Verwaltungsrecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte wegen Unzuverlässigkeit

Aktenzeichen  M 7 K 18.2637

Datum:
12.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35329
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, lit. c, § 36 Abs. 1, § 45 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die ungesicherte Aufbewahrung einer Waffe in einem unverschlossenen Schrank im Keller des Hauses stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen wesentliche Bestimmungen einer ordnungsgemäßen Verwahrung dar und rechtfertigt die Prognose, dass der Besitzer nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b Alt. 3 WaffG verfügt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 15. Mai 2018 in der in der mündlichen Verhandlung geänderten Fassung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der in Nr. 1 des Bescheids angeordnete Widerruf der Waffenbesitzkarte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Alt. 3 und Buchst. c WaffG ist rechtmäßig. Hierbei ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheiderlasses, abzustellen. Anzuwenden ist daher das Waffengesetz in der mit Gesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl I S. 2133) geänderten, ab dem 6. Juli 2017 geltenden Fassung.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, hier die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG, zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG besitzt.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und Buchst. c WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts, BT-Drs. 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen (st. Rspr. BVerwG, vgl. z.B. B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris Rn. 10; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris Rn. 5; st. Rspr. BayVGH, vgl. z.B. B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11; B.v. 21.11.2019 – 21 CS 18.2523 – juris Rn. 15). Dabei wird nicht der Nachweis verlangt, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird, sondern es genügt vielmehr allgemein nach tatrichterlicher Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris Rn. 10; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris Rn. 5). Im Bereich des Waffenrechts kann angesichts der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter für Leben und Gesundheit ausgehen, ein Restrisiko nicht hingenommen werden. Bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten rechtfertigt die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn. 12 m.w.N.). Hat ein Waffenbesitzer in diesem Sinne bereits einmal versagt, ist allein das ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. Eine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender Rechtssatz, dass erst ab einem weiteren Verstoß eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist, besteht nicht (st. Rspr. BayVGH, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28.11.2013 – 21 CS 13.1758 – juris Rn. 12; B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.11.2015 – 21 CS 15.2023 – juris Rn. 15; B.v. 14.11.2016 – 21 ZB 15.648 – juris Rn. 17).
Die von den Mitarbeitern des Beklagten am 23. Januar 2018 im Haus des Klägers festgestellte Aufbewahrungssituation der Waffe rechtfertigt die Annahme, dass der Kläger seine Waffe nicht sorgfältig verwahrt und sie Dritten überlässt, sodass er aufgrund dessen nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Alt. 3 und Buchst. c WaffG verfügt.
Eine sorgfältige Aufbewahrung i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG liegt nur dann vor, wenn die gesetzlichen Anforderungen beachtet sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2016 – 21 ZB 15.1949 – juris Rn. 16). Die Anforderungen an eine sorgfältige Verwahrung sind in § 36 WaffG sowie insbesondere in dem diesen gemäß § 36 Abs. 5 WaffG konkretisierenden und ergänzenden § 13 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung – AWaffV – näher geregelt. Gemäß § 36 Abs. 1 in der durch Gesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl I S. 2133) geänderten, ab dem 6. Juli 2017 geltenden Fassung (wortgleich zu § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG a.F.) hat derjenige, der Waffen oder Munition besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Waffenbesitzer neben den Waffen auch Munition besitzt bzw. besitzen darf. Vorliegend war der Bestandsschutz des § 36 Abs. 4 WaffG in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 2017 anzuwenden. Nach der von dem Beklagten mit Schreiben vom 9. September 2010 zugebilligten Härtefallregelung nach § 13 Abs. 8 AWaffV in der Fassung des Gesetzes vom 17. Juli 2009 wurde die Aufbewahrung der Waffe des Klägers analog der zur Aufbewahrung von Munition bestehenden Vorschriften in einem Stahlbehältnis ohne Klassifizierung mit Schwenkriegelschloss oder gleichwertigem Behältnis (Stahlkassette) zugelassen, da es sich bei der Waffe um eine Perkussions-(Kurz-)waffe mit umfassend fehlender Deliktsrelevanz handelt. Entgegen dem klägerischen Vorbringen hat der Beklagte die geringere Gefährlichkeit der Waffe im Rahmen der Härtefallregelung berücksichtigt. Die vom Kläger behauptete weitere Herabsetzung der Gefährlichkeit durch eigenständiges Verpressen der Munitionskammern mit Bleikugeln ist hingegen nicht entscheidungserheblich beachtlich. Da das Verpressen nach dem – insofern unwidersprochenem – Vortrag des Beklagten jedenfalls nicht irreversibel war, hätte die Funktionsfähigkeit der Waffe durch einen Nichtberechtigten jederzeit wiederhergestellt werden können, sodass eine weiter verringerte Gefährlichkeit der Waffe nicht angenommen werden kann.
