Verwaltungsrecht

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für iranische Kurdin

Aktenzeichen  W 8 K 17.31567

Datum:
16.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3a, § 28 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates ist im Regelfall bei einem exponierten exilpolitischen Engagement, das den Asylsuchenden aus dem Kreis der standardmäßig exilpolitisch Aktiven heraushebt, anzunehmen und es ist davon auszugehen, dass der Betroffene unnachsichtiger staatlicher Verfolgung ausgesetzt ist. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die exilpolitischen Organisationen der Kurdenparteien werden vom iranischen Sicherheitsdienst genauestens überwacht. Kurdische Iraner, die mehrere Jahre im Ausland gelebt haben, werden bei einer Rückkehr mit großer Wahrscheinlichkeit von den Geheimdiensten intensiv verhört und riskieren, verfolgt zu werden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Grundsätzlich gibt es im Iran keine Toleranz des Regimes für Aktivitäten in Verbindung mit kurdischen politischen Parteien. Auch Unterstützer mit niedrigem Profil müssen mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4 Gefährdet sind nicht nur Mitglieder der Kurdenparteien, sondern auch einfache Anhänger oder Sympathisanten. Für sie besteht eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit, wenn sie erkennbar und identifizierbar in die Öffentlichkeit getreten sind und sich aus der Masse der mit dem Regime in Teheran Unzufriedenen hervorheben. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Nrn. 1 und 3 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. April 2017 werden aufgehoben, soweit sie sich auf die Klägerin beziehen.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. April 2017 ist in seinen Nrn. 1 und 3 bis 6 rechtswidrig, soweit er sich auf die Klägerin bezieht, und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG). Aus diesem Grund war der streitgegenständliche Bescheid, wie zuletzt beantragt, insoweit aufzuheben. Über die hilfsweise gestellten Anträge zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) war nicht zu entscheiden.
Unter Berücksichtigung der aktuellen abschiebungsrelevanten Lage im Iran hat die Klägerin einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG.
Gemäß §§ 3 ff. AsylG darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Bedrohung liegt dann vor, wenn anknüpfend an Verfolgungsgründe (vgl. dazu Art. 10 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 – so genannte Anerkennungsrichtlinie oder Qualifikationsrichtlinie bzw. § 3b AsylG) Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (§ 3a AsylG).
Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377) liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.199 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Nach Überzeugung des Gerichts besteht für die Klägerin aufgrund ihrer Aktivitäten für die Demokratische Partei Kurdistan (PDK) im Iran und fortgesetzt in der Bundesrepublik Deutschland eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran.
Der Klägerin ist es gelungen, die für ihre Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der glaubhaften Angaben der Klägerin ist das Gericht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr politischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht. Das Gericht ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere dem persönlichen Eindruck von der Klägerin davon überzeugt, dass ihre von ihr geschilderten Aktivitäten im Zusammenhang mit der PDK zutreffen, insbesondere auch was ihre Tätigkeit im Iran anbelangt. Gerade in Bezug auf die Klägerin spricht nicht nur der Inhalt ihrer Angaben in der mündlichen Verhandlung, sondern vor allem auch die dabei gebrauchte Wortwahl sowie die gezeigte Mimik und Gestik, auch verbunden mit einem Einblick in ihre Gefühlslage und Gedankenwelt für die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben. Gerade die Elemente bei der Aussage (Körpersprache, Gestik, Mimik usw.) sprechen gewichtig für die Ehrlichkeit der Klägerin und für den wahren Inhalt ihrer Angaben. Nach der vorliegenden Erkenntnislage und der darauf fußenden Rechtsprechung ist bei der Klägerin wegen der von ihr vorgebrachten (exil) politischen Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Verfolgung aus politischen Gründen bei einer Rückkehr in den Iran zu rechnen.
