Verwaltungsrecht

Widerruf waffen- und jagdrechtlicher Erlaubnisse

Aktenzeichen  24 CS 20.766

Datum:
19.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14622
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 1b, § 45 Abs. 2 S. 1
BJagdG § 18 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration von 1,73 Promille) hat regelmäßig den Verlust des Vertrauens in den ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen und Munition zur Folge. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 S 20.623 2020-03-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragssteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.875 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2020, mit dem u.a. seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse widerrufen wurden.
Das Verwaltungsgericht hat seinen entsprechenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 18. März 2020 abgelehnt. Der Antragssteller, gegen den wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr ein Strafbefehl über eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verhängt worden ist, sei aufgrund dessen nachträglich im waffen- und jagdrechtlichen Sinne unzuverlässig geworden. Es liege ein Fall der Regelunzuverlässigkeit gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1b WaffG vor. Nach der gebotenen summarischen Prüfung werde sich der angefochtene Bescheid deshalb aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen; ein überwiegendes privates Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bestehe nicht.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragssteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er hat beantragt,
1. den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. März 2020 aufzuheben,
2. die aufschiebende Wirkung seiner Klage bezüglich der Ziffern 1.2, 1.3 und 1.4 des angefochtenen Bescheides wiederherzustellen,
3. die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Ziffer 1.1 des angefochtenen Bescheids anzuordnen.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts überwiege vorliegend das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Denn bei der gesetzlichen Normierung des § 5 Abs. 2 Nr. 1(b) WaffG handle es sich lediglich um eine Regelvermutung, sodass durchaus Spielräume der Behörde bestünden, im Einzelfall von einem Widerruf abzusehen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei die Regelunzuverlässigkeit widerlegt, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung in einem milden Licht erscheinen ließen, sodass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt seien. Dabei sei die Schwere der konkreten Verfehlung zu würdigen, z. B. dahin, ob sie lediglich Bagatellcharakter habe sowie die Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten im Ausdruck komme. Vorliegend habe sich der Antragsgegner mit der Persönlichkeit des Antragstellers nicht hinreichend befasst. Außerdem habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass sich in der Hauptverhandlung zeigen werde, dass die begangene, einmalige Verfehlung dem Antragsteller eine Lehre gewesen sei und er künftig höchst vorsichtig im Umgang mit Alkohol sein werde.
Der Antragsgegner – Landesanwaltschaft Bayern – hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
Der Antragsteller habe weder die vermutete Regelunzuverlässigkeit widerlegt noch ein Bagatelldelikt begangen. Sollte ihm seine Verfehlung tatsächlich und wie behauptet eine Lehre gewesen sein, so sei dieser Umstand nicht geeignet, das der Tat zugrunde liegende Verhalten in einem besonders milden Licht zu sehen, sondern könne erst im Rahmen einer Neuerteilung waffen- oder jagdrechtlicher Erlaubnisse berücksichtigt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen die begehrte Abänderung der angefochtenen Entscheidung nicht. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes davon ausgegangen, dass der Antragsteller aufgrund des gegen ihn verhängten Strafbefehls sowohl im waffenwie im jagdrechtlichen Sinne unzuverlässig geworden ist, dass sich der angefochtene Widerrufsbescheid aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird und eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht kommt. Der Senat nimmt deshalb zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
Rechtsgrundlage für den Widerruf der Waffenbesitzkarte des Antragstellers ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Zu den unabdingbaren Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis gehört auch, dass der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG), was in der Regel u.a. dann nicht der Fall ist, wenn er wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden ist (§ 5 Abs. 2 Nr. 1b WaffG).
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht nach summarischer Prüfung festgestellt, die Voraussetzungen dieser Vorschriften seien im Fall des Antragstellers erfüllt und ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der gesetzlichen Regelvermutung rechtfertigen könnte, liege nicht vor. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang einwendet, insoweit würden die aufgrund der gesetzlichen Regelvermutung eröffneten Spielräume verkannt, was einen Ermessensausfall darstelle, denn es werde die Persönlichkeit des Antragstellers nicht hinreichend gewürdigt und übersehen, dass es sich bei der geahndeten Verfehlung um ein Bagatelldelikt handle, trifft dies nicht zu. Denn sowohl der Antragsgegner als auch das Verwaltungsgericht haben sich in dem streitgegenständlichen Bescheid (dort II.) bzw. dem angefochtenen Beschluss (BA S. 10 ff.) jeweils vor dem Hintergrund der auch vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 13.12.1994 – 1 C 31/92 – juris Rn. 31) ausführlich u.a. mit der Persönlichkeit des Antragstellers, der Schwere der von ihm begangenen Tat und der Höhe der verhängten Strafe befasst. Anders als dieser ist jedoch insbesondere das Verwaltungsgericht zu dem Schluss gekommen, die Tat habe weder Bagatellcharakter noch erscheine sie aufgrund von Besonderheiten im Verhalten des Antragstellers in einem milderen Licht. Der Antragsteller habe vielmehr dadurch, dass er mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,73 Promille – und damit deutlich im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit – mit einem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat, deutlich aufgezeigt, dass er mit Gefahren, die von seinem Verhalten für Leben, Gesundheit oder Eigentum Dritter ausgehen, zu sorglos umgeht. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, seien aber nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen.
Diese Einschätzung teilt der erkennende Senat.
Soweit der Antragsteller darüber hinaus geltend macht, in der Hauptverhandlung werde sich zeigen, dass dem Antragsteller die begangene, einmalige Verfehlung eine Lehre gewesen sei und er künftig höchst vorsichtig im Umgang mit Alkohol sein werde, verkennt er den Charakter des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes. In diesem findet gerade keine Hauptverhandlung statt, in deren Rahmen sich das Gericht einen Eindruck von der Persönlichkeit des Antragstellers bilden könnte oder müsste, sondern lediglich eine vorläufige Einschätzung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Hauptsache sowie eine Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Lage der Akten. Beides hat das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen.
Da der Kläger somit nach vorläufiger Einschätzung die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt, war sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auch im Hinblick auf die verfügte Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins (§ 18 Abs. 1 BJagdG) abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.2 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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