Verwaltungsrecht

Widerruf von Waffenbesitzkarten wegen Mitgliedschaft in einem Rockerclub

Aktenzeichen  M 7 K 14.4728

Datum:
13.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 46382
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 a, c, § 45 Abs. 2 WaffG

 

Leitsatz

Unabhängig von eigenem Fehlverhalten oder der Stellung in der Clubhierarchie rechtfertigt allein die Mitgliedschaft in einer Rockergruppierung, die als “Outlaw Motorcycle Gang” (OMCG) einzuordnen ist, den nachvollziehbaren und plausiblen Schluss, dass der Inhaber einer Waffenerlaubnis in Zukunft etwa selbst mit Waffen in einer vom Waffengesetz nicht geduldeten Form umgehen oder Dritten einen solchen Umgang durch willentliche Überlassung ermöglichen wird (vgl. BayVGH BeckRS 2013, 59476; BeckRS 2013, 59477; BeckRS 59078; BeckRS 2013, 59079 und BVerwG BeckRS 2015, 42545). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Beklagten vom … September 2014 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 45 Abs. 2 WaffG sind waffenrechtliche Erlaubnisse, hier die Waffenbesitzkarten (§ 10 Abs. 1 WaffG), zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Ein solcher Versagungsgrund ergibt sich u. a. aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, der für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 WaffG und die persönliche Eignung gemäß § 6 WaffG voraussetzt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind. Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungs-gemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 51). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B. v. 28.11.2013 – 21 CS 13.1758 – juris Rn. 9; B. v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14 m. Hinweis auf die st. Rspr. des BVerwG z. B. B. v. 31.1.2008 – 6 B 4.08 – juris sowie B. v. 2.11.1994 – 1 B 215.93 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 71). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist im Fall des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.2007 – 6 C 24/06 – juris Rn. 35; BayVGH, B. v. 18.8.2008 – 21 BV 06.3271 – juris Rn. 25).
Der Kläger ist nach eigenen Angaben seit … Mitglied des Motorradclubs „…“. Dabei handelt es sich um eine Rockergruppierung mit Wurzeln in den USA, die … Chapter in Deutschland/Bayern hat und sich auf ihrer Homepage (http://www….de/) selbst als „1%“ bezeichnet. Wegen seiner Mitgliedschaft in der Rockergruppierung liegen – auch wenn das Bundeszentralregister keine Eintragungen in Bezug auf seine Person enthält – nach Auffassung der Kammer Tatsachen vor, die den nachvollziehbaren und plausiblen Schluss rechtfertigen, dass der Erlaubnisinhaber in Zukunft etwa selbst mit Waffen in einer vom Waffengesetz nicht geduldeten Form umgehen oder Dritten einen solchen Umgang durch willentliche Überlassung ermöglichen wird.
Dabei folgt das Gericht der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und den hier getroffenen Feststellungen zu OMCGs (vgl. U. v. 10.10.2013 – 21 B 12.960, 21 B 12.964, 21 BV 12.1280, 21 BV 13.429 – alle juris) sowie des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 28.1.2015 – 6 C 1/14, 6 C 2/14, 6 C 3/14 – alle juris) und legt neben den in diesem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse über die Rockergruppierung „…“ auch die in den Verfassungsschutzberichten Bayern enthaltenen Erkenntnisse über Rockergruppierungen allgemein und sog. Outlaw Motorcycle Gangs (OMCGs) zugrunde.
