Verwaltungsrecht

Zumutbarkeit der Rückkehr in den Nordirak für Jeziden

Aktenzeichen  M 4 S 16.32662

Datum:
25.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 1, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 1 S. 1
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 3c, § 4 Abs. 1, § 36 Abs. 3 S. 1, § 71
GG GG Art. 16a Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Die kurdischen Autonomiegebiete sind von der Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure (IS) nicht betroffen. Vielmehr besteht dort eine innerstaatliche Fluchtalternative. (redaktioneller Leitsatz)
Die abstrakte Gefahr, angesichts von Kampfhandlungen in einigen Teilen Iraks Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden, reicht für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht aus. (redaktioneller Leitsatz)
Wird der Aufenthalt irakischer Staatsangehöriger aufgrund eines Erlasses weiter geduldet, besteht ein wirksamer Schutz vor Abschiebung, so dass es eines zusätzlichen Schutzes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht bedarf. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens. Sie reiste nach eigenen Angaben am … Dezember 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 5. Januar 2012 erstmalig ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Zur Begründung gab sie damals an, ihr Freund sei hier, deshalb sei sie auch hierhergekommen. Das sei der einzige Grund. Im Irak hätte sie keine Schwierigkeiten gehabt.
Das Asylerstverfahren ist mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 30. März 2012 negativ abgeschlossen (Eintritt der Bestandskraft des Bescheides am 04.05.2012).
Am 26. Mai 2015 stellte die Antragstellerin bei der zuständigen Stelle des Bundesamtes einen Asylfolgeantrag und begründete ihn mit der schlechten Lage im Irak, dem Aufenthalt ihrer Familie in Deutschland und der Tatsache, dass sie ein kleines Kind habe.
Mit Bescheid vom 19. August 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1) und lehnte auch den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 30. März 2012 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Ziff. 2). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, gleichzeitig wurde im Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in den Irak oder in einen anderen Staat angedroht, in dem sie einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist (Ziff. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf einen Monat ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 4). Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, vorliegend habe keine Sachlagenänderung im Irak stattgefunden, was das für die Antragstellerin relevante Gebiet des irakischen kurdischen Autonomiegebiets betreffe. Sie stamme aus …, wo eine Verfolgung von Yeziden weder zum Zeitpunkt der Ausreise stattgefunden habe noch zum jetzigen Zeitpunkt stattfinde. Hinsichtlich des Aufenthaltsrechts des Ehemannes in Deutschland sowie der Geburt zweier Kinder sei nicht das Asylrecht, sondern §§ 27 ff. AufenthG einschlägig.
Gegen diesen Bescheid, zugestellt nach Angaben des Bevollmächtigten der Antragstellerin am 24. August 2016 (ein Zustellnachweis ist der Bundesamtsakte nicht zu entnehmen) erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 31. August 2016 Klage (AZ.: M 4 K 16.32660) und beantragte gleichzeitig nach § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Akte des Bundesamtes sowie auf die Gerichtsakten in beiden Verfahren verwiesen.
II.
Der zulässige, insbesondere fristgerechte eingelegte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht begründet.
Das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes vom 19. August 2016 überwiegt nicht die öffentlichen Interessen am Sofortvollzug dieser Entscheidung.
Die Ablehnung des Antrags auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie auf Abänderung des ursprünglichen Bundesamtsbescheids vom 30. März 2012 bezüglich der Feststellung nationaler Abschiebungshindernisse unterliegen jedenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Das Gericht geht gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO in sachgerechter Auslegung des Antrags davon aus, dass sich der Eilantrag nicht gegen das auf § 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gestützte Aufenthalts- und Einreiseverbot nach der Abschiebung (Ziffer 4. des Bescheids) richtet. Ein derartiger Antrag wäre mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig (NdsOVG, B. v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; ausführlich ebenso VG München, B. v. 19.1.2016 – M 21 S 16.30019 – S. 8 f. des BA zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage für die Befristungsentscheidung m. umfangr. Nachw.).
2. Mit ihrem ansonsten vorgebrachten Eilantrag begehrt die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung in den Irak. Dieser Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, und auch statthaft, da die erhobene Klage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat (§ 75 Satz 1, § 71 Abs. 4, §§ 34, 35, 36 AsylG) und eine ausdrückliche Abschiebungsandrohung enthält.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat jedoch keinen Erfolg, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes vom 19. August 2016 bestehen (vgl. Art. 16a, Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylVfG). Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts stützt sich auf die Ablehnung eines Folgeantrags (§ 71 Abs. 4 AsylG) und ist deren Folge. Für verwaltungsgerichtliche Entscheidungen im Verfahren des Eilrechtsschutzes enthält Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG den Prüfungsmaßstab (BVerfG, B. v. 16.03.1999 – 2 BvR 2131/95 – juris, Rn. 22), welchen der Gesetzgeber durch die Regelungen in § 71 Abs. 1, 4 i. V. m. § 36 Abs. 4 AsylG bestimmt hat. Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1, Satz 1 AsylG nicht vorliegen (BVerfG, B. v. 16.03.1999, a. a. O., Rn. 22). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung – insbesondere das Verneinen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AslyG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166). Zum Prüfungsumfang gehört gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bzw. Nr. 3 AsylG auch, dass dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist (hierzu VG Augsburg, B. v. 26.11.2013, Au 7 S 13.30439, juris Rn. 11).
