Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium der Psychologie

Aktenzeichen  B 3 E 16.10002

Datum:
8.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHSchG BayHSchG Art. 12 Abs. 1, Art. 12 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 Nr. 5
GG GG Art. 12
VwGO VwGO § 123
BayHZG BayHZG Art. 3 Abs. 1, Art. 6

 

Leitsatz

Gegen die Regelung in einer Hochschulsatzung, die eine semesterübergreifende Höchstzahl Studierender für einen Studiengang vorsieht, bestehen keine rechtlichen Bedenken.  (redaktioneller Leitsatz)
Solange die Zahl aller zu berücksichtigenden Studierenden eines Studiengangs die maßgebliche Gesamtzulassungszahl übersteigt, liegt keine ungenutzte Kapazität vor. In diesem Fall ergibt sich für den einzelnen Bewerber kein Anspruch auf Zulassung zum Studium in einem höheren als dem ersten Semester. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Zulassung im 2. Fachsemester zum Studiengang Psychologie mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ im Sommerssemester 2016 außerhalb der Kapazität beim Antragsgegner.
Sie bewarb sich beim Antragsgegner mit Schreiben vom 15.04.2016 um einen entsprechenden Studienplatz im 2. Fachsemester im Sommersemester 2016 außerhalb der Kapazität. Dieser Antrag wurde noch nicht verbeschieden.
§ 1 Abs. 1 a und b der Satzung über die Festsetzung von Zulassungszahlen der im Studienjahr 2015/2016 an der … Universität B. als Studienanfängerinnen oder Studienanfänger sowie im höheren Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen oder Bewerber (Zulassungszahlsatzung 2015/2016) vom 03.07.2015 setzt die Zulassungszahl für Studienanfänger zum Wintersemester 2015/2016 im Vollzeitstudiengang Psychologie mit dem Abschluss Bachelor auf 77 und im Teilzeitstudiengang auf 2 fest. Für das Sommersemester 2016 wurde die Zulassungszahl auf 75 und im Teilzeitstudiengang auf 2 festgesetzt. Die Zulassungszahl für den Studiengang Psychologie, Bachelor, für das Sommersemester 2016 liegt in der Summe der Semester 1 bis 6 insgesamt bei 216.
Mit Beschlüssen vom 21.12.2015 errechnete das Gericht vier zusätzliche Studienplätze und verpflichtete den Antragsgegner zwei weitere Studienbewerber im 1. Fachsemester per Losentscheid auf die noch unbesetzten Studienplätze zuzulassen. Dieser Verpflichtung entsprach der Antragsgegner und vergab zwei zusätzliche Studienplätze.
Die Antragstellerin beantragt mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.04.2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag,
den Antragsgegner zu verpflichten, die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung zum Studium der Psychologie (Bachelor) im 2. Fachsemester beginnend im Sommersemester 2016 zuzulassen.
Sie versichert an Eides statt, die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen und bisher noch kein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland endgültig abgeschlossen zu haben. Sie sei im Wintersemester 2015/2016 im Studiengang Erziehungswissenschaften (Bachelor) im 6. Fachsemester an der Universität R. eingeschrieben gewesen und erklärt, dieses Studium voraussichtlich mit Abschluss des Sommersemester 2016 erfolgreich zu beenden.
Die von der Antragsgegnerin gemeldete Studienhöchstzahl gemäß der Zulassungszahlverordnung schöpfe die Kapazität nicht voll aus: Aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth folge, dass zum Wintersemester 2015/2016 eine Kapazität von 81 errechnet wurde. Offenbar seien jedoch nur 76 Studierende eingeschrieben. Danach dürfte noch ein Platz für die Antragstellerin frei sein. Die Zulassung der Antragstellerin dürfte nach § 5 der Zulassungszahlsatzung geboten sein. Im Übrigen wurde angemerkt, dass es angesichts Art. 12 GG keinen verfassungsrechtlich gerechtfertigten Grund gebe, der die vom Antragsgegner geltend gemachte Verknappung ab dem zweiten Semester gelten solle, für das erste jedoch nicht. Es sei auch nicht ersichtlich, welche Überbelegung es gebe. Der Antragsgegner berufe sich auf eine Quersumme von 216.