Aus dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2014, S. 210 ff. geht hervor, dass mit der von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden eingeführten Bezeichnung „Outlaw Motorcycle Gang“ (OMCG) weltweit die polizeilich besonders relevanten Rockergruppierungen von der breiten Masse der Motorradclubs abgegrenzt werden, die zwar im Einzelfall auch kriminelle Aktivitäten verfolgen können, diese aber nicht als Hauptmotivation ihrer Existenz verstehen. Die OMCGs werden auch als „1-Prozenter“ bezeichnet, worunter Motorradfahrer zu verstehen sind, die sich selbst als „Gesetzlose“ sehen und das bestehende Rechtssystem ablehnen. Aktuell werden deutschlandweit der „Hells Angels MC“, der „Bandidos MC“, der „Outlaws MC“, der „Gremium MC“, der „Mongols MC“, der „Saturdarah MC“ und der „Trust MC“ den OMCGs zugeordnet (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2014, S. 213). Die Mitglieder dieser OMCGs bewegen sich in einem kriminellen Umfeld, in dem typische Delikte der organisierten Kriminalität (OK) wie Aktivitäten im Rotlichtmilieu, Rauschgifthandel, Bedrohung oder Körperverletzung begangen werden. Das Geschäftsgebaren einzelner Rockergruppierungen zielt auch in legalen Geschäftsfeldern auf einen territorialen und finanziellen Machtzuwachs gegenüber konkurrierenden MCs ab. Dabei reichen die Beziehungen der konkurrierenden Rockergruppen untereinander von Neutralität bis hin zu offener Feindschaft, was zu Spannungen und gewalttätigen Konflikten führen kann. Es ist bekannt, dass im Ausland, im Bundesgebiet und in Bayern in der Vergangenheit bei Mitgliedern verschiedener OMCGs im Rahmen polizeilicher Maßnahmen zahlreiche Schuss-, Hieb-, Schlag- und Stoßwaffen aufgefunden wurden, die zum Teil bei Straftaten eingesetzt oder offensichtlich für beabsichtigte Übergriffe auf konkurrierende Rockergruppen bzw. zur Abwehr derartiger Angriffe vorgehalten wurden (vgl. BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 51 mit Verweis auf Auskünfte des BLKA).
Die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit von OMCG Mitgliedern bestimmt sich maßgeblich aus der Nähe dieser Rockergruppierungen zur Organisierten Kriminalität. Die Prognoseentscheidung erfordert nicht erst den Nachweis eines bestimmten Fehlverhaltens und wird nicht dadurch widerlegt, dass eine Person im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft in einer Gruppierung strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist (BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 61). Vielmehr genügt als Tatsache für die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit, dass sich der Erlaubnisinhaber regelmäßig in einem Milieu bewegt, in dem üblicherweise Straftaten begangen werden (BayVGH, a. a. O. – juris Rn. 67). Denn in diesem Fall ist auch ohne konkrete Vorfälle die Annahme gerechtfertigt, Waffen könnten rechtswidrig verwendet oder abgegeben werden. Es wäre lebensfremd und widerspräche dem präventiven Zweck des Waffenrechts, wenn die Waffenbehörde unter diesen Umständen solange mit dem Widerruf oder der Rücknahme waffenrechtlicher Erlaubnisse warten müsste, bis es zu Straftaten und Verurteilungen gekommen ist (BayVGH, a. a. O.).
Das personenbezogene Merkmal der Gruppenzugehörigkeit einer Person kann als Tatsache herangezogen werden, welche die Annahme der Unzuverlässigkeit stützt, wenn zwischen der Annahme der Unzuverlässigkeit und der Gruppenzugehörigkeit eine kausale Verbindung besteht (BVerwG, U. v. 28.1.2015 – 6 C 1/14 – juris Ls. 1, Rn. 11). Gerade die Gruppenzugehörigkeit der Person muss die Prognose tragen, dass diese künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verwirklichen wird. Nicht ausreichend ist, dass solche Verhaltensweisen innerhalb der Gruppe regelmäßig vorgekommen sind oder noch immer vorkommen. Vielmehr müssen bestimmte Strukturmerkmale der Gruppe die Annahme rechtfertigen, dass gerade auch die Person, die in Rede steht, sie künftig verwirklichen wird (BVerwG, a. a. O.).
Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei dem Club „…“ um eine Gruppierung mit Strukturmerkmalen im Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung, so dass die Gruppenzugehörigkeit des Klägers als Tatsache i. S. d. § 5 Abs. 2 WaffG bei der Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit heranzuziehen ist.
