Verwaltungsrecht

Vorverfolgung wegen Mitwirkung an der Durchführung von Erfane Halgheh-Kursen – Konversion zum Christentum

Aktenzeichen  M 2 K 16.31569

Datum:
7.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

Die Annahme der Verfolgungsgefährdung eines zum Christentum konvertierten Muslims durch den iranischen Staat setzt voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum Christentum vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht. (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16 a GG), noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG), noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG), noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5. des Bescheids vom 13. Juni 2016 und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 6. dieses Bescheids sind rechtmäßig.
Hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungsverboten, ferner hinsichtlich der Abschiebungsandrohung und der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots wird zunächst auf den Bescheid des Bundesamts vom 13. Juni 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist wie folgt auszuführen:
1. Der Kläger kann gemäß Art. 16 a Abs. 2 GG i.V.m. § 26 a Abs. 1 AsylG schon deshalb nicht als Asylberechtigter anerkannt werden, weil er nach eigenem Vortrag u.a. über Bulgarien, Rumänien und Ungarn eingereist und daher über einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG i.V.m. § 26 a Abs. 2 AsylG nach Deutschland gelangt ist.
2. Zur Überzeugung des Gerichts handelt es sich beim Vortrag des Klägers, er sei vorverfolgt aus dem Iran ausgereist, um eine Schutzbehauptung. Das Vorbringen des Klägers beim Bundesamt, in der Klagebegründung und in der mündlichen Verhandlung (gleiches gilt für jenes des Bruders …), er und seine Familie seien vom iranischen Staat im Zusammenhang mit der Durchführung der Kurse des Meisters Mohammad Ali Taheri (Erfan-e Halgheh-Kurse) und einer christlichen Hauskirche im Haus seines Bruders … verfolgt worden, ist unglaubwürdig. Infolgedessen können dem Kläger wegen dieses Vorbringens schon aus tatsächlichen Gründen weder die Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG), noch subsidiärer Schutz (§ 4 AsylG), noch Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) zuerkannt werden.
Unglaubwürdig ist das klägerische Vorbringen einer Vorverfolgung schon deshalb, weil er und seine Brüder den Iran nach dem angeblichen Vorfall am 5. Juli 2012, als die iranischen Sicherheitsbehörden in das Haus des … eingedrungen sein sollen, erst Ende Juni/Anfang Juli 2013 und damit ca. ein Jahr später verlassen haben wollen. Wer ernsthaft eine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung durch den iranischen Staat wegen Regimefeindlichkeit, antiislamischen Verhaltens sowie Übertritt zum Christentum bis hin zur Todesstrafe fürchtet, der verlässt sein Heimatland so rasch wie möglich, um sich dem Zugriff der iranischen Sicherheitsorgane sicher zu entziehen. Dies gilt zumal vorliegend die Bedrohung durch den iranischen Staat so unmittelbar und dringlich gewesen sein soll, dass der Kläger, von seinem Bruder … nach dem Vorfall telefonisch vom Ausgehen mit Freunden nach Hause beordert, dort angekommen den … auf der Straße angetroffen und nach dem Erscheinen des ebenfalls nach Hause gerufenen … sofort mit seiner gesamten Familie Richtung Chalous geflüchtet sein will. Angesichts der laut Kläger sehr guten Vermögensverhältnisse des Bruders …, mit dessen Geld mühelos trotz der angeblich erfolgten Beschlagnahmen seitens der iranischen Sicherheitsbehörden der einjährige Aufenthalt der gesamten Familie und anschließend der mehrjährige Aufenthalt der Mutter und Schwester des Klägers in dem gemieteten Haus im Norden Teherans finanziert werden konnte, steht auch außer Frage, dass eine sofortige Flucht nicht an fehlenden finanziellen Mitteln gescheitert sein kann. Nicht überzeugen kann in diesem Zusammenhang auch die Einlassung des Klägers auf den