Tatsächlich hat der Kläger die Waffe nach seinen eigenen Angaben seit der Erteilung der Waffenbesitzkarte in einem unverschlossenen Schrank im Keller des Hauses aufbewahrt und erst nach der Ankündigung der Waffenaufbewahrungskontrolle (Schreiben vom 5. Januar 2018) in den Tresor des Hauses verbracht. Damit steht nach Auffassung der Kammer fest, dass der Kläger die Waffe über einen langen Zeitraum ungesichert aufbewahrt hat. Dies stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen wesentliche Bestimmungen einer ordnungsgemäßen Verwahrung dar, da die Waffe so dem Zugriff Dritter nicht hinreichend sicher entzogen war. Schon alleine dieser Verstoß gegen § 36 Abs. 1 WaffG rechtfertigt die Prognose, dass der Kläger die Waffe nicht sorgfältig verwahrt und aufgrund dessen nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Alt. 3 WaffG verfügt. Vor dem Hintergrund, dass eine unsorgfältige und gesetzeswidrige Aufbewahrung den Übergang von der legalen zur illegalen Schusswaffe erleichtert, schlagen Aufbewahrungsmängel insbesondere auf die waffenrechtliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) durch. Im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG kann damit schon – wie ausgeführt – ein einziger Verstoß gegen die in § 36 Abs. 1 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2017 – 21 CS 17.1531 – juris Rn. 16).
Der Einwand des Klägers, die Waffe sei in einem abschließbaren Keller im obersten Schrankfach gut versteckt gewesen, sodass im Falle eines Überfalls ein geringeres Risiko für einen fremden Zugriff bestanden habe, ist nicht geeignet, den Verstoß gegen die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung auszuräumen. Denn es kommt nicht darauf an, ob und in welchem Umfang durch den Verstoß im Einzelfall eine konkrete Gefährdung der Allgemeinheit eingetreten ist, da der Schutz der Allgemeinheit vor von Waffen und Munition ausgehenden Gefahren gerade durch die geltenden Aufbewahrungsvorschriften erreicht werden soll (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2015 – 21 ZB 14.2690 – juris Rn. 15). Jeder Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften berührt zugleich die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit (BayVGH, B.v. 5.6.2018 – 21 ZB 15.2434 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 7.7.2015 – 21 ZB 14.2690 – juris Rn. 15). Die vom Gesetzgeber als besonders wichtig eingestufte sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition soll nicht nur dazu dienen, unbefugt in der Wohnung befindlichen Personen den Zugriff zu erschweren, sondern sie soll darüber hinaus sicherstellen, dass Personen bei rechtmäßigem Aufenthalt in der Wohnung, also Familienangehörige und Besucher, nicht unkontrolliert Zugriff auf Waffen haben, was schon im Wortlaut der Vorschrift, der nicht nach dem Personenkreis differenziert, zum Ausdruck kommt (vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2015 – 21 CS 15.2023 – juris Rn. 15; vgl. auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts, BT-Drs. 14/7758, S. 73 und Nr. 36.7 WaffVwV, wo darauf hingewiesen wird, dass nicht zuletzt der furchtbare Amoklauf von Winnenden im März 2009 erst durch eine nicht ordnungsgemäß verwahrte Waffe möglich gewesen ist). Aus diesem Grund ist es auch unerheblich, dass die Ehefrau des Klägers in der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung übergebenen schriftlichen Erklärung vom 11. Mai 2021 versichert, die Waffe nicht in unmittelbaren Besitz zu nehmen und sich bezüglich der Waffe unwiderruflich seinen Weisungen zu unterwerfen. Abgesehen davon, dass eine solche Erklärung Aufbewahrungsverstöße in der Vergangenheit schon per se nicht rechtfertigen kann, ändert die Erklärung nichts daran, dass die Ehefrau des Klägers während der Aufbewahrung im Keller als Nichtberechtigte ungehinderten Zugang zu der Waffe hatte. Es kommt gerade nicht darauf an, ob durch den Verstoß im Einzelfall eine konkrete Gefährdung der Allgemeinheit eingetreten ist.
Nicht entscheidungserheblich beachtlich ist in diesem Zusammenhang auch das Vorbringen des Klägers, seiner Ehefrau sei aufgrund eines bestehenden waffenrechtlichen Bedürfnisses eine Waffenbesitzberechtigung zu erteilen. Abgesehen davon, dass dies ohnehin in einem eigenständigen Verfahren zu prüfen wäre, wäre selbst ein bestehendes waffenrechtliches Bedürfnis seiner Ehefrau nicht geeignet, die unsachgemäße Aufbewahrung der Waffe in einem nicht abschließbaren Schrank im Keller zu rechtfertigen. Zum Zeitpunkt der nicht sorgfältigen Verwahrung war sie unzweifelhaft nicht im Besitz einer insoweit erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnis.
