Verwaltungsrecht

Widerruf einer Waffenbesitzkarte wegen Unzuverlässigkeit

Aktenzeichen  24 ZB 20.1648

Datum:
14.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30441
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 36 Abs. 5, § 45 Abs. 2, § 47 Abs. 2 S. 1
BJagdG § 18 S. 1
VwGO § 122 Abs. 2 S. 3, § 124 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 5

 

Leitsatz

1. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehlt, wenn der Betroffene nicht alles Erforderliche getan hat, um die Waffen und die Munition vor unbefugtem Zugriff zu sichern (hier: Geburtstag in rückwärtiger Reihenfolge als Zahlenkombination des Waffenschranks, die die Ehefrau herausgefunden hat). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Waffenbesitzer kann sich nicht darauf berufen, dass seine waffenrechtliche Nachlässigkeit der speziellen Situation seiner Ehekrise geschuldet war. Auch in einer solchen „Ausnahmesituation“ obliegt es einem Waffenbesitzer, vorsichtig mit seinen Waffen umzugehen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Schon ein einziger Verstoß gegen die in § 36 Abs. 1 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten gilt nicht als Nachlässigkeit minderen Gewichts, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden könnte. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid kann nicht mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung gerügt werden. Stattdessen muss der Betroffene als Rechtsbehelf einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 19.4359 2020-06-03 GeB VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 16.000, … Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse sowie die hierzu ergangenen Folgeanordnungen.
Das Verwaltungsgericht hat auf seine entsprechende Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. Juni 2020 den Bescheid des Landratsamtes vom 30. Juli 2019 in Nr. 4 (Überlassung an einen berechtigten Dritten oder dauerhaftes Unbrauchbarmachen, vgl. § 46 Abs. 2 Satz 1 und 2 WaffG) aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Widerruf der Waffenbesitzkarte des Klägers gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG sei rechtmäßig, da dieser dadurch schwerwiegend gegen grundlegende Aufbewahrungsregeln verstoßen habe, indem er einen Revolver im geladenen Zustand im Waffenschrank verwahrt habe. Zudem habe er eine nicht hinzunehmende Sorglosigkeit bezüglich der zentralen waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften dadurch offenbart, dass seine Ehefrau sowohl die Zahlenkombination für den Waffenschrank als auch den Aufbewahrungsort der Schlüssel für die Innenfächer des Waffenschrankes gekannt habe. Die festgestellten Tatsachen rechtfertigten unter Berücksichtigung der Einlassungen des Klägers insgesamt die Annahme, dass dieser auch zukünftig Waffen und Munition nicht jederzeit ordnungsgemäß verwahren werde und damit nicht über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG verfüge. Dementsprechend sei auch die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheines gemäß § 18 Satz 1 BJagdG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG rechtmäßig.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger durch seinen Bevollmächtigten sein Rechtsschutzziel weiter. Er ist der Auffassung, an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids bestünden ernstliche Zweifel. Der Kläger sei zuverlässig im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG. Das Erstgericht habe den Umstand, dass seine Ehefrau die Zahlenkombination des Waffenschrankes kannte, fehlerhaft zu seinen Lasten gewertet, da hierbei weder die dargelegten Einzelheiten seiner Ehestreitigkeiten noch der „offensichtlich systematische Verfolgungseifer“ seiner Ehefrau gewürdigt worden seien. Auch sei das Gericht im Rahmen der Zukunftsprognose des Klägers zu Unrecht davon ausgegangen, dass es der Kläger gewesen sei, der die Waffe im geladenen Zustand aufbewahrt habe; auch der Aufbewahrungsort für die Innentür-Schlüssel hätte nicht zu Lasten des Klägers gewertet werden dürfen. Der Bevollmächtigte des Klägers macht des Weiteren ein Verfahrensmangel in Form des Verstoßes gegen den verfassungsrechtlich gebotenen Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 GG geltend. Das Gericht hätte den Kläger in dem Anhörungsschreiben nach § 84 Abs. 1 VwGO darüber aufklären müssen, dass unmittelbar nach Ablauf der gesetzten Frist eine Entscheidung per Gerichtsbescheid erfolgen werde. Auch sei der Gerichtsbescheid nicht in rechtsstaatlich einwandfreier Weise erfolgt, da bestritten werde, dass der gesamte Spruchkörper des Gerichts den Inhalt seines letzten Schreibens zur Kenntnis genommen habe.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – verteidigt das angegriffene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 VwGO liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht.
