Verwaltungsrecht

Widerruf eines Zuwendungsbescheids

Aktenzeichen  RO 5 K 18.1839

Datum:
9.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21540
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHO Art. 23, Art. 44
BayVwVfG Art. 31 Abs. 7, Art. 36 Abs. 2 Nr. 4, Art. 49 Abs. 2a S. 1 Nr. 2
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ist die Auflage in einem Zuwendungsbescheid nicht bestandskräftig geworden, kann der Zuwendungsbescheid nicht wegen eines Verstoßes gegen diese Auflage widerrufen werden. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum intendierten Ermessen bei zweckwidriger Verwendung (BVerwG BeckRS 2004, 21032) ist nicht ohne weiteres übertragbar auf den Fall des Widerrufs wegen Auflagenverstoßes. Der Verstoß gegen eine Auflage wird in der Regel ein geringeres Gewicht aufweisen als die zweckwidrige Verwendung von Mitteln. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird einem Zuwendungsempfänger eine Frist zur Vorlage des Gesamtverwendungsnachweises gesetzt, handelt es sich um eine behördliche Verfahrensfrist iSd Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG ohne materiell-rechtliche Ausschlusswirkung. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4. im Falle des Widerrufs eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts trägt die widerrufende Behörde die materielle Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen von Widerrufsgründen und die hiermit zusammenhängenden Nachfristsetzungen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Widerrufsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 11.06.2018, PNr.: …, bezüglich der Maßnahme Europäischer Sozialfonds (ESF) – Förderzeitraum 2014-2020, Zuwendung im Rahmen von Prioritätsachse B, Aktion 9.1, Förderung des Projekts „Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt WiA 2016/2017“ vom 01.06.2016 – 28.02.2017 in W. i. d. O. in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2018 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
I.
Der Widerrufsbescheid vom 11.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2018 ist aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides beurteilt sich nach der für das Klageverfahren maßgeblichen Sach- und Rechtslage. Für die Begründetheit der Anfechtungsklage kommt es hier auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an, also den Erlass des Widerspruchsbescheides am 02.10.2018, nachdem das materielle Recht keinen anderen Zeitpunkt bestimmt (BVerwG, B. v. 04.07.2006 – 5 B 90/05 – m.w.N.; juris).
1. Rechtsgrundlage für den Widerrufsbescheid vom 11.06.2018 ist Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG.
Gemäß Art. 49 Abs. 2 a Satz 1 BayVwVfG kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (Nr. 1) oder wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2). Bei einer Auflage in diesem Sinne handelt es sich gemäß Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG um eine zusätzlich mit einem Verwaltungsakt verbundene – selbstständig erzwingbare – Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird.
Gem. Ziffer 4.3 des Zuwendungsbescheids kann der Zuwendungsbescheid ganz oder teilweise widerrufen werden und bereits ausgezahlte Beträge können zurückgefordert werden, wenn der Zuwendungsempfänger den Verwendungsnachweis nicht gemäß den Nrn. 4.1 und 4.2 rechtzeitig und vollständig vorlegt. Gem. Ziffer 8.3.2 der ANBest-P kommt ein Widerruf für die Vergangenheit auch in Betracht, soweit der Zuwendungsempfänger Auflagen nicht oder nicht innerhalb der gesetzten Frist erfüllt, insbesondere den vorgeschriebenen Verwendungsnachweis nicht rechtzeitig vorlegt sowie Mitteilungspflichten (Nr. 5) nicht rechtzeitig nachkommt.
Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für einen Widerruf des Zuwendungsbescheids vom 11.06.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2018 sind nicht gegeben. Der durch den Beklagten angeführte Auflagenverstoß ist mangels Bestandskraft nicht gegeben (dazu unter a.). Überdies wurde das Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt (dazu unter b.).
a. Es fehlt bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG.
Ziffer 4.1 des Zuwendungsbescheids ist als Auflage i.S.d. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG zu qualifizieren.
Die Auflage ist als Bestandteil des Zuwendungsbescheids nicht bestandskräftig geworden und damit im Zuwendungsverhältnis der Klägerin zum Beklagten nicht wirksam geworden (vgl. dazu VG Köln, Urt. v. 03.09.2015 – 16 K 3369/14 – juris Rn. 31). Die Frist in Ziffer 4.1 des Zuwendungsbescheids lief damit ins Leere. Dass die Klägerin bis zur gesetzten Frist zum 31.08.2017 keine schriftlichen Unterlagen entsprechend den Vorgaben nach Ziffer 4.2 des Zuwendungsbescheids bei dem ZBFS eingereicht hat, begründet mangels Bestandskraft der Auflage bereits keinen Verstoß gegen die Auflage.
„ Mit Schreiben vom 21.07.2017 hat die Klägerin Widerspruch gegen den gesamten Zuwendungsbescheid zu Projekt … vom 21.06.2017 eingelegt und diesen entgegen des Einwands des Beklagten auch nicht auf einen Teil des Zuwendungsbescheids beschränkt.
