Verwaltungsrecht

Zur Unzumutbarkeit eines Schulwechsels als Voraussetzung für die Übernahme von Beförderungskosten

Aktenzeichen  7 ZB 18.1670

Datum:
16.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2021, 341
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchBefV § 2 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2
VwGO § 86 Abs. 3

 

Leitsatz

Werden gesundheitliche Gründe dafür angeführt, dass ein Schulwechsel im Sinne von § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV nicht zumutbar ist, ist dies durch aktuelle und aussagekräftige Nachweise zu belegen. (Rn. 12)
1. Die Unzumutbarkeit setzt außergewöhnliche individuelle Umstände voraus, die zum Ausgleich der durch die Beschränkung der Beförderungspflicht auf die nächstgelegene Schule verursachten Härten Berücksichtigung verlangen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von einem Schulwechsel im Sinne des § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV ist nicht auszugehen, wenn der Schüler oder die Schülerin von Anfang an nicht die nächstgelegene Schule der gewählten Schulart besucht. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 86 Abs. 3 VwGO verpflichtet das Gericht nicht dazu, einen anwaltlich vertretenen Beteiligten in alle denkbaren materiell-rechtlichen Richtungen zu beraten und ihm damit das Risiko abzunehmen, die Tatbestandsvoraussetzungen ihrer anspruchsbegründenden Norm ausreichend darzulegen und nachzuweisen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 K 17.953 2018-05-22 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 954,80 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Beförderungskosten für das Schuljahr 2016/2017. Mit Beginn dieses Schuljahrs wechselte sie in die 7. Jahrgangsstufe der Städtischen Wirtschaftsschule Sch.. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage auf Verpflichtung des Beklagten, ihr die Beförderungskosten zum Besuch der Wirtschaftsschule in Sch. zu erstatten, abgewiesen. Es hat im Wesentlichen argumentiert, ein Anspruch der Klägerin bestehe bereits deshalb nicht, weil es sich bei der Städtischen Wirtschaftsschule Sch. nicht um die nächstgelegene Schule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV handele. Nächstgelegen in diesem Sinne sei die H.-B.-Wirtschaftsschule in F.. Eine Übernahme der Beförderung aufgrund einer Ermessensentscheidung des Beklagten nach § 2 Abs. 4 SchBefV käme ebenfalls nicht in Betracht.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
Durch das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren werden die vom Verwaltungsgericht zur Begründung des angefochtenen Urteils angeführten Erwägungen nicht ernstlich in Frage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
Die Klägerin meint, sie habe einen Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten, weil das Verwaltungsgericht die Anforderungen an ihre „Substantiierungslast im Hinblick auf die Unzumutbarkeit des Schulwechsels“ überspannt habe. Die Klägerin leide seit früher Kindheit an Selektivem Mutismus. Mit Bescheid vom 27. Dezember 2017 habe das Zentrum Bayern Familie und Soziales bei ihr rückwirkend zum 1. Januar 2008 eine Behinderung im Sinne von § 2 SGB IX festgestellt. Ferner trägt sie vor, der Beklagte habe unzulässigerweise von der rechtlichen Möglichkeit, auch eine Beförderung zu einer anderen Schule zu übernehmen, keinen Gebrauch gemacht. Mit diesen Einwendungen dringt die Klägerin nicht durch.
a) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Schülerbeförderung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV hat, weil die von der Klägerin besuchte Städtische Wirtschaftsschule Sch. unstrittig nicht die „nächstgelegene“ Schule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV ist. Hiergegen wendet sich die Klägerin nicht.
b) Das Verwaltungsgericht ist zudem zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte die Beförderung der Klägerin zur Städtischen Wirtschaftsschule Sch. im streitgegenständlichen Zeitraum (Schuljahr 2016/2017, 7. Klasse) auch nicht nach § 2 Abs. 4 SchBefV im Ermessenswege übernehmen musste. Nach dieser Vorschrift „kann“ aus bestimmten, im Einzelnen normativ festgelegten Gründen die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule übernommen werden. Hierzu hat der Kreistag des Beklagten mit Beschluss vom 3. Mai 2004 entschieden, dass von dieser Möglichkeit grundsätzlich kein Gebrauch gemacht wird und nur die Beförderung zur nächstgelegenen Schule erfolgt. Derartige ermessenslenkende Beschlüsse sind grundsätzlich zulässig. Sie bewirken eine ständig gleichmäßige Übung der Verwaltungspraxis und führen nach Art. 3 Abs. 1 GG zu einer Selbstbindung der Verwaltung (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 122a). Die Ermessensbindung der Behörde geht zwar nicht so weit, dass wesentlichen Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr Rechnung getragen werden könnte; Ausnahmen dürfen aber auf atypische Sachverhalte beschränkt bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.1996 – 1 C 34.93 – BVerwGE 100, 335 Rn. 22). Werden im Einzelfall atypische Besonderheiten aufgezeigt, übt die Behörde ihr Ermessen rechtsfehlerhaft aus, wenn sie die betreffenden Umstände unberücksichtigt lässt und sich lediglich auf eine bestehende Beschlusslage beruft.
