Verwaltungsrecht

Widerruf Waffenbesitzkarte und Ungültigerklärung Jagdschein nach Freiheitsstrafe von einem Jahr

Aktenzeichen  24 ZB 21.983

Datum:
11.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 196
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, § 45 Abs. 2
BJagdG § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, Abs. 3, § 18 S. 1, S. 3

 

Leitsatz

Es ist sachgerecht, die Sperrfrist nach § 18 S. 3 BJagdG für die Wiedererteilung des Jagdscheines nach der Sperrfrist des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG zu bemessen, wenn dieser verwirklicht ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 19.5903, M 7 K 20.191 2021-02-23 GeB VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 16.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte und die Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins sowie gegen die Festsetzung einer Sperrfrist von 10 Jahren für die Wiedererteilung des Jagdscheins.
Das Amtsgericht Mainz verurteilte den Kläger mit Strafbefehl vom 13. Juli 2018, rechtskräftig seit 7. August 2018, wegen Unterschlagung in neun Fällen in Tatmehrheit mit Untreue in 15 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und setzte die Vollstreckung zur Bewährung aus.
Nach Anhörung des Klägers widerrief das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen (im Folgenden: Landratsamt) mit Bescheid vom 28. Oktober 2019 die für den Kläger ausgestellten Waffenbesitzkarten Nr. … und … (Nr. I.1 des Bescheids) und traf verschiedene Folgeanordnungen (Nr. I.2 bis I.6. des Bescheids). Zur Begründung ist ausgeführt, die Waffenbesitzkarten seien zu widerrufen, da durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ein Fall der absoluten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit vorliege.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2019 erklärte das Landratsamt zudem den bis zum 31. März 2020 gültigen Jagdschein Nr. * … des Klägers für ungültig und zog diesen ein (Nr. 1 des Bescheids). Für die Wiedererteilung des Jagdscheins setzte das Landratsamt eine Sperrfrist von 10 Jahren ab der letzten rechtskräftigen Verurteilung vom 7. August 2018 fest (Nr. 2 des Bescheids) und traf verschiedene Folgeanordnungen (Nrn. 3 bis 6 des Bescheids).
Mit Beschlüssen vom 23. April 2020 (Az. M 7 S 19.5905 und M 7 S 20.192) hat das Verwaltungsgericht München die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt. Die dagegen erhobenen Beschwerden waren erfolglos (BayVGH, B.v. 23.6.2020 – 24 CS 20.1226/24 CS 20.1260).
Die Klagen gegen die beiden Bescheide hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 23. Februar 2021 abgewiesen, da die Bescheide rechtmäßig seien. Hinsichtlich des Widerrufs der Waffenbesitzkarten liege ein Fall der absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 WaffG vor und der Einwand, es sei eine Ausnahme von der Regelvermutung einschlägig, könne daher nicht durchdringen. Der Strafbefehl stehe einem rechtskräftigen Strafurteil gleich und es sei deshalb auf den im Strafbefehl erfolgten Strafausspruch abzustellen. Im Übrigen wäre eine solcher Ausnahmefall i.S.v. § 5 Abs. 2 WaffG, der vorliegend ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte, auch nicht gegeben. Bei einer rechtskräftigen Verurteilung sei von der Richtigkeit der Verurteilung auszugehen und die Prüfung darauf beschränkt, ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Satz 1 WaffG aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall ausgeräumt sei. Nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn ohne weiteres erkennbar sei, dass die strafrechtliche Beurteilung auf einem Irrtum beruhe oder die Verwaltungsbehörde und das Verwaltungsgericht im Stande seien, den Vorfall besser und richtiger zu beurteilen, komme eine Abweichung von einem rechtskräftigen Strafurteil oder Strafbefehl in Betracht. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Eine Abweichung von der Regelvermutung komme aber ohnehin nur in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen ließen, dass dadurch begründete Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nicht gerechtfertigt seien. Auch das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Festsetzung einer Sperrfrist für die Wiedererteilung des Jagdscheins von 10 Jahren sei nicht zu beanstanden und orientiere sich an den Vorgaben des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG. Auch die weiteren Anordnungen seien rechtmäßig.