Verwaltungsrecht

Waffenbesitz- und Erwerbsverbot für erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen

Aktenzeichen  24 ZB 20.3095

Datum:
4.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6107
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 2 Abs. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, Nr. 5, § 5, § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ein Waffenbesitz- und Erwerbsverbot ist dann geboten, wenn der Waffenbesitzer bzw. der Erwerbswillige in der Vergangenheit ein Verhalten oder eine seiner Person anhaftende Eigenschaft zu Tage gelegt hat, welche den auf Tatsachen beruhenden Verdacht begründet, dass durch einen Umgang mit der Waffe Gefahren für die öffentliche Sicherheit verursacht werden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Strafrechtlichen Verfahren können in die anzustellende Gefahrenprognose im Hinblick auf eine waffenrechtliche Zuverlässigkeit  einbezogen werden, auch wenn diese nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt bzw. auf den Privatklageweg verwiesen wurden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Geboten ist ein Verbot erlaubnispflichtiger Waffen gem. § 41 Abs. 2 WaffG auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nicht erfüllt sind, weil dem Betroffenen die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehlt, wobei zur Konkretisierung des Begriffs der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit auch im Rahmen des § 41 WaffG auf die allgemeine Vorschrift des § 5 WaffG zurückgegriffen werden darf, die für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes gilt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine verhängte Geldstrafe kann, auch wenn sie unterhalb der von § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG verlangten Mindesthöhe von 60 Tagessätzen bleibt, durchaus eine Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 begründen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 K 19.153 2020-11-10 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000, – Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen ein ihm gegenüber mit Bescheid des Beklagten vom 22. März 2018 ausgesprochenes Waffenbesitz- und Erwerbsverbot für erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen sowie die hierzu ergangenen Nebenentscheidungen.
Das Verwaltungsgericht wies seine entsprechende Klage mit Urteil vom 10. November 2020 ab. Der Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 und 2 WaffG lägen vor. Die Verhängung des Waffenverbots sei zum einen zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit geboten, da die Waffenbehörde vor dem Hintergrund der Vorfälle am 17. Januar 2018 und am 24. Oktober 2017, bei denen der Kläger mehrere Polizeibeamte bzw. zwei Finanzbeamte massiv bedroht habe, zu Recht den Schluss gezogen habe, dass der Kläger über problematische Persönlichkeitszüge und Verhaltensmuster verfüge, die befürchten ließen, dass er Waffen und Munition in einer Art und Weise verwenden werde, bei der Dritte zu Schaden kommen könnten. Zum anderen habe die Waffenbehörde das Waffenbesitzverbot auch auf die fehlende Zuverlässigkeit des Klägers gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG bzw. gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG stützen dürfen, da dieser neben den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. a WaffG auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. b und c WaffG erfülle, nachdem er mehrere verbotene Butterflymesser in einem unverschlossenen Schrank im Kinderzimmer gelagert habe. Schließlich sei seine Unzuverlässigkeit wegen gröblichen Verstoßes gegen die Vorschriften des WaffG im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG anzunehmen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er ist der Auffassung, an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel, da seine dargelegten Gegenargumente nicht nur schlüssig, sondern in sich tragfähiger seien, als die Feststellung des Erstgerichtes und somit auch gleichzeitig eine Zulassung der Berufung wegen besonderer Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geboten erscheine. Zur Begründung bemängelt der Klägerbevollmächtigte unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags die Beweiswürdigung des Erstgerichts. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Behauptungen und Einlassungen des Klägers zu den streitgegenständlichen Vorfällen zu großen Teilen als unglaubhaft, die Darstellungen der Polizei- und Finanzbeamten dagegen als glaubhaft gewertet wurden. Auch könne der Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass vom Kläger Gefahren für die Rechtsordnung ausgingen und dieser über problematische Persönlichkeitszüge und Verhaltensmuster verfüge, nicht gefolgt werden. Keinen Eingang in die Bewertung finde zudem, dass der Kläger jahrzehntelang Kampfsport betrieben habe und die in seinem Haus aufgefundenen Butterflymesser sowie das Würgeholz (Nun-Chaku) zulässige und erst seit dem Jahr 2003 verbotene Sportmittel seien. Vor allem sei vom Erstgericht außer Betracht gelassen worden, dass der Kläger sich bei beiden Vorfällen anfangs in einer für ihn absoluten psychischen Ausnahmesituation befunden habe, er dennoch keine der anwesenden Personen verbal oder gar körperlich bedroht, sondern sich vielmehr schnell wieder besonnen habe. Schließlich sei der angeschlagene Gesundheitszustand sowie die prekäre wirtschaftliche Situation des Klägers vom Erstgericht nicht berücksichtigt worden.
