom 12. August 2016 basiere auf der ursprünglichen Nutzungsuntersagung vom 14. März 2016 als Grundverwaltungsakt, der allerdings die jetzige Nutzung gar nicht betreffe. Die Antragstellerin habe die Zwangsgeldfestsetzung vom 3. Juni 2016 akzeptiert, da sie die Nutzung zu spät aufgegeben habe. Damit sei die Angelegenheit allerdings erledigt. Die Nutzungsuntersagung vom 14. März 2016 trage als Grundentscheidung nicht mehr die nach dem Umbau verfügte Fälligstellung des Zwangsgelds. Vielmehr hätte es einer neuen Nutzungsuntersagung nach Neuprüfung des Bauantrags nebst entsprechender Zwangsgeldandrohung bedurft. Insoweit bestehe ein Anordnungsanspruch, da sich die tatsächlichen Verhältnisse vollständig geändert hätten. Auch bestehe ein Anordnungsgrund. Nachdem es sich um einen durchaus erheblichen Geldbetrag handele und die Summe möglicherweise geeignet sein könnte, finanzielle Schwierigkeiten bei der Antragstellerin zu verursachen, erscheine bei einer Gesamtschau, nämlich dem zweifelsohne gegebenen Anordnungsanspruch, der bisher nicht vorhandenen neuen Grundentscheidung nebst Zwangsgeldandrohung sowie der Höhe des Zwangsgeldes, ein ausreichender Anordnungsgrund gegeben.
Die Antragsgegnerin legte mit Schriftsatz vom 23. September 2016 die Behördenakten vor und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie tritt dem Vorbringen der Antragstellerin im Einzelnen unter Verweis auf den Akteninhalt und die Ausführungen im streitbefangenen Bescheid entgegen und vertieft ihren entsprechenden Vortrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie in den Verfahren M 8 K 16.1844, M 8 K 16.2732 und M 8 K 16.4198 Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin, der sich auf die Fälligkeitsmitteilung der Antragsgegnerin vom 12. August 2016 bezieht, ist zwar zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
1. Eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 der genannten Vorschrift auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Dabei muss die Antragstellerin einen Anordnungsgrund und das Bestehen eines Anordnungsanspruchs geltend und die zur Begründung notwendigen Tatsachen glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).
Die von der Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragte einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Fälligkeitsmitteilung vom 12. August 2016 stellt einen solchen Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar. Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Sicherungsanordnung kann die Antragstellerin, die den Eintritt der mitgeteilten Fälligkeit eines Zwangsgeldes bestreitet, erreichen, dass das Verwaltungsgericht es der Antragsgegnerin einstweilen, d. h. bis zur Entscheidung in der Hauptsache, untersagt, das Zwangsgeld beizutreiben.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Anordnungsanspruch ist dabei grundsätzlich der im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Rechtsanspruch, vorliegend also der im Wege einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO geltend gemachte Anspruch auf Feststellung, dass keine Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes eingetreten ist. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 14. September 2016 eine solche Feststellungsklage erhoben, über die von der Kammer bislang im Verfahren M 8 K 16.4198 noch nicht entschieden wurde. Die Feststellungsklage ist dabei auch die statthafte Klageart, da eine Fälligkeitsmitteilung keinen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellt. Es fehlt ihr an der erforderlichen Regelungswirkung; sie stellt vielmehr nur eine – an sich gesetzlich nicht vorgeschriebene – Mitteilung des gesetzlichen Bedingungseintritts nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG dar (vgl. BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 3).
2. Nach summarischer Prüfung hat die Antragstellerin mit ihrem Klagebegehren voraussichtlich keinen Erfolg, da die Fälligkeit des in Nummer II.1 des Bescheids vom 3. Juni 2016 angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 7.500 Euro eingetreten ist.
2.1. Nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG können Verwaltungsakte vollstreckt werden, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet ist; nach Art. 19 Abs. 2 BayVwZVG setzt die Vollstreckung voraus, dass der zur Zahlung von Geld oder zu einer sonstigen Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung Verpflichtete seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Hinsichtlich der Verpflichtung aus Nummer 1 des Bescheides vom 14. März 2016, die Nutzung als Wettbüro im Erdgeschoss des Anwesens …straße 165, Fl. Nr. … zur Eigennutzung oder Überlassung an Dritte unverzüglich, spätestens innerhalb von fünf Wochen nach Zustellung aufzugeben und in Zukunft zu unterlassen, wurde in Nummer 2 dieses Bescheides die sofortige Vollziehung angeordnet. Zudem wurde unter Nummer 3 für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Verpflichtung in Nummer 1 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro angedroht. Zwar hat die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 14. März 2016 Klage erhoben, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen M 8 K 16.1844 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist; ein Antrag auf gerichtliche Wiederherstellung bzw. Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit der Verfügungen in Nummer 1 und 3 dieses Bescheids nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolgte jedoch nicht. Den bei der Antragsgegnerin gestellten Antrag auf behördliche Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO hat diese mit Schreiben vom 19. Mai 2016 abgelehnt
Sonach ist die Antragstellerin seit dem 29. April 2016 (fünf Wochen nach Zustellung des Bescheids vom 14.3.2016 am 24.3.2016) vollziehbar verpflichtet, die Nutzung als Wettbüro zu unterlassen.