entsprechenden Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, Ali …, der gute Kontakte zu Regierungskreisen gehabt habe, habe zuerst Erkundigungen eingeholt, ob man die Sache mit Geld aus der Welt schaffen könne: Lt. Kläger stand aufgrund der Erkundigungen des Ali … alsbald fest, dass dies nicht möglich ist, vielmehr die Sache schwerwiegender sei und sie den Iran verlassen müssten. Spätestens nachdem dies feststand, gab es keinen nachvollziehbaren Grund mehr, warum der Kläger und seine Brüder nicht unverzüglich den Iran verlassen haben. Niemand, der ernsthaft eine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung des iranischen Staats bis hin zur Todesstrafe fürchtet, geht das Risiko ein, noch monatelang im Heimatland zu bleiben. Noch weniger wird ein derart Verfolgter auch nur in Erwägung ziehen, mit gefälschten Pässen die italienische Botschaft aufzusuchen, um anschließend von einem intensiv überwachten iranischen Flughafen aus sein Heimatland verlassen zu können. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige Vorgehensweise ein enormes Entdeckungsrisiko mit sich bringt, das ein angeblich vom iranischen Staat wegen Regimefeindlichkeit, antiislamischen Verhaltens sowie Übertritts zum Christentum Gesuchter und mit schweren Strafen bis hin zur Todesstrafe Bedrohter bei lebensnaher Betrachtungsweise nicht eingehen wird. Vielmehr verlässt ein derart Verfolgter so rasch wie möglich den Iran, was vielen Iranern gerichtsbekanntermaßen auch abseits der regulärer Grenzübergangsstellen und zu Fuß möglich ist. Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, der Mutter und der Schwester des Klägers sei eine Ausreise auf dem Landweg aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen. Wenn der Kläger (und seine Brüder) tatsächlich ernsthaft vom iranischen Staat verfolgt gewesen wären, dann wären wenigstens sie sogleich ausgereist, letztendlich hatten der Kläger (und seine Brüder) die Iran ja auch tatsächlich ohne Mutter und Schwester verlassen.
Massiv gegen eine Vorverfolgung des Klägers im Iran streitet auch, dass sich der Kläger und seine Familie angeblich über ein Jahr in den Häusern des Ali … aufgehalten haben wollen – zunächst sieben Monate in Chalous, anschließend in Tabriz -, ohne dass die iranischen Sicherheitsbehörden dort nach ihnen gesucht haben sollen. Bei Ali … handelt es sich laut Kläger um einen guten Freund und Geschäftspartner seines Bruders …, der zudem auch Erkundigungen über die Vorwürfe gegen den Kläger und seine Familie bei staatlichen Behörden eingeholt haben soll. Es ist angesichts dessen gänzlich unplausibel, warum die iranischen Sicherheitsorgane in dem langen Zeitraum bis zur tatsächlichen Ausreise des Klägers und seiner Brüder keine Ermittlungsmaßnahmen im Umfeld des Ali … angestrengt haben sollen und insbesondere auch nicht in den Häusern des Ali … nach dem Kläger und den anderen Familienangehörigen gesucht haben sollen. Dies gilt zumal der Kläger und seine Familie angeblich dringlich wegen Regimefeindlichkeit, antiislamischen Verhaltens sowie Übertritts zum Christentum bzw. wegen Delikten mit hoher Strafandrohung bis hin zur Todesstrafe gesucht worden sein sollen. Soweit der Kläger dies auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung damit zu erklären versucht, es habe sich um eine große Villa mit Mauer gehandelt und der Kläger und die anderen Familienangehörigen hätten die Häuser des Ali … niemals verlassen, vielmehr habe sie der Hausmeister versorgt, kann dies nicht überzeugen: Angesichts der Schwere des Tatvorwurfs wäre nicht erst aufgrund dessen, dass der Kläger oder andere Familienangehörige in den oder in der Nähe der Häuser des Ali … tatsächlich gesehen worden wären, sondern schon allein aufgrund der guten Freundschaft und Geschäftsbeziehung zwischen … und Ali … sowie dessen Erkundigungen bei staatlichen Behörden über die Familie des Klägers in dem langen Zeitraum bis zur tatsächlichen Ausreise aus dem Iran staatliche Ermittlungsmaßnahmen im Umfeld des Ali … zu erwarten gewesen.
Gegen eine staatliche Vorverfolgung des Klägers spricht schließlich auch der Umstand, dass die Mutter des Klägers und dessen Schwester nach dessen Angaben beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung bis heute gänzlich unbehelligt von den iranischen Sicherheitsbehörden in einem von Ali … gemieteten Haus in Levasan im Norden Teherans leben sollen. Nach dem klägerischen Vorbringen wurden nach dem Vorfall im Jahr 2012 nicht nur er und sein Bruder, sondern auch seine Mutter und seine Schwester von den iranischen Sicherheitsbehörden gesucht. Der Umstand, dass die Mutter und die Schwester des Klägers dennoch in dem langen Zeitraum von 2012 bis heute von den iranischen Sicherheitsorganen gänzlich unbehelligt blieben, streitet massiv dafür, dass es sich bei der angeblichen Verfolgung des Klägers und seiner Familie durch den iranischen Staat wegen eines angeblichen Vorfalls im Juni/Juli 2012 um eine bloße Schutzbehauptung handelt. Nicht gefolgt werden kann dem Vorbringen des Klägers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung, die Mutter und die Schwester seien deshalb unbehelligt geblieben, weil in Levasan nur vermögende Leute lebten, die Kontakte zur Polizei hätten und diese bestechen würden bzw. es sich „quasi um eine freie Zone“ handele, in der die Polizei selten komme, ferner das Haus der Mutter und der Schwester bewacht werde und diese das Haus nicht verlassen, sondern von einem Hausmeister versorgt würden. Im Iran gibt es gemessen an den Erkenntnismitteln zweifelsohne keine „rechtsfreien Räume“, in denen die staatlichen Sicherheitsorgane nicht in der Lage wären, wegen Regimefeindlichkeit, antiislamischen Verhaltens sowie Übertritts zum Christentum Gesuchten, denen schwere Strafen bis hin zur Todesstrafe drohen, habhaft zu werden. Lebensfremd wäre es davon auszugehen, dass man sich im Iran bei derartigen Delikten mit einer derartigen Strafdrohung dadurch dem Zugriff des Staatsapparats entziehen könnte, dass man die Polizei besticht, sein Haus bewachen lässt bzw. nicht aus dem Haus geht. Wäre dem so, dann stünde dem Kläger überdies interner Schutz (§ 3 e AsylG) zur Verfügung, weil er sich dann ebenso in diese „freie Zone“ zurückziehen könnte. Soweit der Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dies sei nicht möglich, weil die Regierung in erster Linie ihn und seinen Bruder … verfolgt habe, weil sie die Kurse veranstaltete hätten und ihnen die Todesstrafe drohe, widerspricht dies dem übrigen Vorbringen des Klägers: Danach war es der Bruder …, der sein Haus zum einen „Tante …“ zur Verfügung gestellt hatte, damit diese dort ihre Hauskirche veranstalten kann, sowie zum anderen der Mutter, damit dort für die Schwester die Kurse stattfinden könnten. Die Organisation dieser Kurse habe … übernommen, der Kläger und sein Bruder … hätten lediglich einzelne Aufgaben wie Einschreibungen und Pläne übernommen.
Bei einer Gesamtwürdigung dieser Umstände ist deshalb, ohne das es auf die übrigen im Bescheid diesbezüglich zusätzlich genannten Aspekte noch ankäme, zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass es sich bei der vom Kläger behaupteten staatlichen Verfolgung im Zusammenhang mit der Durchführung der Kurse des Meisters Mohammad Ali Taheri (Erfan-e Halgheh-Kurse) und einer christlichen Hauskirche im Haus seines Bruders … um eine Schutzbehauptung handelt. Mithin steht für das Gericht fest, dass der Kläger nicht vorverfolgt aus dem Iran ausgereist ist.
3. Auch die behauptete Hinwendung des Klägers zum Christentum kann der Klage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Erfolg verhelfen.
a) Zwar können im Iran gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. etwa die Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 9. Dezember 2015, S. 15 f., sowie vom 8. Dezember 2016, S. 10) zum Christentum konvertierte Muslime durch die aktive Glaubensausübung im konkreten Einzelfall landesweit einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen durch den iranischen Staat oder diesem zurechenbaren Akteuren ausgesetzt sein, jedenfalls dann, wenn sie ihren christlichen Glauben öffentlich leben, so dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 ff. AsylG) oder zumindest des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) oder zumindest die Feststellung von Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) in Betracht kommen kann (vgl. hierzu: OVG NW, U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 48 ff.; HessVGH, U. v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – juris Rn. 34 ff.; OVG NW, B. v. 30.7.2009 – 5 A 1999/07.A – juris; SächsOVG, U. v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris Rn. 34 ff.; BayVGH, U. v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315 – juris Rn. 20 f.).