Die Beschwerde gegen den im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. Juni 2018 (Az. RN 4 S 18.616) wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Januar 2019 (Az. 21 CS 18.1579) zurück.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – hält den Antrag auf Zulassung der Berufung für unbegründet und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des vorgelegten Behördenakts verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, nachdem das streitgegenständliche Besitzverbot für erlaubnispflichtige und erlaubnisfreie Waffen gegen den Kläger rechtmäßig ist und diesen nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlagen für den Erlass des streitgegenständlichen Waffenbesitz- und Erwerbsverbots sind § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG und § 41 Abs. 2 WaffG. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist. Nach § 41 Abs. 2 WaffG besteht diese Befugnis unter denselben Voraussetzungen auch für den Besitz von erlaubnispflichtigen Waffen.
Anknüpfungspunkt für die Regelung in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ebenso wie in Abs. 2 WaffG ist dabei die Gefährlichkeit des Waffenbesitzes. Die Vorschrift dient der Verhütung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und soll Schaden von den Rechtsgütern Einzelner abwenden. Nach § 41 WaffG wird die Möglichkeit eines waffenrechtlichen Verbotes aber nicht einfach eingeräumt, sondern kommt zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit nur dann in Betracht, soweit es „geboten“ ist. In dieser Formulierung drückt sich eine gesteigerte Anforderung im Sinne einer Erforderlichkeit aus. Ein Verbot ist dann geboten, wenn der Waffenbesitzer bzw. der Erwerbswillige in der Vergangenheit ein Verhalten oder eine seiner Person anhaftende Eigenschaft zu Tage gelegt hat, welche den auf Tatsachen beruhenden Verdacht begründet, dass durch einen Umgang mit der Waffe Gefahren für die öffentliche Sicherheit verursacht werden (BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30/11 – juris Rn. 33).
Gemessen an diesen Grundsätzen und in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht ist nach Ansicht des Senats davon auszugehen, dass diese gesteigerten gesetzlichen Voraussetzungen eines zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit „gebotenen“ Waffenverbots vom Kläger erfüllt werden. Für eine vom Kläger ausgehende Gefährdung spricht zum einen, dass dieser vom Amtsgericht Straubing wegen Bedrohung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen – der Verurteilung liegen die streitgegenständliche Vorfälle vom 24. Oktober 2017 sowie vom 17. Januar 2018 zugrunde – zu 40 Tagessätzen verurteilt worden ist. Zum anderen können aber auch die strafrechtlichen Verfahren gegen den Kläger wegen Nötigung und Bedrohung – der Kläger drohte seiner Exfrau damit, sie umzubringen – in die anzustellende Gefahrenprognose einbezogen werden, auch wenn diese nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt bzw. auf den Privatklageweg verwiesen wurden (vgl. hierzu Lehmann/v. Grotthus, Aktuelles Waffenrecht, Stand Dezember 2020, § 41 Rn. 25). Denn zumindest kann aus diesen Tatsachen auf eine rohe gewalttätige Gesinnung oder eine Schwäche des Täters geschlossen werden, dass sich dieser zu Gewalttaten hinreißen lässt (vgl. Nr. 41.3 WaffVwV i.d.F. der Bekanntmachung von 2012). Die Auffassung des Erstgerichts, dass die vom Kläger sowohl am 24. Oktober 2017 gegenüber zwei Finanzbeamten als auch bei der Durchsuchung seines Anwesens nach Waffen am 17. Januar 2018 gegenüber mehreren Polizeibeamten gezeigten Persönlichkeitszüge und Verhaltensmuster befürchten lassen, dass er Waffen und Munition in einer Art und Weise verwenden werde, bei der Dritte zu Schaden kommen, rechtfertigt auch nach Ansicht des Senats die Besorgnis, er werde bei einer künftigen vermeintlichen Bedrohung auch von Waffen Gebrauch machen und dadurch anderen Menschen Schaden zufügen (vgl. BVerwG, U.v. 18.2.1983 – 1 C 144/80 – juris).
