Verwaltungsrecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte, Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheines, Waffenrechtliche (Un-)Zuverlässigkeit, „Reichsbürgerbewegung“

Aktenzeichen  M 7 K 18.527

Datum:
5.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 53110
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2
BJagdG § 18 S. 1
BJagdG § 17 Abs. 1, 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Bescheid vom 18. Januar 2018 in seiner zuletzt gültigen Fassung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger somit nicht in eigenen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Bescheidsaufhebung (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1 Der gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m.
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG in Nr. 1.1 des Bescheids angeordnete Widerruf der Waffenbesitzkarte ist rechtmäßig, weil der Kläger waffenrechtlich unzuverlässig ist.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei, also im Falle des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis, der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. hier des Bescheiderlasses (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24.06 – juris Rn. 35).
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 51). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 a.a.O; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14 mit Hinweis auf stRspr des BVerwG z.B. B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris sowie B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 71).
Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339; B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519; B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678; B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – alle juris).
Der Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes (S. 94) beschreibt die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als personell, organisatorisch und ideologisch heterogen. Sie setzt sich aus Einzelpersonen ohne Organisationsanbindung, Kleinst- und Kleingruppierungen, länderübergreifend aktiven Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken zusammen. Verbindendes Element der Szeneangehörigen ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 (S. 175) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Dabei werden z.B. der Rechtsstand von 1937, 1914 zwei Tage vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges oder auch 1871 genannt. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. In ihrer Gesamtheit ist die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als staatsfeindlich einzustufen (vgl. Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes (S. 95). Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 176).
Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 15 m.w.N.). Keine andere Beurteilung ist gerechtfertigt, wenn sich jemand (glaubhaft) selbst nicht als diesem Spektrum zugehörig betrachtet oder in einzelnen – auch wesentlichen – Bereichen von dort anzutreffenden Thesen nachvollziehbar und glaubhaft distanziert. Auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum rechtfertigt eine Einstellung, die die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet, die Annahme der waffenrechtlichen absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 23).
Im konkreten Fall rechtfertigen die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, eine Annahme bzw. Prognose, dass der Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG beschriebenes Verhalten zeigen wird und somit nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügt. Der Kläger hat vorliegend durch sein Verhalten Tatsachen geschaffen, die die Annahme rechtfertigen, dass er der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig ist bzw. sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht.
So sprechen im konkreten Fall zunächst die Stellung eines Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) unter Hinweis auf das RuStAG von 1913, die Angabe „Bundesland Bayern“ als Staatsangehörigkeit bzw. Wohnsitzstaat und das Einfordern spezifischer Eintragungen im EStA-Register dafür, dass der Kläger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat.
