Verwaltungsrecht

Widerruf von Waffenbesitzkarte und Jagdschein

Aktenzeichen  M 7 S 16.3223

Datum:
9.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 3a, § 45 Abs. 2
BJagdG BJagdG § 17, § 18

 

Leitsatz

1. Der beabsichtigte Besuch eines als extremistisch einzustufenden Konzerts mag ein Indiz für eine entsprechende Weltanschauung oder „Gesinnung“ sein, stellt aber noch keine Unterstützung von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar. (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ergibt sich nicht, dass Tatsachen, die sich außerhalb des dort festgelegten Fünfjahreszeitraums ereignet haben, nicht zum Nachweis dafür herangezogen werden dürfen, dass eine Person innerhalb des Fünfjahreszeitraums verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt hat. (redaktioneller Leitsatz)
3. Von einer Unterstützungshandlung für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung kann erst dann ausgegangen werden, wenn sich eine Tätigkeit positiv auf die Aktionsmöglichkeiten einer Vereinigung auswirkt bzw. ihre innere Organisation, ihren Zusammenhalt, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (s.a. BVerwG, NVwZ 2014, 294 Rn. 15 ff. zu § 54 Nr. 5 AufenthG). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage M 7 K 16.3222 gegen die Bescheide des Landratsamtes München vom 12. und 13. Juli 2016 wird angeordnet bzw. wiederhergestellt.
II.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 8.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Widerruf der ihm am 11. August 2014 erteilten Waffenbesitzkarte Nr. …, in die eine Kurzwaffe und vier Langwaffen eingetragen sind, und des ihm am 28. September 2015 erteilten Jagdscheins Nr. …, der bis 31. März 2018 gültig ist.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 teilte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz dem Landratsamt München (im Folgenden: Landratsamt) mit, dass ein bayernweiter Abgleich von Rechtsextremisten mit dem Nationalen Waffenregister einen Treffer in seinem Zuständigkeitsbereich ergeben habe, und bat um Prüfung, inwieweit eine Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnis bei dieser Person möglich sei. Ermittlungen des Landratsamtes ergaben, dass der Antragsteller am 31. Juli 2010 mit 280 Teilnehmern an dem von Sicherheitsbehörden als rechtsextremistisch eingestuften 3. Nationalen Frankentag in Geschwand teilgenommen hatte und bei einer Polizeikontrolle im Nahbereich des S-Bahnhofs Erding anlässlich einer von Martin Wiese organisierten Großveranstaltung der rechten Szene Münchens am 9. April 2011 sowie bei einer polizeilichen Vorkontrolle in Halsbach anlässlich eines von dem rechtsextremistischen Verein „Frei Räume“ veranstalteten Konzerts am 11. Februar 2012 festgestellt worden war; weiter, dass Gründungsmitglied des Vereins u. a. Norman Bordin ist, der ca. 120 Besucher ausschließlich aus dem rechten Milieu zu dieser Veranstaltung eingeladen hat, und das bei dem Konzert drei als rechtsextremistisch eingestufte Musikgruppen auftraten.
Mit Schreiben jeweils vom 15. März 2016 hörte das Landratsamt den Antragsteller zum Widerruf seines Jagdscheins und seiner Waffenbesitzkarte an. Mit Schreiben vom 18. April und 2. Juni 2016 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers dazu aus, dass § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG nicht Grundlage für den Widerruf sein könne, weil nur das Konzert vom 11. Februar 2012 innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Zeitrahmens stattgefunden habe und der Antragsteller lediglich mit einem Bekannten das Konzert habe besuchen wollen. Aufgrund der polizeilichen Kontrollen habe er jedoch sein Interesse an dem Konzertbesuch verloren und keine Eintrittskarte mehr gelöst.