Unerheblich ist, dass die Gruppierung „…“ nicht namentlich in den Verfassungsschutzberichten Bayern als OMCG aufgelistet ist. Offensichtlich stellen die Berichte auf Gruppierungen ab, die eine gewisse Größe und Bedeutung in der Rockerszene entwickelt haben. So führt auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unter Rückgriff auf den Verfassungsschutzbericht Bayern 2011 in seinem Urteil aus, dass es deutschlandweit fünf „erwähnenswerte“ OMCG-Rockerorganisationen gibt (vgl. BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 40). Die Aufzählung ist damit nicht als abschließend zu sehen. Auch steht einer Einordnung der Gruppierung als OMCG nicht entgegen, dass dem Verfassungsschutz nach seiner Auskunft bislang keine Erkenntnisse zu den „…“ und Verbindungen zur Rockerkriminalität bzw. organisierten Kriminalität vorliegen. Die Überzeugung des Gerichts zur Einordnung des Motorradclubs als OMCG im Sinne der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten:
Der Motorradclub bezeichnet sich selbst als „1%“ und thematisiert dies an vielen Stellen auf seiner Homepage. So wird unter der Rubrik „about us“ ausgeführt, es handle sich um einen „internationalen 1%en Motorradclub aus den USA“, ferner findet man auf verschiedenen Seiten der Homepage die schwarze Inschrift 1% auf weißem Grund in einer roten rautenförmigen Umrandung. In Einträgen unter der Rubrik „guestbook“ kennzeichnen einige Verfasser ihre Beiträge mit Namen und dem Zusatz 1%. Mitglieder solcher Gruppierungen sind dazu bereit, ihre Rechte außerhalb oder neben der Rechtsordnung mit Gewalt durchzusetzen (vgl. u. a. BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 13.429 – juris Rn. 42, 58). Es ist davon auszugehen, dass die Bedeutung des Symbols im Rockermilieu allgemein bekannt ist und die Symbolik bewusst gewählt wird, um nach außen hin, gegenüber anderen Rockerclubs, ein bestimmtes Bild abzugeben.
Weiter weist der Motorradclub nach Überzeugung der Kammer die charakteristischen Strukturmerkmale einer OMCG auf, mit einem streng hierarchischen Aufbau, selbst geschaffenen stringenten Regeln und Satzungen und einer aus der Zugehörigkeit zu einer Rockergruppierung unabdingbar folgenden strengen Gehorsamspflicht, der sich alle Mitglieder unterwerfen. Die Mitglieder eines Motorradclubs verstehen sich als „Brothers“ und fühlen sich einander stark verpflichtet (vgl. BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 33, 43 f.). In der Hierarchie unterscheidet man unter anderem „Hangarounds“, „Prospects“ und „Members“. Aus dem Hangaround (interessierter Anwärter) rekrutiert sich der Prospect (ernsthafter Anwärter). Nach Ablauf der Anwartschaft, die mehrere Jahre dauern kann, wird der Prospect in der Regel ein Member (Vollmitglied). Hierbei verpflichtet sich das Vollmitglied dem Motorradclub gegenüber zu einer lebenslangen Zugehörigkeit und bedingungsloser Loyalität. Wichtige Funktionen innerhalb eines Chapters werden ausschließlich durch Members besetzt (vgl. BayVGH, a. a. O.).
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass es in seinem Motorradclub einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten und einen Roadcaptain gebe; dies entspricht der Funktionszuordnung bei anderen OMCGs (vgl. BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 43). Die Einlassung des Klägers, wonach er kein Aufnahmeritual durchlaufen habe, ist wenig glaubhaft. Der sachverständige Zeuge führte in diesem Zusammenhang aus, dass es bei den „…“ nicht möglich sei, ohne weiteres Mitglied zu werden, vielmehr müsse eine Aufnahmephase zwischen drei Monaten und zwei Jahren absolviert werden. In dieser Zeit sei ein Vollmitglied für den Anwärter zuständig. Diese strengen Aufnahmerituale würden auch deswegen durchgeführt, um Einschleusungsversuche verdeckter Ermittler zu verhindern. Weiter erklärte der Zeuge, dass es Rockern verboten sei, mit Polizisten ohne Genehmigung durch den Motorradclub zu sprechen und dass dieses Redeverbot nach seiner Einschätzung ebenso gegenüber Gerichtspersonen bestehe. Dementsprechend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Fragen des Gerichts erst auf Nachfrage geantwortet, lediglich knappe Antworten gegeben und allgemein gehaltene Aussagen getätigt, die erkennbar keine tiefen Einblicke in die Strukturen und Organisation des Motorradclubs gewähren sollten. Er stellte den Club als lockeren Freizeittreff dar, in dem gefeiert und Motorrad gefahren wird. Das Gericht folgt dem nicht und sieht die klägerische Einlassung vielmehr in Einklang mit der allgemeinen Tendenz bei OMCGs, den Club in der Außendarstellung zu verharmlosen (vgl. VG Bayreuth, B. v. 10.10.2012 – B 1 S 12.648 – juris Rn. 25). Bei der Durchsuchung des Clubheims in … im Jahre 2012 wurden u. a. Verstöße gegen das Waffengesetz festgestellt und ein umfangreiches Waffenarsenal (Lang- und Kurzwaffen, Schießkugelschreiber, Schreckschusspistolen und Munition) aufgefunden. Diese Waffenfunde lassen sich mit der Einordnung des Clubs als harmlosen Freizeittreff nicht vereinbaren. Das Vorhalten eines Waffenarsenals ist ein charakteristisches Merkmal von OMCGs, um für Übergriffe auf konkurrierende Gruppierungen oder die Abwehr von solchen Angriffen gerüstet zu sein (vgl. BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 51).