Die Annahme einer solchen Verfolgungsgefährdung setzt im konkreten Einzelfall allerdings voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum Christentum vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht. Das Gericht ist auch nicht an die Beurteilung des Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des Betroffenen liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Eine beachtliche Verfolgungsgefährdung lässt sich ferner auch nicht allein daraus ableiten, dass sich der Asylsuchende in Deutschland religiös betätigt hat, selbst wenn dies öffentlich (z.B. im Internet) bekannt geworden ist. Das Gericht muss vielmehr die volle Überzeugung gewinnen, dass der Asylsuchende die religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet. Es muss davon ausgehen können, dass der Asylsuchende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion aktiv lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (zum Ganzen: BVerwG, B. v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 9 ff. m.w.N.; BayVGH, B. v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7 ff., 12, B. v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 10.2.2017 – 13 A 2648/16.A – juris Rn. 11 f., B. v. 27.4.2015 – 13 A 440/15.A – juris Rn. 10 ff. m.w.N., B. v. 24.5.2013 – 5 A 1062/12.A – juris Rn. 8 ff. m.w.N.; U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 37 ff. m.w.N; OVG Lüneburg, B. v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – juris Rn. 4 ff. m.w.N.; VGH BW, B. v. 23.4.2014 – A 3 S 269/14 – juris Rn. 6 m.w.N.).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist im Fall des Klägers bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere dessen Einlassung beim Bundesamt und gegenüber dem Gericht in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die behauptete Hinwendung zum Christentum nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche die religiöse Identität des Klägers prägte, vielmehr dass dieser asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen. Im Einzelnen:
Massiv gegen eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung des Klägers spricht seine (fehlende) Glaubensbetätigung nach dem Umzug von … … nach …: Beim Bundesamt hatte der Kläger angegeben, nach dem Umzug nach … die Kirchengemeinde in … …, in der er getauft worden war, nicht mehr besucht zu haben, sowie auf die weiteren Fragen des Bundesamts ausweichend und unsubstantiiert geantwortet, in … sei er einige Male in einer Kirche gewesen, er sei in Ausbildung, wenn er Zeit habe, gehe er, er gehe nur zum Beten hin, Gottesdienste besuche er nur, wenn er Zeit habe, in welche Kirche er gehe, sie für ihn kein „großer Unterschied“, er gehe zur Kirche, wenn er Zeit habe, seit er in … sei, seien die Bedingungen schlechter geworden, er sei mit der Ausbildung beschäftigt. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dazu auf Vorhalt erklärt, als er nach … gekommen sei, habe er keine Zeit gehabt, sich eine Kirche zu suchen, er habe eine Ausbildung begonnen, er habe gearbeitet, er habe umziehen müssen, er sei beschäftigt gewesen, erst nach der Anhörung habe er eine Kirche in der Nähe ihrer Wohnung gefunden. Wer tatsächlich aufgrund einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung als Erwachsener zum Christentum konvertiert, bei dem ist zu erwarten, dass er auch nach erfolgter Taufe Zeit finden wird, regelmäßig Gottesdienste und sonstige religiöse Veranstaltungen zu besuchen, um seinen neu erworbenen Glauben in der kirchlichen Gemeinschaft zu leben. Die vom Kläger angeführten Umstände wie Umzug, Ausbildung und Arbeit sind ganz offensichtlich keine Gründe, die den regelmäßigen Besuch eines sonntäglichen Gottesdienstes unmöglich machten. Vielmehr wäre eher zu erwarten gewesen, dass der Kläger, wenn er tatsächlich ernsthaft Christ geworden ist und eine Zeit mit vielen Belastungen durchlebt, Halt und Stütze in der Gemeinschaft der gläubigen Christen sucht. Auch der Umstand, dass es zur Freikirche in … …, in welcher der Kläger getauft wurde, eine weitere Fahrt gewesen wäre, ist schon deshalb kein durchgreifender Hinderungsgrund für einen regelmäßigen Gottesdienstbesuch, da es auch in … zahlreiche freikirchliche Gemeinden gibt. Es wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger, wenn er tatsächlich aus einer identitätsprägenden innerer Glaubensüberzeugung heraus Christ geworden wäre, sich in … einer anderen freikirchlichen Gemeinde angeschlossen hätte, wenn ihm eine sonntägliche Fahrt nach … … zu weit erscheint.
Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nunmehr unter Vorlage einer Bescheinigung angegeben, er und sein Bruder besuchten seit der Anhörung beim Bundesamt regelmäßig eine katholische Kirche. Zur Überzeugung des Gerichts ist diesbezüglich indes davon auszugehen, dass der Kläger diese Kirchenbesuche nicht etwa aus innerer Glaubensüberzeugung, sondern allein aus asyltaktischen Gründen deshalb aufgenommen hat, weil ihm die fehlende Glaubensbetätigung bei der Anhörung beim Bundesamt und im Bescheid des Bundesamts vorgehalten worden war und ihm dadurch bewusst wurde, dass dieses Verhalten seinem Asylbegehren abträglich ist: Hierfür spricht schon der offenkundige zeitliche Zusammenhang zwischen Anhörung/Bescheidserlass und Beginn der regelmäßigen Kirchenbesuche. Hinzu kommt, dass der Kläger, obwohl freikirchlich getauft, nunmehr katholische Gottesdienste besucht: In … gibt es zahlreiche freikirchliche Gemeinschaften, denen sich der Kläger unschwer hätte anschließen können. Eine mit einer inneren Glaubensüberzeugung verbundene Begründung für einen Wechsel zur katholischen Kirche hat der Kläger nicht vorgebracht. Vielmehr offenbart die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Begründung des Klägers für den Besuch einer katholischen Kirche, für ihn und seinen Bruder … sei egal, ob katholisch oder anders, in … hätten sie dann eine Kirche in der Nähe ihrer Wohnung gefunden und seien dort hingegangen, zur Überzeugung des Gerichts, dass der Kläger, nachdem er erkannt hatte, dass die fehlenden Kirchenbesuche für ihn nachteilig sind, kurzerhand die nächstgelegene Kirche aufgesucht hat, weil dies für ihn am bequemsten ist, insbesondere am wenigsten Zeit beansprucht. Mithin kann nicht davon ausgegangen werden, den Kirchenbesuchen des Klägers liege eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung zugrunde.
Gegen eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung des Klägers spricht auch, dass er nicht glaubwürdig angeben konnte, wie es zu seiner angeblichen Hinwendung zum Christentum gekommen sein soll. Der Kläger hat (im Unterschied zu seinem Bruder …) beim Bundesamt und auch gegenüber dem Gericht vorgebracht, er sei wie seine Mutter und seine Schwester schon im Iran Christ gewesen. Gegen eine entsprechende innere Glaubensüberzeugung spricht aber schon, dass der Kläger nach seinem eigenen Bekunden „nicht häufig“ an der Hauskirche teilgenommen haben will. Hätte sich der Kläger tatsächlich aufgrund einer inneren Glaubensüberzeugung bereits im Iran ernsthaft dem Christentum zugewandt, dann hätte er bei lebensnaher Betrachtungsweise von der sich bietenden Möglichkeit, an Hauskirchenversammlungen teilzunehmen, regelmäßig Gebrauch gemacht. Dies gilt zumal die Hauskirche für ihn gut erreichbar im Haus seines Bruders … stattgefunden haben soll. Darüber hinaus haben die vom Kläger für seine Hinwendung zum Christentum im Iran beim Bundesamt u.a. genannten Beweggründe, das Kreuz habe ihm gefallen, er habe immer eins als Halskette getragen, er habe viele Filme, vor allem amerikanische gesehen und sie gemocht, die Leute seien immer schick gewesen, mit einem religiösen Bekenntnis im Sinne des Christentums ganz offensichtlich nichts zu tun. Soweit der Kläger darüber hinaus schon beim Bundesamt und auch gegenüber dem Gericht vorbringt, er habe nach der Lektüre der Bibel, die ihm wie ein Geschichtsbuch vorgekommen sei, die Lügen des Islam entdeckt – so werde z.B. im Koran die Geschichte des Iran weggelassen, im Iran wolle man nicht, dass man über Cyros und Darius Kenntnisse habe, im Koran sei Maria in die Kaaba gegangen und habe dort Jesus zur Welt gebracht, laut Koran habe Gott zu Mohammed gesprochen, Mohammed habe dann alles aufgeschrieben, im Koran stehe, Jeus habe gesagt, man solle nach ihm auf jemanden warten – mag dies allenfalls auf eine gewisse Abkehr des Klägers vom Islam hindeuten, eine positive Hinwendung zum Christentum im Sinne eines religiösen Bekenntnisses aufgrund einer inneren Glaubensüberzeugung kann hieraus aber nicht abgeleitet werden.