Denn Reichsbürger und Selbstverwalter bestreiten die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und bezeichnen diese z.T. als „Firma BRD“. Sie sind der Auffassung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besitzen bzw. aus dieser „austreten“ können. Ausgehend von der falschen Annahme, ohne Staatsangehörigkeitsausweis staatenlos zu sein, beantragen sie häufig einen Staatsangehörigkeitsausweis (sog. „gelber Schein“) zur Bestätigung ihrer Reichs- und Staatsangehörigkeit nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 179 ff.). Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhofft sich dieser Personenkreis – rechtlich völlig unzutreffend – unter anderem den „Ausstieg aus der Firma BRD“ oder die Sicherung vermeintlicher Rechte beim „Untergang des Systems“ (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 21 CS 17.2029 – juris Rn. 16). Der – vom Kläger u.a. in seinem Schreiben vom 19. Juli 2016 ausdrücklich so bezeichnete – „gelbe Schein“ wird zudem als Nachweis der Rechtsstellung als Staatsangehöriger des vorgeblich fortbestehenden „Deutschen Reichs“ angesehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 180). In diesem Kontext sind auch die im Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit getätigten Angaben der weiteren Staatsangehörigkeit des Klägers „Bundesland Bayern seit Geburt erworben durch Abstammung gem. § 4 Absatz 1 RuStAG Stand 22.07.1913“ und „Bundesland Bayern“ bzgl. Wohnort seit Geburt und Ort der Eheschließung zu sehen. Dies legt ebenfalls grundsätzlich „reichsbürgertypisch“ nahe, dass sich der Kläger nicht als zur Bundesrepublik Deutschland zugehörig ansieht (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2018 – 21 CS 17.2310 – juris Rn. 19). Denn aus Sicht der „Reichsbürger“ bestimmt sich ihre Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Jahr 1913 geltenden Fassung, wonach die Reichsangehörigkeit zum Deutschen Reich gegeben war, wenn eine Staatsangehörigkeit eines Landes des Deutschen Reichs bestand (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 180). Der Kläger hat hierdurch eine weitere für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Argumentationslinie zum Ausdruck gebracht (vgl. zur ähnlichen Angabe „Königreich Bayern“ BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 15). Durch diese Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913, mit der Angabe der weiteren Staatsangehörigkeit „Bundesland Bayern“ hat der Kläger somit nicht nur eine für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Verhaltens- und Ausdrucksweise gezeigt, sondern hierdurch zugleich nach außen gegenüber einer Behörde den Eindruck erweckt, dass es ihm nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises geht, sondern darum, einen Nachweis dafür zu erhalten, dass er die Staatsangehörigkeit des „Bundeslands Bayern“ durch Abstammung erworben hat. Der Kläger hat seine in den dargelegten Äußerungen und Verhaltensweisen zum Ausdruck kommende innere Einstellung damit nach außen hin zu erkennen gegeben.
Dass es sich hierbei um eine gefestigte innere Einstellung und nicht bloß um eine Art einmaliges „Momentversagen“ oder ein unreflektiertes „Abschreiben“ von Ausfüllhilfen aus dem Internet handelt, verdeutlichen die weiteren Schreiben und Äußerungen des Klägers. So weist er in seinem als „Widerspruch“ bezeichneten Schreiben vom … September 2016 nochmals ausdrücklich und ausführlich (mit in der Sache kruder Argumentation) darauf hin, dass es ihm gerade um eine Abstammung nach RuStAG 1913 geht. Reichsbürgertypisch ist – neben der Bezeichnung „BRD-Verwaltung“ (s.o.: „Firma BRD“) – in diesem Zusammenhang auch die Einlassung des Klägers, dass er nicht die deutsche Staatsangehörigkeit nachgewiesen habe wolle, da diese „nach Definition der BRD-Verwaltung der Reichsangehörigkeit [entspreche], die Adolf Hitler am 05.02.34 völkerrechtswidrig eingeführt“ habe. Auch diese Intention folgt einer gängigen, in vielen einschlägigen reichbürgertypischen/-nahen Internetauftritten und auch sonstigen Dokumenten bzw. Einlassungen zu findenden (gerichtsbekannten) Argumentation. Demnach hätten die „Nazis“ mittels der „Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit vom 5. Februar 1934“ eine deutsche Staatsangehörigkeit „erfunden bzw. konstruiert“, die man als „Nazistaatsangehörigkeit“ nicht haben wolle, weshalb man mit dem Nachweis „bis 1913 zurückgehen“ müsse. Ebenso verhält es sich mit der szenetypischen Argumentation „Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit“ und dem Einfordern spezifischer Einträge im EStA-Register, wodurch die Abstammung nach dem RuStAG Stand 1913 dokumentiert werden soll.
Und schließlich sind auch die Äußerungen des Klägers während der Vorsprache beim Landratsamt ein weiteres – wenn auch schwächeres – Indiz, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt und zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses der Ideologie der Reichsbürgerbewegung wenigstens nahestand. Reichsbürger weisen oft (teilweise mit Verschwörungstheorien zusammenhängende) Ängste vor einem bevorstehenden Zusammenbrechen der gesellschaftlichen und staatlichen Strukturen, einem Verlust von dinglichen Rechten, ihres Eigentums o.ä. auf (s.o.: „Untergang des Systems“, vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 21 CS 17.2029 – juris Rn. 16). Insoweit handelt es sich um gerichtsbekannte und wiederum den einschlägigen Internetauftritten zu entnehmende, für Reichsbürger typische und gängige Motivationslagen bzw. Argumentationsmuster. In diesem Zusammenhang sind etwa die Äußerungen des Klägers zur Einreise von Flüchtlingen 2015 und dem Nachweis des Eigentums an den „Erbhöfen“ einzuordnen.
