Aktenzeichen 21 CS 19.871
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 34 Abs. 1 S. 1, S. 2, § 45 Abs. 2 S. 1, Abs. 5, § 52 Abs. 3 Nr. 7
BJagdG § 17 Abs. 1 S. 2, § 18 S. 1
Leitsatz
1. Bei der Verpflichtung, Waffen und Munition nur – offensichtlich oder nachgewiesenermaßen – berechtigten Personen zu überlassen, handelt es sich um eine dem Waffenbesitzer obliegende elementare Grundpflicht mit hoher Eigenverantwortlichkeit. Unverzichtbare Bestandteile der Berechtigungsprüfung sind immer auch eine Identitätsprüfung sowie die Kontrolle etwaiger behördlicher Beschränkungen (Befristungen etc.) und sonstiger Umstände (Authentizität der Erlaubnisse/Einträge etc.). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Prüfung der Berechtigung des Empfängers durch Inaugenscheinnahme von Urkunden kann nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sich die Berechtigung im Hinblick auf den gesamten waffenrechtlichen Sachverhalt aus dem Inhalt der Urkunde ergibt. Hat der Überlassende abweichend von deren Inhalt und dem sich aus der Urkunde ergebenden Geltungsbereich die Vorstellung, dass dennoch eine Berechtigung vorliegen dürfte, muss er sich zur weiteren Aufklärung an die zuständige Waffenbehörde wenden. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Interessenabwägung ist zu beachten, dass die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche besonderen Umstände angehalten sind, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung für den Vorrang des Vollziehungsinteresses – hier für waffenrechtliche Widerrufsenscheidungen – ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG BeckRS 2003, 24350). (Rn. 19 und 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) besteht aus Gründen der Gefahrenabwehr regelmäßig auch für die mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen. Diese Neben- und Folgeentscheidungen stellen sicher, dass der kraft Gesetzes sofort vollziehbare Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse tatsächlich umgesetzt wird (vgl. BayVGH BeckRS 2016, 44918 Rn. 16). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
5. Angesichts der Absicht des Gesetzgebers, durch die Vorschrift des § 17 Abs. 1 S. 2 BJagdG in der Fassung vom 11. Oktober 2002 zu verhindern, dass (wie bisher) die strikteren Zuverlässigkeitsregelungen des Waffenrechts in dem großen Bereich des Jagdrechts ihre Wirkung nicht entfalten, ist weder hinsichtlich der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins noch hinsichtlich der diesbezüglichen Anordnung des Sofortvollzugs eine andere rechtliche Sichtweise angebracht oder eine andere Entscheidung zu treffen als im Rahmen der angefochtene waffenrechtlichen Entscheidungen (BayVGH BeckRS 2008, 40195). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 4 S 19.348 2019-04-08 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse, die Ungültigerklärung seines Jagdscheins sowie die verfügten Folge- und Nebenentscheidungen.
Der Antragsteller war zuletzt Inhaber dreier Waffenbesitzkarten, eines Europäischen Feuerwaffenpasses und eines bis 31. März 2020 erteilten Jagdscheins. Ausweislich eines Protokolls der Polizeiinspektion … übergab der Antragsteller in der Firma seines Arbeitgebers am 14. März 2018 schenkweise 200 Schuss Schrotmunition an seinen Arbeitskollegen V. … Dieser ist Inhaber eines tschechischen Jagdscheins und einer tschechischen waffenrechtlichen Erlaubnis. Das daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Überlassens von erlaubnispflichtiger Munition an einen Nichtberechtigten (§ 52 Abs. 3 Nr. 7, § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG) stellte die Staatsanwaltschaft gem. § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage von 600,00 EUR ein.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2019 widerrief das Landratsamt … die für den Kläger ausgestellten Waffenbesitzkarten sowie den Europäischen Feuerwaffenpass, erklärte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung seinen Jagdschein für ungültig und traf die entsprechenden Neben- und Folgeentscheidungen.
