Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium der Zahnmedizin

Aktenzeichen  W 7 E 16.20159 u.a. (W 7 E 16.20297)

Datum:
13.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123, § 146 Abs. 2
BayHZV BayHZV § 56 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Behandlungseinheiten der Kieferorthopädie sowie der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sind nicht für die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität heran zu ziehen, da es sich nicht um Behandlungseinheiten der Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde im Sinne von § 56 Abs. 1 S. 2 HZV handelt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Teilzulassung bis zum Abschluss der zahnärztlichen Vorprüfung kommt nicht in Betracht, da es im Studiengang Zahnmedizin (im Unterschied zur Humanmedizin) keine kapazitätsrechtlich zu beachtende Unterscheidung zwischen einem vorklinischen und einem klinischen Studienabschnitt gibt und es deshalb auch nicht zu einer Vergabe von „Teilstudienplätzen“ kommen kann. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die im Rubrum aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge werden abgelehnt.
III. Die Antragsteller haben jeweils die Kosten ihres Verfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird für jedes Verfahren auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragsteller begehren ihre (einstweilige) Zulassung zum Studium der Zahnmedizin an der J.-M.-U. W. (JMU) im ersten Fachsemester nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2016/2017. Die Zahl der an der JMU im Studienfach Zahnmedizin aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahl) ist für das erste Fachsemester auf 55 Studierende festgesetzt worden (§ 1 Abs. 1 der Satzung über die Festsetzung der Zulassungszahlen der im Studienjahr 2016/2017 an der J.-M.-U. W. als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie im höheren Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber – Zulassungszahlsatzung 2016/2017 – vom 5.7.2016, geändert durch Satzung vom 3.11.2017). Insgesamt beträgt die festgesetzte Zulassungszahl 467.
Nach einer Aufstellung der JMU, die dem Gericht mit E-Mail vom 16. November 2016 übersandt wurde, sind mit Stand vom 14. November 2016 im ersten Fachsemester des Studiengangs Zahnmedizin 57 Studierende eingeschrieben, von denen keiner beurlaubt ist.
Die Antragsteller halten die Aufnahmekapazität mit den festgesetzten Zulassungszahlen und der Zahl der vergebenen Studienplätze für nicht ausgeschöpft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsschriften Bezug genommen.
Sie lassen ausdrücklich oder sinngemäß beantragen,
den Antragsgegner zu verpflichten, sie zum Studium der Zahnmedizin an der JMU nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2016/2017 im ersten Fachsemester einstweilen zuzulassen, falls nach den Verteilungskriterien des Gerichts ein Studienplatz auf sie entfällt, hilfsweise beschränkt auf einen Teilstudienplatz.
Der Antragsgegner lässt beantragen,
die Anträge abzulehnen.
Auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten des Antragsgegners wird Bezug genommen.
II.
1. Die zulässigen Anträge sind nicht begründet, denn das Gericht hält es nicht für glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO), dass im Wintersemester 2016/2017 an der JMU über die vergebenen Studienplätze hinaus noch weitere freie Studienplätze im Studiengang Zahnmedizin verfügbar sind.
Maßgebend für die rechtliche Überprüfung der Aufnahmekapazität der Lehreinheit Zahnmedizin ist die aufgrund Art. 8 des Bayer. Hochschulzulassungsgesetzes (BayHZG) erlassene Hochschulzulassungsverordnung – HZV – vom 18. Juni 2007, GVBl. S. 401, zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. März 2015, GVBl. S. 74.
Die Aufnahmekapazität dieser Lehreinheit wird – wie bei jeder anderen Lehreinheit auch – als jährliche Kapazität (§ 39 Abs. 2 Satz 1 HZV) nach den Regeln der §§ 43 ff. HZV aufgrund der personellen Ausstattung (das sog. Lehrangebot) unter Anwendung des Curricularnormwerts (CNW) nach Formel 5 der Anlage 5 zur HZV ermittelt; dieses Ergebnis wird sodann anhand der Regeln der §§ 51 ff. HZV überprüft (ausstattungsbezogene Kapazität).