2.2 Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG wird die Zwangsgeldforderung im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG fällig, wenn die Pflicht zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nach Art. 31 Abs. 1 BayVwZVG nicht bis zum Ablauf der Frist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG erfüllt wird. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel dabei so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist eine neue Androhung erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist.
Aufgrund der in den Akten der Antragsgegnerin dokumentierten Feststellungen im Ortstermin vom 25. Mai 2016 hatte die Antragstellerin die untersagte Nutzung als Wettbüro bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufgegeben. Mit Bescheid vom 3. Juni 2016 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass das in Nummer 3 des Bescheids vom 14. März 2016 angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist und drohte für den Fall, dass der Nutzungsuntersagung nicht unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von drei Tagen nach Zustellung Folge geleistet wird, erneut ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500 Euro an.
Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin anlässlich des Ortstermins vom 8. Juli 2016 hatte die Antragstellerin die Nutzung als Wettbüro auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgegeben. Das ehemals einheitlich betriebene Wettbüro war durch eine nachträglich eingebaute Wand in zwei Einheiten aufgeteilt worden, wobei die eine dieser Einheiten als Wettannahmestelle und die andere als Gastronomie mit Sportübertragungen genutzt wurde.
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung geht die Kammer davon aus, dass die Antragstellerin auch nach Ablauf der in Nummer II.1 des Bescheids vom 3. Juni 2016 gesetzten dreitägigen Frist am 13. Juni 2016 durch den fortgesetzten Betrieb eines Wettbüros wiederholt gegen die vollstreckbare Nutzungsuntersagungsverfügung verstoßen hat.
Unter den Begriff „Wettbüro“ fallen Räumlichkeiten, in denen zwischen dem Kunden (Spieler), dem Wettbüro (Vermittler) und dem – meist im europäischen Ausland ansässigen – Wettunternehmen Transaktionen abgeschlossen werden, wobei es sich um Sportwetten bzw. um Wetten auf diverse sonstige Ereignisse handelt. Im Regelfall kommt hinzu, dass die Räumlichkeiten – insbesondere durch die Anbringung von Bildschirmen – Gelegenheit bieten, die Wettangebote bzw. -ergebnisse live mit zu verfolgen. Dies unterscheidet ein Wettbüro von einer bloßen Wett- bzw. Lotto-/Toto-Annahmestelle (OVG NRW, B. v. 10.7.2012 – 2 A 1969/11 – juris). Wettbüros fallen unter den städtebaulichen Begriff der Vergnügungsstätte, da sie unter Ansprache des Spieltriebs ein bestimmtes gewinnbringendes Freizeitangebot vorhalten (HessVGH, B. v. 25.8.2008 – NVwZ-RR 2009, 143; vgl. auch BayVGH, U. v. v. 6.7.2005 – 1 B 01.1513 – juris). Wettbüros sind jedenfalls dann Vergnügungsstätten, wenn sie nicht nur Gelegenheit zur Abgabe von Wetten und zur Entgegennahme von Gewinnen, sondern zu einem wesentlichen Teil auch zur Unterhaltung und zum Spiel in der Zeit bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses aktueller Wetten bieten (VGH BW, B. v. 1.2.2007 – BauR 2007, 1217). Ein Wettbüro verliert dann den Charakter einer bloßen Wettannahmestelle und ist als Vergnügungsstätte zu werten, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung der Räumlichkeiten animiert werden, sich dort länger aufzuhalten und in geselligem Beisammensein (gemeinschaftliches Verfolgen der Sportübertragungen) Wetten abzuschließen (OVG Koblenz, B. v. 14.4.2011 – NVwZ-RR 2011, 635; OVG NRW, B. v. 14.2.2014 – 2 A 1181/13 – juris Rn.14; VG München, U. v. 11.5.2015 – M 8 K 14.50 – juris Rn. 39).