Der Widerspruch kann sich auf abtrennbare Teile der VA-Regelung beschränken (Eyermann/Rennert, 15. Aufl. 2019, VwGO § 69 Rn. 1). Dies muss jedoch eindeutig sein (BVerwG, U. v. 22.10.1986 – 4 C 79/82 – NVwZ 1988, 147). Aus dem Inhalt des Widerspruchs sowie der Widerspruchsbegründung geht eindeutig hervor, dass sich der Widerspruch nicht auf abtrennbare Teile des Zuwendungsbescheids beschränkt. Die Überschrift des Widerspruchs der Klägerin vom 21.07.2017 lautet: „Widerspruch gegen den Zuwendungsbescheid zu Projekt … vom 21.06.2017 – Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt 2016/2017 in W.“. Im Widerspruchsschreiben schreibt die Klägerin: „gegen ihren Zuwendungsbescheid zu Projekt … möchte ich insbesondere unter anderem zu Kürzungen in Kostenposition 2.1 Widerspruch einlegen“ (vgl. Bl. 461 der Behördenakte). Der Wortlaut „insbesondere“ impliziert, dass die Klägerin ihren Widerspruch gegen den gesamten Zuwendungsbescheid einlegen wollte und im Besonderen die Kürzungen in Kostenposition 2.1 angreifen wollte. Ansonsten hätte es der weiteren Ergänzung „insbesondere unter anderem“ nicht bedurft. Auch in der Widerspruchsbegründung vom 27.07.2017 hat die Klägerin weder ausdrücklich, noch konkludent den Widerspruch auf einzelne abtrennbare Teile des Zuwendungsbescheids beschränkt. Zwar hat die Klägerin inhaltlich nur einzelne Positionen konkret angegriffen, wie etwa die Nichtanerkennung von geführten Anwesenheitslisten in digitaler Form (Juni und Juli 2016) und die Nichtberücksichtigung von Nachrückern bei der Kofinanzierung (vgl. Bl. 463 f. der Behördenakte). Die mit dem Widerspruch angegriffenen Positionen bzw. eine Entscheidung hierüber wirken sich jedoch mittelbar auf die Frist in Ziffer 4.1 zur Vorlage des Gesamtverwendungsnachweises aus. Gem. Ziffer 4.2 des Zuwendungsbescheids sind als Nachweis für die zweckentsprechende Verwendung der Zuwendung mit dem ausgefüllten Verwendungsnachweis u.a. folgende Unterlagen vorzulegen: 2. Teilnehmendenverzeichnisse mit Angaben der Wohnadresse, Geschlecht und Geburtsdatum sowie Unterschrift der Teilnehmenden, 3. Klassenbuch bzw. – Praktikumszeiten – Anwesenheitsliste (siehe Nr. 5.6), 10. Einwilligungserklärungen aller Teilnehmenden über die Mitwirkung an Monitoring- und Evaluierungsmaßnahmen (Teil C der TN-Fragebögen) und einen zusätzlichen Satz an Kopien dieser Unterschriften und 11. Tägliche Unterschriftslisten der Teilnehmenden sowie einen zusätzlichen Satz Kopien dieser Unterschriftslisten als Nachweis für die zweckentsprechende Verwendung der Zuwendung mit dem ausgefüllten Verwendungsnachweisformular vorzulegen. Sofern über die Einbeziehung der Kofinanzierungskosten für die Nachrücker und die Anerkennung von geführten Anwesenheitslisten in digitaler Form noch nicht im Rahmen des Widerspruchsverfahrens entschieden worden ist, stand insoweit auch nicht fest, ob die digitalen Anwesenheitslisten nun gem. der Frist in Ziff. 4.1 vorzulegen sind bzw. ob auch die Nachrücker in den vorzulegenden Anwesenheitslisten aufzuführen sind. Der Verweis im Bescheid „Im Übrigen gilt Nr. 6 ANBest-P“, wonach gem. Ziffer 6.1 die Verwendung der Zuwendung innerhalb von 6 Monaten nach Erfüllung des Zuwendungszwecks, spätestens jedoch mit Ablauf der sechsten auf den Bewilligungszeitraum folgenden Monats, der Bewilligungsbehörde nachzuweisen ist, besitzt indessen keine Auffangfunktion, sofern gegen die Frist in 4.1 des Bescheids aufschiebende Wirkung besteht. Aus dem Wortlaut „im Übrigen“ folgt, dass Nr. 6 der ANBest-P gilt, sofern im Zuwendungsbescheid nichts Abweichendes – wie vorliegend geschehen – geregelt ist. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchbescheid vom 11.09.2017 zurückgewiesen und der Klägerin am 15.09.2017 zugestellt (siehe Zustellungsurkunde, Bl. 497 der Behördenakte). Gemäß der Rechtsbehelfsbelehrung:konnte gegen den Zuwendungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.09.2017 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchbescheids Klage erhoben werden. Die Frist begann gem. §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1 BGB am 16.09.2017 und endete gem. §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2 BGB am 15.10.2017. Die Frist zur Einreichung des Gesamtverwendungsnachweise gem. Ziffer 4.1 des Zuwendungsbescheids vom 21.06.2017 bis spätestens 31.08.2017 endete damit während des laufenden Widerspruchsverfahrens. Die Auflage in Ziffer 4.1 ist jedoch frühestens zum 15.10.2017 bestandskräftig geworden.