Denn nach der Rechtsprechung ist – allgemein – maßgeblich für eine beachtliche wahrscheinliche Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten (exil) politischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die dem Betreffenden nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen oder umgekehrt. Die Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten ist anzunehmen, wenn ein iranischer Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran einwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. etwa m.w.N. OVG NRW, B.v. 16.1.2017 – 13 A 1793/16.A – juris; B.v. 6.1.2014 – 13 A 1474/13.A – juris; BayVGH, B.v. 29.7.2013 – 14 ZB 13.30084 – juris; B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris; sowie VG Bayreuth, U.v. 2.4.2016 – B 3 K 15.30486 – juris; VG Stuttgart, U.v. 15.2.2016 – A 11 K 1658/15 – juris; VG Würzburg, U.v. 26.8.2015 – W 6 K 15.30206 – juris; jeweils m.w.N.; vgl. auch schon VG Würzburg, U.v. 19.12.2012 – W 6 K 12.30171 – juris). Erforderlich ist im Regelfall ein exponiertes exilpolitisches Engagement, das den Betreffenden aus dem Kreis der standardmäßig exilpolitisch Aktiven heraushebt und im iranischen Staat als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt, so dass wegen der von ihm ausgehenden Gefahr eines Verfolgungsinteresses seitens des iranischen Staates besteht (vgl. auch HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4).
Diese Voraussetzungen sind im Ergebnis bei der Klägerin erfüllt, zumal wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass bei Mitgliedern der PDK im Einzelfall eine womöglich größere Verfolgungsgefahr bestehen kann als bei anderen (nur) exilpolitisch aktiven Iranern.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass die exilpolitischen Organisationen im Ausland sowie deren Aktivitäten durch den iranischen Sicherheitsdienst genauestens überwacht werden. Dies ist allgemein bekannt und unstrittig (Schweizerische Flüchtlingshilfe – SFH –, Länderanalyse Iran vom 04.04.2006, S. 6). Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen, z.B. der Kurdenpartei PDKI (PDK) bzw. DPKI oder Komalah, kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen führen. Da die DPKI und die Komalah eine ähnliche Stellung in der iranischen Opposition einnehmen, können nach Ansicht des Gerichts jeweils betreffende Auskünfte entsprechend herangezogen werden, um eine Verfolgungsgefahr für jeweilige Aktivitäten zu ermitteln. Dies gilt insbesondere deshalb, da die Geschichte der beiden Organisationen miteinander verknüpft ist und auch die Auskünfte selbst meist nicht differenzieren, sondern von einer ähnlichen Verfolgungsgefahr ausgehen (vgl. z.B. Deutsches Orient-Institut an HessVGH vom 25.01.2007; Amnesty International an VG Köln vom 29.05.2007; GIGA an VG Köln vom 06.03.2007 und an VG Karlsruhe vom 01.06.2007). Beide Organisationen sind angesiedelt im politisch linken kurdischen Spektrum (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 3; Deutsches Orient-Institut an HessVGH vom 25.01.2007, S. 7), haben früher einen gewaltsamen Kampf gegen das iranische Regime geführt (GIGA, a.a.O., S. 3; Deutsches Orient-Institut, a.a.O., S. 6), mittlerweile abgeschworen und den bewaffneten Kampf abgelehnt (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 11; Auswärtiges Amt an HessVGH vom 04.04.2007, S. 2). Heute treten beide Organisationen für ein föderales System im Iran sowie Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit ein (Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 2; Amnesty International an VG Köln vom 29.05.2007, S. 2). Kurdische Gruppierungen, denen die Regierung separatistische Tendenzen unterstellt, stehen weiterhin im Zentrum der Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitskräfte (Bundesamt, Informations-zentrum Asyl und Migration, Iran – Online Loseblattwerk – 3. Gesellschaft und Bevölkerung, Oktober 2004, S. 14). Zwar ist der innenpolitische Einfluss der kurdischen Exilorganisationen vergleichsweise gering, da im Iran verbotene Organisationen nur im Untergrund und ohne ein offen hervortretendes Netz arbeiten können; gleichwohl sind diese im Land präsent (Deutsches Orient-Institut an HessVGH vom 25.01.2007, S. 17). Die Bedeutung der DPKI nimmt zu (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 11). Denn die kurdisch oppositionellen Gruppen haben – ohne innenpolitisch Einfluss ausüben zu können – eine lebendig-wirksame Entsprechung im Iran (GIGA an VG Köln vom 06.03.2007, S. 10). Seit 2004 mit Spitzen Anfang und Mitte 2006 kam es in zahlreichen kurdischen Städten zu Demonstrationen, in deren Folge es Verhaftungen und Tote gab. Infolgedessen kam es zu verstärkten Verhaftungen von Mitgliedern kurdischer Organisationen, da die iranischen Sicherheitsbehörden den Grund für solche Aktionen in politischen Gruppen der Kurden im Iran sehen, auch wenn diese nicht unmittelbar gewalttätig sind (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 10). Es gab Berichte über Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Extremisten. Die iranischen Sicherheitsbehörden versuchen, den politischen Hinter- und Untergrund solcher Aktivitäten auszuräuchern. Es gibt eine Vielzahl gut belegter Übergriffe, Verhaftungen, Verurteilungen und sogar Todesfälle beim „Umkippen“ der Demonstrationen (GIGA, a.a.O., S. 10). Die Aufstachelung und Anheizung dieser Konflikte kann auch zu einer verschärften Gefährdung der kurdischen Exilopposition führen (GIGA an VG Köln vom 06.03.2007, S. 10). Soweit Aktivitäten von Mitgliedern und Aktivisten der Komalah im Iran bekannt werden, sind die Betreffenden unnachsichtiger staatlicher Verfolgung ausgesetzt (Beschluss des HessVGH vom 24.07.2007, Az.: 6 UE 3107/05.A). Das Auswärtige Amt und das Bundesamt stellten bereits seit Herbst 2002 ein verschärftes Vorgehen gegen die Komalah und andere kurdische Organisationen fest (Auswärtiges Amt an HessVGH vom 04.04.2007; Bundesamt, a.a.O., S. 15).
Die eben skizzierte (ältere) Erkenntnislage wird durch neuere vorliegende Erkenntnisse in der Sache bestätigt.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe vermerkt in ihrer Länderanalyse vom 16. November 2010 (Iran: Illegale Ausreise/Situation von Mitgliedern der PDKI/politische Aktivitäten im Exil), dass die PDKI (KDPI, DPIK, DPKI) die älteste kurdische Oppositionsgruppe ist. Sie hat 1991 den bewaffneten Kampf aufgegeben und strebt die staatliche Anerkennung kurdischer Rechte in einer föderalen iranischen Republik an. Im Iran haben sich die Repressionen gegen politische Aktivisten und Gegnern des Regimes verstärkt. Kurdische oppositionelle Gruppen, die wie die PDKI in Verdacht stehen, separatistische Ziele zu verfolgen, werden brutal unterdrückt. Aktivisten werden in unfairen Verfahren zu harten Gefängnisstrafen verurteilt. Die Verfolgung kurdischer Oppositioneller beschränkt sich nicht ausschließlich auf Parteimitglieder in hohen Positionen. Der Besitz einer Broschüre oder einer CD mit Informationen zur Partei kann als ein die nationale Sicherheit bedrohender Akt aufgefasst werden. Angesichts des zunehmenden Drucks auf die kurdische Minderheit werden kurdische Iraner, die mehrere Jahre im Ausland gelebt haben, bei einer Rückkehr mit großer Wahrscheinlichkeit von den Geheimdiensten intensiv verhört. Iranische Sicherheitsdienste beobachten und erfassen seit Jahren die politischen Aktivitäten von Exiliranern. Allerdings ist es äußerst schwierig, den Grad der Überwachung von unregelmäßig aktiven Demonstrierenden oder von Personen, die ohne Schlüsselposition an Sitzungen der regierungskritischen Organisationen teilnehmen, einzuschätzen. Die Überwachung von exilierten Regierungskritikern scheint seit den Unruhen im Jahr 2009 zugenommen zu haben. Die, die sich öffentlich kritisch zu den Vorgängen im Iran äußern, müssen bei einer Rückkehr mit Problemen rechnen. Bis heute ist die PDKI eine der großen Oppositionsparteien des iranischen Regimes. Asylbewerber, die an Demonstrationen einer großen Oppositionsgruppe wie der PDKI teilgenommen haben, riskieren bei einer Rückkehr verfolgt zu werden. Für die PDKI aktive Personen laufen Gefahr, bei einer Rückkehr verfolgt und verhört zu werden.