Mit Bescheid vom 12. Juli 2016 widerrief die Waffenbehörde des Landratsamtes gestützt auf § 45 Abs. 2, § 10 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG die Waffenbesitzkarte des Antragstellers (Nummer 1) und gab ihm auf, innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung des Bescheides die Originalausfertigung dem Landratsamt zu übergeben (Nummer 2) sowie seine Waffen samt Munition einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und dies nachzuweisen (Nummer 3). Die sofortige Vollziehung der Nummern 2 und 3 des Bescheides wurde angeordnet (Nummer 4). Für den Fall, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung aus Nummer 2 des Bescheides nicht fristgerecht nachkomme, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- EUR angedroht (Nummer 5). Die Voraussetzungen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG und § 92 Abs. 2 StGB enthaltenen Legaldefinitionen der Begriffe „verfassungsmäßige Ordnung“ und „Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“ und nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien erfüllt. Der von dem bekannten Neonazi Norman Bordin gegründete Verein „Frei Räume“ habe u. a. das Ziel, rechtsextremistische Konzerte zu veranstalten. Seine Anmeldung habe das Amtsgericht Traunstein deshalb zurückgewiesen. Er verfolge somit Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsgemäße Ordnung richteten. Die Tatsache, dass der Antragsteller bei der fest terminierten und nur auf Einladung für einen bestimmten Personenkreis zugänglichen Saalveranstaltung kontrolliert worden sei, zeige, dass er über den Hintergrund informiert gewesen sei. Es könne daher nicht geglaubt werden, dass dem Antragsteller die Musikgruppe bzw. der Verein „Frei Räuber e.V.“ unbekannt sei. Auch die Aussage, dass er mit einem Bekannten das Konzert habe besuchen wollen, entkräfte nicht die Annahme, dass er gegen die verfassungsgemäße Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolge oder unterstütze. Laut polizeilicher Stellungnahme sei er während der Anreise und Teilnahme bei einer Vorkontrolle festgestellt worden. Der Zeitpunkt der Kontrolle sei also ebenfalls bekannt. Dass der Antragsteller durch sein Verhalten nicht aufgefallen sei, sei weniger schädlich, da bereits Ziel- und Zweckrichtung ausreichend seien. Dies bedeute, dass bereits die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen einschneidende sicherheitsrechtliche Maßnahmen rechtfertigen würden, weil dies den Schluss auf die Unterstützung von gesetzlich missbilligten Bestrebungen zulasse. Der Antragsteller habe sich entschieden, an einer Veranstaltung teilzunehmen, dessen Organisatoren und Teilnehmer sich offensichtlich gegen die verfassungsmäßige Ordnung aussprächen und dementsprechende Bestrebungen verfolgen würden. Die Veranstaltungen vom 31. Juli 2010 und 9. April 2011, die beide der rechten Szene zuzuordnen seien, lägen zwar außerhalb der Fünfjahresfrist des § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG, stünden aber in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis vom 11. Februar 2012. Aufgrund seiner Teilnahme bzw. seiner Besuchsabsicht sei davon auszugehen, dass der Antragsteller einer rechten Gesinnung angehöre. Allein das Interesse an derartigen Treffen bestätige, dass er Bestrebungen verfolge bzw. unterstütze, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet seien. Das Gesamtbild rechtfertige die Annahme, dass er dies in den letzten fünf Jahren getan habe, so dass er als waffenrechtlich unzuverlässig gelte. Die Anordnung zur Rückgabe der Waffenbesitzkarte beruhe auf § 46 Abs. 1 WaffG, die Anordnung zur Abgabe oder Unbrauchbarmachung der Waffen auf § 46 Abs. 2 WaffG. Der Widerruf sei nach § 45 Abs. 5 WaffG sofort vollziehbar; die sofortige Vollziehung der Nummern 2 und 3 des Bescheides sei gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im überwiegenden öffentlichen Interesse angeordnet worden. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29 – 31 und 36 VwZVG.
Mit im Wesentlichen gleicher Begründung und gestützt auf § 18 Abs. 1, § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i. V. m. § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG erklärte die Jagdbehörde des Landratsamtes mit Bescheid vom 13. Juli 2016 unter Anordnung des Sofortvollzuges (Nummer 3) und unter Androhung eines Zwangsgeldes von 250,- EUR (Nummer 4) den Jagdschein des Antragstellers für ungültig (Nummer 1) und gab ihm auf, diesen innerhalb von zehn Tagen nach Zustellung des Bescheides bei der unteren Jagdbehörde abzugeben (Nummer 2).