Der Kläger hat auch nicht deutlich machen können, dass seine Taufe am 18. Januar 2015 in … … Ausdruck einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung war: Auffällig ist schon, dass der Kläger bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 8. Juni 2016 nicht einmal annäherungsweise sagen konnte, wann diese Taufe stattfand. Vielmehr beantwortete er die entsprechende Frage damit, er glaube, die Taufe sei ein Jahr nach der Ankunft in Deutschland (15./16. September 2013) gewesen. Wer tatsächlich aufgrund einer inneren Glaubensüberzeugung den christlichen Glauben annimmt, bei dem ist zu erwarten, dass er viel genauer weiß, wann das für ihn wichtige Fest der Taufe stattfand. Daran ändert nichts, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung das Datum seiner Taufe nunmehr nennen konnte: Der Kläger wusste durch die Anhörung beim Bundesamt, dass das Datum der Taufe relevant werden könnte. Entscheidend bleibt der Umstand, dass der Kläger, als die Frage nach dem Taufdatum beim Bundesamt erstmals gestellt wurde, dieses nicht einmal annäherungsweise angeben konnte. Hinzu kommt, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen (auch auf der Taufurkunde angegebenen) Taufspruch nicht wusste. Auch dies spricht dagegen, dass der Kläger die Taufe als Ausdruck seiner identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung empfunden hat. Der Kläger hat auch weder beim Bundesamt noch gegenüber dem Gericht trotz entsprechender Anstoßfragen hinreichend deutlich machen können, dass seiner Taufe Beweggründe zugrunde lagen, die als Ausdruck einer eigenen inneren Glaubensüberzeugung verstanden werden können: Vielmehr hat er als Grund für den Besuch des Taufunterrichts der freikirchlichen Gemeinde in … … beim Bundesamt und gegenüber dem Gericht genannt, dass eine Person namens … … gekommen sei und er und sein Bruder … eingeladen worden seien. Freitags sei für sie ein Kurs veranstaltet worden. Zwei Pastoren hätten mit ihnen über das Christentum geredet. Sie hätten eine Broschüre bekommen, die sie durcharbeiten sollten. Nachdem die Vorbereitung zu Ende gewesen sei, sei er getauft worden. Aus diesen Einlassungen wird nicht hinreichend deutlich, dass die Taufe des Klägers auf dessen aktiver und eigener Willensentscheidung aufgrund einer substantiellen Glaubensüberzeugung beruhte. Die substanzlosen und phrasenhaften Einlassungen des Klägers beim Bundesamt und gegenüber dem Gericht, er habe es „vom Herzen“ angenommen, dafür habe er „ein Gefühl“ bekommen bzw., bei Jesus sei es auch so gewesen, Jesus sei auch getauft worden, wenn man herauskomme aus der Taufe, dann seien einem die Sünden vergeben, sprachlich seien sie damals noch nicht so weit gewesen, dass sie alles verstanden hätten, können es nicht rechtfertigen anzunehmen, die klägerische Taufe habe auf einer eigenen identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung beruht.