Die Ausführungen der Zulassungsbegründung führen zu keinem anderen Ergebnis und rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Mit dem Einwand des Klägers, er habe sich jeweils anfangs in einer für ihn absoluten psychischen Ausnahmesituation befunden, hat sich das Verwaltungsgericht auseinandergesetzt, hat aber hieraus nicht die vom Kläger gewünschten Schlüsse gezogen (UA S. 9), sondern ausgeführt, dass die eigene Gefühlslage keine Rechtfertigung dafür sei, andere mit dem Tod zu bedrohen. Hiergegen ist zulassungsrechtlich nichts zu erinnern. Auch hat das Gericht seine Beweiswürdigung, wonach es den übereinstimmenden Aussagen der Beamten und nicht den Ausführungen des Klägers Glauben schenkt, nachvollziehbar und überzeugend erläutert. So führt das Erstgericht aus, der Kläger habe selbst eingeräumt, dass er den Polizeibeamten eine Kugel in den Kopf wünsche (UA S. 9). Dies entspricht den Ausführungen in der Zulassungsbegründung, dass „der Kläger in der konkreten Situation allenfalls gesagt haben mag, er wünsche ihm oder ihnen eine Kugel in den Kopf“. Dass dieser „Wunsch“ von den Polizeibeamten als tatsächliche Bedrohung wahrgenommen wurde, haben diese so ausgesagt und ist auch für den Senat nachvollziehbar. Die Ausführungen der Zulassungsbegründung, die eine Bedrohungssituation in Abrede stellen wollen, vermögen die vom Kläger getätigte Aussage nicht zu relativieren. Auch hinsichtlich der Situation am 24. Oktober 2017 hat das Erstgericht überzeugend dargelegt, dass und aus welchen Gründen es von einer Bedrohung der Finanzbeamten durch den Kläger ausgeht (UA S. 9). Diese Ansicht ist angesichts der Ausführungen in der Zulassungsbegründung, in der der Kläger selbst zugibt, teilweise heftig emotional geworden zu sein und vermutlich auch sinngemäß erwähnt zu haben, „in Georgensgmünd habe man wegen so etwas sogar schon mal einen Beamten erschossen“, zulassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Einwand des Klägers, er habe weder die Polizei- noch die Finanzbeamten tatsächlich verbal oder gar körperlich bedroht, kann ihn nicht entlasten. Das Verhalten des Klägers lässt vielmehr erkennen, dass er in Konflikt- oder Stresssituationen nicht so besonnen reagiert, wie es von einem Waffenbesitzer zu jeder Zeit und in jeder Situation erwartet werden muss (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 10.1.2020 – 11 ME 365/19 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 29.7.2013 – 21 ZB 13.415 – juris Rn. 9; Heinrich in: Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 WaffG, Rn. 9).
b) Ebenfalls zu Recht hat das Verwaltungsgericht in den Urteilsgründen – selbstständig tragend – darauf abgestellt, dass der streitgegenständliche Bescheid auch auf die fehlende Zuverlässigkeit des Klägers gestützt werden kann.
Die zuständige Behörde kann jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen insbesondere dann untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Gleiches gilt für erlaubnispflichtige Waffen. Zwar kann nach dem Wortlaut des § 41 Abs. 2 WaffG die Behörde den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf, nur untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist. Geboten ist ein Verbot erlaubnispflichtiger Waffen gemäß § 41 Abs. 2 WaffG aber auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nicht erfüllt sind, weil dem Betroffenen die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehlt (vgl. BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30.11 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 21 CS 18.657 – juris Rn. 15). Zur Konkretisierung des Begriffs der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit darf auch im Rahmen des § 41 WaffG auf die allgemeine Vorschrift des § 5 WaffG zurückgegriffen werden, die für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes gilt (vgl. Lehmann/v. Grotthuss, Aktuelles Waffenrecht, Stand Dezember 2020, § 5 Rn. 14; Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 41 Rn. 5).