Beide Bescheide ließ der Kläger am 21. Juli 2016 bei Gericht durch seinen Bevollmächtigten anfechten (M 7 K 16.3222) sowie weiter beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Zur Begründung des Eilantrages wurde auf die Klagebegründung Bezug genommen, wonach sich die Bescheide in allererster Linie auf Ereignisse stützen, die vor dem durch das Gesetz festgelegten Zeitraum von fünf Jahren stattgefunden hätten. Veranstaltungen außerhalb dieses Zeitraums könnten nicht mit dem Ereignis vom 11. Februar 2012 über einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang verknüpft werden, wenn sie weit vor dem Ereignis gelegen hätten. Auch habe der Kläger an dem Konzert im Saal nicht teilgenommen. Er sei bei einer Vorkontrolle durch Kräfte der Bereitschaftspolizei kontrolliert worden. Die Anwesenheit auf dem Parkplatz im Vorfeld der Veranstaltung erfülle nicht die Mindestvoraussetzungen der Rechtsgrundlage. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzten politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen voraus, dass über das bloße Vorhandensein bestimmter Bestrebungen hinaus ein aktives, nicht jedoch notwendig kämpferisch-aktives Vorgehen zu deren Realisierung erforderlich sei. Es sei schon fraglich, ob das Bundesverwaltungsgericht heute noch genauso entscheiden würde wie seinerzeit hinsichtlich der nach der Wiedervereinigung tätigen früheren kommunistischen Politiker bzw. Funktionäre. Zudem sei es nur um die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und nicht um die Auferlegung von Handlungspflichten gegangen. Auch reiche nach dem Waffengesetz eine bloß passive Teilnahme, vielleicht aus Neugier oder sonstigen Gründen, nicht aus. Einem vom Landratsamt zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2013 – M 7 K 12.2797 – sei zu entnehmen, dass eine mehrfache Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen vorauszusetzen sei, um die waffenrechtliche Zuverlässigkeit in Frage zu stellen. Zudem habe der Kläger in den vergangenen viereinhalb Jahren nach dem vorgeworfenen Ereignis unter Beweis gestellt, dass er jederzeit und ordnungsgemäß mit der Waffe umgegangen sei. Der Bescheid vom 12. Juli 2016 begegne auch deshalb rechtlichen Bedenken, weil er keine die Behörde legitimierende Unterschrift trage.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 18. August 2016 unter Bezug auf die angefochtenen Bescheide,
den Antrag abzulehnen,
und führte weiter aus, eine aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse bestehe schon kraft Gesetzes nicht. Im Übrigen sei die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse angeordnet worden. Entgegen der klägerischen Darstellung sei seine tatsächliche Teilnahme an den Veranstaltungen vom 31. Juli 2010, vom 9. April 2011 und vom 11. Februar 2012 polizeilich dokumentiert worden. Soweit eine Musikgruppe, die bei der letzten Veranstaltung aufgetreten sei, in den angefochtenen Bescheiden als „Frei Räuber e.V.“ bezeichnet worden sei, handele es sich um einen Schreibfehler. Richtig heiße die Musikgruppe natürlich „Frei Räume e.V.“. Die ersten beiden Veranstaltungen wiesen einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu dem letzten Konzert mit rechtsextremistischen Musikgruppen auf. Beim 3. Nationalen Frankentag am 31. Juli 2010 handele es sich um eine Open-Air-Veranstaltung der Neonazis des „Freien Netzes Süd“ mit Rechtsrock Bands und politischen Reden. Mitgestalter der Veranstaltung seien die Neonazi-Kapellen sowie Redner des „Freien Netzes Süd“ und der NPD-Landesvertretung gewesen. Am 9. April 2011 hätte die „Erste Großveranstaltung aller rechten Gruppierungen der rechten Szene Münchens“ in Erding stattgefunden. Laut polizeilichen Auskünften hätte die durch den mehrfach verurteilten Neonazi Martin Wiese organisierte Veranstaltung in der Sportgaststätte Rot-Weiß-Kettham stattgefunden. Die Anwesenheit des Antragstellers bei diesen beiden Veranstaltungen sei durch Personenkontrollen festgestellt worden. Es sei von der Hand zu weisen, dass sich der Antragsteller auch hier zufällig aufgehalten habe. Somit sei davon auszugehen, dass er eine rechtsextremistische Gesinnung habe. Abgesehen davon, dass die beiden Veranstaltungen außerhalb des Fünfjahreszeitraums lägen, bestätige allein das Interesse des Antragstellers an derartigen Treffen, dass er Bestrebungen verfolge bzw. unterstütze, die gegen die verfassungsgemäße Ordnung gerichtet seien.