Solche sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden können (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl. 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel genügt keine unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung.
Rechtsgrundlage der Anordnung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Zu den unabdingbaren Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis gehört auch, dass der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG), was in der Regel dann nicht der Fall ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (st. Rspr vgl. z.B. BVerwG, B.v. 31.1.2008 – 6 B 4.08 – juris; BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215.93 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 71). Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215.93 – juris; VGH BW, B.v. 3.8.2011 – 1 S 1391/11 – juris; BayVGH, B.v. 16.9.2008 – 21 ZB 08.655 und B.v. 7.11.2007 – 21 ZB 07.2711 – jeweils juris). Vorsichtig und sachgemäß im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ist der Umgang mit Waffen und Munition nur dann, wenn alle Sicherungsmöglichkeiten ausgenutzt werden. Die waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften und hierbei insbesondere § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG, der bestimmt, dass derjenige, der Waffen oder Munition besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen hat, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen, dienen der Umsetzung eines der vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes, nämlich das Abhandenkommen oder die unbefugte Ansichnahme von Waffen durch Dritte zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2015 – 21 ZB 15.2418 – juris Rn. 12). Dabei soll nicht nur unbefugt in der Wohnung befindlichen Personen der Zugriff erschwert werden, sondern insbesondere auch sichergestellt werden, dass Familienangehörige nicht unkontrolliert Zugriff auf Waffen haben (VGH BW, B.v. 3.8.2011 – 1 S 1491/11 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 19.3.1996 – 21 CS 95.3505; BT-Drs. 14/7758 S. 73).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben bestehen an der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers auch unter Berücksichtigung der Zulassungsbegründung keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juli 2019 ist vorbehaltlich dessen Nr. 4 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist folgendes auszuführen:
1.1 Soweit der Kläger in der Zulassungsbegründung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens ausführt, das Erstgericht habe die Umstände, die dazu geführt haben, dass seine Ehefrau die Zahlenkombination des Waffenschrankes kannte, fehlerhaft gewürdigt, und zu Unrecht den Aufbewahrungsort der Schlüssel zu seinen Lasten gewertet, überzeugt der Vortrag nicht. Das Verwaltungsgericht wertete zu Recht zu Lasten des Klägers, dass der Kläger nicht alles Erforderliche getan hat, um die Waffen und die Munition vor unbefugtem Zugriff zu sichern, da es seiner Ehefrau zumindest gelungen sei, die gewählte Zahlenkombination herauszufinden. Auch den Ausführungen des Klägers lässt sich im Übrigen entnehmen, dass diesem die Nachlässigkeit seines Verhaltens in Bezug auf die waffenrechtlichen Sicherungspflichten durchaus bewusst war. So führte er in seiner Klagebegründung selbst aus, dass seine Frau „relativ leicht“ den Code des Tresors herausfinden habe können, da er als Zahlenkombination seinen Geburtstag in „rückwärtiger Zahlenreihenfolge“ gewählt habe und er sich zukünftig einer „besseren Zahlenkombination“ bedienen werde; dem Kläger war dabei auch bekannt, dass es der Ehefrau möglich war, beliebig oft verschiedene Zahlenkombinationen auszuprobieren. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang vor allem auch zutreffend gewürdigt, dass der Kläger trotz seines Auszugs aus der gemeinsamen Wohnung die Tresorschlüssel weiterhin im Zugriffsbereich der Ehefrau belassen hat. Eine Aufbewahrung der Schlüssel im Wohnzimmertisch ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Kläger und seine Ehefrau laut Ersterem in einem streitigen „Ehescheidungsverfahren“ befanden und seine Ehefrau in diesem „Rosenkrieg“ eine „kriminelle Energie“ und eine „grenzenlos rachsüchtige Wut“ an den Tag legte, als eine nicht hinzunehmende Sorglosigkeit bezüglich der zentralen waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften zu