Die … Universität B. beantragt für den Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Die Universität B. legt die Kapazitätsberechnung für die Lehreinheit Psychologie für das Jahr 2015 vor. Sie erklärt, die Antragstellerin habe sich nur um einen außerkapazitären Studienplatz beworben. Die im gerichtlichen Eilverfahren errechneten zusätzlichen Studienplätze seien durch Losentscheid vergeben worden. Die Gesamtzahl der im Studiengang zuzulassenden Studierenden liege entsprechend der Zulassungszahlsatzung bei 210 Studierenden bis zum 6. Semester. Diese Anzahl sei bereits ohne die Zulassung von Bewerbern für höhere Fachsemester überschritten.
Nach der vorgelegten aktuellen Studierendenstatistik sind derzeit 296 Studierende (ohne Beurlaubungen) und 306 Studierende (nach Einbeziehung der beurlaubten Studierenden) eingeschrieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegten Behördenunterlagen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – entsprechend) verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern die Maßnahme unerlässlich erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Beide Arten einer vorläufigen Anordnung setzen ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten streitbefangenen Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist von der Antragspartei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -), wobei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend sind. Über den Erfolg des Antrags ist aufgrund einer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung zu entscheiden. Ergibt die überschlägige rechtliche Beurteilung auf der Grundlage der verfügbaren und von der Antragspartei glaubhaft zu machenden Tatsachenbasis, dass von überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache auszugehen ist, besteht regelmäßig ein Anordnungsanspruch. Ein Anordnungsgrund setzt voraus, dass es der Antragspartei unter Berücksichtigung ihrer Interessen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage, RdNr. 26 m. w. N. zu § 123).
1. Der Anordnungsgrund liegt auf der Hand, weil das Sommersemester 2016 bereits begonnen hat und die Antragstellerin auf eine Entscheidung über ihre Zulassung zum Studium nicht bis zur Durchführung des Hauptsacheverfahrens warten kann. Einen Studienplatz im Wunschstudiengang Psychologie Bachelor hat die Antragstellerin bisher nicht erhalten oder ausgeschlagen.
2. Ein Anordnungsanspruch auf Zulassung zum Studium der Psychologie, Bachelor, im 2. Fachsemester ist nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht gegeben.
Gemäß Art. 12 Abs. 1 BayHSchG nehmen die Hochschulen eigene Angelegenheiten als Körperschaften (Körperschaftsangelegenheiten), staatliche Angelegenheiten als staatliche Einrichtungen wahr. Gemäß Art. 12 Abs. 2 BayHSchG sind Körperschaftsangelegenheiten alle Angelegenheiten der Hochschule, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Art. 12 Abs. 3 Nr. 5 BayHSchG ist bestimmt, dass u. a. die Regelung des Hochschulzugangs, der Ermittlung von Ausbildungskapazitäten, Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen staatliche Angelegenheit ist. Es handelt sich bei der Regelung des Hochschulzugangs um Fragen der Ermittlung von Ausbildungskapazitäten, für die die Hochschule nach Maßgabe der Art. 13 Abs. 1 Satz 2 BayHSchG i. V. m. Art. 3 und 6 BayHZG eine Regelungsbefugnis besitzt. Von dieser Befugnis hat die Universität durch den Erlass der Zulassungszahlsatzung 2015/2016 Gebrauch gemacht.
Gemäß § 5 der der Zulassungszahlsatzung 2015/2016 vom 03.07.2015 wird eine entsprechende Anzahl weiterer Studienbewerber/innen bis zur vollständigen Auslastung der Ausbildungskapazität der Lehreinheit zugelassen, wenn die Kapazität einer Lehreinheit nicht erschöpfend genutzt wird.
Nach § 3 Abs. 1 dieser Zulassungszahlsatzung werden Bewerberinnen oder Bewerber für höhere Fachsemester in dem Umfang aufgenommen, in dem die Zahl der im entsprechenden Fachsemester eingeschriebenen Studierenden die jeweils festgesetzten Zulassungszahlen unterschreitet. Gemäß § 3 Abs. 2 dieser Zulassungszahlsatzung findet eine Zulassung für höhere Fachsemester auch bei Unterschreiten der für das jeweilige Fachsemester festgesetzten Zulassungszahl abweichend von Abs. 1 nicht statt, wenn die Gesamtzahl der den Fachsemestern mit Zulassungsbeschränkungen zuzuordnenden Studierenden des betreffenden Studienganges die Summe der für diesen Studiengang festgesetzten Zulassungszahlen überschreitet.
Hiervon ausgehend ergibt sich wegen der Regelung in § 3 Abs. 2 Zulassungszahlsatzung kein Anspruch der Antragstellerin auf Zulassung.