aa) Der Kläger hat Tatsachen im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG geschaffen, welche die Annahme rechtfertigen, dass er die für den Erwerb und Besitz erlaubnisfreier Waffen erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, weil zu befürchten ist, er werde Waffen oder Munition (künftig) nicht sorgfältig verwahren. Vorsichtig und sachgemäß im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ist der Umgang mit Waffen und Munition nur dann, wenn alle Sicherungsmöglichkeiten ausgenutzt werden. Die Anforderungen, die für die sorgfältige Verwahrung von Waffen zu erfüllen sind, folgen aus § 36 WaffG. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung hat ein Waffenbesitzer die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass Waffen oder Munition abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben bestehen an der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers keine Zweifel.
Der Kläger hat mehrere Butterflymesser, die gemäß § 2 Abs. 3 WaffG in Verbindung mit dessen Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.3 verboten sind, in einem Schrank im Kinderzimmer seines Sohnes gelagert, ohne dass eine wirksame Sicherung gegen den unbefugten Zugriff Dritter gegeben war. Diese Tatsache wird in der Zulassungsbegründung eingeräumt. Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren andeutet, er habe nicht gewusst, dass der Schrank unverschlossen gewesen sei, geht sein Einwand ins Leere. Denn die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (stRspr., vgl. z.B. BVerwG, B.v. 31.1.2008 – 6 B 4. 08 – juris; BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215. 93). Dabei dienen die waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften und hierbei insbesondere § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG der Umsetzung eines der vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes, nämlich das Abhandenkommen oder die unbefugte Ansichnahme von Waffen durch Dritte zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2015 – 21 ZB 15.2418 – juris Rn. 12). Schon ein einmaliger Verstoß gegen die in § 36 Abs. 2 Sätze 1 und 2 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten kann daher die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen (BayVGH, B. v. 22. 12. 2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn 19 u. B.v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn 14; VGH BW, B.v. 3. August 2011 – 1 S 1391/11 – juris Rn 4; Nds. OVG, B.v. 19.4.2010 – 11 LA 389/09 – juris Rn 3). Das Verhalten des Klägers, vier Waffen in einem Schrank im Kinderzimmer aufzubewahren, kann nach Ansicht des Senats nicht mehr als nur situative Nachlässigkeit minderen Gewichts eingestuft werden, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014, a.a.O., Rn. 19; BayVGH, B.v. 20.5.2015 – 21 ZB 14.2236 – juris Rn. 15; B.v. 23.5.2014 – 21 CS 14.916 – juris Rn. 13; OVG Lüneburg, B.v. 19.4.2010 – 11 LA 389/0 – juris Rn. 3). Im Übrigen ist es Sache des Waffenbesitzers, sich zu vergewissern, ob die von ihm zur Waffenaufbewahrung benutzten Behältnisse auch tatsächlich verschlossen sind.
bb) Zudem geht das Verwaltungsgericht zu Recht davon aus, dass der Kläger auch die Voraussetzungen der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG erfüllt, wonach die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht besitzen, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen haben (UA S.11). Vorliegend verstieß der Kläger durch den Besitz von drei Butterflymessern und eines Nun-Chakus gröblich gegen § 2 Abs. 3 WaffG, nachdem sowohl Butterflymesser als auch das Würgeholz gem. § 2 Abs. 3 WaffG i.V.m. dessen Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.3. bzw. Nr. 1.3.8 als verbotene Waffen einzustufen sind. Entsprechend wurde der Kläger auch wegen vorsätzlichen Besitzes von vier verbotenen Waffen verurteilt. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, sind Verstöße, die als vorsätzliche Straftaten erfassbar sind, prinzipiell gröblich im Sinne dieser Vorschrift (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 11). Daraus folgt, dass eine verhängte Geldstrafe, auch wenn sie wie hier mit 40 Tagessätzen unterhalb der von § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG verlangten Mindesthöhe von 60 Tagessätzen bleibt, durchaus eine Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 begründen kann (Lehmann/v. Grotthuss, Aktuelles Waffenrecht, Stand Dezember 2020, § 5 Rn. 177). Da auch ein fahrlässig begangener Verstoß gegen § 2 Abs. 3 WaffG strafbewehrt ist und mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft wird (§ 52 Abs. 4 WaffG), liegt ein gröblicher Verstoß auch dann vor, wenn – wie der Kläger in der Zulassungsbegründung erneut einwendet – der Besitz dieser Gegenstände bei ihm zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten ist. Nachdem der Kläger zudem mehrere Butterflymesser sowie ein Nun-Chaku besaß, hat er den Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG auch dadurch erfüllt, dass er wiederholt das Waffenbesitzverbot missachtete. Der erkennende Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts sowie des Verwaltungsgerichtshofs im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Az. RN 4 S 18.616 und 21 CS 18.1579).