Wegen der Erwiderung des Klägerbevollmächtigten vom 14. September 2016 und weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat Erfolg.
Der statthafte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist gem. § 88 VwGO nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel dahin auszulegen, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage begehrt, soweit diese von Gesetzes wegen entfällt (hier nach § 45 Abs. 5 WaffG und Art. 21a Satz 1 VwZVG), sowie deren Wiederherstellung, soweit die aufschiebende Wirkung der Klage wegen der behördlichen Anordnungen der sofortigen Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO entfallen ist.
Entfaltet ein Rechtsbehelf – wie hier teils wegen einer behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung und teils von Gesetzes wegen – keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen bzw. wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Bei der vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu treffenden Interessenabwägung zwischen dem öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die ein wesentliches, wenn auch nicht das alleinige Indiz für bzw. gegen die Begründetheit des Begehrens im einstweiligen Rechtsschutz sind. Ergibt die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussichten, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolgreich sein wird, besteht kein öffentliches Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes.
Hiervon ist auszugehen. Die Voraussetzungen der als Rechtsgrundlage für beide Bescheide herangezogenen Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG sind offensichtlich nicht erfüllt, so dass darüber hinausgehenden rechtlichen Bedenken nicht nachgegangen werden muss.
Nach § 45 Abs. 2 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, hier die Waffenbesitzkarte (§ 10 Abs. 1 WaffG), zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Ein solcher Versagungsgrund ergibt sich u. a. aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, der für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 WaffG und die persönliche Eignung gem. § 6 WaffG voraussetzt. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG besitzen Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Da keine Nachweise für eine aktuelle Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen durch den Antragsteller vorliegen, sondern die (beabsichtigte) Teilnahme an einem rechtsextremistischen Konzert am 11. Februar 2012 der letzte bekannt gewordene Vorwurf ist, ist die zweite Tatbestandsalternative einschlägig.
Es kann offen bleiben, ob der Konzertveranstalter, der als rechtsextremistisch einzustufende Verein „Frei Räume“ (vgl. die im Internet veröffentlichten Informationen der Bayerischen Staatsregierung im Portal „Bayern gegen Rechtsextremismus“ der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit im Staatsministerium für Unterricht und Kultus und der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus des Staatsministeriums des Innern beim Landesamt für Verfassungsschutz), Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG und damit auch im Sinne der Legaldefinitionen in § 4 Abs. 2 BVerfSchG und § 92 Abs. 2 StGB (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 55) verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, was mit dem bloßen Verweis auf die Weigerung des Amtsgerichts Traunsteins, den Verein in das Vereinsregister einzutragen, und auf ein allgemein als Neonazi bekanntes Gründungsmitglied nicht hinreichend dargelegt bzw. nachgewiesen ist. Denn es fehlen schon hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller durch die vereinzelt gebliebene Teilnahme an Veranstaltungen des rechtsextremen Spektrums Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.
Zunächst ist die Darstellung des Antragstellers nicht widerlegt, dass er an der Veranstaltung am 11. Februar 2012 gar nicht teilgenommen, sondern auf den Konzertbesuch wegen der Polizeikontrollen verzichtet hat. In der polizeilichen Auskunft vom 29. Februar 2016 (Bl. 81a der Behördenakte) wurde zunächst offen gelassen, ob die Polizei den Antragsteller bei der Anreise zu dem Konzert oder beim Besuch des Konzerts („Anreise/Teilnahme“ „vor bzw. während der Veranstaltung“) kontrolliert hat, und sodann konkret mitgeteilt, dass er bei einer „Vorkontrolle durch Kräfte der Bereitschaftspolizei“ festgestellt worden sei. Hieraus ergibt sich mithin nicht, dass seine Anwesenheit während des Konzerts polizeilich festgestellt ist. Der beabsichtigte Besuch eines als extremistisch einzustufenden Konzerts mag ein Indiz für eine entsprechende Weltanschauung oder „Gesinnung“ sein, stellt aber noch keine Unterstützung von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar, d. h. eine politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweise in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG). Denn es ist zu gar keiner Handlung gekommen. Nach der vom Antragsgegner zitierten Rechtsprechung genügt für eine entsprechende Annahme das bloße Innehaben einer extremistischen Weltanschauung ebenso wenig wie eine Kritik an Verfassungswerten und -grundsätzen, die Übereinstimmung oder Sympathie mit den Zielen einer verfassungsfeindlichen Organisation oder die wissenschaftliche Beschäftigung mit einer extremistischen Theorie (BVerwG, U. v. 21. Juli 2010 – 6 C 22/09 – juris Rn. 60 f. m. w. N.), was als erlaubte Wahrnehmung insbesondere des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt ist.