Auch die Einträge auf der Homepage des Motorradclubs zeigen, dass eine streng hierarchische Gliederung vorherrscht. So finden sich unter der Rubrik „guestbook“ Einträge verschiedener Chapter der „…“, in denen sie ihren „Brüdern, Probates, Prospects, Supportern und Hangarounds“ anlässlich Weihnachten und Neujahr Glückwünsche überbringen. Weiter sind Anhaltspunkte für eine enge innere Verbundenheit der Clubmitglieder untereinander erkennbar: so wird auf der Homepage mit den Schlagworten „Brotherhood and Motorcycles“ die Verbrüderung als ein klassisches Merkmal solcher Gruppierungen thematisiert; das Clublogo enthält den lateinischen Spruch: … (etwa: …).
Die vom Bayerischen Landeskriminalamt aufgelisteten und mit der Gruppierung in Zusammenhang stehenden Delikte der letzten 10 Jahre umfassen hauptsächlich Verstöße gegen das Waffen- und das Betäubungsmittelgesetz sowie eine von zwei „…“-Mitgliedern begangene gefährliche Körperverletzung. Der sachverständige Zeuge sagte zusammenfassend aus, dass bisher nur wenige Straftaten des Motorradclubs bekannt geworden seien. Dies steht im Einklang mit der in den vergleichbaren Verfahren getroffenen Feststellung, dass sich in Bayern Straftaten von Rockergruppierungen auf niedrigem Niveau bewegen, eine steigende Tendenz aber erkennbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 45). Soweit Straftaten bekannt geworden sind, handelt es sich um für OMCGs typische Straftaten. Im Rahmen polizeilicher Maßnahmen werden bei Mitgliedern von OMCGs immer wieder Waffen aufgefunden, die bei Straftaten eingesetzt wurden oder für beabsichtigte Angriffe auf konkurrierende Rockerclubs bzw. zur Abwehr von solchen Angriffen vorgehalten werden (vgl. BayVGH, a. a. O. – juris Rn. 51). So wurde auch bei der Durchsuchung eines Clubheims der „…“ ein ganzes Waffenarsenal vorgefunden (s.o.). Die Auflistung des Bayerischen Landeskriminalamts enthält weitere Fälle, in denen bei Kontrollen von Mitgliedern der „…“ verbotene Waffen (Einhandmesser, Teleskopschlagstock, Schlagring, Wurfsterne) aufgefunden wurden. Insgesamt ist festzustellen, dass der Kläger sich in einem Milieu bewegt, in dem der missbräuchliche Waffenbesitz und das Waffenführen vertreten ist.
Der sachverständige Zeuge wies in der mündlichen Verhandlung weiter darauf hin, dass in der Rockerszene Bewegung sei und es fast täglich zu Zusammenstößen einzelner Rockergruppierungen untereinander bzw. mit den in letzter Zeit verstärkt auftretenden „Street Gangs“ komme. Ferner könnten auch Bruderschaften unter Rockergruppierungen zu Revierauseinandersetzungen führen. Das einzelne Mitglied könne sich im Regelfall der von ihm geforderten Loyalität nicht entziehen, wenn bei Aktivitäten des Clubs Straftaten begangen werden. Der Club hat sein erstes Chapter außerhalb der USA 19… in … gegründet und umfasst mittlerweile … deutsche Chapter an verschiedenen Orten. Dies zeigt, dass die Gruppierung sich kontinuierlich ausbreitet. Dass bislang nur spärliche Erkenntnisse zu kriminellen Umtrieben des Motorradclubs vorliegen, lässt keinen Schluss auf dessen Ungefährlichkeit zu, sondern vielmehr vermuten, dass er in Übereinstimmung mit den Beobachtungen des Verfassungsschutzes zu OMCGs unauffällig und konspirativ agiert (Verfassungsschutzbericht Bayern 2014, S. 211).