Eine substantiierte Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Darlegungen des Verwaltungsgerichts findet in der Zulassungsbegründung nicht statt. Soweit der Kläger unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrages ausführt, eine schwerwiegende Vorwerfbarkeit sei insbesondere im Hinblick darauf nicht angemessen, dass sich mindestens genauso gefährliche Gegenstände wie die aufgefundenen Gerätschaften auch in einem normalen Haushalt befinden, vermag er nicht durchzudringen. Er verharmlost hierdurch seine waffenrechtlichen Verstöße, stellt aber das Waffenbesitzverbot nicht ernstlich infrage.
Das Verwaltungsgericht ist ferner in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Abweichen von der Regelvermutung aufgrund der vom Kläger vorgetragenen Umstände nicht in Betracht kommt (UA S. 12). Die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers in der Zulassungsbegründung ändern hieran nichts. Das Erstgericht nimmt zutreffend an, dass ein Ausnahmefall von der Regelvermutung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht nur dann in Betracht kommt, wenn die Umstände des Verstoßes gegen das Waffengesetz die Verfehlung des Betroffenen ausnahmsweise derart in einem milderen Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Tat begründeten Zweifel an der für die waffenrechtliche Erlaubnis vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind (BVerwG, B.v. 9.1991 – 1 CB 24/91 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 13). Die Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet ist, erfordert eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt. Maßgeblich sind allein die konkreten Umstände der Tat (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.1994 – 1 C 31.92 – juris). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht daher keine Abweichung von der Regelvermutung zugunsten des Klägers wegen der von ihm dargelegten Umstände – seiner Darmkrankheit, seiner schwierigen wirtschaftlichen Situation, seines angeblich gewaltfreies Vorlebens und seiner Herkunft aus normalen bürgerlichen Verhältnissen – feststellen können, da diese Umstände weder tatbezogen sind, noch die in der Tat zum Ausdruck kommende Persönlichkeit des Klägers betreffen.
c. Das Verwaltungsgericht ist schließlich in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Waffenbehörde das ihr zustehende Ermessen erkannt und ordnungsgemäß ausgeübt hat (UA S. 13). Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Insbesondere geht das Erstgericht zu Recht davon aus, dass die vom Kläger vorgebrachten, aus seiner Sicht entlastenden Tatsachen gewichtet und in die Erwägung eingestellt wurden.
Soweit der Kläger unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ausführt, das Erstgericht habe bei der Ausübung das ihm zustehenden Ermessen insbesondere nicht ausreichend berücksichtigt, dass die beiden aufgefundenen Waffen ehemals erlaubte Sportübungsmittel gewesen seien und der Kläger diese nur zu sportlichen Reaktionsübungen besessen und verwendet habe, verfängt auch dieser Einwand nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Bezug genommen (Az. 21 CS 18.1579 – BA Ziffer 1.2), mit denen dargelegt wurde, dass dieses Vorbringen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Waffenbesitzverbots begründet. Eine substantiierte Auseinandersetzung mit diesen gerichtlichen Erwägungen bleibt der Kläger in seiner Zulassungsbegründung schuldig.
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, nachdem diese durch schlichte Rechtsanwendung unter Zuhilfenahme der anerkannten Auslegungsgrundsätze gelöst werden kann (vgl. oben Ziffer 1).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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