Schließlich vermag auch der Einwand des Klägers, der Beklagte habe durch sein unschlüssiges Verhalten den Aufbewahrungsverstoß zumindest mitverursacht, nicht zu einer anderen Bewertung zu führen. Aus den beiden Schreiben vom 9. September 2010 und 19. Oktober 2010 ergibt sich eindeutig, dass die Waffe jedenfalls in einem Stahlbehältnis/Stahlblechschrank mit Schwenkriegelschloss aufzubewahren war, sodass er die Waffe spätestens zu diesem Zeitpunkt in einem verschließbaren Stahlblechschrank/Stahlbehältnis hätte aufbewahren müssen. Hieran ändert auch die – missverständliche – Bezugnahme auf einen vom Kläger angegebenen Waffenschrank nichts. Der Kläger kann sich nicht auf etwa bestehende Unklarheiten in Bezug auf die Aufbewahrung berufen. Als Besitzer der Waffe obliegt es ihm, sich selbst über grundlegende Aufbewahrungsregeln zu informieren und diese eigenverantwortlich einzuhalten. Der Kläger hätte sich daher mit dem Landratsamt in Verbindung setzen oder sich anderweitig über eine ordnungsgemäße Aufbewahrung informieren müssen, falls er sich hierüber nicht im Klaren gewesen sein sollte (vgl. VG Augsburg, U.v. 22.9.2004 – Au 5 K 02.1524 – juris Rn. 41). Dass der – im Übrigen selbst als Rechtsanwalt tätige – Kläger die aus seiner Sicht „unschlüssigen“ Schreiben des Beklagten ohne weitere Reaktion lediglich in seinen Unterlagen „abgelegt“ und deren Regelungsgehalt nicht weiter beachtet hat, zeugt von einer nicht hinnehmbaren Sorglosigkeit beim Umgang mit der Waffe und lässt umso mehr auf ein mangelndes Bewusstsein für die Wichtigkeit einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung von Waffen schließen.
Weiterhin kommt es auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob sich der Kläger auf eine Erlaubnisfreiheit der Waffe (vgl. Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG, Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 Nr. 1.5) berufen könnte, da auch hinsichtlich erlaubnisfreier Waffen als Mindeststandard für die Aufbewahrung ein festes verschlossenes Behältnis oder eine (hier ebenfalls nicht gegebene) vergleichbare Sicherung anzusehen ist, um den Gesetzeszweck der Sicherung gegen Abhandenkommen und unbefugte Benutzung durch Dritte zu erfüllen (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2017 – 21 CS 17.1531 – juris Rn. 17). Unabhängig davon wäre im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass es sich bei dem mehrschüssigen Revolver um eine Einzelladerwaffe handeln würde, wie in der genannten Ausnahmevorschrift vorausgesetzt ist.
Es handelt sich bei dem konkreten Verstoß gegen die dem Kläger als Waffenbesitzer obliegenden Aufbewahrungspflichten durch das unverschlossene Aufbewahren der Waffe im Keller angesichts der Gesamtumstände auch nicht lediglich um eine situative Nachlässigkeit milderen Gewichts, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30/13 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 31.7.2015 – 21 CS 15.1156 – juris Rn. 12). Zum einen hat der Kläger die Waffe dort über einen langen Zeitraum unverschlossen aufbewahrt, zum anderen kommt hinzu, dass auch die spätere, bei der Waffenaufbewahrungskontrolle vorgefundene Verwahrung der Waffe in dem zumindest für seine Ehefrau zugänglichen Haus-Safe der erforderlichen Sorgfaltspflicht im Umgang mit Waffen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht genügt. Zur sorgfältigen Aufbewahrung gehört es auch, den Schlüssel zu einem Safe so aufzubewahren, dass er einem Dritten nicht zugänglich ist, weil anderenfalls eine sichere Aufbewahrung in dem Safe keinen Schutz vor unbefugtem Zugriff bietet (vgl. VG Ansbach, U.v. 3.12.2003 – AN 15 K 03.00325 – juris Rn. 23).