Zusammenfassend zeigt sich, dass die Erkenntnisse zu OMCGs (insbesondere lebenslange Loyalität untereinander, strenger Ehrenkodex, Aufnahmerituale mit mehrjähriger Bewährungsprobe, Expansionsbestrebungen; vgl. BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 33, 43-45) auf den „…“ zutreffen und der Kläger sich damit bewusst in einem Milieu bewegt, in dem üblicherweise Straftaten begangen werden und szenetypische Rivalitäten auftreten, die gewaltsam ausgetragen werden. Damit ist auch ohne Nachweis eines bisherigen Fehlverhaltens des Klägers die Annahme gerechtfertigt, Waffen könnten von ihm rechtswidrig verwendet oder abgegeben werden.
Die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers wegen seiner Zugehörigkeit zum Motorradclub „…“ rechtfertigt sich aufgrund vorgenannter Anhaltspunkte, ohne dass auf einzelne Chapter des Clubs abzustellen ist (vgl. BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 64 ff.) und unabhängig von der Stellung, die er innerhalb der Clubhierarchie einnimmt. Auch als „einfaches Mitglied“ ohne herausgehobene Position ist er als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen (vgl. VG München, B. v. 24.7.2014 – M 7 S 14.300 – juris Rn. 32 f.). Zwar waren in den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fällen die Personen Clubmitglieder in herausgehobenen Positionen. Dies hält das Gericht nach den Urteilsgründen (vgl. BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris) jedoch nicht für allein ausschlaggebend. Denn bei der Auslegung des Begriffs der missbräuchlichen Verwendung in § 5 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG und der Bestimmung des Prognosemaßstabs ist nicht auf eine bestimmte Funktion oder einzelne Aktivitäten des Erlaubnisinhabers abgestellt worden. Vielmehr lag besonderes Augenmerk auf der – auch für jedes Vollmitglied ohne Funktion geltenden – dem Motorradclub geschuldeten bedingungslosen Loyalität und lebenslangen Zugehörigkeit (BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 43), sowie auf der in sonstigen gesellschaftlichen Gruppierungen nicht vorzufindenden gegenseitigen Verbundenheit der besonders restriktiv ausgewählten MC-Mitglieder (BayVGH, a. a. O. – juris Rn. 43, 68). Weiter wurden die Parallelen zwischen der Organisierten Kriminalität und den 1%igen Rockergruppen (Begehung schwerer Straftaten, hierarchischer innerer Aufbau, interner Ehrenkodex mit strengen, ungeschriebenen Regeln, Durchsetzung von Gebietsansprüchen durch Gewaltanwendung, Macht- und Gewinnstreben) thematisiert (BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 44). Der herausgehobenen Funktion des Erlaubnisinhabers kam in den Entscheidungsgründen insofern verstärkende Bedeutung zu, als hieraus erfahrungsgemäß geschlossen werden kann, dass ein Mitglied in herausragender Weise für die Ziele der Rockergruppe eingetreten ist und sich damit besonders identifiziert (BayVGH, a. a. O. – juris Rn. 69).
Die Nebenverfügungen begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Die Anordnung bzw. Ankündigung in Nummer 2 und 3 des angefochtenen Bescheids beruhen auf § 46 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 WaffG. Die Anordnung in Nummer 4 stützt sich auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Die Zwangsgeldandrohung in Nummer 5 des Bescheids beruht auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
Ergänzend nimmt die Kammer einen weiteren zwingenden Widerrufsgrund an. Der Kläger kann kein waffenrechtliches Bedürfnis für den Besitz seiner Waffen mehr nachweisen (§ 8 WaffG), so dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die nach § 45 Abs. 2 WaffG zur Versagung der waffenrechtlichen Erlaubnis hätten führen müssen. Ein Bedürfnis als Sportschütze ist, wie sich aus § 14 Abs. 2 WaffG ableiten lässt, nur bei Personen gegeben, die Mitglied in einem Schießsportverein sind, welcher einem anerkannten Schießsportverband (§ 15 Abs. 1 WaffG) angehört und die den Schießsport als Sportschütze regelmäßig betreiben. Diese Voraussetzungen sind nicht nur zur erstmaligen Erteilung einer Waffenbesitzkarte, sondern auch nach Erteilung der Waffenbesitzkarte dauerhaft für die Folgezeit zu erfüllen. Der Kläger hat angegeben, in keinem Schießverein mehr Mitglied zu sein und lediglich in zwei Vereinen ohne Mitglied zu sein bzw. in Gastmitgliedschaft, auf Tontauben zu schießen. Aus der Behördenakte ergibt sich, dass er bereits im Jahre 2004 aus dem … e.V. … ausgetreten ist. Ein nicht vereinsgebundener Freizeitsportschütze unterliegt der allgemeinen Bedürfnisprüfung nach § 8 WaffG (Heinrich in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 14 WaffG Rn. 2 a; Gade/Stoppa, Waffengesetz, 1. Aufl. 2011, § 14 WaffG Rn. 10). Für den Kläger ist ein solches Bedürfnis nicht ersichtlich.
