Verwaltungsrecht

Vorrücken aus Einführungsklasse in 11. Gymnasialklasse auf Probe

Aktenzeichen  M 3 K 15.4264

Datum:
8.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 130159
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG Art. 53
GSO § 7 Abs. 2
GSO § 31

 

Leitsatz

1. Weder für einen Anspruch auf Genehmigung des Vorrückens aus einer Einführungsklasse in die 11. Gymnasialklasse auf Probe, noch für einen Anspruch auf Wiederholung der Einführungsklasse gibt es Rechtsgrundlagen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gesetzgeber hat bewusst von einem Vorrücken auf Probe für Schüler und Schülerinnen aus Einführungsklassen abgesehen und nicht etwa übersehen, dies zu regeln. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Interessenlage für Schüler und Schülerinnen aus Einführungsklassen ist nicht mit der für Jahrgangsklassenschüler vergleichbar, da Letztere einen Schulabschluss anstreben und einer Schulart angehören, während Schüler aus Einführungsklassen bereits einen Schulabschluss haben und durch die Einführungsklasse eine Alternative zum – ebenfalls möglichen – direkten Eintritt in eine Regelklasse des Gymnasiums haben. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Art. 53 Abs. 5 BayEUG ist nur auf Schülerinnen und Schüler anwendbar, die die Erlaubnis zum Vorrücken aus der bisher besuchten Jahrgangsstufe in die nächsthöhere Jahrgangsstufe nicht erhalten haben; Einführungsklassen zählen hingegen zu keiner derartigen Jahrgangsstufe. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Bescheide der Schule vom 27.07.2015 und vom 28.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Schule vom 14.09.2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Vorrücken auf Probe, noch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Wiederholung der Einführungsklasse zu, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.
Weder für den Hauptantrag der Klägerin auf Genehmigung des Vorrückens auf Probe, noch für den Hilfsantrag auf Wiederholung der Einführungsklasse sind Rechtsgrundlagen erkennbar. Weder die Gymnasialschulordnung (GSO) vom 23. Januar 2007 (GVBl. S. 68, BayRS 2235-1-1-1-K), die zuletzt durch § 8 der Verordnung vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 193) geändert worden ist, noch das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), das zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 23. Juni 2016 (GVBl. S. 102, 241) geändert worden ist, enthalten eine Rechtsgrundlage für das Vorrücken auf Probe oder das Wiederholen der Einführungsklasse im Falle ihres erfolglosen Besuchs.
1. Es besteht kein Anspruch auf Vorrücken auf Probe in die 11. Jahrgangsstufe des Gymnasiums.
1.1 § 31 GSO n.F. (ab 1.8.2016, der den gleich lautenden, im Bescheidszeitpunkt geltenden § 63 GSO in der Fassung vom 29.07.2010 ersetzt) und Art. 53 Abs. 6 BayEUG regeln lediglich das Vorrücken auf Probe von einer Jahrgangsstufe in die nächsthöhere Jahrgangsstufe. Die Klägerin besuchte jedoch keine Jahrgangsstufe des Gymnasiums im Sinne dieser Vorschriften sondern eine sogenannte Einführungsklasse im Sinne des § 7 GSO n.F. (ab 1.8.2016, der den gleich lautenden, im Bescheidszeitpunkt geltenden § 31 GSO in der Fassung vom 29.07.2010 ersetzt).
Das bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus hat von der nach § 7 Abs. 2 S. 1 GSO eingeräumten Möglichkeit zur Einrichtung von Einführungsklassen für geeignete Absolventinnen und Absolventen u.a. der Realschule Gebrauch gemacht. Die vom Ministerium als sogenannter „Abschluss mit Anschluss“ bezeichneten Einführungsklassen in den Gymnasien bereiten geeignete Absolventen mit Abschlusszeugnis der Realschule auf den Eintritt in die 11. Jahrgangsstufe der Oberstufe vor (https://www…de/…html). Gemäß § 7 Abs. 2 S. 3 GSO berechtigt der erfolgreiche Besuch einer