Nach einer Stellungnahme von ACCORD (ACCORD, Anfragebeantwortung zum Iran: Lage von Mitgliedern der Democratic Party of Kurdistan Iran, Verfolgung von Mitgliedern durch iranische Behörden im Nordirak vom 18.11.2013) ist es unmöglich zu sagen, wo die Reizschwelle der Regierung gegenüber kurdischen Aktivitäten liegt. Es gibt keine klare Logik und keine kIare rote Linie. Grundsätzlich gibt es keine Toleranz des iranischen Regimes für irgendwelche Aktivitäten in Verbindung mit kurdischen politischen Parteien. Allerdings ist das System im Iran so kompliziert, dass man nicht vorhersagen kann, welche Gruppe am meisten gefährdet ist; dies ändert sich auch ständig. Des Weiteren hat der iranische Geheimdienst eine starke Präsenz in der kurdischen Region im Nordirak.
Eine Verfolgungsgefahr besteht, wenn sich Asylbewerber im Ausland exponiert haben (vgl. Amnesty International, Auskunft an das VG Würzburg vom 20.3.2014). Seit Herbst 2009 gibt es verstärkte Hinweise auf eine gesteigerte Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitsdienste bezüglich der exilpolitischen Tätigkeit iranischer Staatsangehöriger. Dazu gehört auch, dass verstärkt Personen, die an solchen Tätigkeiten beteiligt gewesen sind, bei späteren Besuchen in den Iran seitens des Sicherheitsdienstes zu ihren Aktionen befragt werden (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Würzburg vom 24.2.2014).
Nach einer weiteren Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 22.1.2016 zu Iran: Gefährdung eines Mitglieds der KDP bei der Rückkehr in den Iran) werden kurdische Oppositionsgruppen, welche separatistischer Aspirationen verdächtigt werden, im Iran brutal unterdrückt, sie können dort nicht legal tätig sein. Diese Mitglieder werden oftmals unter falschem Vorwand verhaftet und unfairen Gerichtsverfahren unterworfen sowie zu schweren Strafen verurteilt. Die iranische Regierung duldet keinerlei Aktivitäten im Zusammenhang mit kurdischen politischen Parteien im Iran. Im Iran müssen auch Unterstützer mit niedrigem Profil mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. Des Weiteren sind Rückkehrer aus dem Irak, die dort in Kontakt mit kurdischen Exilparteien gestanden haben, Gefährdungen ausgesetzt. Der iranische Geheimdienst zeigt in den kurdischen Gebieten im Irak eine starke Präsenz. Iranische Behörden überprüften Rückkehrende, ob sie im Irak gelebt hätten. Alle Personen aus diesem Bereich seien für die Behörden verdächtigt. Sie würden von den iranischen Behörden eine genaue Überprüfung unterzogen, ob ihre dortigen Aktivitäten herauszufinden. Wenn eine Person in Kontakt mit der KDPI oder anderen politischen Parteien war, ist davon auszugehen, dass sie in Schwierigkeiten gerät.
In den vorliegenden Lageberichten des Auswärtigen Amtes (zuletzt Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016 sowie vom 9.12.2015, Stand: November 2015) ist vermerkt, dass die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen zu staatlichen Zwangsmaßnahmen führen kann. Zu diesen verbotenen Organisationen zählen unter anderem die Kurdenparteien (z.B. DPIK, Komalah). Den Lageberichten ist weiter zu entnehmen, dass es zunehmend Hinweise auf Diskriminierung von im Iran lebenden Kurden hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit in den Fällen gibt, in denen die Zentralregierung separatistische Tendenzen vermutet. Einzelne kurdische Gruppierungen, denen die Regierung separatistische Tendenzen unterstellt, stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte. Hierzu zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK bzw. DPKI). Diese werden von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppen betrachtet, die vom Irak aus das Regime bekämpfen. Festnahmen und Verurteilungen zu hohen Gefängnisstrafen einschließlich der Todesstrafe gegen mutmaßliche radikale Mitglieder kommen weiterhin vor. Weiter ist zu den exilpolitischen Tätigkeiten ausgeführt, dass davon auszugehen ist, dass die iranischen Stellen die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen genau beobachten. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran setzen sich daher solche führenden Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen aus, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam (z.B. Redner, Verantwortliche oder leitende Funktionsträger) in Erscheinung treten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter im Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückführung mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen.
Im aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016) ist noch angemerkt, dass die PDKI zu den militanten separatistischen Gruppen im Irak zählt, kurdischen Aktivisten von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet werden. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann in den Iran zurückkehrten, können von Repressionen bedroht sein.