Die Behörde sieht seit dem Austritt des Klägers aus dem Schießsportverein im Jahr 2004 unter Anwendung der Ermessensvorschrift des § 45 Abs. 3 Satz 1 WaffG, die trotz endgültigen Bedürfniswegfalls ein Absehen des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis bei Vorliegen besonderer Gründe ermöglicht, und unter Bezugnahme auf eine ermessenslenkende verwaltungsinterne Vollzugsregel des Bayerischen Staatsministerium des Inneren von einem Widerruf ab. Die sog. „10-Jahres-Regelung“ beinhaltet, dass bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (bedürfnisgerechter Besitz der Waffen länger als 10 Jahre, Waffenbesitz nicht durch Missbrauch erfolgt) seitens der Verwaltung bei Jägern und Sportschützen bei einem endgültigen Wegfall des Bedürfnisses von einem Widerruf abzusehen ist (siehe IMS vom 3.12.2003 – ID5 -2131.54-12 und die Vollzugshinweise vom 26. Oktober 2009 (ID5-2131.67-21) sowie den Ergebnisvermerk über eine Dienstbesprechung „Waffenrecht 2012“ bei der Regierung von Niederbayern am 13. März 2012 in Landshut, wonach diese Regelung für weiterhin anwendbar erklärt worden ist).
Indes ist im vorliegenden Fall das Ermessen aus § 45 Abs. 3 WaffG nach Ansicht der Kammer nicht eröffnet. Bei dem Begriff „aus besonderen Gründen“ i. S. d. § 45 Abs. 3 Satz 1 WaffG handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Vorliegen grundsätzlich der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt und bei dessen Prüfung das Gericht nicht an Verwaltungsvorschriften gebunden ist, sondern diese vielmehr zum Gegenstand richterlicher Kontrolle macht (BVerfG, B. v. 31.5.1988 – 1 BvR 520/83 – juris Ls. 1, Rn. 35, 37; BVerwG, U. v. 28.10.1998 – 8 C 16/96 – juris Rn. 15).
§ 45 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. WaffG ist eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift (Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 45 WaffG Rn. 12). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll es den Waffenbehörden durch diese Regelung ermöglicht werden, in Härtefällen flexibel zu reagieren, wobei seitens des Gesetzgebers Bezug genommen wurde, auf Jäger, Sportschützen, Waffen- und Munitionssammler, die gewissermaßen ihr Leben lang die Jagd, den Schießsport oder das Sammeln ausgeübt haben (vgl. hierzu Gesetzesbegründung zu Bt.-Drs. 14/7758, S. 79). Dementsprechend legt auch 45.3.2 WaffVwV fest, dass das Tatbestandsmerkmal „besonderer Grund“ i. S. d. § 45 Abs. 3 WaffG eng zu verstehen ist und nennt als Beispiel eine langjährige und aktive Betätigung als Jäger oder Sportschütze, die aus Altersgründen aufgegeben wurde (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 16.5.2011 – 11 LA 365/10 – juris Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 5.11.2008 – OVG 11 N 52.06 – juris Rn. 8; im Gegensatz dazu wohl BayVGH, U. v. 13.6.2014 – 21 ZB 14.320 – juris).
Ein „besonderer Grund“ im Sinne der Norm ist beim Kläger nach Auffassung der Kammer nicht ersichtlich. Ihm waren die Waffenbesitzkarten im Jahre 19… im Alter von … Jahren erteilt worden und bereits seit dem Jahr 2004 ist er in keinem Schießverein mehr reguläres Mitglied. Es liegt damit keine Fallgestaltung vor, bei der eine Person gleichsam „ihr Leben lang“ den Schießsport mit den Waffen ausgeübt hat und sie deshalb aus einem Affektionsinteresse heraus behalten soll, obwohl ihr der aktive Umgang mit den Waffen nicht mehr möglich ist.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an einer deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 7.250,- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Über die Beschwerde entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an einer deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.


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