Weiter wird die Unterstützung einer Bestrebung gegen die verfassungsmäßige Ordnung in den letzten fünf Jahren auch nicht dadurch belegt, dass der Antragsteller vor mehr als fünf Jahren zwei als extremistisch einzustufende Veranstaltungen, zum einen den 3. Nationalen Frankentag am 31. Juli 2010, eine von Mitgliedern des „Freien Netzes Süd“ und der NPD organisierte, politisch-musikalisch gemischte Open-Air-Veranstaltung (vgl. Informationsportal „Bayern gegen Rechtsextremismus“), und zum andern eine von dem Neonazi Martin Wiese (vgl. BayVerfSchBer 2012, S. 104 f.) organisierte, offenbar der Netzwerkbildung dienende Großveranstaltung von Gruppierungen der rechten Szene Münchens am 9. April 2011, besucht hat. Aus § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ergibt sich zwar nicht, dass keine Tatsachen, die sich außerhalb des dort festgelegten Fünfjahreszeitraums ereignet haben, zum Nachweis dafür herangezogen werden dürften, dass eine Person innerhalb des Fünfjahreszeitraums verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt hat. Auch ist im Einzelfall nicht auszuschließen, dass Ereignisse, die etliche Monate auseinanderliegen, einen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang aufweisen können, der sich als Ausdruck einer Unterstützungshandlung für eine Bestrebung gegen die verfassungsmäßige Ordnung darstellt. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Selbst wenn der Antragsteller das Konzert am 11. Februar 2012 besucht hätte, würde die passive Teilnahme an den drei Veranstaltungen ihrer Intensität nach nicht die Schwelle erreichen, die die Annahme einer Unterstützungshandlung rechtfertigt. Davon kann im Sinne der von der Kammer im Urteil vom 13. November 2013 – M 7 K 12.2797 – herangezogenen obergerichtlichen Rechtsprechung erst dann ausgegangen werden, wenn sich eine Tätigkeit positiv auf die Aktionsmöglichkeiten einer Vereinigung auswirkt bzw. ihre innere Organisation, ihren Zusammenhalt, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BVerwG, U. v. 15. März 2005 – 1 C 26/03 – juris Rn. 25 zu § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG und U. v. 30. Juli 2013 – 1 C 9/12 – juris Rn. 15 ff. zu § 54 Nr. 5 AufenthG). Nach dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war maßgeblich, ob die Teilnahme an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung bei einer wertenden Gesamtschau zum Ausdruck bringt, dass der Betreffende auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, was bei zahlreicher Beteiligung an Veranstaltungen und einem Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer in Betracht kommt (vgl. BVerwG, U. v. 15. März 2005 – 1 C 26/03 – juris Rn. 27). Im Falle des Antragstellers ist noch nicht einmal festgestellt worden, welche konkreten Bestrebungen bzw. wessen Bestrebungen er durch die Teilnahme an den Veranstaltungen unterstützt hat. Insofern reicht es nicht aus, dass sämtliche Veranstalter einer extremistischen Weltanschauung im weiteren Sinne zuzuordnen sind und sich daraus ein Schluss auf die Weltanschauung des Antragstellers ableiten lassen mag.
Der Widerruf des Jagdscheins ist aus denselben Gründen materiell rechtswidrig.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 Satz 1, 20.3, 50.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach sind der Widerruf des Jagdscheins mit 8.000,- EUR, der Widerruf der Waffenbesitzkarte mit dem Auffangstreitwert (5.000,- EUR) und die vier weiteren Waffen mit je 750,- EUR anzusetzen. Der sich daraus ergebende Streitwert in Höhe von 16.000,- EUR ist in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel zu halbieren (8.000,- EUR).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben