Verwaltungsrecht

Widerruf einer Waffenbesitzkarte wegen Alkoholabhängigkeit

Aktenzeichen  21 CS 16.171

Datum:
29.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG WaffG §§ 4 I Nr. 2, 6 I 1 Nr. 2 Alt. 1, II 1, V, 45 II 1
AWaffV AWaffV § 4 VI 1

 

Leitsatz

1 Eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille deutet auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hin. (redaktioneller Leitsatz)
2 Weigert sich der Inhaber einer Waffenbesitzkarte nach einer bei ihm bei Teilnahme am Straßenverkehr festgestellten mittleren Blutalkoholkonzentration von 1,99 Promille, das vom Landratsamt geforderte Gutachten (Zeugnis) vorzulegen, ist die Waffenbesitzkarte zwingend zu widerrufen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Rechtsbehelf gegen einen auf der Grundlage des § 45 II 1 WaffG ausgesprochenen Erlaubniswiderruf hat nach § 45 V WaffG keine aufschiebende Wirkung. Der Gesetzgeber hat insoweit dem Vollziehungsinteresse und damit dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einen grundsätzlichen Vorrang gegenüber dem privaten Interesse eingeräumt. Es bedarf deshalb besonderer Umstände, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 S 15.1429 2016-01-12 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.625,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Dem Antragsteller geht es darum, dass die aufschiebende Wirkung einer Klage angeordnet bzw. wiederhergestellt wird, mit der er sich gegen den Widerruf der ihm erteilten Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen und die dazu ergangenen Nebenentscheidungen wendet.
Die Kriminalpolizeiinspektion S. gab dem Landratsamt S. mit Schreiben vom 7. Juli 2015 folgendes zur Kenntnis: Der Antragsteller wurde am 25. Mai 2015 gegen 00:35 Uhr mit seinem Fahrrad einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen. Die ihm um 01:35 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine mittlere Blutalkoholkonzentration von 1,99 Promille.
Das Landratsamt wies den Antragsteller zuletzt mit Schreiben vom 7. September 2015 darauf hin, dass aufgrund der bei ihm festgestellten Blutalkoholkonzentration aus waffenrechtlicher Sicht erhebliche Bedenken gegen seine persönliche Eignung bestünden. Es bat um Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige und körperliche Eignung bis 9. Oktober 2015, das eine Aussage darüber zu treffen habe, ob der Antragsteller zum Besitz und zum Umgang mit Waffen persönlich geeignet sei. Insbesondere sei in dem Gutachten zu klären, ob eine Alkoholabhängigkeit bestehe. Darüber hinaus enthält das Schreiben den Hinweis, dass die waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen werden müsse, wenn das Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt werde. Der Antragsteller ließ durch seinen Bevollmächtigten unter dem 23. Oktober 2015 mitteilen, dass eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr nicht erfolgt sei und für die Vorlage eines Gutachtens kein Raum bestehe.
Das Landratsamt widerrief mit Bescheid vom 16. November 2015 die dem Antragsteller ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr. 49/15, in die insgesamt drei Lang- und eine Kurzwaffe eingetragen sind. Zudem traf es die dazugehörigen Nebenentscheidungen.
Das Verwaltungsgericht Würzburg hat den Eilantrag des Antragstellers mit Beschluss vom 12. Januar 2016 abgelehnt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
1. Der Antragsteller lässt einwenden, mangels Alkoholstraftat lägen triftige Gründe für den Widerruf der Waffenbesitzkarte nicht vor. Das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, dass der Antragsteller kein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt habe. Dieser habe sich mit dem Fahrrad nicht rollend fortbewegt. Vielmehr sei er auf der Oberstange gesessen, was aufgrund des niedrigen Sitzbereichs ein Treten der Pedale und ein Lösen beider Füße während des Schiebens nicht möglich erscheinen lasse.
Das rechtfertigt es nicht, von der im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung getroffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts abzuweichen, die Klage werde voraussichtlich erfolglos bleiben. Für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis des Antragstellers kam es nicht darauf an, ob er durch sein Verhalten am 25. Februar 2015 eine Straftat begangen hat und deshalb verurteilt wurde.
