Verwaltungsrecht

Zuleitungskanal kein Teil einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung

Aktenzeichen  20 ZB 18.207

Datum:
28.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7789
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 8
BayGO Art. 21

 

Leitsatz

Ob ein bestehender Kanal Teil einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung ist, beurteilt sich danach, ob er vom Einrichtungsbetreiber durch einen Widmungsakt, an dessen Form bei kommunalen Entwässerungsanlagen keine besonderen gesetzlichen Anforderungen gestellt sind, der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht worden ist und im öffentlichen Interesse unterhalten wird.  (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 16.564 2017-12-13 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.620,31 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Zum geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist erforderlich, dass der Rechtsmittelführer aufzeigt, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Der Rechtsmittelführer muss sich mit dem angefochtenen Urteil und dessen entscheidungstragenden Annahmen substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 124 a Rn. 62 m.w.N.). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind auch begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt werden.
Das Vorbringen der Klägerin in ihrem Zulassungsantrag stellt die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage. Dieses ist unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.2358 – juris) davon ausgegangen, dass der sog. Färbereikanal, durch den das auf dem Grundstück der Klägerin anfallende Abwasser einem Erdbecken zugeführt wird, welches letztlich über eine Druckpumpstation mit einem Regenüberlaufbecken des Beklagten verbunden ist, kein Bestandteil der Entwässerungsanlage des Beklagten ist.
Ob ein bestehender Kanal Teil einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung ist, beurteilt sich danach, ob er vom Einrichtungsbetreiber durch einen Widmungsakt der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht worden ist und im öffentlichen Interesse unterhalten wird. Da an die Form des Widmungsaktes bei kommunalen Entwässerungsanlagen keine besonderen gesetzlichen Anforderungen gestellt sind, ergibt sich eine Widmung häufig nur aus einer Betrachtung der Gesamtumstände. Indizien für eine – konkludente – Widmung sind insbesondere die bisherige Benutzungspraxis, die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses sowie die Art und Weise der haushaltsrechtlichen Behandlung (BayVGH, U.v. 18.3.2004 – 23 B 03.2843). Bei der exakten Bestimmung des Umfangs eines zur Entwässerungsanlage gehörenden Kanalnetzes kommt den Kanalbestandsplänen der Gemeinde eine erhöhte Bedeutung zu. Nach diesen Plänen bestimmt sich, welche Grundstücke durch die öffentliche Entwässerungsanlage erschlossen sind, so dass die Eigentümer zu Beiträgen herangezogen und im Falle einer Bebauung zum Anschluss an die öffentliche Anlage verpflichtet werden können (BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.2358 – juris Rn 22). Ausgehend hiervon war das Verwaltungsgericht der Meinung, dass der Färbereikanal kein Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der damaligen Gemeinde … als Rechtsvorgängerin der Beklagten gewesen sei. Zum einen sei er in den Jahren 1973-1975 errichtet worden. Zum anderen habe die Gemeinde … in ihrer Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung in § 3 bestimmt, dass die Kanäle Mischwasserkanäle sind, „d.h. die in § 2 aufgeführten Abwässer werden in gemeinsamen Kanälen abgeleitet. Ausgenommen ist die Färberei G., deren Färbereiabwässer über einen eigenen Kanal zum Pumpwerk abgeleitet werden.“ Durch diese Satzungsregelung habe die Gemeinde … den Färbereikanal ausdrücklich von der Widmung ausgeschlossen. Soweit der Kläger hier der Auffassung ist, dass die Gemeinde … lediglich zum Ausdruck habe bringen wollen, dass der Färbereikanal kein Mischwasserkanal sei, überzeugt dies nicht. Zwar ist die Satzungsregelung auslegungsbedürftig, jedoch ergibt sich aus der Verwendung des Begriffes „eigenen Kanal“, dass es sich hierbei nicht um ein Bestandteil der öffentlichen Einrichtung der ehemaligen Gemeinde … handeln sollte. Insoweit ist die Auslegung durch das Verwaltungsgericht nicht zu beanstanden.