werten. Dass diese Aufbewahrung der Schlüssel waffenrechtlich zu beanstanden war, war dem Kläger offenbar auch bewusst, da er selbst ausführte, dass sein Verhalten „ein wenig vorwerfbar“ gewesen sei. Der Kläger hat somit, wie das Erstgericht zutreffend darlegte (UA Rn. 33), gegen die vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes, nämlich das Abhandenkommen oder die unbefugte Ansichnahme von Waffen durch Dritte zu verhindern, verstoßen, weshalb es dem Kläger die waffenrechtliche Zuverlässigkeit gem. i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG absprach. Diese Beweiswürdigung ist aus zulassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
1.2 Soweit der Kläger ausführt, das Erstgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er die Waffe im geladenen Zustand im Tresor aufbewahrt habe, kann dies dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen. Das Verwaltungsgericht hat es im Ergebnis vielmehr dahinstehen lassen, wer – der Kläger oder seine Ehefrau – für die unsachgemäße Lagerung des geladenen Revolvers verantwortlich gewesen ist und im Wege einer Hilfsbegründung darauf abgestellt, dass dem Kläger bereits deswegen eine nicht hinzunehmende Sorglosigkeit bezüglich der zentralen waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften zur Last gelegt werden muss, da seine Ehefrau sowohl die Zahlenkombination für den Waffenschrank als auch den Aufbewahrungsort der Schlüssel für die Innenschränke gekannt habe (s.o. und UA Rn. 31). Auf die Frage, wer dafür verantwortlich war, dass sich der Revolver entgegen der Vorgabe des § 13 Abs. 2 AWaffV im geladenen Zustand im Waffenschrank befand, kam es daher für das Erstgericht nicht mehr entscheidungserheblich an.
1.3 Das Erstgericht hat auch entgegen den Ausführungen des Klägers in der Zulassungsbegründung die erstinstanzlich ausführlich dargestellten Ehestreitigkeiten des Klägers, den „systematischen Verfolgungseifer der Ehefrau“ und das „Hausverbot“ des Klägers bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt (vgl. UA Rn. 30, 33), hat aber hieraus nicht den vom Kläger gewünschten rechtlichen Schluss gezogen. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Gerade weil der Kläger den Waffenschrank wegen seines „Hausverbotes“ nicht sofort in eigene Obhut hat nehmen können und dieser nach wie vor im Haus seiner „rachsüchtigen“ Ehefrau stand, hätte er entsprechend § 36 Abs. 5 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 9 AWaffV die erforderlichen Vorkehrungen gegen das Abhandenkommen oder die unbefugte Ansichnahme der Waffen und Munition treffen und sorgfältig darauf achten müssen, dass ein Zugriff seiner unberechtigten Ehefrau nach Möglichkeit verhindert wird. Diesen besonderen Sorgfaltspflichten kam der Kläger jedoch gerade nicht nach, nachdem es der Ehefrau unbestritten gelungen ist, sowohl den Waffenschrank mit der Zahlenkombination als auch das Innenfach mit dem im Wohnzimmertisch versteckten Schlüssel zu öffnen. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass seine waffenrechtliche Nachlässigkeit der speziellen Situation seiner Ehekrise geschuldet war. Auch in einer solchen „Ausnahmesituation“ obliegt es einem Waffenbesitzer, vorsichtig mit seinen Waffen umzugehen. Der Senat teilt insoweit die Ansicht des Erstgerichts, dass der „offensichtlich systematische Verfolgungseifer“ der Ehefrau den Kläger nicht entlasten kann. Von einer Nachlässigkeit minderen Gewichts, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden könnte, kann hier nicht ausgegangen werden. Das Erstgericht kam vielmehr zutreffend zu dem Ergebnis (UA Rn. 32), dass es sich bei dem konkreten Verstoß gegen die dem Kläger als Waffenbesitzer obliegenden Aufbewahrungspflichten nicht lediglich um eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts handele, die bei nur einmaligen Auftreten noch toleriert werden könne (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30/13 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 31.7.2015 – 21 CS 15.11 56 – juris Rn. 12). In diesem Zusammenhang führt das Verwaltungsgericht im Übrigen zu Recht aus, dass schon ein einziger Verstoß gegen die in § 36 Abs. 1 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen könne (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2017 – 21 CS 17.1531 – juris), auch wenn eine konkrete Gefährdung der Allgemeinheit oder eines Einzelnen dabei nicht eingetreten sei (UA Rn. 37).