Amnesty International (Amnesty, Report 2017, Länderbericht Iran) berichtet, dass zahlreiche Kurden wegen tatsächlicher und vermeintlicher Verbindungen zur Demokratischen Partei Kurdistan – Iran ohne Haftbefehl festgenommen worden sind, nachdem diese im März 2016 angekündigt hatte, ihren bewaffneten Widerstand gegen die iranischen Behörden wieder aufzunehmen. Viele Kurden mussten Gefängnisstrafen verbüßen und sind zum Tod verurteilt worden, weil sie verbotenen kurdischen Oppositionsgruppen angehörten oder mit ihnen sympathisierten.
Das Österreichische Bundesamt für Fremdenwesen (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Iran vom 22.5.2017 und vom 31.3.2016) führt aus, dass kurdische Gruppierungen wie auch die PDKI aufgrund der unterstellten separatistischen Tendenzen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte stehen. Gerade die PDKI wird von der iranischen Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die vom Irak aus das Regime bekämpft. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran setzen sich solche führende Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen aus, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam in Erscheinung träten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter im Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückführung mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen. Des Weiteren ist zu beobachten, dass Teilnehmer an irankritischen Demonstrationen bei späteren Besuchen im Iran seitens des Sicherheitsdienstes zu ihren Aktionen befragt werden. Nach Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden arbeitet der iranische Geheimdienst primär gegen oppositionelle Exil-Aktivitäten. Im Fokus stehen vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das politische System empfunden werden und die islamischen Grundsätze in Frage stellen.
Ausgehend von dieser Erkenntnislage kommt die Rechtsprechung zum Ergebnis, dass auch nicht radikale Mitglieder kurdischer Oppositionsparteien im Iran flüchtlingsrelevant verfolgt werden können. Gefährdet sind nicht ausschließlich Mitglieder der Partei, sondern auch einfache Anhänger. Auch solche Personen sind im Iran gezielter politischer Repression ausgesetzt, die sich als überzeugte und aktive Mitglieder der Oppositionspartei offenbart haben. Der Grad der Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung übersteigt damit für Mitglieder der Komalah oder auch der PDKI denjenigen, der für Mitglieder und Anhänger anderer Exilorganisationen, wie etwa der Monarchisten, angenommen wird. Abzustellen ist auf eine Einzelfallbeurteilung (vgl. HessVGH, B.v. 24.7.2007 – 6 UE 3108/05.A – juris sowie OVG NRW, B.v. 6.8.2010 – 13 A 829/09.A – juris; VG Bremen U.v. 01.02.2012 – 1 K 173/09.A – juris; VG Karlsruhe, U.v. 28.7.2011 – A 6 K 671/11 – Asylmagazin 2011, 287; VG Ansbach, U.v. 21.7.2011 – AN 18 K 11.30194 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 18.8.2010 – 5 K 3884/10.A – juris; VG Oldenburg, U.v. 26.1.2010 – 3 A 135/09 – juris; VG Dresden, U.v. 6.8.2003 – 14 A 30558/00.A – juris; vgl. auch HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4; BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris).
Nach alledem ist festzuhalten, dass bei Mitgliedern, Anhängern oder Sympathisanten der kurdischen Oppositionsgruppen eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht voraussetzt, dass diese in exponierter Stellung nachhaltig als Regimefeinde in die Öffentlichkeit getreten sind. Vielmehr ist auch bei einer abgeschwächten Form oppositioneller Aktivitäten – gerade auch schon im Iran selbst – eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit möglich. Ob eine solche vorliegt, richtet sich weitgehend nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Bei einfachen Mitgliedern und untergeordneten Tätigkeiten für kurdische (exil) oppositionelle Gruppen ist es nach Ansicht des Gerichts erforderlich für die Begründung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit, dass diese Mitglieder oder Personen erkennbar und identifizierbar derart in die Öffentlichkeit getreten sind, dass sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von den iranischen Behörden und Sicherheitskräften erkannt und identifiziert worden sind und zudem wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates besteht. Dafür genügt nicht allein die passive Mitgliedschaft oder die vereinzelte Teilnahme an Demonstrationen. Denn es ist nicht als realistisch anzusehen, dass jede Person, welche an Veranstaltungen der kurdischen Exilopposition teilnimmt, als möglicher Regimefeind erkannt und verfolgt wird. Denn ein bloßer Mitläufer ist nicht gefährdet. Auch bei Mitgliedern der PDKI ist nach dem Gesamtbild der Aktivitäten die Einzelfallbeurteilung das maßgebliche Kriterium für die Bewertung der Verfolgungsrelevanz exilpolitischer Aktivitäten. Das Bestehen einer beachtlichen wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr ist nach den konkret-individuellen Gesamtumständen des Einzelfalles zu beurteilen. Entscheidend ist dabei, ob die Aktivitäten den jeweiligen Asylsuchenden aus der Masse der mit dem Regime im Teheran Unzufriedenen herausheben und ihn als ernsthaften (und gefährlichen) Regimegegner erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris; OVG NRW, B.v. 6.8.2010 – 13 A 829/09.A – juris).