b. Selbst, wenn man davon ausgeht, dass die Auflage während des Widerspruchsverfahrens bestandskräftig geworden ist und in der Folge einen Verstoß gegen die Auflage in Ziffer 4.1 des Zuwendungsbescheids annehmen würde, hat der Beklagte das ihm zustehende Ermessen weder im Ausgangsbescheid vom 11.06.2018, noch im Widerspruchsbescheid vom 02.10.2018 ordnungsgemäß ausgeübt.
Das Gericht hat nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO).
„ Den Vorschriften, die als Rechtsgrundlage für den Widerruf des Zuwendungsbescheids vom 11.06.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2018 in Betracht kommen, ist gemeinsam, dass die Entscheidung, ob und in welchem Umfang ein Zuwendungsbescheid bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen widerrufen wird, in das Ermessen der Behörde gestellt wird. Die haushaltsrechtlichen Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwingen bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall zum Widerruf einer Subvention, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalles eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen; fehlt es an derartigen Umständen, so bedarf es keiner besonderen Ermessenserwägungen, sog. intendiertes Ermessen (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.2003 – 3 C 22/02 – juris Rn. 40; U. v. 16.05.1997 – 3 C 22/96 -, BVerwGE 105, 55-59, Rn. 16). Die o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum intendierten Ermessen bei zweckwidriger Verwendung ist wohl nicht ohne weiteres übertragbar auf den Fall des Widerrufs wegen Auflagenverstoß. Der Verstoß gegen eine Auflage wird in der Regel ein geringeres Gewicht aufweisen als die zweckwidrige Verwendung von Mitteln. Letztendlich kann aber offenbleiben, ob den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit bei der Entscheidung über den Widerruf von Zuwendungen wegen eines Auflagenverstoßes die gleiche ermessenslenkende Bedeutung zukommt, wie bei einem Widerruf einer fehlerhaft verwendeten Zuwendung (vgl. Thüringer OVG, U. v. 23.12.2015 – 3 KO 400/12 – juris Rn. 42). Die Ermessensausübung des Beklagten ist nämlich auch bei der Annahme eines ihm eingeräumten freien Ermessens zu beanstanden, da sie den Besonderheiten des Einzelfalls nicht hinreichend Rechnung trägt.
Bei der in Ziffer 4.1 des Bescheids enthaltenen Frist zur Vorlage des Gesamtverwendungsnachweises handelt es sich nur um eine sogenannte behördliche Verfahrensfrist im Sinne des Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG ohne materiellrechtliche Ausschlusswirkung (vgl. BVerwG, U. v. 22.10.1993 – 6 C 10/92 – juris Rn. 19). Danach können die von einer Behörde gesetzten Fristen auch dann, wenn sie bereits abgelaufen sind, rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristlauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Zwar steht danach die Verlängerung einer behördlich gesetzten Frist im Ermessen der Behörde und der Fristbetroffene kann daher grundsätzlich ebenfalls nur eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Verlängerungsantrag verlangen. Allerdings muss im Rahmen der Ermessensausübung Ziel der Behörde sein, die in Satz 2 für die rückwirkende Fristverlängerung beispielhaft aufgezählte Unbilligkeit der Rechtsfolgen zu verhindern. Demzufolge hat die Behörde die Rechtsfolgen, die der Fristablauf für den Betroffenen hätte, gegen die Folgen einer Fristverlängerung für die Behörde abzuwägen (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 20.06.2017 – 3 A 171/16 – BeckRS 2017, 122559 Rn. 25). Bei der Berufung einer Behörde auf die Nichteinhaltung von behördlichen Fristen hat diese im Hinblick auf die Rechtsfolgen Gesichtspunkte der Billigkeit zu beachten. Sie hat in der Regel zugunsten des Betroffenen zu entscheiden, wenn keine wesentlichen Gesichtspunkte dagegensprechen. Dies ergibt sich aus Art.31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG (vgl. BVerwG, U. v. 22.10.1993 – 6 C 10/92 – juris Rn. 25). Gleichwohl sind dabei die Besonderheiten des Zuwendungsrechts zu beachten.