Am 26. Februar 2019 hat der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erhoben und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 8. April 2019 abgelehnt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und die im Wesentlichen das im erstinstanzlichen Verfahren Vorgebrachte wiederholen, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben. Der Senat verweist insoweit auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses und macht sich diese zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
1.1 Das Beschwerdevorbringen wendet ein, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers ausgegangen (§ 45 Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG). Insbesondere habe der Antragsteller nicht gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Antragsteller bei der Weitergabe der Munition an seinen Kollegen nicht vorsätzlich gehandelt. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass sogar der zuständige Polizeibeamte nicht gewusst habe, ob der Antragsteller die Munition einem Jäger aus Tschechien habe weitergeben dürfen. Dies spreche dagegen, dass der Verstoß gegen die Waffengesetze offensichtlich gewesen sei oder sich geradezu aufgedrängt habe. Dem Antragsteller könne nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit angelastet werden. V. … habe waffenrechtliche Erlaubnisse und die erforderlichen Kenntnisse für den gewissenhaften Umgang mit der Munition besessen. Der Antragsteller habe nicht gewusst, dass er die Munition an einen Nichtberechtigten weitergereicht habe, so dass kein Vorsatz vorliege. Auch grobe Fahrlässigkeit sei nicht gegeben, weil der Antragsteller die erforderliche Sorgfalt nicht in besonders schwerem Maße verletzt habe. Der Antragsteller habe die Munition seinem Arbeitskollegen überlassen, den er seit Jahren kenne und von dem er gewusst habe, dass dieser über waffenrechtliche Erlaubnisse in Tschechien verfüge.
Insbesondere die Tatsache, dass für die berechtigte Verbringung der Munition nach Tschechien eine Bescheinigung des Landratsamtes ausgereicht hätte, die V. … jederzeit erteilt worden wäre und die er dem Antragsteller hätte vorzeigen können, mache deutlich, dass die Weitergabe der Munition an einen tschechischen Jäger nur als geringer Verstoß zu werten sei. Damit sei allein von einer Formalität abhängig gewesen, ob die Munitionsweitergabe berechtigt gewesen sei oder nicht. Für die Allgemeinheit jedenfalls seien durch die Weitergabe der Munition an einen tschechischen Jäger keine Gefahren erwachsen.
Das Verwaltungsgericht hat in zutreffender Weise ausführlich und nachvollziehbar ausgeführt, dass der Antragsteller 200 Schuss erlaubnispflichtiger Munition an einen Nichtberechtigten i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG (vgl. BA S. 6) überlassen hat. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass der darin liegende Verstoß als „gröblich“ i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG zu bewerten ist (vgl. BA S. 8 f.; § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Nach § 34 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WaffG dürfen Waffen oder Munition nur berechtigten Personen überlassen werden. Die Berechtigung muss offensichtlich sein oder nachgewiesen werden. § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG regelt die grundlegende Verpflichtung aller Waffenbesitzer, Waffen und Munition nur berechtigten Personen zu überlassen. Im Fall einer Zuwiderhandlung für erlaubnispflichtige Waffen und Munition sieht das Gesetz eine Strafbewehrung vor (§ 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG, vgl. bei fahrlässiger Begehung § 52 Abs. 4 WaffG). Bei dieser Verpflichtung handelt es sich somit um eine dem Waffenbesitzer obliegende elementare Grundpflicht, die den ordnungsrechtlichen Zweck verfolgt, das mit dem Waffenbesitz verbundene Risiko möglichst gering zu halten und einem Überlassen von Waffen und Munition an Nichtberechtigte entgegenzuwirken (vgl. auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 c WaffG als absoluter Unzuverlässigkeitsgrund). Dem überlassenden Waffenbesitzer wird demnach eine hohe Eigenverantwortlichkeit auferlegt, da er persönlich die Verantwortung dafür trägt, dass seine Waffen und Munition ordnungsgemäß von einem anderen erworben werden (Gade, WaffG, 2. Aufl. 2018, § 34 Rn. 2). In Fällen, in denen keine Offensichtlichkeit gegeben ist, hat der Überlassende den Nachweis für den jeweiligen Überlassungsvorgang zu prüfen. Der Nachweis ist letztlich die Inaugenscheinnahme der Urkunde über die Erwerbsberechtigung (Gade, a.a.O., § 34 Rn.10). Die Prüfung der Berechtigung des Empfängers hat sich auf den waffenrechtlichen Sachverhalt insgesamt zu erstrecken. Unverzichtbare Bestandteile der Berechtigungsprüfung sind immer auch eine Identitätsprüfung sowie die Kontrolle etwaiger behördlicher Beschränkungen (Befristungen etc.) und sonstige Umstände (Authentizität der Erlaubnisse/Einträge etc.; vgl. WaffVwV Nr. 34.1). Ein Überlassen von erlaubnispflichtigen Waffen oder Munition darf immer erst erfolgen, wenn der Empfänger die Erwerbsberechtigung besitzt. Ergibt sich die Erwerbsberechtigung für Schusswaffen oder Munition aus einem Jagdschein, so ist dieser vorzulegen (WaffVwV Nr. 34.2).
