Verwaltungsrecht

Zulassung zum höheren Fachsemester – Humanmedizin

Aktenzeichen  7 CE 15.10417

Datum:
21.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 35 Abs. 1, § 46 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1
LUFV LUFV § 7 Abs. 7

 

Leitsatz

1 Anspruch auf Zulassung für ein höheres Fachsemester besteht nur dann, wenn die Zahl der im höheren Semester und gleichzeitig die Gesamtzahl der im Studiengang Studierenden unter der festgesetzten Zulassungszahl liegt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Beurlaubte Studierende sind nicht aus dem Bestand der Studierenden “herauszurechnen”, weil sie noch immatrikuliert sind und das Lehrangebot der Hochschule nicht dauerhaft entlasten. (redaktioneller Leitsatz)
3 Es besteht kein Anspruch auf Beibehaltung der vorübergehenden Erhöhung der Ausbildungskapazität zur Versorgung der doppelten Abiturjahrgänge. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 3 E 15.18173 2015-10-20 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin (Vorklinik) im vierten, hilfsweise einem niedrigeren Fachsemester an der L.-M.-Universität M2. (LMU) nach Maßgabe der Rechtsverhältnisse des Sommersemesters 2015.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat den Antrag mit Beschluss vom 20. Oktober 2015 abgelehnt.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie macht geltend, die LMU habe ihre Aufnahmekapazität nicht ausgeschöpft. Die Angaben der LMU zur Gesamtzahl der beurlaubten Studierenden bedürften der Überprüfung. Zu diesem Zweck sei eine Namensliste der im ersten bis vierten Fachsemester eingeschriebenen Studierenden vorzulegen und außerdem anzugeben, wie viele eingeschriebene Studierende jeweils für welche Zeit beurlaubt seien. Außerdem sei unklar, ob etwaige – im Hinblick auf die „Zielvereinbarung zur vorübergehenden Erhöhung der Studienanfängerzahlen“ – neu geschaffene Stellen für Lehrpersonen noch vorhanden seien und die Ausbildungskapazität erhöhen. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht Verminderungen des Lehrdeputats bei einzelnen Lehrpersonen zu Unrecht anerkannt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 3. Dezember 2015, 1. Februar 2016 und 16. März 2016 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht.
Anspruch auf Zulassung für ein höheres Fachsemester besteht nur dann, wenn die Zahl der in diesem (höheren) Semester und gleichzeitig die Gesamtzahl der in dem betreffenden Studiengang eingeschriebenen Studierenden unter die hierfür festgesetzten Zulassungszahlen sinkt (§ 35 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18.6.2007 [GVBl S. 401, BayRS 2210-8-2-1-1-K], zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.3.2015 [GVBl S. 74]). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, ist die Gesamtzahl der im Sommersemester 2015 im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) im ersten bis vierten Fachsemester eingeschriebenen Studierenden (1755) höher als die Summe der für das erste bis vierte Fachsemester festgesetzten Zulassungszahlen (1738). Damit fehlt es jedenfalls an einer der beiden genannten normativen Voraussetzungen für die begehrte Zulassung zum höheren Fachsemester. Der Senat folgt insoweit den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
a) Die von der LMU im gerichtlichen Verfahren angegebenen Bestandszahlen sind in Bezug auf die Gesamtzahl der im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) im ersten bis vierten Fachsemester eingeschriebenen Studierenden nicht deshalb korrekturbedürftig, weil die Gesamtzahl auch beurlaubte Studierende enthält. Denn – wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 26.8.2013 – 7 CE 13.10242 – juris Rn. 16; B. v. 28.10.2013 – 7 CE 13.10355 u.a – juris Rn. 10) – sind bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Zulassung zu einem höheren Fachsemester einzelne beurlaubte Studierende aus den Bestandszahlen der eingeschriebenen Studierenden deshalb nicht „herauszurechnen“, weil diese Studierenden auch während ihrer Beurlaubung immatrikuliert (eingeschrieben) bleiben. Die Berücksichtigung der beurlaubten Studierenden ist auch sachlich gerechtfertigt. Denn beurlaubte Studierende erschöpfen ebenso wie andere Studierende die Gesamtausbildungskapazität der Hochschule, weil sie das Lehrangebot der Hochschule nicht dauerhaft entlasten, sondern nach Ende ihrer (regelmäßig zwei Semester nicht überschreitenden) Beurlaubung (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayHSchG) dieses Lehrangebot weiterhin nachfragen. Sie sind deshalb zu Recht bei der Feststellung der Gesamtzahl der im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) eingeschriebenen Studierenden zu berücksichtigen.
Unbeschadet dessen hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass selbst bei Herausrechnung von 15 Studierenden, die länger als ein Semester beurlaubt sind, die Gesamtzahl der eingeschriebenen Studierenden immer noch die Summe der für das erste bis vierte Fachsemester festgesetzten Zulassungszahlen überschreiten würde. Die im Beschwerdeverfahren näher erläuterten Angaben des Antragsgegners sowie der LMU zu den beurlaubten Studierenden sind glaubhaft. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin bedarf es zur Glaubhaftmachung nicht der Vorlage einer „Namensliste“ der eingeschriebenen Studierenden.
b) Die zwischen dem damaligen Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und der LMU im Jahr 2011 getroffene „Zielvereinbarung zur vorübergehenden Erhöhung der Studienanfängerzahlen Humanmedizin für die Absolventen der doppelten Abiturjahrgänge“ und der im Jahr 2012 hierzu vereinbarte „Nachtrag“ (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 26.8.2013 – 7 CE 13.10242 – juris Rn. 10 ff.) diente in den Jahren 2011 bis 2013 (letztmals zum Wintersemester 2013/2014) der vorübergehenden Erhöhung der Zulassungszahlen im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik). Eine dauerhafte Erhöhung der Aufnahmekapazitäten war damit nicht verbunden, weil die zusätzlichen finanziellen Mittel nur befristet für die Zeit der Erhöhung der Zulassungszahlen durch den Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung gestellt worden sind.
Die LMU hat dementsprechend letztmalig im Wintersemester 2013/2014 für das erste Fachsemester im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) ihre Zulassungszahl auf 906 Studienanfänger erhöht. Ausgehend von der in der Zielvereinbarung in Bezug genommenen festgesetzten Zulassungszahl des Wintersemesters 2010/2011 (= 831 Studienanfänger) liegt darin eine Erhöhung der Zulassungszahl um 75 Studienanfänger. Ausgehend von der Kapazitätsberechnung für das Wintersemester 2013/2014 (= 843 Studienanfänger) hat die LMU infolge der Zielvereinbarung damit 63 Studienanfänger zusätzlich aufgenommen (vgl. hierzu z. B. BayVGH, B. v. 26.8.2014 – 7 CE 14.10084 u. a. – juris Rn. 9). Diese letztmalige Erhöhung der Studienanfängerzahlen im Wintersemester 2013/2014 wirkt sich im Sommersemester 2015 noch insoweit aus, als im vierten Fachsemester nunmehr – über die reguläre Aufnahmekapazität von 818 Studierenden hinaus – die Zulassungszahl für das vierte Fachsemester um weitere 63 Studierende auf 881 Studierende erhöht ist.
Diese aus der Zielvereinbarung folgende Erhöhung der Aufnahmekapazität im vierten Fachsemester bleibt allerdings als Maßnahme zum Ausgleich einer zusätzlichen Belastung bei der Feststellung der regulären Aufnahmekapazität der LMU außer Betracht (§ 40 Abs. 2 HZV). Einen Anspruch auf Beibehaltung der vorübergehenden Erhöhung oder weiteren Ausbau der Ausbildungskapazität der LMU hat die Antragstellerin nicht. Die Teilhaberechte der Hochschulbewerber stehen nach dem Grundgesetz stets unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Die Entscheidung über Umfang und Prioritäten des Hochschulausbaus obliegt dabei vorrangig dem Gesetzgeber (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 27.9.2011 – 7 CE 11.10758 u. a. – juris Rn. 9 m. w. N.). Die Antragstellerin kann demnach nicht verlangen, dass die LMU die festgesetzten Zulassungszahlen nochmals erhöht und der Freistaat Bayern zu diesem Zweck weitere finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Die LMU hat im Beschwerdeverfahren auch klargestellt, dass für die Ausbildung der Studierenden nach Beendigung der vorübergehenden Kapazitätserhöhung allein die nach den gesetzlichen Vorgaben ermittelte reguläre Aufnahmekapazität zur Verfügung steht.
c) Auf die Frage, ob das Verwaltungsgericht die Verminderungen der Lehrverpflichtungen bei einzelnen Lehrpersonen zu Recht anerkannt hat, kommt es für die gerichtliche Entscheidung nicht an.
In die Kapazitätsberechnung sind die im Rahmen des Dienstrechts festgesetzten Lehrverpflichtungen der Lehrpersonen einzubeziehen (§ 46 Abs. 1 HZV). Dabei sind Verminderungen der Lehrverpflichtungen nach § 7 der Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung – LUFV) vom 14. Februar 2007 (GVBl S. 201; BayRS 2030-2-21-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), zu berücksichtigen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 HZV). Danach kann der Präsident der Universität die Lehrverpflichtung von Professoren und von sonstigen Lehrpersonen befristet auf bis zu zwei Lehrveranstaltungsstunden ermäßigen (vgl. § 7 Abs. 7 Satz 2 und 5 LUFV), wenn ein dienstliches Interesse daran besteht, dass diese Lehrpersonen vorübergehend zusätzliche Aufgaben im Bereich der Forschung in ihrem Fach wahrnehmen. Diese Verminderungen der Lehrverpflichtungen sind im Rahmen der vorhandenen Personalausstattung kapazitätsneutral auszugleichen (vgl. § 7 Abs. 7 Satz 3 und 4 LUFV).
Zwar bestehen vorliegend Bedenken, ob die den vier Lehrpersonen im Institut für Physiologische Chemie, Physikalische Biochemie und Zellbiologie in einem Umfang von insgesamt 15 Lehrveranstaltungsstunden eingeräumten Verminderungen der Lehrverpflichtungen in dem in § 7 Abs. 7 Satz 3 und 4 LUFV genannten Sinn ausgeglichen werden, weil die Verminderungen nicht im Rahmen der vorhandenen Personalausstattung (durch entsprechende Erhöhungen der Lehrverpflichtungen anderer Lehrpersonen), sondern durch drei neue Stellen für Akademische Räte auf Zeit „kompensiert“ werden sollen. Selbst wenn jedoch das in die Kapazitätsberechnung einbezogene personelle Lehrangebot der Lehreinheit Vorklinische Medizin um die genannten 15 Lehrveranstaltungsstunden zu erhöhen wäre, würde sich damit die reguläre Ausbildungskapazität der LMU nicht über das Maß der festgesetzten und vorübergehend noch für das vierte Fachsemester um 63 Studierende erhöhten Zulassungszahlen hinaus erhöhen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung in den erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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