Nachdem der Kläger die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt, war auch der Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG).
2. Soweit der Kläger seinen Antrag auf die Versagung rechtlichen Gehörs stützt (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), verhilft dies seinem Zulassungsbegehren ebenfalls nicht zum Erfolg.
Der verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör gibt den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten das Recht, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. BVerfG, B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – juris). Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, sofern das Verfahren nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (vgl. BVerfG, B.v. 2.12.1969 – 2 BvR 320/69 – juris). Voraussetzung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist jedoch die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneter und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. BVerwG, U.v. 3.7.1992 – 8 C 58/90 – juris Rn. 9; BVerfG, B.v. 10.2.1987 – 2 BvR 314/86 – juris Rn. 14 m.w.N).
In Anwendung dieser Grundsätze kann sich der Kläger vorliegend nicht mit Erfolg auf eine Versagung rechtlichen Gehörs berufen. Denn das Verwaltungsgericht hat durch Gerichtsbescheid entschieden. Damit wäre es dem Kläger ohne weiteres möglich und auch zumutbar gewesen, sich durch einen Antrag auf mündliche Verhandlung (vgl. § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor dem Verwaltungsgericht rechtliches Gehör zu verschaffen (so auch VGH BW, B.v. 15.3.2000 – A 6 S 48/00 – juris Rn. 5), worauf in der dem streitgegenständlichen Gerichtsbescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrungauch zutreffend hingewiesen wurde. Die nach § 84 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eröffnete Wahlmöglichkeit zwischen dem Antrag auf Zulassung der Berufung und dem Antrag auf mündliche Verhandlung steht dem nicht entgegen, da der Antrag auf mündliche Verhandlung insoweit Vorrang vor dem Antrag auf Zulassung der Berufung hat. Im Berufungszulassungsverfahren ist die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht möglich, weil zunächst alle prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen sind, um sich in der betreffenden Instanz Gehör zu verschaffen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 84 Rn. 20 und Rn. 25. mit zahlreichen Hinweisen zur Rechtsprechung). Durch einen entsprechenden Antrag auf mündliche Verhandlung wäre der Gerichtsbescheid gegenstandslos geworden (vgl. § 84 Abs. 3, 2. Alt. VwGO) und es hätte aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden werden müssen. In dieser mündlichen Verhandlung hätte der Kläger dann Gelegenheit gehabt, sich zu den von ihm gerügten Punkten – Erlass des Gerichtsbescheids unmittelbar nach Ablauf der Frist des § 84 VwGO und Verdacht der fehlenden Kenntnisnahme des Schriftsatzes vom 29. Mai 2020 durch den gesamten Spruchkörper – umfassend zu äußern sowie das Protokoll der Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren vorzulegen. Vorliegend hat sich der anwaltlich vertretene Kläger entschieden, keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, sondern einen solchen auf Zulassung der Berufung zu stellen. Damit ist ihm aber eine Berufung auf den angeblichen Gehörsverstoß verwehrt.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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