Bei den vorliegend gewährten Zuwendungen handelt es sich um freiwillige zweckgebundene Leistungen, die der Freistaat Bayern auf der Grundlage von und im Einklang mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 23 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) und den einschlägigen Förderrichtlinien gewährt.
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht durch – wie Gesetze oder Rechtsordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, einem dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BVerwG, B. v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, B. v. 07.04.2020 – 6 ZB 19.1647 – BeckRS 2020, 9635; U. v. 11.10.2019 – 22 B 19.1840 – juris Rn. 26). Ein Anspruch auf Gewährung der Zuwendung besteht gerade nicht, sondern die Bewilligungsbehörde entscheidet über die Bewilligung aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens und im Rahmen der von ihr ausgeübten und selbstbindenden Förderpraxis. Ausschlussfristen ohne Möglichkeit von der Nichteinhaltung der Frist Nachsicht zu gewähren, verstoßen nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (BVerwG, Urt. v. 04.05.1973 – VII C 26.71 – juris, 2. Leitsatz). Aus diesem Grund kann der Zuwendungsgeber bei der Gewährung von Subventionen die Einhaltung strenger Formerfordernisse und Fristerfordernisse zur Voraussetzung machen (BVerwG, Urt. v. 04.05.1973 – VII C 26.71 – juris, 3. Leitsatz).
Unter Anwendung dieser Grundsätze erfolgte der Widerruf des Zuwendungsbescheides vom 21.06.2017 nicht ermessensgerecht.
Entgegen der Förderpraxis wurden der Klägerin nach Überzeugung des Gerichts keine drei Nachfristen zur Einreichung des Gesamtverwendungsnachweises gesetzt. Aufgrund des Vortrags der Beteiligten geht das Gericht davon aus, dass es der Förderpraxis des Beklagten entspricht, bei Nichteinhalten der Auflagenfrist mehrere Nachfristen zu gewähren.
Die Klägerin trug glaubhaft vor, dass die Teamleiterin der ZBFS, Frau S., bestätigt habe, dass es der üblichen Vorgehensweise der Behörde entspreche, dass bei Nichteinhaltung einer Auflagenfrist zunächst eine erste Aufforderung mit Fristsetzung, bei deren Nichteinhaltung eine zweite Aufforderung mit Fristsetzung und erst bei erneuter Nichteinhaltung eine Anhörung mit erneuter Fristsetzung erfolge (Schriftsatz vom 10.01.2019, Bl. 38 der Gerichtsakte). Diese Förderpraxis wurde auch durch die Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nicht widerlegt bzw. in Zweifel gezogen. Auf Nachfrage des Gerichts, wie viele Nachfristen in der Regel gemäß der ausgeübten Förderpraxis gewährt werden, erklärte der Beklagtenvertreter, dass teamintern mehrere Nachfristen gewährt würden (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 5; so auch im Schriftsatz des Beklagten vom 28.04.2020 unter Nr. 4., Bl. 143 der Gerichtsakte Rückseite). Dies sei auch der Rahmen gewesen, der für den für die Klägerin zuständigen Sachbearbeiter, Herrn L., gegolten habe (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 5). Insofern hat sich der Beklagte durch seine ständige Förderpraxis selbst gebunden und es hätte bereits aus Gleichbehandlungsgrundsätzen (Art. 3 Abs. 1 GG) bei Nichteinhaltung der Auflagenfrist zunächst eine erste Aufforderung mit Fristsetzung, bei deren Nichteinhaltung eine zweite Aufforderung mit Fristsetzung und erst bei erneuter Nichteinhaltung eine Anhörung mit erneuter Fristsetzung erfolgen müssen. Soweit der Beklagte im Verwaltungsverfahren einwendet, dass das BayVwVfG etwaige Ankündigungsschreiben, erste und zweite Erinnerungen als Verfahrenshandlungen nicht vorsehe, so setzt er sich in Widerspruch zu seiner üblichen und damit selbstbindenden Vorgehensweise, mehrfach Nachfristen zu setzen (Schriftsatz vom 15.02.2019, Bl. 114 der Gerichtsakte Rückseite).
Unstreitig gab es vorliegend keine schriftliche Nachfristsetzung zur Einreichung des Gesamtverwendungsnachweises. Die beantragte Fristverlängerung mit Schreiben der Klägerin vom 25.05.2020 wurde nicht gewährt (vgl. Bl. 502 der Behördenakte).