Maßgebend für den Widerruf war vielmehr, dass sich der Antragsteller trotz der am 25. Februar 2015 bei ihm festgestellten mittleren Blutalkoholkonzentration von 1,99 Promille geweigert hat, das vom Landratsamt geforderte Gutachten (Zeugnis) vorzulegen. Damit war die Waffenbesitzkarte des Antragstellers zwingend aufzuheben. Denn nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG voraus, dass der Antragsteller die erforderliche persönliche Eignung besitzt. Diese Eignung fehlt Personen unter anderem dann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie abhängig von Alkohol sind (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG). Bestehen insoweit Zweifel und legt der Betroffene ein von der zuständigen Behörde gefordertes Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht vor, darf die Behörde – wie hier geschehen – auf dessen Nichteignung schließen (§ 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV).
Vor diesem Hintergrund führt auch das Beschwerdevorbringen nicht weiter, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller weder vor noch nach dem Vorfall vom 25. Februar 2015 polizeilich in Erscheinung getreten sei.
2. Ebenso wenig greift die Rüge durch, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einer Alkoholgewöhnung des Antragstellers ausgegangen. Es habe außer Acht gelassen, dass der Antragsteller nach Aussage des Zeugen … einen stark angetrunkenen Eindruck gemacht habe.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hindeutet (vgl. BVerwG, U. v. 21.5.2008 – 3 C 32.07 – juris). Dem entspricht es, dass Nr. 6.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz die amtliche Feststellung einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille als Beispiel für solche Tatsachen anführt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung begründen und damit die Anordnung rechtfertigen, ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis vorzulegen. Demgegenüber rechtfertigt die subjektive Einschätzung des Zeugen ****, der die Verkehrskontrolle am 25. Februar 2015 durchgeführt hat, keine andere Einschätzung. Denn der Antragsteller war trotz seiner erheblichen Alkoholisierung in der Lage, sich mit dem Fahrrad auf der Straße fortzubewegen. Darin fügt sich der über die Blutentnahme erstellte ärztliche Bericht vom 25. Mai 2015 ein, dem zufolge beim Antragsteller der äußerliche Anschein des Einflusses von Alkohol (nur) leicht bemerkbar war.
3. Nach allem rechtfertigt es das Beschwerdevorbringen nicht, das öffentliche Interesse an einem sofortigen Vollzug des Widerrufs hinter das Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung seiner Klage zurücktreten zu lassen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der angefochtene Bescheid, wie der Antragsteller rügt, „erst“ sechs Monate nach dem Vorfall vom 25. Mai 2015 erlassen wurde.
Ein Rechtsbehelf gegen einen auf der Grundlage des § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ausgesprochenen Erlaubniswiderruf hat nach § 45 Abs. 5 WaffG keine aufschiebende Wirkung. Der Gesetzgeber hat insoweit dem Vollziehungsinteresse und damit dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einen grundsätzlichen Vorrang gegenüber dem privaten Interesse eingeräumt. Es bedarf deshalb besonderer Umstände, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (vgl. allgemein BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – NVwZ 2004, 93 f.). Solche Umstände ergeben sich nicht aus der vom Antragsteller gerügten Zeitspanne zwischen dem Vorfall vom 25. Mai 2015 und dem Erlass des verfahrensgegenständlichen Bescheids (21.11.2015). Das umso weniger, als die konkrete Verfahrensdauer gemessen am Charakter dieses Verwaltungsverfahrens und dessen konkreter Umstände ohne Weiteres als angemessen erscheint.
4. Nachdem es bei der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Erlaubniswiderrufs verbleibt, ist dem öffentlichen Vollzugsinteresse auch hinsichtlich der mit der Beschwerde nicht eigens in Zweifel gezogenen Folgeentscheidungen der Vorrang einzuräumen (vgl. auch BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718).
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 50.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. vom 18. Juli 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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