Darüber hinaus hat der Kläger durch die Aufbewahrung der Waffe in dem jedenfalls für seine Ehefrau zugänglichen Safe die Waffe i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG auch Personen überlassen, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind, sodass auch aus diesem Grund von seiner waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit auszugehen ist. Nach der in Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 3 zum Waffengesetz enthaltenen Legaldefinition überlässt jemand eine Waffe oder Munition i.S.d. Waffengesetzes, wer einem anderen die tatsächliche Gewalt darüber einräumt. Hierbei erfordert das Überlassen nicht, dass der Überlassene die tatsächliche Gewalt aufgibt, vielmehr ist ein Überlassen schon dann anzunehmen, wenn der Überlassende – ohne seine eigene tatsächliche Gewalt aufzugeben – einer anderen Person die Möglichkeit einräumt, sich selbstständig und ohne Mitwirkung des anderen der Waffe bedienen zu können (vgl. BVerwG, U.v. 6.12.1978 – I C 7.77 – juris Rn. 18; OVG SH, B.v. 11.1.2017 – 4 MB 53/16 – juris Rn. 5). Ehegatten können untereinander ein Überlassen nur dadurch vermeiden, dass sie dem jeweils anderen Ehepartner keinen alleinigen Zugang zu der Waffe einräumen (vgl. BVerwG, U.v. 6.12.1978 – I C 7.77 – juris Rn. 18; OVG NW, B.v. 15.9.2017 – 20 B 316/17 – juris Rn. 20). Der allein zum Waffenbesitz berechtigte Ehepartner ist dazu verpflichtet, die Waffe so unterzubringen, dass sie dem Zugriff des nicht berechtigten Ehegatten entzogen ist (vgl. VG München, B.v. 6.4.1999 – M 7 S 98.4371 – juris Rn. 19 m.w.N.). Durch die Verwahrung der Waffe in dem auch für sie zugänglichen Haus-Safe hat der Kläger seiner Ehefrau, die in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses unstreitig nicht zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffe berechtigt war, den jederzeitigen Zugriff auf die Waffe ermöglicht. Dass diese nachträglich versichert, die Waffe nicht in unmittelbaren Besitz zu nehmen, ist, wie bereits ausgeführt, unbeachtlich. Unerheblich ist insoweit im Übrigen auch, wie der Kläger einen Zugriff der Ehefrau auf die Waffe im gemeinsamen Safe ggf. hätte verhindern können, da schon keine Verwahrung in diesem Safe hätte erfolgen müssen. Ausreichend wäre ein Stahlblechbehältnis mit Schwenkriegelschloss gewesen, welches insoweit unproblematisch mit einem Zahlenschloss hätte verschlossen werden können.
Insgesamt rechtfertigt die unsachgemäße Verwahrung der Waffe sowohl im Keller, als auch in dem Haus-Safe unter Berücksichtigung der Einlassungen des Klägers schon je für sich genommen die Prognose, dass der Kläger die Waffe auch zukünftig nicht jederzeit ordnungsgemäß verwahren wird und er somit unzuverlässig i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Alt. 3 WaffG ist. Darüber hinaus ist aufgrund des Überlassens der Waffe an seine nichtberechtigte Ehefrau im Rahmen der vorzunehmenden Zukunftsprognose davon auszugehen, dass der Kläger auch i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG als unzuverlässig anzusehen ist.
Die in dem Verstoß gegen eine elementare und selbstverständliche Pflicht beim Umgang mit Waffen liegende Pflichtverletzung ist in Anbetracht der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, nicht unverhältnismäßig. Der Kläger hat – entsprechend den obigen Ausführungen – gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung nach § 36 Abs. 1 WaffG verstoßen. Dieser Verstoß sowie der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen und damit die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen, rechtfertigen die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers. In Anbetracht des Gefahren vorbeugenden Charakters der Regelung und der erheblichen Gefahren, die von Waffen für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist es nicht hinzunehmen, abzuwarten, ob der Kläger seine Lehren aus dem Vorfall gezogen hat und künftig seine Waffe ordnungsgemäß verwahren wird. Dieses Restrisiko ist im Interesse eines umfassenden Schutzes der Allgemeinheit nicht hinzunehmen.
Die Waffenbesitzkarte des Klägers war danach zwingend zu widerrufen, § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG.
Da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der des Bescheiderlasses ist, war im Übrigen nicht weiter auf die von Seiten des Klägers in der mündlichen Verhandlung im Sinne von Anregungen (nicht förmlich) gestellten Anträge einzugehen. Es kann entscheidungserheblich nicht mehr darauf ankommen, ob künftig Ausnahmeregelungen hinsichtlich der Berechtigung oder der Aufbewahrungspflichten möglich wären.
Des Weiteren sind auch gegen die mit dem Widerruf der Waffenbesitzkarte verbundenen notwendigen Anordnungen rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich. Diese wurden zutreffend auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG (Nr. 2 des Bescheids) und auf § 46 Abs. 2 WaffG (Nr. 3 des Bescheids) gestützt. Gegen die Kostenentscheidung (Nr. 4) bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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