Weiter vertritt das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung die Auffassung, dass der Färbereikanal auch nicht später, nach der Gebietsreform, durch konkludente Widmung Teil der öffentlichen Einrichtung des Beklagten geworden sei. Das Verwaltungsgericht kommt zu diesem Schluss durch die ausführliche Würdigung verschiedener tatsächlicher und rechtlicher Gründe (vergleiche Seiten 10-13 des Urteils). Die Klägerin führt in ihrer Zulassungsgrundbegründung zur Stützung ihrer gegenteiligen Auffassung lediglich an, dass der Beklagte die Abwasserbeseitigung der Firma …, welche sich auf einem ehemaligen Grundstück der Klägerin befindet, über den Färbereikanal geduldet habe, insbesondere weil sie von dieser Firma Abwassergebühren erhoben habe. Damit bestreitet die Klägerin lediglich die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu diesem Gesichtspunkt im Stile einer Berufungsbegründung und ist dadurch nicht in der Lage, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu begründen. Unter Würdigung der Gesamtumstände war das Verwaltungsgericht nämlich der Auffassung, dass keine eindeutige Billigung der Einleitungssituation festzustellen sei, vielmehr die Abwasserbeseitigung durch die Firma … über den Färbereikanal nur vorübergehend geduldet worden sei. Dies gilt, gerade auch deswegen, weil der Färbereikanal im Bestandsplan als „Geyer-Kanal“ erfasst wurde.
Schließlich dringt die Klägerin mit ihrer pauschalen Behauptung, in den Färbereikanal eindringendes Fremdwasser könne nicht als Abwasser berücksichtigt werden, nicht durch. Denn ausgehend vom Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts, der Färbereikanal sei eine private Zuleitung und kein Bestandteil der gemeindlichen Entwässerungsanlage, handelt es sich bei dem in den Färbereikanal eindringenden Fremdwasser um Abwasser, weil es über den Privatkanal der gemeindlichen Entwässerungsanlage zugeführt wird (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 GS-EWS). Auch unter diesem Gesichtspunkt vermag der Senat aufgrund der dargelegten Zulassungsgründe keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu erkennen.
2. Nach dem Vorstehenden ergibt sich ohne weiteres, dass die Rechtssache auch nicht die von dem Kläger behaupteten tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
3. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor. Der Kläger macht geltend, dass sein Beweisantrag, für die Tatsache, dass in den Kanal neben den Klägern auch durch Dritte Abwässer eingeleitet werden/wurden, Sachverständigenbeweis zu erheben, zu Unrecht abgelehnt worden sei. Dies trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat nicht gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, weil es den Beweisantrag als nicht entscheidungserheblich abgelehnt hat. Die Ablehnung eines Beweisantrags verstößt dann gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO, § 244 StPO; BVerfG, B.v. 8.11.1978 – 1 BvR 158/78 – BVerfGE 50,32). Das ist nicht feststellbar. Eine Beweiserhebung ist u.a. dann nicht erforderlich, wenn das Beweismittel ungeeignet ist, es auf die zu beweisende Tatsache nach Ansicht des Gerichts nicht ankommt (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO entsprechend; BVerwG, U.v. 15.3.1994 – BVerwG 9 C 510.93 – NVwZ 94, 1119) oder die Beweisaufnahme nicht notwendig ist, weil die Beweistatsache zugunsten des Betroffenen als wahr unterstellt werden kann (BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.2.1988 – 2 BvR 1324/87 – NVwZ 1988, 524). Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag deshalb abgelehnt, weil es das Beweisthema und das Beweismittel im Hinblick auf die zu beurteilende Rechtsfrage, ob der Färbereikanal als öffentlicher Kanal gewidmet worden sei, als unerheblich angesehen hat. Dies ist unter Zugrundelegung des Rechtsstandpunktes des Verwaltungsgerichts, welcher im Verhalten des Beklagten lediglich eine Duldung und keine Billigung der Einleitung durch Dritte in den Färbereikanal gesehen hat, auch richtig. War dagegen der Beweisantrag zusätzlich darauf gerichtet, weitere Einleiter festzustellen, um in einen weiteren Schritt dann aus einen möglichen noch unbekannten, früheren Verhalten des Beklagten den rechtlichen Schluss einer entsprechenden Billigung des Anschlusses zu ziehen, so handelt es sich hierbei um einen unzulässigen „ins Blaue hinein“ gestellten Ausforschungsbeweisantrag. Denn die Klägerin hat keine Anhaltspunkte vorgetragen, welche zum einen auf weitere tatsächliche Einleitungen und zum anderen auf eine entsprechende Billigung durch den Beklagten auch nur ansatzweise hindeuten könnten.
Daher ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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