Vor diesem Hintergrund besteht für die Klägerin nach derzeitiger Auskunftslage aufgrund des Gesamtbildes ihrer oppositionellen und auch exilpolitischen Tätigkeiten eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran. Denn nach dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht keine Zweifel, dass die Klägerin über Jahre hinweg zunächst im Iran sowie jetzt auch in der Bundesrepublik Deutschland aktiv gewesen ist und noch aktiv ist. Dies hat sie glaubhaft und nachvollziehbar unter Hinweis auf verschiedene Belege vorgebracht.
Die in der mündlichen Verhandlung auf Kurdisch angehörte Klägerin hat vorab betont, dass sie bei der Bundesamtsanhörung trotz eines entsprechenden Hinweises ihrer Seite auf Persisch angehört worden sei. Darauf beruhten auch möglicherweise Missverständnisse. Das Protokoll sei auch nicht ganz zurückübersetzt worden. Hauptmissverständnis sei, dass sie gegenüber dem Bundesamt nicht behauptet habe, im Geheimdienst der Partei aktiv gewesen sei, sondern sie sei vielmehr im Geheimen für die Partei aktiv gewesen bzw. heimlich für die Partei aktiv gewesen und habe so Informationen weitergegeben.
Die Klägerin schilderte, dass sie Mitglied einer regimekritischen kurdischen Familie gewesen sei und in dieser Familie aufgewachsen sei, so dass sie automatisch für kurdische Partei gewesen sei. Sie räumte weiter ehrlich ein, dass sie lediglich zu Studienzwecken in den Irak gegangen sei und dort zwar schon für die Partei sympathisiert habe, aber nicht aktiv gewesen sei. Auch die Reisen vom Irak in den Iran hätten nur aus persönlichen Gründen stattgefunden. Erst nach dem Studium und der Scheidung sei sie im Jahr 2013 in den Iran zurückgekehrt. Im Iran sei sie dann erst der Partei beigetreten. Sie sei förmlich beigetreten, habe aber lediglich aus Sicherheitsgründen kein Ausweisdokument erhalten. Hauptbeweggrund für den Beitritt sei nicht der eine Bruder gewesen, wenn er ihr auch den Parteibeitritt erleichtert habe. Vielmehr deckten sich – ausgehend vom Herkommen – die Ziele der Partei mit ihrem sozialen und persönlichen Glauben, etwa zu Gerechtigkeit und den Rechten der Frauen. Hauptziel der Partei sei es junge Leute und auch Frauen wieder aufzubauen und zu motivieren. Da sie studiert habe, habe sie sich dafür als nützlich angesehen.
Glaubhaft sind des Weiteren die Angaben der Klägerin zu ihren Aktivitäten im Iran. Auf Nachfrage konnte sie auch Details berichten. Sie beschrieb dass wiederholt Personen zu ihr kamen mit einem USB-Stick. Sie habe als Bauingenieurin in einem eigenen Büro gearbeitet. Dort seien die Daten von diesem Stick auf ihren PC übertragen worden und die betreffende Person habe den Stick sogleich wieder mitgenommen. Ihre Aufgabe sei es dann gewesen die Daten auf eine CD bzw. auf mehrere CDs zu brennen oder auch auf Papier auszudrucken. Manchmal habe sie die Daten anschließend gleich von ihrem PC gelöscht und manchmal erst nach zwei Wochen oder 20 Tagen. Sie habe sich sicher gefühlt, weil es ihr Büro gewesen sei. Die CDs und auch das von ihr bedruckte Papier seien dann von anderen Personen wieder abgeholt worden. Die Klägerin betonte wiederholt, dass sie heimlich tätig gewesen sei, aber nicht im Geheimdienst der kurdischen Partei.
Weiter schilderte die Klägerin ihre Aktivitäten in der Frauenunion, die auch in der vorgelegten Bescheinigung der Partei erwähnt sind. Entgegen der Aussage im streitgegenständlichen Bescheid – der dies offenbar übersehen hatte – hatte die Klägerin ihre Aktivitäten für die Frauenunion auch bei der Anhörung beim Bundesamt schon verlautbart. Auf Seite 5 ist insofern ausdrücklich in der Niederschrift zur Anhörung festgehalten, dass das Ziel der Partei gewesen sei, Frauen und junge Leute zu informieren, damit diese die Partei kennenlernten. Sie sei im „Frauenverein“ gewesen (siehe Seite 5 der Bundesamtsanhörung, Bl. 133 der Bundesamtsakte). In der mündlichen Verhandlung erläuterte die Klägerin nachvollziehbar, dass sie in dieser Funktion für die Frauenbildung, die Frauenrechte und deren Gleichberechtigung gekämpft habe. Insoweit passten diese Aktivitäten im Rahmen der Parteimitgliedschaft zu ihrem persönlichen Glauben. Die Klägerin räumte insofern ehrlich ein, dass sie nur ausnahmsweise direkten Kontakt mit anderen Frauen bei Zivilversammlungen gehabt habe. Ansonsten habe sie für die Frauen und deren Motivation heimlich gekämpft, ohne direkten Kontakt zu haben, sondern über die von ihr gefertigten CDs und Papiere, die sie ausgedruckt habe.
Die Klägerin beschrieb des Weiteren die Verfolgungsmaßnahmen, einerseits die Durchsuchung ihres Büros und ihr anschließendes Untertauchen, andererseits die Aktivitäten der Behörden nach ihrer Ausreise. Die Behörden hätten ihre Familie einige Zeit beobachtet und hätten auch ihren Bruder befragt und sogar geprügelt („ein bisschen gefoltert“). Der Bruder habe nichts gesagt. Über lange Zeit seien die Behörden immer wieder gekommen. Auch der andere Bruder sei befragt worden sowie die Mutter. Ehrlich räumte die Klägerin ein, dass es momentan etwas ruhiger geworden sei. Vorladungen oder sonstiges Schriftliches habe sie nicht bekommen. Die Sicherheitskräfte würden keinen gesetzlichen Umgang mit ihnen pflegen. Sie würden ohne Vorwarnung kommen. Politische Aktivisten würden ohne Gerichte und ohne Urteil hingerichtet oder verschwinden.
Die Klägerin hat ihre Aktivitäten für die PDK in Deutschland fortgeführt, wie die teilweise gegenüber dem Bundesamt, teilweise im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen belegen. Die Klägerin hat dazu weiter Fotos vorgelegt. Auch insofern gab die Klägerin aufrichtig und, ohne aufzubauschen, an, dass sie zwar zweimal etwas vorgelesen habe, aber innerhalb der Partei keine besondere Funktionen habe und auch nicht an allen Parteiveranstaltungen teilnehmen könne. Sie habe so ca. dreimal 2016 und dreimal 2017 an Parteiveranstaltungen teilgenommen, wie auch mit Lichtbildern dokumentiert sei. Es gebe noch mehr Parteiaktivitäten, aber aus ihren persönlichen und finanziellen Gründen und wegen ihrer familiären Umstände (mit ihrer minderjährigen Tochter) könne sie nicht öfter teilnehmen. Die Veranstaltungen, an denen sie teilgenommen hätte, seien etwa der Gründungstag der Partei am 16. August oder der Gründungstag der Republik am 21. Januar sowie das kurdische Neujahrsfest gewesen.