Einführungsklasse zum Eintritt in die Jahrgangsstufe 11 des Gymnasiums. Bereits der Wortlaut der Vorschrift differenziert eindeutig zwischen der „Einführungsklasse“ einerseits und der „Jahrgangsstufe“ andererseits. Ebenso wird deutlich, dass der erfolgreiche Besuch der Einführungsklasse nicht zum „Vorrücken“, sondern zum „Eintritt“ in die 11. Jahrgangsstufe berechtigt. Auch vom Sinn und Zweck her ist die Einführungsklasse nicht mit einer Jahrgangsstufenklasse vergleichbar. Die Einführungsklasse ermöglicht den Realschulabsolventen ein zusätzliches Vorbereitungsjahr, bevor sie in die reguläre 11. Jahrgangsstufe des Gymnasiums eintreten. Die Möglichkeit, unmittelbar nach der 10. Klasse Realschule und dem Bestehen einer Aufnahmeprüfung (§ 7 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 6 GSO) in die 11. Jahrgangsstufe des Gymnasiums zu wechseln, bleibt ihnen unbenommen. Einführungsklassen nach § 7 Abs. 2 GSO sind somit nicht Teil einer bestimmten Jahrgangsstufe; vielmehr berechtigt erst der erfolgreiche Besuch einer Einführungsklasse zum Eintritt in eine Jahrgangsstufe (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 3 GSO). Deshalb kann § 31 Abs. 1 GSO nicht auf Schüler von Einführungsklassen angewendet werden. Gleiches gilt hinsichtlich Art. 53 Abs. 6 BayEUG, da diese Vorschrift nur das „Vorrücken“ auf Probe, nicht aber den „Eintritt“ in die Jahrgangsstufe 11 auf Probe regelt.
1.2 Eine analoge Anwendung der § 31 Abs. 1 GSO und Art. 53 Abs. 6 BayEUG kommt nicht in Betracht. Diese setzt einerseits eine planwidrige Regelungslücke voraus, andererseits eine vergleichbare Interessenlage. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.
Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, da der Gesetzgeber ganz bewusst von einem Vorrücken auf Probe für Schüler und Schülerinnen aus Einführungsklassen abgesehen hat und nicht etwa übersehen hat, dies zu regeln. Es besteht gerade keine Lücke, die zu Wertungswidersprüchen führen würde, die durch eine Analogie zu schließen wäre. Hätte der Gesetzgeber ein Vorrücken auf Probe für Schüler und Schülerinnen aus Einführungsklassen vorsehen wollen, so wäre § 7 GSO die hierzu systematisch passende Stelle gewesen. Da jedoch § 7 GSO den Eintritt in die Jahrgangsstufe 11 des Gymnasiums von einem „erfolgreichen“ Besuch der Einführungsklasse abhängig macht und auch nicht auf die Vorrückensvorschriften für Jahrgangsstufen verweist, kann nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden. Im Übrigen kann aus dem eindeutig geregelten Ausschluss der Wiederholungsmöglichkeit für Einführungsklassen in § 7 Abs. 2 S. 7 GSO geschlossen werden, dass die weitergehende Möglichkeit des Vorrückens auf Probe vom Gesetzgeber ebenso wenig gewünscht ist.
Ebenso ist die Interessenlage für Schüler und Schülerinnen aus Einführungsklassen nicht mit der für Jahrgangsklassenschüler vergleichbar. Während Letztere einen Schulabschluss anstreben und einer Schulart angehören, haben Schüler aus Einführungsklassen bereits einen Schulabschluss und erhalten durch die Einführungsklasse eine Alternative zum – ebenfalls möglichen – direkten Eintritt in eine Regelklasse des Gymnasiums. Auch wenn die Einführungsklasse örtlich dem Gymnasium zugeordnet ist, handelt es sich um keine der gymnasialen Ausbildungsrichtung zugeordneten 10. Jahrgangstufe, sondern um eine außerhalb des Jahrgangsklassenystems stehende Klasse, für die besondere Regeln gelten.
1.3 Abgesehen davon würde selbst eine analoge Anwendung der o.g. Regelungen auf den vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen.