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt. Der Kläger macht geltend, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Satz 1 WaffG könne entkräftet werden. Es liege ein Ausnahmefall vor, da es sich nur um einen Strafbefehl handele und der Strafausspruch zu hoch sei. Der Kläger sei sich der waffenrechtlichen Bedeutung nicht bewusst gewesen, sonst hätte er Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Er sei dabei anwaltlich schlecht beraten worden. Bei seinem Rechtsvertreter habe es sich um einen Freund gehandelt, der nicht den Überblick über die zivil- und strafrechtlichen Sachverhalte gehabt habe und der Kläger habe sich damit im Vertrauen auf die Freundschaft nicht befasst. Wäre das Erstgericht dem Sachvortrag des Klägers hinsichtlich eines Ausnahmefalls nachgegangen, hätte es terminieren müssen. Hinsichtlich der Sperrfrist für die Wiedererteilung des Jagdscheins reiche es nicht aus, diese an § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG zu orientieren. Es liege ein Ermessenfehlgebrauch vor, da nach anderen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen die Sperrfrist regelmäßig nur fünf Jahre betrage. Werde eine längere Frist verfügt, müsse dies ausführlich begründet werden, dies sei hier nicht geschehen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen auch in den Eilverfahren und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 54), ergeben sich die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 VwGO) nicht.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453.12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587.17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.). Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere Begründungen gestützt, muss im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt und gegeben sein (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 6 ZB 17.956 – juris Rn. 3 m.w.N.). Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. BVerwG, B.v. 21.8.2018 – 4 BN 44.17 – ju-ris Rn. 3; B.v. 9.9.2009 – 4 BN 4.09 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 4.6.2020 – 6 ZB 20.647 – juris Rn. 3). Diesen Anforderungen wird die Begründung des Berufungszulassungsantrags nicht gerecht.
Nach § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970), zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. November 2019 (BGBl I S. 1626), ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn deren Inhaber wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden ist und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind.
Das Verwaltungsgericht ist hier entscheidungstragend davon ausgegangen, dass angesichts der Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Mainz mit Strafbefehl vom 13. Juli 2018 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ein Fall der absoluten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG vorliegt, wovon das Waffengesetz keinen Ausnahmefall vorsieht. Diese Auffassung des Verwaltungsgerichts konnte die Begründung des Berufungszulassungsantrags nicht erschüttern. Mit der Frage der absoluten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG setzt sich die Antragsbegründung nicht hinreichend auseinander.
Nur alternativ (eingeleitet mit „im Übrigen“) hat das Verwaltungsgericht geprüft, ob ein Ausnahmefall von einem Regeltatbestand des § 5 Abs. 2 WaffG angenommen werden könnte und ist dabei davon ausgegangen, dass zum einen kein Anlass besteht, die Richtigkeit des Strafbefehls zu überprüfen und zum anderen eine Abweichung von der Regelvermutung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats nicht in Betracht kommt. Die Angriffe des Klägers gegen diesen einen Begründungsstrang können aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründen.
Der Kläger konnte auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Sperrzeit nach § 18 Satz 3 BJagdG sei ermessensgerecht festgesetzt worden, nicht in Zweifel ziehen. Es erscheint sachgerecht, die Sperrfrist an der Frist des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG zu orientieren. Im Übrigen kann nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG beim Fehlen der Zuverlässigkeit oder persönlichen Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 des Waffengesetzes ohnehin nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (Falknerjagdschein) erteilt werden. Dem Kläger könnte daher vor Ablauf der Frist des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG ohnehin der von ihm gewünschte Jagdschein nicht erteilt werden.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 23. Juni 2020 (24 CS 20.1226/24 CS 20.1260) verwiesen.
2. Andere Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO sind nicht ausdrücklich geltend gemacht und auch nicht dargelegt. Soweit der Kläger ausführt, das Verwaltungsgericht hätte zur Aufklärung der konkreten Umstände terminieren müssen, ist er darauf zu verweisen, dass er nach Erlass des Gerichtsbescheids die Möglichkeit hatte, nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mündliche Verhandlung zu beantragen. Darauf hat ihn das Verwaltungsgericht mit der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrungauch zutreffend hingewiesen. Die Geltendmachung eines diesbezüglichen Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Form einer Gehörsverletzung gemäß § 138 Nr. 3 VwGO könnte daher keinen Erfolg haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nrn. 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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