Die Kammer hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Klägerin mehrfach telefonisch Nachfristen gesetzt wurden. Der Beklagte trug vor, dass die Klägerin trotz mehrmaliger telefonischer Nachfragen nach dem Gesamtverwendungsnachweis zum vorgegeben Termin, letztmalig am 19.12.2017, beim Gespräch zum ZB-Antrag des Projektes „Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt WiA 2017/2018“ (PNr. …) den Gesamtverwendungsnachweis nicht eingereicht habe (vgl. Widerrufsbescheid vom 11.06.2018 unter 1., Bl. 10 der Gerichtsakte). Der Klägervertreter trug glaubhaft vor, dass die Klägerin in keinem der geführten Telefonate auf die Frist zur Einreichung des Gesamtverwendungsnachweises hingewiesen worden sei. Bei dem Telefonat am 19.12.2017 sei es ausschließlich um den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt WiA 2017/2018 (PNr. …) gegangen (vgl. Schriftsatz vom 10.01.2019, Bl. 38, 40 der Gerichtsakte; Schriftsatz vom 24.04.2019, Bl. 125, 126, 128 der Gerichtsakte; Schriftsatz vom 17.06.2020, Bl. 158 der Gerichtakte; Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 5). Dies habe der Klägervertreter auch in einem Telefonvermerk festgehalten. Zunächst wäre es am Beklagten gewesen, anhand von Unterlagen, wie etwa eines Telefonvermerks zu dem Telefonat vom 19.12.2017, nachzuweisen, dass die Klägerin auf die Einreichung des Gesamtverwendungsnachweises hingewiesen worden ist. Das hat der Beklagte, der jedenfalls grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Widerrufsgründen trägt, aber nicht geleistet. Im Falle der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts trägt regelmäßig die zurücknehmende Behörde die materielle Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass der begünstigende Verwaltungsakt rechtswidrig ergangen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.9.1991 – juris Rn. 40). Nichts Anderes kann für den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes gelten. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Klägerin auf die Einreichung des Gesamtverwendungsnachweises hingewiesen wurde, so würde es nach Ansicht der Kammer trotzdem an einer hinreichend bestimmten Nachfristsetzung fehlen. Dass konkrete Nachfristen in den Telefonaten gesetzt wurden, geht aus dem Vortrag des Beklagten auch nicht hervor. Dem Gericht erschließt sich ferner nicht, welchen Sinn eine Nachfrage nach dem Gesamtverwendungsnachweis zum vorgegebenen Termin, also zum 31.08.2017 gehabt haben soll, da das konkret angeführte Telefonat vom 19.12. 2017 bereits nach Ablauf der Frist geführt wurde.
Aus den genannten Erwägungen liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, da der Klägerin keine drei Nachfristen – wie dies bei anderen Projektträgern üblich ist – gewährt wurden. Gesichtspunkte, die ein anderes Vorgehen der Behörde bei der Klägerin erfordert haben, sind nicht ersichtlich. Der Einwand des Beklagten, wonach die Umstände der Verzögerung (EDV-Probleme) zu Lasten der Klägerin gingen, rechtfertigt eine andere Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Gewährung von Nachfristen jedenfalls nicht (vgl. Widerspruchsbescheid vom 02.10.2018, Bl. 3 der Gerichtsakte). Dass bei der Förderpraxis hinsichtlich der Gewährung von Nachfristen danach differenziert wird, ob die Umstände für die Verzögerung in der Sphäre des Zuwendungsempfängers oder in der des Zuwendungsgebers liegen und dementsprechend eine abweichende Vorgehensweise bezüglich der Gewährung von Nachfristen verfolgt wird, wurde nicht vorgetragen.
Der Einwand des Beklagten, dass die Klägerin erstmals im Anhörungsverfahren die Gründe für die Verzögerungsgründe dargelegt habe, führt ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Die Formulierung in Ziffer 4.1 Satz 2 ist nicht hinreichend bestimmt.
Dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Bescheids unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (BVerwG, Urt. v. 25.02.1994 – 8 C 2.92 – NJW-RR 1995, 73). Das Verständnis des Betroffenen vom Inhalt des Verwaltungsakts wird dabei entsprechend der zu den §§ 133,157 BGB entwickelten Regeln objektiviert. Die Auslegung eines Verwaltungsakts richtet sich daher nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Adressaten oder der erlassenden Behörde. Maßgebend ist entsprechend des § 133 BGB der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Für den Adressaten des Verwaltungsakts muss die durch die Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, dass er sein Verhalten danach richten kann. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. 12. 2003 – 6 C 20/02 – NVwZ 2004, 878, m.w.N.). Die Unklarheit der Formulierung geht zu Lasten des Beklagten. Gerade in Fristenfragen muss es für den Rechtsuchenden klar erkennbar sein, was er zu tun hat, um einen Rechtsverlust zu vermeiden (BVerwG, Urt. v. 22.10.1993 – 6 C 10/92 – juris Rn. 28).