Der Antragsteller ist dieser ihm obliegenden weitreichenden elementaren Grundpflicht, die Berechtigung des Empfängers V. … mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen, nicht nachgekommen. Hätte sich der Antragsteller den tschechischen Jagdschein und die tschechische waffenrechtliche Erlaubnis vorlegen lassen, hätte er diesen Dokumenten ersichtlich wegen der ausstellenden tschechischen Behörde und des daraus folgenden Geltungsbereichs keine Berechtigung des Empfängers im Sinne des deutschen Waffenrechts entnehmen können. Eine entsprechende Berechtigung hätte sich somit nicht aus den vorgelegten Dokumenten ergeben. Der Antragsteller hätte demnach von einer Überlassung erlaubnispflichtiger Munition absehen müssen. Eine Prüfung der Berechtigung durch Inaugenscheinnahme von Urkunden kann nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sich die Berechtigung im Hinblick auf den gesamten waffenrechtlichen Sachverhalt aus dem Inhalt der Urkunde ergibt. Hat der Überlassende nach Inaugenscheinnahme des Dokuments abweichend von dessen Inhalt und dem sich aus der ausgestellten Urkunde ergebenden Geltungsbereich die Vorstellung, dass dennoch eine Berechtigung vorliegen dürfte, muss er sich zur weiteren Aufklärung der Erwerbsberechtigung des Empfängers an die zuständige Waffenbehörde wenden, um bspw. zu klären, ob die tschechischen Genehmigungen im deutschen Recht Wirkung entfalten.
Das Verwaltungsgericht hat nach alldem daher zu Recht den Verstoß des Antragstellers gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG als gröblichen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG gewertet. Der Verstoß des Antragstellers gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 wiege objektiv schwer und sei ihm auch subjektiv in erheblichem Maße vorwerfbar. Sein Verhalten stelle – entgegen seinem Vorbringen – keinen bloßen Formverstoß dar, sondern eine nach § 52 Abs. 3 Nr. 7, Abs. 4 WaffG auch im Fall von Fahrlässigkeit mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedrohte Straftat. Der Senat geht – der Begründung des Verwaltungsgerichts folgend (vgl. BA S. 8 f.; § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO) – von einer vorsätzlichen Tatbegehung aus. Entgegen der Argumentation der Antragstellerseite ist nicht ersichtlich, wie sich der Umstand, dass sich ein Polizeibeamter im Hinblick auf die tschechischen Dokumente des V. … und die im Raum stehende Straftatbestandsverwirklichung zur weiteren Abklärung an die zuständige Waffenbehörde wandte, auf die subjektive Tatbestandsseite beim Antragsteller bzw. auf die bei ihm als schwerwiegend zu gewichtende subjektive Vorwerfbarkeit habe auswirken können. Diese Abklärung eines waffenrechtlich zu beurteilenden Sachverhalts durch einen Polizeibeamten mit der zuständigen Waffenbehörde entspricht der üblichen Vorgehensweise und lässt keine weiteren Rückschlüsse zu.
Der Einwand, dass V. … jederzeit eine Verbringungserlaubnis nach Tschechien erteilt worden wäre und sich der Verstoß des Antragstellers somit als „reine Formalität“ darstelle, greift nicht. V. … war – abgesehen davon, ob die Erlaubnisvoraussetzungen des Verbringens vorgelegen hätten (§ 31 WaffG) – nicht im Besitz einer entsprechenden Erlaubnis, sondern ist durch sein tatsächliches Verhalten vielmehr strafrechtlich in Erscheinung getreten. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts wurde gegen V. … wegen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Munition in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition gem. § 52 Abs. 3 Nr. 2b WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 zum WaffG mit Strafbefehl eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen verhängt. Maßgeblich ist der tatsächlich vorgefallene Sachverhalt, einem hinzugedachten alternativen Kausalverlauf ist nicht weiter nachzugehen.
1.2. Weiter macht die Beschwerde geltend, dass bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem privaten Interesse des Antragstellers der Vorzug vor dem öffentlichen Interesse einzuräumen sei. Der Antragsteller sei als Jäger im Interesse der Allgemeinheit für die Gefahrenabwehr und die Gesunderhaltung der Wälder zuständig. Von ihm gehe keine Gefahr aus, die Weitergabe der Munition an einen tschechischen Jäger sei nur als geringer Verstoß einzuordnen. Während des schwebenden waffenrechtlichen Verfahrens könne der Antragsteller sein Jagdrevier nicht an einen anderen Jäger abgeben. Er hafte als Jagdpächter vollumfänglich für Schäden, ohne dass er zur Verhütung der Schäden beitragen könne.
Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten des öffentlichen Vollziehungsinteresse aus, weil die Klage des Antragstellers nach der gebotenen summarischen Prüfung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos sein wird. Eine abweichende Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Antragsteller als Jagdpächter zahlreiche Verpflichtungen oblegen haben. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Im Hinblick auf den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse und die vom Antragsteller begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gilt Folgendes:
§ 45 Abs. 5 WaffG (angefügt durch Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 26.3.2008, BGBl. I 426) beseitigt von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen nachträglichen Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges legitimes Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-) Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (BT-Drs. 16/7717, S. 33).
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.).
Im Hinblick auf die verfügte Ungültigerklärung des Jagdscheins und die für sofort vollziehbar erklärten waffen- und jagdrechtlichen Folge- und Nebenanordnungen ist Folgendes auszuführen:
Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) besteht aus Gründen der Gefahrenabwehr regelmäßig auch für die mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen. Diese Neben- und Folgeentscheidungen stellen sicher, dass der kraft Gesetzes (§ 45 Abs. 5 WaffG) sofort vollziehbare Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse tatsächlich umgesetzt wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17).
Nachdem beginnend mit dem 1. Juli 1990 die waffenrechtliche und die jagdrechtliche Zuverlässigkeit nach unterschiedlichen Regelungen zu beurteilen waren (vgl. Art. 17 Nr. 2 des Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 28.6.1990 BGBl. I S. 1221 sowie BVerwG vom 13.12.1994 a.a.O.), hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Waffenrechtsneuregelungsgesetzes 2002 (vgl. dort Art. 15 Nr. 1a) zur Behebung dieser nicht mehr als sachgerecht empfundenen Differenzierung der Vorschrift des § 17 Abs. 1 S. 1 BJagdG eine Regelung angefügt, wonach bei fehlender Zuverlässigkeit oder fehlender persönlicher Eignung im Sinne des Waffengesetzes nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (Falknerjagdschein) erteilt werden darf. Die Waffenrechtsnovelle 2008, in deren Rahmen er den Wegfall der aufschiebenden Wirkung im Falle des Widerrufs waffenrechtlicher Erlaubnisse ausdrücklich festgelegt hat, hat der Gesetzgeber zwar nicht zum Anlass genommen, auch insoweit eine vergleichbare Bestimmung in das Bundesjagdgesetz aufzunehmen. Gleichwohl ist die Absicht des Gesetzgebers zu berücksichtigen, durch die Vorschrift des § 17 Abs. 1 S. 2 BJagdG in der Fassung vom 11. Oktober 2002 zu verhindern, dass (wie bisher) die strikteren Zuverlässigkeitsregelungen des Waffenrechts in dem großen Bereich des Jagdrechts ihre Wirkung nicht entfalten. Demzufolge ist weder hinsichtlich der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins (§ 18 S. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 S. 2 BJagdG) noch hinsichtlich der diesbezüglichen Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO eine andere rechtliche Sichtweise angebracht oder eine andere Entscheidung zu treffen als im Rahmen der angefochtene waffenrechtlichen Entscheidungen (BayVGH, B.v. 15.8.2008 . – 19 CS 08.1471 – juris Rn. 25 – 28).
Das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug wird ferner nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Antragsteller den Jagdschein und die waffenrechtlichen Erlaubnisse für die sich aus seiner Verpflichtung als Jagdpächter ergebenden weiteren Verpflichtungen zur Ausübung des Jagdrechts benötigen würde. Der im streitgegenständlichen Bescheid des Antragsgegners verfügte Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse und die Ungültigerklärung des Jagdscheins dienen dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen sowie Munition und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Die jagdrechtlichen Verpflichtungen des Antragstellers lassen sich – abgesehen davon, dass er ausweislich seines Antrags auf Erteilung (Verlängerung) seines Jagdscheins Mitpächter ist – bis zum unanfechtbaren Abschluss des Verfahrens z.B. durch Beauftragung eines anderen Jägers erfüllen (BayVGH, B.v. 12.2.2007 – 19 CS 06.2210 – juris Rn. 28). Der Antragsteller macht darüber hinaus nicht geltend, die Jagdausübung berufsmäßig auszuüben
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an die Nrn. 50.2, 20.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).