Verwaltungsrecht

Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  W 9 S 20.1039

Datum:
19.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30436
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
WaffG § 45, § 46 Abs. 1, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Verpflichtung in Ziffer 7 des verfahrensgegenständlichen Bescheids des Landratsamts Miltenberg (im Folgenden: Landratsamt) vom 1. Juli 2020, die beiden Waffenbesitzkarten Nr. …5 und …7 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids an das Landratsamt zurückzugeben.
1. Mit Bescheid vom 1. Juli 2020 erklärte das Landratsamt Miltenberg den dem Antragsteller am 3. Februar 2009 ausgestellten Jagdschein Nr. …9, zuletzt verlängert bis zum 31. März 2021, für ungültig (Ziffer 1 des verfahrensgegenständlichen Bescheids). Der Jagdschein Nr. …9 werde im Rahmen der Sicherstellung eingezogen. Der Antragsteller habe den Jagdschein Nr. …9 innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheids an das Landratsamt zurückzugeben (Ziffer 2). Für die Ziffern 1 und 2 des Bescheides werde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziffer 3). Für den Fall, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung aus Ziffer 2 nicht gerecht werde, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 4). Für die Wiedererteilung eines Jagdscheins werde eine Sperrfrist von fünf Jahren festgesetzt. Fristbeginn sei mit Rechtskraft des Bescheids (Ziffer 5). Die Waffenbesitzkarten des Antragstellers Nrn. …5 und …7 würden wiederrufen (Ziffer 6). Die Waffenbesitzkarten Nrn. …5 und …7 seien innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids an das Landratsamt zurückzugeben (Ziffer 7). Der Antragsteller werde verpflichtet, die in seinem Besitz befindlichen folgenden Waffen, eingetragen auf obigen Waffenbesitzkarten, sowie dazugehörige Munition innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen. Ein Nachweis über das Überlassen oder die Unbrauchbarmachung sei dem Landratsamt innerhalb der genannten Frist vorzulegen. Im Folgenden werden die Waffen einzeln aufgeführt (Ziffer 8). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 7 und 8 werde angeordnet (Ziffer 9). Falls der Antragsteller seiner Verpflichtung aus Ziffer 7 des Bescheids zur Rückgabe der Waffenbesitzkarten nicht fristgemäß entspreche, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 10). Falls er seiner Verpflichtung aus Ziffer 8 nicht fristgemäß entspreche, würden die Waffen und die dazugehörige Munition sichergestellt und verwertet. Dem Antragsteller wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffern 12 u. 13).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen in tatsächlicher Hinsicht ausgeführt, das Landratsamt habe am 21. Januar 2020 eine Aufbewahrungskontrolle bei dem Antragsteller durchgeführt, bei der Verstöße festgestellt worden seien. Auf einem Waffenschrank hätten drei Patronen senkrecht gestanden und damit außerhalb eines entsprechenden Aufbewahrungsbehältnisses. In der halbautomatischen Büchse, Hersteller Voere, Kaliber .22lr, S/N …3 habe ein mit fünf Patronen geladenes Magazin gesteckt. Die Waffe sei daher unterladen gewesen. Vor Erlass des Bescheids sei dem Antragsteller Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden.
In rechtlicher Hinsicht wurde bezüglich der hier maßgeblichen Ziffer 7 des Bescheids erläutert, dass sich diese als Folge des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse nach § 46 Abs. 1 WaffG ergebe. Die Waffenbesitzkarten seien Erlaubnisurkunden im Sinne des Gesetzes und dem Landratsamt innerhalb der gesetzten Frist herauszugeben.
Laut Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid am 6. Juli 2020 dem Antragsteller zugestellt.
2. Am 5. August 2020 erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Landratsamts, die hinsichtlich der waffenrechtlichen Erlaubnis unter dem Aktenzeichen W 9 K 20.1038 und hinsichtlich der Einziehung des Jagdscheins unter dem Aktenzeichen W 9 K 20.1036 geführt wird. Gleichzeitig ließ er im hiesigen Verfahren beantragen,
die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Anfechtungsklage gegen die Ziffer 7 des Bescheids vom 1. Juli 2020 anzuordnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, man könne die Argumentation des Landratsamts, wonach der Antragsteller vor dem Hintergrund der Aufbewahrungskontrolle als unzuverlässig angesehen werde, nicht teilen. Es lägen keine groben Verstöße gegen das Waffengesetz vor. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der Umstände des Kontrolltermins am 21. Januar 2020. Hiernach sei der Antragsteller an diesem Tag von der Krähenjagd zurückgekehrt und habe seine Waffe, um sich umzuziehen, auf den Schreibtisch neben den Waffentresor gelegt und seine Taschen auf die verschlossenen Waffenschränke entleert. Als es geläutet habe, habe er seine Jogginghose schnell übergezogen, seine Waffe weggeschlossen und sei zur Tür gegangen. Beim Klingeln der Haustür sei er davon ausgegangen, dass es die Post sei, und er habe seine Waffe anschließend noch reinigen wollen. Nach dem gegenüber dem Antragsteller wegen dieses Vorfalls ergangenen Bußgeldbescheid vom 4. Mai 2020 sei er davon ausgegangen, dass sich die Sache erledigt habe. Durch den verfahrensgegenständlichen Bescheid sei er gänzlich überrascht worden. Ihm seien vor über 30 Jahren die beiden Waffenbesitzkarten ausgestellt worden. In all den vergangenen Jahren sei bei ihm noch niemals etwas Negatives festgestellt worden. Ihm habe man keinerlei Verstöße gegen das Waffengesetz zur Last legen können. Seine Jagd habe er 33 Jahre unbeanstandet und problemlos ausgeübt. Durch die behördliche Entscheidung würde der Pachtvertrag für ihn ungültig und er könnte sein Pachtvertragsverhältnis nicht mehr weiterführen. Das private Interesse des Antragstellers überwiege das öffentliche Interesse. Der Anordnung in Ziffer 8 habe der Antragsteller bereits Genüge getan und seine Waffen einem anerkannten Waffenhändler überlassen. Die behördliche Entscheidung sei mit dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden unvereinbar.
3. Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führte er aus, es werde im Wesentlichen auf den Bescheid verwiesen. Die festgestellten Verstöße bei der Aufbewahrung stellten nach Beurteilung des Antragsgegners einen schwerwiegenden Verstoß dar. Es entspreche der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass auch ein einmaliger Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften die Unzuverlässigkeit begründen könne. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren stehe zudem neben dem vorliegenden Verfahren. Der Antragsteller habe daher nicht aus der Ahndung als Ordnungswidrigkeit darauf schließen können, dass er weiter nichts mehr zu befürchten habe. Aus § 46 Abs. 1 WaffG folge bereits unmittelbar eine Pflicht zur unverzüglichen Rückgabe widerrufener Erlaubnisse.
4. Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die vorliegenden Behördenakten Bezug genommen. Die Verfahrensakten W 9 K 20.1036, W 9 K 20.1038 und W 9 S 20.1037 wurden beigezogen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Antrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers bezüglich Ziffer 7 des verfahrensgegenständlichen Bescheids ist statthaft. Die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist der statthafte Rechtsbehelf. Ihr kommt wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in Ziffer 9 keine aufschiebende Wirkung im Sinne von § 80 Abs. 1 VwGO zu.
2. Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. des Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 68 und 73 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
2.1. Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs der Ziffer 7 des verfahrensgegenständlichen Bescheids. Insbesondere hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich begründet. Das Landratsamt Miltenberg hat im konkreten Einzelfall das besondere öffentliche Interesse, das ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig macht, begründet und ausgeführt, warum dieses gegenüber den Interessen des Antragstellers überwiegt. Die Begründung ist nicht nur formelhaft. Insbesondere hat das Landratsamt das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung mit der Grundtendenz des Waffengesetzes begründet, den Waffenbesitz von Privatpersonen vor dem Hintergrund der öffentlichen Sicherheit auf ein vertretbares Maß zu beschränken. Die privaten Belange des Antragstellers wögen geringer als das Interesse der Allgemeinheit, vor unzuverlässigen Waffenbesitzern geschützt zu werden. Ob diese Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs in inhaltlicher Hinsicht zu überzeugen vermag, ist keine Frage der Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern des Vollzugsinteresses.
2.2. Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt vorliegend, dass die Klage gegen die Anordnungen unter Ziffer 7 des Bescheids des Landratsamts Miltenberg vom 1. Juli 2020 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
Die Ziffer 7 des Bescheids, gegen die keine formellen Bedenken bestehen, wird sich voraussichtlich auch materiell als rechtmäßig erweisen. Nach § 46 Abs. 1 WaffG hat der Inhaber einer Erlaubnisurkunde, nachdem Erlaubnisse nach dem Waffengesetz zurückgenommen oder widerrufen worden sind, diese unverzüglich der zuständigen Behörde zurückzugeben. Die Voraussetzungen dieser Regelung sind vorliegend gegeben. Das Landratsamt hat mit Bescheid vom 1. Juli 2020 die Waffenbesitzkarten Nrn. …5 und …7 des Antragstellers widerrufen. Da dieser Widerruf auf den Wegfall der Zuverlässigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 WaffG gestützt wurde, ist dieser Widerruf kraft Gesetzes nach § 45 Abs. 5 VwGO sofort vollziehbar, sodass die erhobene Anfechtungsklage die Wirksamkeit des Widerrufs nicht suspendiert.
Ohne dass es für den vorliegenden Antrag hierauf ankäme, weist die Kammer darauf hin, dass sie bei einer summarischen Prüfung bezüglich des Widerrufs der beiden Waffenbesitzkarten durch das Landratsamt keine rechtlichen Bedenken hat. Auf Basis einer vorläufigen Einschätzung der Kammer ist die Behörde zutreffend von einer fehlenden Zuverlässigkeit des Antragstellers aufgrund der festgestellten Umstände der Waffenaufbewahrung bei der Kontrolle am 21. Januar 2020 ausgegangen. Hierzu verweist die Kammer auf die Ausführungen im Parallelverfahren W 9 S 20.1037.
3. Hat der Antragsteller mit seinem Antrag keinen Erfolg, hat er nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei an Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Juli 2017, Az. 21 CS 17.856. Danach ist – unabhängig von der Anzahl der im Streit befindlichen Waffenbesitzkarten – für eine Waffenbesitzkarte einschließlich einer Waffe von einem Wert von 5.000,00 EUR auszugehen; zzgl. 750,00 EUR für jede weitere Waffe. Daher ergibt sich für die zwei Waffenbesitzkarten und die insgesamt 13 registrierten Waffen ein Streitwert von 14.000,00 EUR. Unter Berücksichtigung von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs ist hiervon nur die Hälfte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzusetzen, sodass ein Streitwert von 7.000,00 EUR festzusetzen ist.


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