In Ziffer 4.1 heißt es, dass eine Verlängerung der Frist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich ist. Auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Zuwendungsrechts, insbesondere der die Behörde bindenden Förderpraxis, musste die Klägerin die Formulierung dergestalt verstehen, dass ein schriftlicher bzw. mündlicher Antrag zur Gewährung einer Fristverlängerung erforderlich ist. Dem Beklagten ist zwar beizupflichten, soweit er vorträgt, dass für das streitgegenständliche Förderprojekt allein die Regelungen maßgeblich sind, auf die im Zuwendungsbescheid Bezug genommen wird. Regelungen aus einem alten Förderzeitraum sind also nicht anwendbar, soweit diese nicht zum Gegenstand des Zuwendungsbescheids gemacht wurden. Die Klägerin durfte die Fristenregelung bei objektiver Würdigung jedoch so verstehen, dass die Vorgehensweise so gehabt werde wie bei Vorgängerprojekten. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck, der u.a. mit einer Förderpraxis erreicht werden soll, nämlich die Gleichbehandlung von Projektträgern.
Bei der Rechtsfolgenabwägung hätten die vorliegenden besonderen Umstände des Einzelfalls mit einbezogen werden müssen. Der Beklagte trug vor, dass Fristverlängerungen grundsätzlich nur bis zu sechs Monaten nach Maßnahmeende möglich gewesen wären, um den Gleichklang zu Nr. 6.1 der ANBest-P zu erreichen. Ab diesem Zeitpunkt werde allenfalls in begründeten Ausnahmefällen Ausnahmen von der Vorlagefrist erlaubt (Schriftsatz des Beklagten vom 28.04.2020 unter 4., Bl. 143 der Gerichtsakte Rückseite). Sofern man aber gem. Nr. 6.1 der ANBest-P auf das Fristende im August 2017 (Projektende: 28.02.2017) abstellt, hätten Nachfristsetzungen bis zum August 2017 gesetzt werden können. Die Frist in Ziffer 4.1 in dem erst vier Monate nach Projektende ergangenen Zuwendungsbescheid lief jedoch auch im August 2017 ab. Dass der Zuwendungsbescheid erst vier Monate nach Projektende erlassen wurde und somit der Gleichklang zu Nr. 6.1 ANBest-P durch Nachfristensetzungen nicht erreicht werden konnte, geht zu Lasten des Beklagten. Dass die Sechsmonatsfrist gem. Nr. 6.1 der ANBest-P für die Klägerin nicht bereits ab Abschluss des Projektes, sondern wie von dem Beklagten angedeutet erst ab dem Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheids gelaufen wäre (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 28.04.2020 unter 4., Bl. 143 der Gerichtsakte Rückseite) ist für die Klägerin weder aus den Bestimmungen der ANBest-P noch aus anderen Gesichtspunkten ersichtlich gewesen. Zudem blieben nach Vortrag des Beklagten bei der Nichteinhaltung der gesetzten Frist und der Entscheidung über den Widerruf des Zuwendungsbescheids und der Rückforderung von Zuwendungen in der Ermessensausübung immer Gesichtspunkte mitentscheidend, ob es bei demselben Träger bereits öfters zu Überschreitungen der gesetzten Frist gekommen ist oder wie er ganz allgemein seinen Mitteilungspflichten nachkommt (Schreiben des Beklagten vom 28.04.2020 unter 4., Bl. 143 der Gerichtsakte Rückseite). Auf dem Vermerk gemäß VV Nr. 3.3 zu Art. 44 BayHO vom 11.06.2015 wurde bei den projektträgerbezogenen Auswahlkriterien folgendes Kriterium mit „Ja“ angekreuzt: „Der Projektträger ist in der Lage, für eine zeitgerechte Projektumsetzung und termingerechte Vorlage der Verwendungsnachweise zu sorgen (Träger ist leistungsfähig und bekannt/ bei neuem Träger ist Begründung erforderlich) (Bl. 010 der Behördenakte). Trotz des Einwands des Beklagtenvertreters, dass der Haushaltsvermerk, bei dem die Zuverlässigkeit der Klägerin bestätigt wurde, nur Aussagekraft dafür habe, dass Fördermittel bewilligt werden, geht daraus auch eindeutig hervor, dass es bei dem Projektträger nicht bereits öfters zu Überschreitungen der gesetzten Frist gekommen ist.
Des Weiteren lag der Umstand, dass Belege und Verwendungsnachweise nicht rechtzeitig eingereicht wurden, nicht alleine in der Sphäre der Klägerin. Eine Eingabe von Belegen in das Online-Portal bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheids am 21.06.2017 war nicht möglich und der Klägerin stand hierfür lediglich eine Zweimonatsfrist im Vergleich zur sonst üblichen Dreimonatsfrist zur Verfügung.