3. Soweit die Antragstellerin ihre Anerkennung als Flüchtling nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG beantragt, hat dieser Antrag keinen Erfolg.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (Genfer Flüchtlingskonvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (vgl. hierzu die Legaldefinition in § 3 b AsylG), außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende vielfach hinsichtlich asylbegründender Vorgänge außerhalb des Gastlandes in einem gewissen, sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich dieser Vorgänge für die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene richterliche Überzeugungsgewissheit in der Regel die Glaubhaftmachung.
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B. v. 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, U. v. 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; B. v. 21.7.1989, Buchholz a. a. O., Nr. 113). Bei einer internen Fluchtalternative scheidet eine Flüchtlingsanerkennung aus (§ 3c AsylG).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes nach § 3 AsylG, § 60 Abs. 1 AufenthG. Das Gericht verweist insofern auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Kurdischen Autonomiegebiete … sind von den Kämpfen in den westlichen und südlichen Nachbarprovinzen nicht unmittelbar betroffen, wenn auch die Sicherheitslage dort weiterhin angespannt ist. Die Antragstellerin kann sich daher auch nicht auf eine politische Verfolgung durch nichtstaatliche Dritte berufen.
Zwar besteht in weiten Teilen des Iraks seit Mitte 2014 eine Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure in Gestalt des IS. Jedoch sind nach den Erkenntnissen des Gerichts und des Auswärtigen Amtes (vgl. den Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak v. 18.2.2016, Gutachten Europäisches Zentrum für kurdische Studien v. 7.9.2015) die kurdischen Autonomiegebiete davon nicht betroffen. Vielmehr leben dort in großer Anzahl Flüchtlinge, die vor den Umtrieben des IS geflohen sind. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ist prognostisch auch in Zukunft mit einer politischen Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure dort nicht zu rechnen. Nach der Rückeroberung der Großstadt … aus den Händen der IS-Miliz durch das irakische Militär (Spiegel-online v. 28.12.2015) und einer Verminderung der dschihadistischen Kämpfer im Irak (Spiegel-online v. 5.2.2016) besteht derzeit keine Verfolgungswahrscheinlichkeit in den Autonomiegebieten, die von der kurdischen Regionalregierung beherrscht werden.
4. Der Antragstellerin steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Todesstrafe), § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) oder § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i. V. m. Art. 15 c der RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) in Bezug auf den Irak zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auch insoweit auf die zutreffende Begründung im Bescheid des Bundesamtes (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG liegen ersichtlich nicht vor.
Im Hinblick auf die Schutzregelung nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, wonach einem Ausländer subsidiärer Schutz zusteht, wenn er in seinem Herkunftsland als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, verweist das Gericht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.4.2010 – 10 C 4/09.
Dass nicht gleichsam jede Zivilperson im Irak allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist, folgt im Übrigen bereits daraus, dass bei einer Gesamtbevölkerung mit etwa 32 bis 34 Millionen Einwohnern (vgl. www.asien-auf-einen-blick.de/irak/, www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Irak.html) die Zahl der zivilen Todesopfer im Jahr 2015 mit insgesamt 17.502 (2014: 20.169, vgl. https://www. iraqbodycount.org/database/v. 29.9.2016) angegeben ist. Auch wenn 2016 die Opferzahlen ansteigen sollten, reicht die abstrakte Gefahr, angesichts von Kampfeshandlungen in einigen Bereichen im Irak Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht aus.
Von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kann in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak nicht gesprochen werden. Zwar findet im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt statt, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Dieser innerstaatliche Konflikt stellt aber keine landesweite Konfliktsituation dar, da in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak keine tatsächliche Gefahr besteht. Die Antragstellerin muss daher dort nicht damit rechnen, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, so dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich in diesem Landesteil oder diesen Landesteilen aufhält.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Prognose der derzeitigen Situation im Irak ergibt, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 4 Abs. 3 AsylG i. V. m. § 3c AsylG) in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak und somit derzeit keine Verfolgungsgefahr für die Antragstellerin besteht; weder eine staatliche noch eine Verfolgungsgefahr durch nichtstaatliche Akteure.
Eine Rückkehr in den Nordirak erscheint unter diesen Gesichtspunkten möglich.
5. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben/vorgetragen.
a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich. Die Geltendmachung familiärer Gesichtspunkte betrifft ein rein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, welches nicht im Asylverfahren, sondern von der zuständigen Ausländerbehörde nach Maßstäben des AufenthG zu beurteilen ist.
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 2/01, in NVwZ 2001, 1420).
Sonstige Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.
6. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziff. 4, wonach die Antragstellerin unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert ist, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber der Antragstellerin entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn sie ist, wie oben ausgeführt, nicht als Asylberechtigte oder Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihr subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu; sie besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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