Der Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 2 GSO stünde dann nämlich entgegen, dass die Klägerin im Abschlusszeugnis der Einführungsklasse nicht nur in einem, sondern in zwei Kernfächern die Note 5 erhalten hatte; § 31 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GSO, wonach es darauf ankäme, ob erwartet werden könnte, dass die Klägerin das Ziel des Gymnasiums erreichen könnte, würde daran nichts ändern. Nach der im Wege einer pädagogischen Gesamtwürdigung erfolgenden, in Bezug auf die spezifisch pädagogischen Wertungen nicht in vollem Umfang gerichtlich überprüfbaren Entscheidung der Lehrerkonferenz, wäre diese zu dem nicht beanstandungsfähigen Ergebnis gekommen, dass die Klägerin für ein Vorrücken in die 11. Klasse, die entstandenen Lücken nicht hätte schließen könne und das angestrebte Bildungsziel nicht hätte erreichen können. Diesbezüglich wäre nämlich in ermessensfehlerfreier Weise ausgeführt worden, dass der Klägerin gesicherte Kenntnisse der Grundlagen in den Fächern Deutsch und Französisch fehlen würden und die Noten 5 in diesen Fächern große Lücken in zentralen Fächern dokumentieren würden – eine Hypothek, die die Prognose, dass die Klägerin diese Lücken hätte schließen und das Ziel des Gymnasiums hätte erreichen können, nicht erlaubt. Unterstützt würde diese Beurteilung durch den Hinweis, dass die Klägerin die Fächer Deutsch und Französisch nicht hätte ablegen können, sondern vier Semester lang hätte belegen müssen und die Punkte aus allen vier Semestern in Deutsch und mindestens aus zwei Semestern in Französisch in die Abiturwertung hätte einbringen müssen und in jedem Fall in Deutsch, gegebenenfalls auch in Französisch die Abiturprüfung abzulegen gehabt hätte.
Ebenso könnte eine analoge Anwendung des Art. 53 Abs. 6 S. 2 BayEUG zu keinem anderen Ergebnis führen. Hiernach kann Schülerinnen und Schülern, die infolge nachgewiesener erheblicher Beeinträchtigungen ohne eigenes Verschulden wegen Leistungsminderungen die Voraussetzungen zum Vorrücken nicht erfüllen (z.B. wegen Krankheit), das Vorrücken auf Probe gestattet werden, wenn zu erwarten ist, dass die entstandenen Lücken geschlossen werden können und das angestrebte Bildungsziel erreicht werden kann. Wie bereits ausgeführt, könnte die ablehnende Entscheidung der Lehrerkonferenz nicht beanstandet werden. Ein weiteres Eingehen auf die Voraussetzung der Beeinträchtigung ohne eigenes Verschulden erübrigt sich somit im Rahmen der – mangels Analogiefähigkeit – ohnehin nur hypothetisch geführten Hilfsprüfung.
2. Soweit die Klägerin hilfsweise die Genehmigung zur Wiederholung der Einführungsklasse begehrt, kann ihre Klage in Hinblick auf § 7 Abs. 2 Satz 7 GSO ebenfalls keinen Erfolg haben. Nach dieser Vorschrift ist nämlich eine Wiederholung von Einführungsklassen nicht zulässig; ebenso wenig ist eine Befreiungsmöglichkeit von dieser Regelung vorgesehen. Insbesondere kann Art. 53 Abs. 5 BayEUG keine Anwendung finden, weil diese Vorschrift nur auf Schülerinnen und Schüler anwendbar ist, die die Erlaubnis zum Vorrücken aus der bisher besuchten Jahrgangsstufe in die nächsthöhere Jahrgangsstufe nicht erhalten haben; Einführungsklassen zählen jedoch – wie oben ausgeführt – zu keiner derartigen Jahrgangsstufe.
Auch wenn man von einer analogen Anwendbarkeit von Art. 53 Abs. 5 BayEUG ausginge, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Lehrerkonferenz wäre in ermessensfehlerfreier Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht zuverlässig anzunehmen gewesen sei, die Ursache des Misserfolgs der Klägerin hätte nicht in mangelnder Eignung gelegen. Hierfür spräche u.a. die Tatsache, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht als Begründung für die in den Klausuren vom 5.11.2014, 17.12.2014 im Fach Französisch und vom 15.12.2014 und 2.2.2015 im Fach Deutsch erhaltenen Noten – jeweils 5 – dienen könnten, weil die krankheitsbedingte Häufung von Fehlzeiten erst danach aufgetreten war.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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