Zwar wurden entgegen den Festsetzungen der Antragsgegnerin durch das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 21.12.2015 für das Wintersemester 2015/2016 vier weitere Studienplätze errechnet, so dass zumindest im Wintersemester 2015/2016 81 (statt der festgesetzten 77) Studienplätze und im Sommersemester (zugunsten der Antragstellerin unter Vernachlässigung des Schwundfaktors) 79 (statt der festgesetzten 75) Studienplätze zugrunde zu legen wären. Von diesen 79 Studienplätzen sind nach den Angaben der Antragsgegnerin derzeit nur 76 belegt, so dass nach § 3 Abs. 1 der Zulassungszahlsatzung vom 03.07.2015 Kapazität zur Nachbesetzung frei wäre. Für eine weitere Berücksichtigung zusätzlicher Studienplätze besteht kein Anlass. Soweit solche in den Vorjahren errechnet wurden, ist nicht ersichtlich, dass diese in der aktuellen Zulassungszahlsatzung nicht berücksichtigt wurden.
Doch steht einem Anspruch der Antragstellerin auf Zulassung § 3 Abs. 2 dieser Zulassungszahlsatzung entgegen.
Unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin übermittelten Studierendenstatistik, an deren Richtigkeit kein Anlass zu Zweifeln besteht, zählt die Universität B****** im Fach Psychologie, Bachelor, im Sommersemester 2016 insgesamt 296 Studierende (ohne Beurlaubungen) und 306 Studierende (unter Einrechnung der Beurlaubungen). Auch wenn nicht die volle Anzahl dieser Studierenden berücksichtigt werden kann (siehe unten), übersteigt doch die Zahl aller zu berücksichtigen Studierenden die maßgebliche Gesamtzulassungszahl, so dass sich für die Antragstellerin kein Anspruch auf Zulassung zum Studium ergibt.
Dieses Ergebnis beruht auf folgenden Überlegungen:
Auf der Grundlage der Ermittlung der Aufnahmekapazität für das Studienjahr wird im Hinblick auf höhere Semester nach dem Hamburger Modell die konstante Übertrittsquote in die einzelnen Semester ermittelt. Mit der Bestimmung dieses mittleren Schwundfaktors ergeben sich dann die Festlegungen für die einzelnen Semester. Eine fehlerhafte Berechnung der von der Universität vorgelegten Zahlen für die höheren Semester ist weder antragstellerseitig glaubhaft gemacht noch bei der durchgeführten Überprüfung von Amts wegen ersichtlich.
Die hohe Anzahl der eingeschriebenen Studierenden errechnet sich insbesondere deswegen, weil im 6. Fachsemester 111 Studierende eingeschrieben sind. Dies beruht auf einer irrtümlichen Überbuchung der Antragsgegnerin im Jahr 2013/2014; in diesem Jahrgang wurden auf die errechneten 70 Vollzeitstudienplätze (und 2 Teilzeitstudienplätze) versehentlich 145 Studierende eingeschrieben. Selbst unter Herausrechnung aller 71 damals irrtümlich zu viel immatrikulierten Studierenden (zugunsten der Antragstellerin unter Vernachlässigung des Schwundfaktors), um den damaligen Zulassungsfehler der Antragsgegnerin nicht zulasten der Antragstellerin zu berücksichtigen, überschritte die dann anzusetzende Gesamtzahl der Studierenden im Fach Psychologie, Bachelor, in Höhe von 235 (306 – 71) noch immer die festgesetzte Gesamtzahl aller zuzuordnenden Studierenden von 220 (216 + 4).
Beurlaubte Studenten sind in diese Gesamtbetrachtung einzubeziehen, da sie – wenn auch nicht aktuell – aber doch zu einem späteren Zeitpunkt zur Lehrnachfrage wieder beitragen und Studienplätze belegen.
Die Bedenken der Antragstellerin zur Rechtmäßigkeit einer Festlegung von Höchstzahlen in der Zulassungszahlsatzung teilt das Gericht angesichts der eindeutigen Regelung in Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayHZG nicht. Ein Anspruch auf grenzenlose Zulassung in einem höheren als dem 1. Semester widerspräche zudem dem Grundgedanken der Zulassungsbeschränkung zur Gewährleistung einer qualitativen Mindestanforderung der Ausbildung.
Somit liegt im Rechtssinne keine ungenutzte Kapazität gemäß der Regelung des § 3 Abs. 2 Zulassungszahlsatzung 2015/2016 vor. Ein Anspruch auf Zulassung der Antragstellerin im Fach Psychologie, Bachelor, ist damit nicht gegeben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffer 18.1 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Das Gericht erachtet im Eilverfahren die Hälfte des Regelstreitwerts in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für angemessen.


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