Auch das Wissen des Klägers über die christliche Religion deutet nicht auf eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung hin. Beim Bundesamt wusste der Kläger auf die Frage, ob es ein Thema gebe, das ihm persönlich zugesagt habe, keine Antwort: Es seien viele Themen aufgegriffen worden. Ein bestimmtes Thema, dass ihm zugesagt habe, habe es nicht gegeben. Er habe zurzeit Prüfungen. Ebenso keine Antwort wusste der Kläger auf die Frage des (früheren) Bevollmächtigten beim Bundesamt, für welche Werte das Christentum stehe. Selbst als der (frühere) Bevollmächtigte ihm die Stichworte „Nächstenliebe, du sollst nicht töten, dem anderen Helfen“ nannte, konnte der Kläger damit offensichtlich nichts anfangen. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf zahlreiche Anstoßfragen des Gerichts durchaus ein gewisses Wissen über das Christentum zu erkennen gegeben. So nannte er als christliches Gebet u.a. das Vater unser. Auch hat er in seinen Antworten diverse Begriffe genannt, die mit dem christlichen Glauben zusammenhängen, u.a.: Liebe, Frieden, zehn Gebote, Heilung von Kranken, Gott als Schöpfer von Himmel und Erde, Jesu Kreuzestod zur Vergebung der Sünden, Jesus als Sohn Gottes, nicht als Prophet. Indes handelt es dabei zum einen jedenfalls teilweise um Wissen über das Christentum, das selbst in der muslimischen Welt weithin zum Allgemeinwissen zu zählen sein wird (z.B. der Umstand, dass Jesus im Christentum anders als im Islam nicht nur als Prophet, sondern als Sohn Gottes verstanden wird). Derartiges Wissen zeugt nicht von substantiellem Wissen des Klägers über das Christentum. Zum andern hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass dieses Wissen beim Kläger vornehmlich schlagwortartig und in verschiedenen phrasenhaften Wendungen vorhanden ist, ohne dass diesem eine substantielle innere Glaubensüberzeugung zugrunde liegen würde. Als Bibelstelle hat der Kläger beim Bundesamt und bei Gericht (wie sein Bruder …) zuvörderst eine alttestamentarische Vorhersage hinsichtlich des persischen Königs Cyrus genannt: Diese Stelle mag den Kläger besonders interessiert haben, weil er selbst Iraner ist. Welche maßgebliche Bedeutung diese Bibelstelle für den christlichen Glauben haben sollte, ist indes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die klägerische Kenntnis dieser Stelle gibt deshalb für eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung des Klägers nichts Entscheidendes her. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung darüber hinaus durchaus gewisse Kenntnisse über die Bibel gezeigt und als weitere Bibelstellen die Erschaffung der Welt, den Turmbau zu Babel und (sinngemäß) die Sintflut genannt. Interessant sei für ihn vor allem die Erkenntnis gewesen, wie die verschiedenen Sprachen der Menschen entstanden seien. Allerdings hat sich dieses Wissen insofern als fehlerhaft gezeigt, als der Kläger dabei die Geschichten vom Turmbau zu Babel und von der Sintflut (Arche Noah) miteinander vermengt hat. Darüber hinaus ist aus der Einlassung des Klägers nicht hinreichend deutlich geworden, inwiefern sich aus der Kenntnis dieser alttestamentarischen Erzählungen über das bloße Wissen von (vermeintlichen) Fakten wie etwa der Entstehung der Sprachen hinaus ein substantieller Hinweis auf ein religiöses Bekenntnis im Sinne des Christentums ableiten ließe.
Auch sonst ist die klägerische Einlassung zu seinen inneren Beweggründen für die Hinwendung zum Christentum trotz ausführlicher Befragung in der mündlichen Verhandlung mit zahlreichen Anstoßfragen (wie schon bei der Befragung durch das Bundesamt) oberflächlich und substanzlos geblieben. Der Kläger hat diesbezüglich nur allgemein gehaltene Begriffe und Formulierungen bemüht, wie etwa „Liebe“, „Frieden“, „Gefühl“, „im Herzen“, „Herzenssache“, das Christentum spiele eine „größte Rolle in [seinem] Leben“, „das Beten beruhigt“, etc. Derart unspezifische und phrasenhafte Wendungen können es nicht rechtfertigen, von einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung des Klägers auszugehen.
Mithin ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die behauptete Hinwendung zum Christentum im Fall des Klägers nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche dessen religiöse Identität prägte, vielmehr dass dieser Behauptung asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen.
Die gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Klage war nach alldem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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