Der Zuwendungsbescheid vom 21.06.2017 erging vorliegend erst vier Monate nach Ende des Maßnahmezeitraums zum 28.02.2017. Im Rahmen der Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn vom 24.05.2016 wurde auf die ANBest-P verwiesen (Bl. 016 der Behördenakte). Gem. Nr. 6.1 der ANBest-P ist die Verwendung der Zuwendung innerhalb von sechs Monaten nach Erfüllung des Zuwendungszwecks, spätestens jedoch mit Ablauf des sechsten auf dem Bewilligungszeitraum folgenden Monats, der Bewilligungsbehörde nachzuweisen (Verwendungsnachweis, Verwendungsbestätigung, VV Nr. 10.2, 10.3). Mit Zuwendungsbescheid vom 21.06.2017 wurde in Ziffer 4.1 die Frist zur Vorlage des Gesamtverwendungsnachweises bis spätestens 31.08.2017 festgesetzt. Im Übrigen wurde auf Nr. 6 der ANBest-P verwiesen. Zwischen der in Nr. 6.1 ANBest-P und der in Ziffer 4.1 des Zuwendungsbescheids gesetzten Fristen zur Einreichung des Gesamtverwendungsnachweises bestand kein Gleichlauf, sodass sich der Beklagte die Unklarheit durch den Lauf unterschiedlicher Fristen zuschreiben lassen muss. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagtenvertreter, dass der Zuwendungsbescheid normalerweise im ersten Drittel des Durchführungszeitraums erlassen werde. Aufgrund von Überschneidungen von Förderzeiträumen sei es bei ca. 28% der Fälle dazu gekommen, dass Zuwendungsbescheide erst längere Zeit nach Projektende erlassen worden seien. In den üblichen Zuwendungsbescheiden werde auch eine konkrete Frist gesetzt. Es werde jedoch nicht die Sechsmonatsfrist gem. Nr. 6.1 der ANBest-P, sondern normalerweise eine Dreimonatsfrist nach Maßnahmeende gesetzt (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 3). Die Zweimonatsfrist in Ziffer 4.1 des Zuwendungsbescheids vom 21.06.2017 war kürzer als bei sonstigen Zuwendungsbescheiden (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 4). Der Klägervertreter trug in der mündlichen Verhandlung vor, dass Verwendungsnachweise, wie in Nr. 6 der ANBest-P gefordert, nicht in das Online-Portal eingegeben werden können, solange kein Zuwendungsbescheid erlassen ist. Bei einer Plausibilitätskontrolle stellt das Programm fest, dass noch kein Zuwendungsbescheid vorliegt. Dies hat zur Folge, dass Verwendungsnachweise nicht online eingegeben werden. Dies habe die Klägerin dem Beklagten und der Agentur für Arbeit telefonisch mitgeteilt und die Eingabe von Verwendungsnachweisen zu erreichen versucht. Erst durch die Kommunikation mit der Agentur für Arbeit habe sich herausgestellt, dass der Zuwendungsbescheid noch nicht erlassen worden sei (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 3). Der Beklagtenvertreter erklärt in der mündlichen Verhandlung ebenfalls, dass ein Hochladen des Gesamtverwendungsnachweises, wie vom Klägervertreter ausgeführt, nicht möglich gewesen sei, weil noch kein Zuwendungsbescheid ergangen war. Gem. Ziffer 5.3 des Zuwendungsbescheides ist der Zuwendungsempfänger verpflichtet, sämtliche Erklärungen, Anträge, Informationen oder sonstige Handlungen im Rahmen des Zuwendungsverfahrens unter Nutzung der Software ESF Bavaria 2014 im Internet vorzunehmen bzw. abzugeben. Es liegt im Verantwortungsbereich des Zuwendungsgebers, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dem Zuwendungsempfänger die Nutzung der Software zur Eingabe der Informationen bereitsteht.
Des Weiteren lag der Umstand, dass Belege und Verwendungsnachweise nicht rechtzeitig eingereicht wurden, nicht alleine in der Sphäre der Klägerin. Eine Eingabe von Belegen in das Online-Portal war bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheids am 21.06.2017 nicht möglich und der Klägerin stand hierfür lediglich eine Zweimonatsfrist im Vergleich zur sonst üblichen Dreimonatsfrist zur Verfügung.
Es ist vorliegend also von außergewöhnlichen Umständen auszugehen, denen der Beklagte bei der Entscheidung über den Widerruf nicht hinreichend Rechnung getragen hat.