Die Einlassungen des Klägers sowohl im Verwaltungs- als auch Gerichtsverfahren vermögen vor diesem Hintergrund an der Einschätzung des Gerichts nichts zu ändern. Der Kläger konnte nicht plausibel und nachvollziehbar erklären, wieso er trotz der eben erläuterten, von ihm geschaffenen und nach außen getragenen Tatsachen kein Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ bzw. von deren Ideologie sein soll. Allein der pauschale Verweis auf Hinweise und Tipps aus dem Internet ist insoweit unbehelflich, zumal gerade die szenetypischen Internetauftritte ein wesentliches Element zur Verbreitung der Ideologie darstellen (s.o. und Verfassungsschutzbericht Bund 2018, S. 103: „Vielzahl von Internetpräsenzen mit entsprechenden Veröffentlichungen“). Letztendlich hat sich der Kläger so insgesamt weitgehend unglaubwürdig gemacht, seine Einlassungen erscheinen der allgemeinen Lebenserfahrung folgend wenig plausibel und vielmehr verfahrenstaktisch motiviert, um einen Verlust seiner waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse zu verhindern.
Soweit der Kläger geltend macht, er halte sich an geltende Gesetze, ergibt sich daraus nichts Anderes. Der Umstand allein, dass sich eine Person in bestimmten, ihr opportun erscheinenden Situationen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung, wie hier, durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt, ob sie waffenrechtliche Vorschriften auch dann noch einhält, wenn sie ihr nicht (mehr) opportun erscheinen (vgl. VGH BW, B.v. 10.10.2017 – 1 S 1470/17).
Ebenso wenig ist eine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ im Fall des Klägers festzustellen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine glaubhafte Distanzierung kann aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung – Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – die ausländerrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – entsprechend herangezogen werden (vgl. VG München, Gerichtsbescheid v. 17.10.2018 – M 7 K 17.750 – juris Rn. 39). Dementsprechend ist für eine glaubhafte Distanzierung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11/18 – juris Rn. 12). Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Betroffene in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit den einschlägigen sicherheitsrechtlichen Tatbestand erfüllt zu haben. Ohne Einsicht des Betroffenen in die Unrichtigkeit des ihm vorgeworfenen Handelns hat die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 53). Eine diesen Anforderungen genügende, glaubhafte Distanzierung des Klägers von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ lässt sich nicht, jedenfalls aber nicht bis zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses feststellen. Hinreichende äußerlich feststellbare Umstände, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kläger seine innere Einstellung verändert hat, sind nicht erkennbar, zumal der Kläger nach wie vor bestreitet, jemals der Ideologie nahegestanden bzw. diese als für sich verbindlich angesehen zu haben.
1.2 Vor diesem Hintergrund ist auch die in Nr. 1.2 des Bescheids vom 18. Januar 2018 verfügte Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins nach § 18 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 BJagdG rechtmäßig (vgl. 1.1). Die Pflicht zur Rückgabe für diese Erlaubnisdokumente ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG für die Waffenbesitzkarte), so dass auch die Nr. 1.3 rechtmäßig ist. Auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in den Nrn. 1.4, 1.5 (in ihrer Fassung vom 5. Februar 2020/mündliche Verhandlung), 3 und 4 des Bescheids ausgesprochenen Nebenverfügungen sind weder ersichtlich noch vorgetragen; insoweit wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO auf dessen Gründe Bezug genommen.
2. Die Kostenentscheidung basiert auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Soweit sich die ursprüngliche Klage infolge der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Bescheidsänderung teilweise erledigt hat, hat dies dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO folgend keine kostenrechtliche Auswirkung. Denn bei der geänderten Nrn. 1.5 handelt es im Verhältnis zu den vorliegend inmitten stehenden Nrn. 1.1 und 1.2 um eine untergeordnete und in ihrer Bedeutung für den Kläger zu vernachlässigende Nebenbestimmung.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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