Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit von “Reichsbürger”

Aktenzeichen  24 ZB 20.418

Datum:
22.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20674
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1. Personen, die der Reichsbürgerbewegung zuzurechnen sind oder die sich deren ideologisches Gedankengut zu eigen gemacht und die sich später hiervon nicht glaubwürdig distanziert haben, fehlt es an der waffen-, jagd- und sprengstoffrechtlichen Zuverlässigkeit.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Zurechnung zur Reichsbürgerbewegung kann sich aus einem Verhalten ergeben, dass die Geltung des Ordnungswidrigkeitengesetzes und die Staatlichkeit und Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 K 19.416 2019-12-23 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 23.250 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Ungültigkeitserklärung und Einziehung seines Jagdscheins sowie den Widerruf einer sprengstoffrechtlichen und mehrerer jagdrechtlicher Erlaubnisse durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 7. Februar 2019.
Seine hiergegen gerichtete Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 23. Dezember 2019 ab. Der Kläger sei der Reichsbürgerbewegung zuzurechnen bzw. habe sich ihr ideologisches Gedankengut zu eigen gemacht. Dies ergebe sich aus dem Vorgehen des Klägers gegen eine Verwarnung nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz. In diesem Zusammenhang habe der Kläger die Gültigkeit des Ordnungswidrigkeitengesetzes infrage gestellt und der zuständigen Verfolgungsbehörde hoheitliche Befugnisse abgesprochen. Darüber hinaus habe der Kläger einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und in diesem Zusammenhang reichsbürgertypische Angaben gemacht. Eine glaubwürdige Distanzierung sei auch später nicht erfolgt.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger durch seinen Bevollmächtigten sein Rechtsschutzziel weiter. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Der Kläger sei nicht der Reichsbürgerbewegung zuzurechnen; er habe sich auch nicht deren ideologisches Gedankengut zu eigen gemacht. Das Erstgericht verkenne insbesondere, dass er bei seinem Vorgehen gegen die Verwarnung nicht die Gültigkeit des Ordnungswidrigkeitengesetzes insgesamt habe infrage stellen wollen, sondern nur auf die Besonderheiten des Einzelfalls eingegangen sei. Dem ganzen habe ein Parkverstoß zugrunde gelegen, der in einem privaten Parkhaus begangen worden sei, sodass die Gültigkeit des Ordnungswidrigkeitengesetzes nicht auf der Hand liege. Die im Zusammenhang mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises gemachten Angaben habe der Kläger unkritisch von im Internet abrufbaren Vorlagen übernommen. Das Vorgehen der Behörde sei im Übrigen letztlich unter Anlegen sachfremder Kriterien zustande gekommen, nachdem sich aus einer in den Akten befindlichen E-Mail in erster Linie Sorgen um die behördliche Außendarstellung ergäben, die letztlich zum Bescheidserlass geführt hätten.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot gestaltet das Zulassungsverfahren dahingehend, dass das gerichtliche Prüfungsprogramm im Zulassungsverfahren jedenfalls im Wesentlichen darauf beschränkt ist zu klären, ob der Rechtsmittelführer seine Darlegungslast erfüllt hat und die dargelegten Gründe eine Zulassung der Berufung tragen (BVerfG, B.v. 23.7.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163). Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die Darlegung nur in einer Weise gestellt werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt mit zumutbarem Aufwand noch erfüllt werden können (BVerfG, B.v. 8.1.22009 – 2 BvR 758/07 – BVerfGE 125, 104). Dem Darlegungsgebot ist genügt, wenn der dargelegte Zulassungsgrund in der Sache auf einen der gesetzlichen Tatbestände zielt (BVerwG, B.v. 2.10.2003 – 1 B 33/03 – NVwZ-RR 2004, 220). Das Oberverwaltungsgericht muss sich aber nicht aus einem Darlegungsgemenge das heraussuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (BVerfG, B.v. 24.8.2010 – 1 BvR 2309/09 – BayVBl. 2011, 338). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
Der Bevollmächtigte des Klägers macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend. Solche sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden können (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl. 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel genügt keine unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung. In Ansehung des Vortrags in der Zulassungsbegründung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.
Das Erstgericht hat unter Anlegung der Maßstäbe des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zutreffend ausgeführt, dass es Personen, die der Reichsbürgerbewegung zuzurechnen sind oder die sich deren ideologisches Gedankengut zu eigen gemacht und die sich später hiervon nicht glaubwürdig distanziert haben, an der waffen-, jagd- und sprengstoffrechtlichen Zuverlässigkeit fehlt. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts, die sich der Senat zu eigen macht und die ergeben hat, dass der Kläger diesem Personenkreis zuzurechnen ist, ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Zulassungsverfahren nicht zu beanstanden. Zwar mag der fragliche Parkverstoß in einem von einem Privaten betriebenen Parkhaus begangen worden sein. Für einen Rechtsunkundigen kann dieser Umstand Anlass geben, die dortige Gültigkeit der Straßenverkehrsordnung infrage zu stellen, wobei ein Fahrerlaubnisinhaber grundsätzlich über die notwendigen Rechtskenntnisse verfügen müsste, dies nicht zu tun. Unabhängig hiervon stellt der Kläger in seinem Schreiben vom 6. Juli 2016 an die Stadt Marktredwitz die Gültigkeit des Ordnungswidrigkeitengesetzes insgesamt und grundsätzlich infrage, indem er die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland negiert. Dieses Vorgehen kann nicht nachvollziehbar damit erklärt werden, dass der Parkverstoß in einem Parkhaus eines privaten Betreibers begangen worden sei. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger im selben Schreiben der Stadt Marktredwitz jegliche hoheitliche Befugnis abgesprochen hat, da es sich um eine eingetragene Firma handle. Die vom Kläger in seinem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises gemachten Angaben, die konsequent die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negieren und stattdessen Gebietsbezeichnungen verwenden, die eine Fortexistenz des Deutschen Reiches voraussetzen, mögen den Vorlagen auf entsprechenden Internetseiten entsprechen. Deren angeblich unkritische Übernahme durch den akademisch gebildeten Kläger, die zudem eine Transferleistung unter Berücksichtigung der Aufenthaltsorte des Klägers seit seiner Geburt voraussetzt, ist vor dem Hintergrund des bereits im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen die Verwarnung nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz gezeigten reichsbürgertypischen Verhaltens des Klägers ohne plausible Erklärung, die weder erstinstanzlich noch im Rahmen der Begründung des Zulassungsantrags geleistet wurde, unglaubwürdig. Schließlich kommt es im Rahmen des Erlasses eines rechtmäßigen Bescheids, der den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, nicht auf etwaige Zusatzmotivationen der den Bescheid erlassenden Behörde an, sodass es einer Würdigung der in der Zulassungsbegründung näher bezeichneten E-Mail nicht bedarf.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht infrage gestellten Streitwertfestsetzung in der ersten Instanz.


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