Ferner kommt es für die Begründetheit der Anfechtungsklage auf die Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an, also den Erlass des Widerspruchsbescheids am 02.10.2018 (BVerwG, B. v. 04.07.2006 – 5 B 90/05 – m.w.N., juris). Der Klägerin wurde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens von dem zu diesem Zeitpunkt zuständigen Sachbearbeiter mitgeteilt, dass nachgereichte Belege im Widerspruchsverfahren nach ständiger Förderpraxis nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. K11 und K12). Aufgrund dieser Information sah die Klägerin davon ab, Verwendungsnachweise nachzureichen, obwohl ihr dies nach eigenem Vortrag möglich gewesen wäre (Schriftsatz vom 10.01.2019, Bl. 43 der Gerichtsakte). Der Gesamtverwendungsnachweis habe zum Zeitpunkt des Widerspruchsverfahrens mit Buchungsliste mit der Zuordnung von Belegnummern vorgelegen, welches als Indiz für die Vollständigkeit der Unterlagen spreche (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 3). Auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, ob es der ausgeübten Förderpraxis entspricht, dass nachgereichte bzw. im Widerspruchsverfahren eingereichte Belege und Verwendungsnachweise nicht mehr berücksichtigt werden, erklärte der Beklagtenvertreter, dass es aufgrund mehrfacher Nachfristsetzungen noch nie zu einem Fall gekommen sei, in dem Unterlagen während des Widerspruchsverfahrens nachgereicht worden seien (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 5). In 99% der Förderfälle gebe es kein Widerspruchsverfahren, sodass die Fallzahlen zu gering seien, um von einer gefestigten Förderpraxis zu sprechen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 6). Dem Gericht erschließt sich daher nicht, inwieweit der zuständige Sachbearbeiter auf eine Förderpraxis verwies, die sich mangels vergleichbarer Fälle gar nicht etablieren konnte. Der Beklagtenvertreter führt in der mündlichen Verhandlung selbst aus, dass das Schreiben von Herrn L. vom 20.08.2018 (Anlage K12, Bl. 106 der Gerichtsakte) ein Indiz dafür sei, dass Unterlagen nachgereicht werden können und er sich das Schreiben hätte schenken können, wenn er es ablehnt, die Vorlage von Verwendungsnachweisen zu berücksichtigen.
Sofern der Beklagte auf das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 23.12.2015 (Az. 3 KO 400/12 – juris Leitsatz) verweist, wonach sich die Entscheidung des Subventionsgebers, erstmals im Widerspruchsverfahren zum Führen des Verwendungsnachweises nachgereichte Belege regelmäßig nicht mehr zu berücksichtigen, im Rahmen des ihm eingeräumten Widerrufsermessens hält, ist darauf hinzuweisen, dass in dem zu beurteilenden Sachverhalt – abweichend von der vorliegenden Sachverhaltskonstellation – dem Kläger mehrfach eine Nachfrist zur Einreichung der Verwendungsnachweise gesetzt wurde. In den Entscheidungsgründen (Rn. 42) heißt es wörtlich „Vor diesem Hintergrund“, also vor dem Hintergrund der mehrfachen Nachfristsetzung, „ist die Entscheidung der Beklagten, die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen nicht mehr zu beachten und auf ihre Förderfähigkeit zu prüfen, verhältnismäßig“ (vgl. dazu auch VG Aachen, Urt. v. 16.11.2005 – 3 K 779/04 – juris Rn. 17; Sächsisches OVG, B. v. 18.08.2009 – 1 D 65/09 – juris Rn. 8; hier wurde jeweils mehrfach die Frist zur Vorlage der Verwendungsnachweise verlängert).
Die vorliegende Sachlage bietet vom Regelfall eines Subventionswiderrufs abweichende außergewöhnliche Umstände, die eine andere Entscheidung als den vollständigen Widerruf des ergangenen Zuwendungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids als geboten erscheinen lassen (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. 10.12.2003 – 3 C 22/02 – Rn. 36). Nach Ansicht der Kammer sprechen keine wesentlichen Gesichtspunkte dagegen, im Rahmen der Rechtsfolgenabwägung unter Beachtung der Besonderheiten des Zuwendungsrechts zugunsten der Klägerin zu entscheiden.
2. Über den Antrag zu 2) im Schriftsatz des Klägervertreters vom 08.11.2018 musste nicht durch Beschluss entschieden werden. Der Antrag zu 2) wurde in der mündlichen Verhandlung vor Antragsstellung zurückgenommen, da dieser aufgrund des Antrags zu 1) überflüssig war (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 7). Bereits mit der erhobene Anfechtungsklage (Antrag zu 1)) würde die Klägerin das ihr mit der Klage verfolgte Ziel erreichen. Durch den Klageantrag zu 2) tritt auch keine Streitwerterhöhung ein (vgl. dazu die Begründung des Streitwertbeschlusses).
Nach alledem ist der Klage stattzugeben.
II.
1. Die Klage war demgemäß vollumfänglich mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Zuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war, ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse des Einzelfalls vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Notwendig ist die Zuziehung dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (vgl. BVerwG Urt. v. 14.11.1979 – 8 C 35.79, BeckRS 1979, 31279946; Eyermann/Schübel-Pfister, 15. Aufl. 2019, VwGO § 162 Rn. 29). Maßgeblich ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte, wobei die Notwendigkeit der Hinzuziehung den Regelfall bildet (vgl. Schoch/Schneider/Bier, 37. EL Juli 2019, VwGO § 162 Rn. 77). Gemessen hieran war die Hinzuziehung vorliegend erforderlich, da der Klägerin nicht zuzumuten war, das Vorverfahren angesichts der nicht ganz einfach gelagerten Sach- und Rechtslage selbst zu führen.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben