Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität

Aktenzeichen  M 3 E 16.556

Datum:
18.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 12 Abs. 1
VwGO VwGO § 123 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Das Rechtsschutzbedürfnis für einen vorläufigen Rechtsschutzantrag an das Gericht auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität fehlt, wenn der Antragsteller sein Anliegen nicht zuvor bei der für die Zulassung zuständigen Stelle vorgebracht hat; auf die Frage, ob der Antragsgegner rechtlich die Möglichkeit hätte, auf einen solchen Antrag hin von den festgesetzten Zulassungszahlen abzuweichen, kommt es dabei (entgegen OVG Münster NVwZ-RR 2010, 437) angesichts des klaren Wortlauts von § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO nicht an. (redaktioneller Leitsatz)
Dem Antragserfordernis ist nicht schon dadurch Genüge getan, dass der Antragsteller die Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität bei der Hochschule beantragt hat, da der Anspruch auf außerkapazitäre Zulassung, der auf dem grundrechtlich begründeten Anspruch auf Hochschulzugang beruht, selbstständig und unabhängig von einem innerhalb des regulären Verfahrens gestellten Zulassungsantrag zu beurteilen ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf Euro 2.500,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zulassung zum Studium des Maschinenbaus (Bachelor), erstes Fachsemester, im Sommersemester 2016 an der Hochschule M. (im Folgenden: die Hochschule) außerhalb der festgesetzten Kapazität.
Mit Bescheid vom … Januar 2016 lehnte die Hochschule die Bewerbung des Antragstellers um einen Studienplatz ab.
Am … Februar 2016 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München,
die Hochschule M. im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, ihn im Sommersemester 2016 für das erste Semester im Studiengang Maschinenbau zuzulassen.
Zur Begründung trug der Antragsteller vor, die Hochschule habe seines Erachtens die Kapazität an freien Studienplätzen nicht ausgeschöpft. Im Übrigen werde durch die Ablehnung der Hochschule sein Grundrecht auf einen freien Bildungszugang verletzt.
Mit Schriftsatz vom … April 2016 beantragte der Antragsgegner, vertreten durch die Hochschule,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Hochschule habe nach der Zulassungszahlsatzung eine Kapazität von 55 Studienanfängern für das erste Fachsemester im Studiengang Maschinenbau im Sommersemester 2016 festgelegt. Bis zum 4. April 2016 hätten sich 74 Studierende im Bachelorstudiengang Maschinenbau immatrikuliert, so dass die festgesetzte Zulassungszahl überschritten sei.
Mit Schreiben vom 21. April 2016 wies das Gericht den Antragsteller darauf hin, dass die Zuweisung eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten Kapazität vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens bei der Hochschule gesondert beantragt werden müsse. Dem Antragsteller wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 6. Mai 2016 glaubhaft zu machen, dass er vor Antragstellung bei Gericht einen Antrag auf Zuweisung eines außerkapazitären Studienplatzes bei der Hochschule gestellt habe. Weiter wurde der Antragsteller aufgefordert, bis zum 6. Mai 2016 eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, dass er bislang keine Zulassung für den von ihm gewünschten Studiengang an einer anderen Hochschule in Deutschland erhalten habe, seine Staatsangehörigkeit anzugeben und glaubhaft zu machen, seine Hochschulzugangsberechtigung glaubhaft zu machen und seinen Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium außerhalb der Kapazität zu begründen. Eine Reaktion des Antragstellers hierauf erfolgte nicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist unzulässig.
Der Antrag ist auf die (vorläufige) Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität gerichtet.
Die beantragte einstweilige Anordnung setzt nach dem Wortlaut des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus, dass zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner ein „streitiges Rechtsverhältnis“ besteht. Von einem streitigen Rechtsverhältnis kann erst dann ausgegangen werden, wenn aus einem Antrag und seiner Ablehnung eine bestimmte Rechtsbeziehung entstanden ist, um deren Bestand und Inhalt gestritten werden kann. Hat der Antragsteller sein Anliegen noch nicht einmal zuvor bei dem Antragsgegner selbst vorgetragen, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag an das Gericht. Nur durch einen solchen Antrag ist sichergestellt, dass die Hochschule rechtzeitig Gelegenheit erhält, die Möglichkeit des Vorhandenseins von weiteren Studienplätzen überhaupt zu prüfen und hierzu Stellung zu nehmen (VGH BW, B.v. 9.7.1990 – NC 9 S 58/90 – juris Rn. 2). Auf die Frage, ob der Antragsgegner rechtlich die Möglichkeit hätte, auf einen solchen Antrag hin von den festgesetzten Zulassungszahlen abzuweichen, kommt es (entgegen OVG Münster, B. v. 27.1.2010 – 13 C 410/09 – NVwZ-RR 2010, 437) angesichts des klaren Wortlauts von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht an; überdies ist nicht ersichtlich, warum der Antragsgegner nicht in der Lage sein sollte, bei etwaiger Aufdeckung von Fehlern bei der Kapazitätsermittlung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens eine Korrektur der Zulassungszahlsatzung vorzunehmen und weitere Zulassungen auszusprechen.
Dem Antragserfordernis ist nicht schon dadurch genügt, dass der Antragsteller die Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität bei der Hochschule beantragt hat. Der Anspruch auf außerkapazitäre Zulassung, der auf dem grundrechtlich begründeten Anspruch auf Hochschulzugang beruht, ist selbstständig und unabhängig von einem innerhalb des regulären Verfahrens gestellten Zulassungsantrag zu beurteilen. Zwar verfolgen beide Ansprüche dasselbe Ziel, die Zulassung zum Studium, jedoch sind die Begründungen für beide Ansprüche gänzlich unterschiedlich und stehen in keinem inneren sachlichen Zusammenhang (BayVGH, B. v. 8.5.2013 – 7 CE 13.10048 – juris Rn. 8 ff. unter Bezugnahme auf BayVGH, B. v. 8.8.2006 – 7 CE 06.10020 u. a. – juris Rn. 7). Nur ein Zulassungsantrag, der einen erkennbaren Bezug zur Behauptung mangelnder Kapazitätsausschöpfung hat, kann vom Antragsgegner zum Anlass einer Prüfung dieser Frage genommen und beschieden werden (VGH BW, B. v. 9.7.1990 – NC 9 S 58/90 – juris Rn. 2).
Der Antragsteller hat auch auf Hinweis des Gerichts nicht dargetan, dass er vor Anrufung des Gerichts einen entsprechenden Antrag auf Zuweisung eines außerkapazitären Studienplatzes bei der Hochschule gestellt hat; hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 Nr. 1.5, Nr. 18.1.


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