1.1 Unter Anwendung des Curricularnormwerts (CNW) nach Formel 5 der Anlage 5 zur HZV und der quantitativen Aufteilung des CNW auf die an der Ausbildung beteiligten Lehreinheiten hat die JMU ausweislich ihrer Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität gemäß HZV einen Wert (Ap) von 94,9106 ermittelt. Bei Zugrundelegen eines Schwundausgleichsfaktors von 0,8624 (vgl. Blatt 9 Seite 14 der Berechnung der JMU) errechnen sich daraus 110 Studienplätze.
1.2 Gemäß § 56 Abs. 1 HZV ist dieses Berechnungsergebnis für den Studiengang Zahnmedizin anhand der klinischen Behandlungseinheiten der Lehreinheit Zahnmedizin zu überprüfen, wobei als Grenzwert für die jährliche Aufnahmekapazität 0,67 klinische Behandlungseinheiten für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde je Studierender oder Studierenden anzusetzen ist. Es bestehen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Parameters. Die Kammer hält an ihrer in den Urteilen vom 4. März 2013 – W 7 K 10.10231 – juris – und vom 27. Juli 2015 – W 7 K 15.10068 u.a. – vertretenen Auffassung fest, die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zuletzt mit Beschlüssen vom 1. Februar 2016 – 7 ZB 15. 10368 – und vom 21. Oktober 2016 – 7 CE 16.10279 und 7 CE 16.10280 – bestätigt wurde.
Ausgehend von den seit 1. Oktober 2012 an der JMU vorhandenen 57 klinischen Behandlungseinheiten für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde errechnet sich eine jährliche Aufnahmekapazität von 85,0746. Diese 57 Behandlungseinheiten sind solche, die für die Zahnbehandlung oder -erhaltung objektiv geeignet sind und auch nach der Organisation der Universität diesen Zwecken dienen. Nicht hinzu zu zählen sind damit die klinischen Behandlungseinheiten in den Räumen der (selbständigen) Abteilung für Parodontologie, weil sie nur für die Behandlung der für die studentische Ausbildung nicht geeigneten schweren Erkrankungsfälle verwendet werden. Die studentische Ausbildung in Parodontologie findet vielmehr ausschließlich an den klinischen Behandlungseinheiten der Zahnerhaltungskunde statt, die in die Kapazitätsberechnung eingeflossen sind. Auch die Behandlungseinheiten der Kieferorthopädie sowie der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sind nicht für die Berechnung heran zu ziehen, da es sich nicht um Behandlungseinheiten der Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 HZV handelt. Es kommt daher insbesondere nicht darauf an, ob die Behandlungsstühle der Parodontologie von der Ausstattung her für die studentische Ausbildung geeignet wären. Maßgeblich ist allein vielmehr die Frage, ob sie für die studentische Ausbildung im Fach Parodontologie erforderlich sind. Dies ist jedoch wie oben dargelegt nicht der Fall. Die JMU ist auch nicht verpflichtet, diese drei Behandlungseinheiten in solche für Lehrzwecke umzuwidmen (vgl. VG Würzburg, U.v. 4.3.2013 – W 7 K 10.10231 –juris; U.v. 27.7.2015 – W 7 K 15.10068 u.a.; BayVGH, B.v. 18.9.2012 – 7 CE 12.10145 u.a. unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 13.12.1984 – 7 C 92/82 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 19.11.2013 – 7 CE 13.10250; BayVGH, B.v. 2.5.2014 – 7 CE 14.10060 u.a.; BayVGH, B.v. 1.2.2016 – 7 ZB 15.10368 – und SächsOVG, B.v. 2.9.2010 – NC 2 B 58/09 – juris Rn. 39).
Das Ergebnis von 85,0746 ist durch den Ansatz einer Schwundquote gemäß § 51 Abs. 3 Nr. 3 HZV bis zum Eintritt des ausstattungsbezogenen Engpasses im siebten Fachsemester zu erhöhen. Die JMU geht danach kapazitätsgünstig von einem Berechnungsergebnis von 109 aufgrund der klinischen Behandlungseinheiten aus. Dabei ist nicht ersichtlich, welchen Schwundausgleichsfaktor die JMU zu Grunde gelegt hat. Denn bei dem von der JMU auf Blatt 8 Seite 13 ihrer Kapazitätsberechnung angegebenen Schwundausgleichsfaktor von 0,8891 bei Berechnung nach klinischen Behandlungseinheiten errechnen sich (nur) 96 Studienplätze, aufgrund der Berechnung der Schwundquote durch Multiplikation der Übergangsquoten (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2006 – 7 CE 06.10016 u.a. – juris) errechnen sich (85,0746 : 0,8318 =) 102 Studienplätze.
Im Übrigen folgt das Gericht im Hinblick auf die Berechnung der Schwundquote bei die Kapazität bestimmenden Engpässen der Auffassung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 25. November 2013 (7 CE 13.10315), wonach der Beschluss vom 10. August 2006 (7 CE 06.10016 u.a.) nur den Schwund zwischen dem ersten Fachsemester und dem regelmäßigen Beginn der klinischen Ausbildung im Studiengang Zahnmedizin im siebten Fachsemester betreffe. Der folgende Schwund werde nicht berücksichtigt (so auch BVerwG U.v. 13.12.1984 – 7 C 3/83 u.a. – BVerwGE 70, 318 und U.v. selben Tag – 7 C 92/82 – juris). Ein Ausgleich über einen ganzen Studienabschnitt hinweg sei in einem durch einen Ausstattungsengpass geprägten Kurs nicht möglich (Flaschenhalsprinzip). Es könnten nicht zu Anfang des Kurses deshalb mehr Studenten aufgenommen werden, weil am Ende einige davon nicht mehr teilnehmen würden. Der Bayer Verwaltungsgerichtshof stützt sich dabei auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG U.v. 13.12.1984 – 7 C 3/83 – u.a. BVerwGE 70, 318 f. – juris). Diese Entscheidung sei zwar mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Oktober 1991 (1 BvR 393/85 u.a. – BVerfGE 85, 36) aufgehoben worden, jedoch seien diese Erwägungen (also die zur Berechnung der Schwundquote beim kapazitätsbestimmenden Engpass) davon nicht betroffen. Das Bundesverfassungsgericht trifft in dieser Entscheidung keine Aussagen zum Schwundausgleich.
§ 56 Abs. 2 HZV regelt, dass, wenn die Berechnungsergebnisse nach Absatz 1 (102 bzw. 109 Studienplätze) und nach den §§ 43 bis 50 (110 Studienplätze) voneinander abweichen, der Festsetzung der Zulassungszahl der niedrigste Wert zugrunde zu legen ist. Danach hat die JMU jährlich kapazitätsgünstig 109 Studienplätze festgesetzt, von denen 55 auf das Winter- und 54 auf das Sommersemester entfallen.
Die somit auf 55 Studierende festgesetzte Kapazität ist aber mit 57 eingeschriebenen Studierenden ausgeschöpft, weshalb die Anträge auf Zulassung zum ersten Fachsemester abzulehnen waren.
1.3 Auch eine Teilzulassung bis zum Abschluss der zahnärztlichen Vorprüfung kommt nicht in Betracht, da es im Studiengang Zahnmedizin (im Unterschied zur Humanmedizin) keine kapazitätsrechtlich zu beachtende Unterscheidung zwischen einem vorklinischen und einem klinischen Studienabschnitt gibt und es deshalb auch nicht zu einer Vergabe von „Teilstudienplätzen“ kommen kann (vgl. BayVGH vom 11.7.2011 Az. 7 CE 11.10096 u.a. – juris – Rn. 14; BayVGH vom 21.7.2009 Az. 7 CE 09.10090 – juris – Rn. 27).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 GKG.


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