So liegt der Fall auch hier. Nach den bei den Behördenakten befindlichen Fotos und dem Aktenvermerk zur Ortseinsicht vom 8. Juli 2016 ergibt sich zwar, dass durch den Einbau einer Wand zwei Einheiten (Wettannahmestelle und Gastronomie mit Sportübertragungen) entstanden sind, zwischen denen keine direkte bauliche Verbindung (Verbindungstür) besteht. Eine Gesamtschau im Rahmen der hier gebotenenen summarischen Prüfung ergibt allerdings, dass die Wettannahmestelle und der Gastraum mit Sportübertragungen als eine organisatorische Einheit betrieben werden. Es ist von einem engen funktionalen und räumlichen Zusammenhang auszugehen, der hinsichtlich der von der Antragstellerin betriebenen Nutzungsart der Räume den bauplanungsrechtlichen Charakter eines Wettbüros und damit einer Vergnügungsstätte begründet. Die beiden Einheiten liegen unmittelbar nebeneinander in einem Gebäude und können über die nur einige Meter voneinander entfernt liegenden Eingangstüren fußläufig unkompliziert erreicht werden. Es liegt mithin nahe, dass die im Gastraum aufgestellten 24 Bildschirme, auf denen nicht nur Sportereignisse live verfolgt werden können, sondern auch Wettergebnisse und Quoten gezeigt werden, ganz überwiegend der Information und Unterhaltung der Kunden der Wettannahmestelle dienen sollen und zwischen den beiden Einheiten ein enger betriebsorganisatorischer Zusammenhang besteht. Dies bestätigt sich auch durch dem Umstand, dass nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin eine Bewirtung von Gästen mit Getränken und Speisen im Gastraum nicht in bedeutsamer Weise stattfindet, sondern dort lediglich ein Getränke- und Kaffeeautomat aufgestellt ist. Auch erweisen sich die Schaufenster als einheitlich mit der Werbeaufschrift „…“ beklebt. Nach den Feststellungen bei der Ortseinsicht am 8. Juli 2016 zeigten zudem sämtliche Bildschirme sowohl in der Wettannahmestelle als auch im Gastraum den Namenszug „…“. Schließlich sind in der Gaststätte zwei Wettannahmegeräte aufgestellt. Auch wurde bei der Ortseinsicht nur eine Mitarbeiterin für beide Einheiten angetroffen.
An dieser Bewertung ändert auch nichts, dass, wie die Antragstellerin vorträgt, nach der räumlichen Trennung in der Wettannahmestelle keine Sportereignisse übertragen werden, somit dort keine Livewetten unter Beobachtung des Ausgangs der Wetten stattfinden und auch keine Aufenthaltsmöglichkeit, sondern nur Stehtische zum Ausfüllen von Wettscheinen vorhanden sind. Denn die Untersagungsverfügung in Nummer 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 14. März 2016 erfasst nach ihrem Regelungszweck und -umfang auch nach räumlicher Trennung durch Einziehen einer Wand die Nutzung der Räume im Erdgeschoss des Anwesens …straße 165 als Wettbüro. Nach wie vor sind dort – im Rahmen der nach dem vorstehenden Ausgeführten zulässigen und gebotenen Zusammenschau der beiden Nutzungseinheiten – alle Bestandteile zu verzeichnen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung ein Wettbüro ausmachen. Es handelt sich vorliegend nicht um zwei getrennte Gewerbebetriebe; vielmehr spricht die gesamte Ausstattung und der Betriebsablauf, wie er bei der Ortseinsicht am 8. Juli 2016 festzustellen war, dafür, dass gezielt ein sport(-wetten)affines Publikum angesprochen und angezogen werden soll, um den Abschluss von Wetten zu fördern. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass beide Einheiten von demselben Betreiber in einem Gebäude betrieben werden, nach außen einheitlich mit dem Schriftzug „…“ beworben werden und dieser Schriftzug auch auf sämtlichen Bildschirmen erscheint, ist, gerade mit Blick auch auf die historische Entwicklung der Nutzung, nicht von einem lediglich „einfachen“ räumlichen Zusammentreffen einer Wettannahmestelle und eines Gastronomiebetriebs auszugehen, sondern vielmehr von einer gewollten und gezielten Kombination, getragen von der Absicht, durch eine Umgehungskonstruktion das Verbot eines Wettbüros zu vermeiden.
3. Im Übrigen fehlt es auch an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht hat, dass es unter Berücksichtigung ihrer Interessen für sie nicht zumutbar ist, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Für eine Dringlichkeit in diesem Sinne reicht es nicht aus, dass die Beitreibung des Zwangsgeldes aufgrund seiner Höhe wirtschaftliche Auswirkungen bei der Antragstellerin hat. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlage der Antragstellerin wird vorliegend lediglich pauschal behauptet (vgl. Schriftsatz vom 14.9.2016, S. 15 f.). Eine Glaubhaftmachung anhand substantiierter Darlegungen erfolgte indes nicht (vgl. BayVGH, B. v. 8.11.2001 – 2 CE 01.2339 – juris Rn. 9). Insoweit fehlt es auch an einem Anordnungsgrund für die beantragte Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Zwangsvollstreckung einstweilig einzustellen.
4. Die Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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