Verwaltungsrecht

Waffenbesitzverbot wegen fehlendem Nachweis der waffenrechtlichen Eignung bei psychischer Erkrankung

Aktenzeichen  M 7 K 15.2803

Datum:
4.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AWaffV AWaffV § 4
WaffG WaffG § 6, § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Rechtfertigen Tatsachen die Annahme einer psychischen Erkrankung, kommt es hinsichtlich des Erlasses eines Waffenbesitzverbotes auf die Frage einer Fremdgefährlichkeit nicht an. (redaktioneller Leitsatz)
Kommt der Betroffene der Aufforderung zur Beibringung eines amts-, fachärztlichen oder fachpsychologischen Gutachtens nicht nach, ist der Schluss auf die persönliche Nichteignung für den Besitz erlaubnispflichtiger Waffen und Munition zulässig, wenn der Betroffene zuvor auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 1. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das angeordnete Besitzverbot für erlaubnisfreie Waffen und Munition findet seine Rechtsgrundlage in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG, wonach die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen kann, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass der rechtmäßige Besitzer oder Erwerbswillige abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, psychisch krank oder debil ist oder sonst die erforderliche persönliche Eignung nicht besitzt oder ihm die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Der Betroffene ist darauf hinzuweisen, dass er die Annahme mangelnder persönlicher Eignung im Wege der Beibringung eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung ausräumen kann (Satz 2).
Das Waffenbesitzverbot ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (Waffenbesitzverbot als Dauerverwaltungsakt, vgl. BVerwG, U.v. 06.12.1978 – I C 23.76 – juris Rn. 13) rechtmäßig, da Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger psychisch krank ist. Er ist der Aufforderung der Beklagten im Schreiben vom 16. April 2015, ein amts-, fachärztliches oder fachpsychologisches Gutachten beizubringen, nicht nachgekommen. Damit war der Schluss auf die Nichteignung nach § 41 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 2, 4 WaffG i. V. m. § 4 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 1b AWaffV zulässig (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2015 – 21 C 15.1533 – juris Rn. 12 ff.).
Der Kläger ist auf diese Rechtfolge gem. § 41 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 2 WaffG, § 4 Abs. 6 Satz 2 AWaffV im Schreiben vom 16. April 2015 hingewiesen worden. Aus diesem Schreiben ergeben sich auch die Gründe für die Gutachtensanordnung (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AWaffV). So hat die Waffenbehörde auf vom Kläger geäußerte Drohungen, die auf eine psychische Erkrankung und eine starke Affinität zu Waffen hinwiesen, abgestellt, ferner auf die in der klägerischen Wohnung aufgefundenen Gegenstände (Waffen und unerlaubte Munition, Antidepressiva und Marihuana) sowie darauf, dass der Kläger mit Anordnung vom 2. April 2015 vorläufig in ein psychiatrisches Krankenhaus untergebracht worden war. Auch im Übrigen genügt das Schreiben den formellen Anforderungen des § 4 Abs. 3, 6 AWaffV. Dem Kläger wurde eine angemessene Frist gesetzt, um sich zu der angekündigten Maßnahme zu äußern, worauf er nicht reagierte.
Die behördliche Anordnung der Beibringung eines Gutachtens war auch anlassbezogen und im Hinblick auf das Gewicht der anlassgebenden Tatsachen und die Gefahren, die von einer Waffe in ungeeigneten Händen ausgehen können, verhältnismäßig. Der Kläger ist in seinem Umfeld mit Verhaltensweisen aufgefallen, die auf eine psychische Erkrankung und eine starke Affinität zu Waffen hinwiesen. Bei der klägerischen Wohnungsdurchsuchung am 2. April 2015 fand man Antidepressiva, eine Schreckschusspistole, ein Samuraischwert und ein Kampfmesser. Weiter wurden Marihuana und erlaubnispflichtige Patronen aufgefunden und sichergestellt, die der Kläger unerlaubt von Schießübungen in einem Schützenverein mitgenommen hatte und wofür er in der Folge auch vom Amtsgericht München zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt wurde. Im Anschluss an die Wohnungsdurchsuchung wurde der Kläger nach dem Unterbringungsgesetz vorläufig untergebracht, da ihm u. a. erhebliche formale Denkstörungen, Anklänge von paranoidem Erleben und depressivem Affekt attestiert wurden. Aufgrund dieser Tatsachen durfte die Behörde von Bedenken gegen die persönliche Eignung des Klägers ausgehen.
Die nicht rechtzeitige Vorlage des Gutachtens rechtfertigt den Schluss auf eine feh-lende Eignung ohne weiteres. Der Gesetzgeber hat dem Betroffenen in diesem Fall keinen alternativen Nachweis der waffenrechtlichen Eignung eröffnet (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 2 WaffG). Der Einwand des Klägers, dass aus der staatsanwaltlichen Einstellungsverfügung hervorgehe, dass keine Hinweise auf eine Fremdgefährlichkeit vorlägen und von einer psychischen Erkrankung nicht ausgegangen werden könne, ist unbehelflich. Auf die Frage einer Fremdgefährlichkeit kommt es nicht an, da nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG für ein Waffenverbot genügt, dass Tatsachen die Annahme einer psychischen Erkrankung rechtfertigen. Mit Blick auf die erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, bedarf es keiner weiteren Voraussetzung (BayVGH, B.v. 21.8.2015 – 21 C 15.1533 – juris Rn. 13). Aus dem Wortlaut der Einstellungsverfügung („Hinweise auf eine psychische Erkrankung haben sich nicht insoweit verdichtet, als von relevanten Auswirkungen auf die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit auszugehen ist“) ergibt sich im Übrigen lediglich, dass die Staatsanwaltschaft keinen Anlass gesehen hat, Ermittlungen zur Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) anzustellen; daraus lassen sich keine Schlüsse über die waffenrechtliche Eignung des Klägers ziehen.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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