Hinzu kommen die Internet-Aktivitäten im Zusammenhang mit der PDK. Die Partei würde über das Internet allgemein ihr Programm und ihre Ziele und Aktivitäten auch nach Kurdistan schicken. Im Internet seien Fotos von ihr. Es gebe einen öffentlichen und einen nicht-öffentlichen Bereich. Der nicht-öffentliche Bereich sei den Parteimitgliedern vorbehalten. Im öffentlichen Bereich könnten auch Externe Beträge reinschreiben. Sie sei auch im nicht-öffentlichen Bereich mit Namen und Foto erkennbar. Wenn der iranische Geheimdienst nachschauen würde, würde er auch auf dieser Seite ihren Namen finden. Der iranische Geheimdienst habe aber ohnehin ihren Namen.
Gerade durch das Internet hat sich die Klägerin gegenüber dem iranischen Regime als Regimekritikerin zusätzlich identifizierbar gemacht.
Dabei sind die Internetaktivitäten nicht isoliert zu würdigen, sondern im Zusammenhang mit den übrigen (exil) politischen Aktivitäten. Anderes als eine Vielzahl iranischer Asylbewerber setzt sich die Klägerin vorliegend dem ernsthaften Risiko einer politischen Verfolgung bei einer Rückkehr in ihr Heimatland aus, weil ihre Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der den Aktivitäten für die PDK stehen. Der Zusammenhang mit der PDK begründet ein ernsthaftes Verfolgungsrisiko, weil dadurch ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates geweckt wird. Denn bei den irakischen Sicherheitsbehörden kann dadurch konkret der Verdacht hervorgerufen werden, dass die Aktivitäten der Organisation oppositioneller Strömungen dienen. So hat etwa das Deutsche Orientinstitut in einer Auskunft vom 22. Oktober 2010 an den HessVGH ausgeführt, dass kritische Äußerungen im Internet eine Verfolgungsgefahr begründen, sofern weitere Kontakte und Verbindungen zu Oppositionsgruppen vorhanden sind und das Internet zur Organisation oppositioneller Strömungen dienen kann (vgl. HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4 unter Bezugnahme auf eine Auskunft des Deutschen Orientinstituts vom 21.10.2010 an den HessVGH).
Insgesamt betrachtet ist das Gericht überzeugt, dass die Klägerin sowohl qualitativ als auch quantitativ gerade durch ihre Aktivitäten für die PDK ein oppositionelles Engagement an den Tag gelegt, das eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit begründet. Aufgrund der Infiltrierung der PDK sowohl im Irak/Iran als auch in Deutschland ist davon auszugehen, dass die Klägerin durch ihre Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeiten von den iranischen Behörden und der Sicherheitskräften erkannt und identifiziert worden ist, so dass sie bei einer Rückkehr in den Iran mit Verfolgung rechnen muss. Aufgrund ihrer Aktivitäten und aufgrund ihres regimekritischen Verhaltens im Zusammenhang mit der PDK ist das Gericht auch vom Vorhandensein eines Verfolgungsinteresses des iranischen Staates überzeugt. Bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran müsste die Klägerin unter Gesamtwürdigung aller Umstände mit Verfolgungsmaßnahmen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit rechnen.
Nach § 28 Abs. 1 AsylG kann sich die Klägerin bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG schließlich auch auf Umstände stützen, die nach Verlassen ihres Herkunftslandes entstanden sind.
Nach alledem ist der Klägerin unter Aufhebung der sie betreffenden Antragsablehnung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides – soweit sich dieser auf die Klägerin bezieht – die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen. Infolgedessen besteht kein Anlass für eine weitere Entscheidung über die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, so dass die Nrn. 3 und 4 des Bescheides des Bundesamtes ebenfalls aufzuheben waren (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 1 AsylG [„oder“] und § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Über die hilfsweise gestellten Anträge, insbesondere zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG), war nicht zu entscheiden.
Des Weiteren sind auch die verfügte Abschiebungsandrohung und die Ausreisefristbestimmung (Nr. 5 des Bundesamtsbescheids) rechtswidrig und daher – bezogen auf die Klägerin – aufzuheben. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlässt nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 und § 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung nur, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird. Umgekehrt darf im Fall der Flüchtlingszuerkennung eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen. Letzteres ist im gerichtlichen Verfahren – wenn auch noch nicht rechtskräftig – festgestellt.
Schließlich war auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG (Nr. 6 des Bundesamtsbescheids) aufzuheben, weil mit der Aufhebung der Abschiebungsandrohung auch die Voraussetzungen für die Entscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 AufenthG entfallen (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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