Verwaltungsrecht

Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis und Versagung eines Jagdscheins wegen nicht ordnungsgemäßer Aufbewahrung geladener Waffen und Munition

Aktenzeichen  24 ZB 19.145, 24 ZB 19.146

Datum:
8.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36161
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2b, § 45 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Hat ein Waffenbesitzer zwei seiner Schusswaffen außerhalb des erforderlichen Sicherheitsbehältnisses frei zugänglich abgelegt und eine weitere in einer Manteltasche aufbewahrt, so sind die waffenrechtlichen Erlaubnisse zwingend zu widerrufen. (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Widerruf ist unabhängig davon erforderlich, dass es sich um eine einmalige Feststellung bei einer Routinekontrolle und nach langjähriger Unauffälligkeit handelt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 9 K 17.1260 2018-12-07 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Verfahren 24 ZB 19.145 und 24 ZB 19.146 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten der Zulassungsverfahren.
IV. Der Streitwert für die Zulassungsverfahren wird auf insgesamt 18.250,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 25. September 2017, mit dem unter anderem seine waffenrechtlichen Erlaubnisse widerrufen wurden und begehrt die mit weiterem Bescheid des Beklagten vom 19. März 2018 versagte Erteilung eines Jagdscheins.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechenden Klagen mit Urteilen vom 7. Dezember 2018 abgewiesen. Unter Bezugnahme auf die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes des Klägers ergangenen, ablehnenden Entscheidungen (zuletzt: BayVGH, B.v. 4.5.2008 – 21 CS 17.2566 – juris) hat es ausgeführt, der Kläger habe vor allem mehrere Waffen, eine davon in geladenem Zustand, nicht ordnungsgemäß aufbewahrt und im Schloss des von ihm benutzten Munitionsschranks den Schlüssel stecken lassen. Die bei ihm insbesondere anlässlich einer unangekündigten Kontrolle am 17. August 2017 festgestellten, mehrfachen Verstöße allein gegen die waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften seien als eklatant zu bewerten, rechtfertigten den Entzug seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse und stünden der begehrten Erteilung eines Jagdscheins entgegen.
Mit dem vorliegenden Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Unter Wiederholung seines Vorbringens im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (seine Klagen hat er nicht begründet) macht er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Urteile, besondere rechtliche Schwierigkeiten sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag auf Zulassung der Berufung entgegengetreten und verteidigt die angefochtenen Urteile.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Die Zulassungsverfahren konnten aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 93 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden, da sie den gleichen Gegenstand betreffen und die gestellten Anträge mit identischen Schriftsätzen begründet wurden.
2. Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.
a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Urteile (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Der Kläger hält die erstinstanzlichen Urteile für rechtsfehlerhaft, weil das von ihm gezeigte Verhalten – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts – keine negative Prognose im Hinblick auf seine künftige waffenrechtliche Zuverlässigkeit rechtfertige. Bei einem langjährigen Inhaber einer Waffenbesitzkarte und eines Jagdscheins sei eine erstmalige Beanstandung nicht ausreichend, um den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnis zu begründen. Dies ergebe sich auch aus den einschlägigen Vollzugshinweisen des Bayer. Staatsministeriums des Innern zum Waffenrecht, denen das Gericht nicht Rechnung getragen habe.
Hierzu hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seinem vom Kläger im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erwirkten Beschluss vom 4. Mai 2018 (Az. 21 CS 17.2566) bereits Folgendes ausgeführt:
“Der Antragsteller wendet vergeblich ein, es sei unverhältnismäßig, ihm nach 59-jährigem zuverlässigen Umgang mit Waffen die waffenrechtlichen Erlaubnisse aufgrund eines einmaligen Versehens zu entziehen.
Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die für die Erteilung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG vorausgesetzte Zuverlässigkeit nicht mehr besteht. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen unter anderem solche Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition nicht sorgfältig verwahren werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG).
Die am 17. August 2017 von Mitarbeitern des Landratsamts H. durchgeführte Kontrolle hat beim Antragsteller ein hohes Maß an Nachlässigkeit bezüglich der Aufbewahrung von Waffen und Munition offenbart. So hatte er entgegen der für ihn als „Altbesitzer“ nach wie vor maßgebenden Vorschrift des § 36 Abs. 2 WaffG in der bis zum 6. Juli 2017 geltenden Fassung (a.F. – § 36 Abs. 4 Satz 1 und 2 WaffG) zwei seiner Schusswaffen außerhalb des erforderlichen Sicherheitsbehältnisses in seiner Wohnung frei zugänglich abgelegt (Drilling und halbautomatische Flinte) und eine weitere Schusswaffe (doppelläufige Pistole) in der Tasche seines Jagdmantels aufbewahrt. Damit hat er gleich mehrfach gegen die grundlegende, jeden Waffenbesitzer treffende Pflicht verstoßen, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass Waffen abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen (§ 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG a.F., § 36 Abs. 4 Satz 1 und 2 WaffG). Hinzu kommt ein Verstoß gegen die Verpflichtung, Schusswaffen nur getrennt von der Munition aufzubewahren (§ 36 Abs. 1 Satz 2 WaffG a.F., § 36 Abs. 4 Satz 1 und 2 WaffG), denn in zwei Läufen des Drillings befand sich Munition.
Ohne dass es noch auf die weiteren Verstöße des Antragstellers bezüglich der Aufbewahrung von Waffen und Munition ankommt, rechtfertigen die vorstehend aufgezeigten Verfehlungen auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach ihrer Art und ihrem Gewicht die Prognose des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller werde auch künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren. Mit seinem nunmehrigen Verhalten hat der Antragsteller neue Tatsachen geschaffen, die trotz des (behaupteten) bislang zuverlässigen Umgangs mit Waffen nach aller Lebenserfahrung ein plausibles Risiko dafür begründen, dass er auch künftig Waffen oder Munition nicht sorgfältig verwahren wird.
Der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht habe Nr. 5.2 der Vollzugshinweise des Bayer. Staatsministeriums des Innern zur Änderung des Waffengesetzes zum 25. Juli 2009 (IMS v. 26.10.2009 – ID5 – 2131.67 – 21) nicht hinreichend berücksichtigt, wonach ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflicht in der Regel einen Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis noch nicht begründe.
Das Verwaltungsgericht hat dazu zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller mehrfach gegen die Aufbewahrungsvorschriften verstoßen hat. Schon deshalb kann er aus den von ihm herangezogenen Vollzugshinweisen nichts zu seinen Gunsten herleiten.“
Das im Rahmen der Anträge auf Zulassung der Berufung lediglich wiederholte Vorbringen des Klägers gibt keinen Anlass, von dieser Einschätzung abzuweichen.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers weist die Rechtssache auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) „hinsichtlich der Frage, in welcher Weise die vorgenannten Vollzugshinweise des Ministeriums bei der Auslegung des Beurteilungsspielraums zu berücksichtigen sind“ auf. Denn die genannten Vollzugshinweise sind, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, in seinem Fall nicht einschlägig.
c) Schließlich hat „die Frage der Berücksichtigung der vorgenannten Vollzugshinweise im Rahmen des Beurteilungsspielraumes hinsichtlich der jagd- und waffenrechtlichen Zuverlässigkeit“ mangels Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung „für alle Jäger und Waffenbesitzer in Bayern“. Da der Kläger nach den obigen Ausführungen bereits mehrfach gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften verstoßen hat, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der zitierten Vollzugshinweise in seinem Fall nicht erfüllt und die von ihm aufgeworfene, als grundsätzlich erachtete Frage würde sich deshalb in einem Berufungsverfahren nicht stellen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 50.2 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung der Zulassungsanträge werden die Urteile des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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