c) Auf eine rechtmäßige Ermessensausübung des Beklagten kommt es vorliegend nicht an, da die in § 2 Abs. 4 SchBefV genannten tatbestandlichen Voraussetzungen bereits nicht erfüllt sind. Die diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts stellt die Klägerin mit ihren Ausführungen nicht ernstlich in Frage.
aa) Zu der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Klägerin könne nicht mit Erfolg eine Ausnahmeregelung nach § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV für sich beanspruchen, verhält sich die Klägerin bereits nicht.
bb) Soweit das Verwaltungsgericht darüber hinaus einen Beförderungsanspruch nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV mit der Begründung abgelehnt hat, es seien keine Gesichtspunkte geltend gemacht worden, die die nach der Vorschrift erforderliche Unzumutbarkeit rechtfertigen könnten, setzt sich die Klägerin mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert auseinander, sondern wiederholt im Zulassungsverfahren im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Damit genügt sie den ihr nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO obliegenden Darlegungspflichten nicht.
(1) Gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV kann die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule ganz oder teilweise nur übernommen werden, wenn ein Schulwechsel nicht zumutbar ist. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt die Unzumutbarkeit außergewöhnliche individuelle Umstände voraus, die zum Ausgleich der durch die Beschränkung der Beförderungspflicht auf die nächstgelegene Schule verursachten Härten Berücksichtigung verlangen (BayVGH, B.v. 4.8.2003 – 7 C 03.800 – juris Rn. 10). Werden gesundheitliche Gründe für eine Unzumutbarkeit angeführt, sind diese durch aktuelle und aussagekräftige Nachweise zu belegen. Vorliegend wurden außergewöhnliche individuelle Umstände nur allgemein und ohne nähere Konkretisierung behauptet. Der Vortrag, der Besuch der Wirtschaftsschule in Sch. sei medizinisch indiziert, wurde nicht substantiiert. Es wurden weder entsprechende Argumente vorgetragen noch aussagekräftige Nachweise hierfür vorgelegt. Die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Unterlagen (Attest Dr. med. R. B. v. 3.3.2009; Stellungnahme der Frühförderung Kinderhilfe v. 2.3.2009) stellen die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin im Vorschulalter dar und empfehlen ihren Eltern, sie von der Einschulung zurückstellen zu lassen. In ihrer Bescheinigung vom 25. Juni 2012 zeigt die Sprachtherapeutin P. Z. eine positive Entwicklung der Klägerin auf. Insbesondere regte diese damals einen Verbleib auf der Regelschule an. Die beigebrachten Unterlagen enthalten keinerlei Aussagekraft bzw. Prognosewirkung für die Frage, ob zum Schuljahr 2016/2017 – also mehrere Jahre später – die von der Klägerin behauptete Unzumutbarkeit objektiv vorgelegen hat. Allenfalls könnte aus diesen eine grundsätzliche Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Klägerin abgeleitet werden.
Auch dem im Rahmen des Zulassungsverfahrens vorgelegten Attest von Frau Dr. S. A. vom 27. Juli 2018 lassen sich keine Gründe für eine Unzumutbarkeit entnehmen. Bedenken gegen die Aussagekraft des vorgelegten Attests bestehen bereits deshalb, weil es sich explizit auf einen Wechsel der Klägerin an die Realschule bezieht. Dem Attest ist hierzu zu entnehmen, der Klägerin sei im letzten Schuljahr (gemeint wohl das streitgegenständliche Schuljahr 2016/2017) sogar der Übertritt in eine Realschule möglich gewesen. Nach verschiedenen Schulbesichtigungen habe sie in Sch. eine entsprechende Realschule gefunden. Aus ärztlicher Sicht sei der Verbleib auf dieser weiterführenden Schule für die Gesundheit des Mädchens notwendig. Ungeachtet dessen wird auch in diesem Attest lediglich behauptet, dass der Verbleib an der von ihr selbst gewählten Schule notwendig sei. Wie die Ärztin zu dieser Einschätzung gelangt ist und welche medizinische Begründung ihrer Einschätzung zu Grunde liegt, ist dem Schreiben nicht substantiiert zu entnehmen. Es fehlt insbesondere an einer schlüssigen Darstellung, wie sich die Erkrankung der Klägerin auf ihre schulischen Leistungen zum Zeitpunkt des Wechsels auf die Städtische Wirtschaftsschule Sch. ausgewirkt hat, welche besonderen Anforderungen das individuelle Krankheitsbild aus medizinischer Sicht an die zu besuchende Schule stellt und warum gerade die Städtische Wirtschaftsschule Sch. anders als die Wirtschaftsschule in F. diesen Anforderungen gerecht werden kann. Allein der Hinweis auf den bei der Klägerin diagnostizierten Selektiven Mutismus reicht nicht aus, die Unzumutbarkeit zu belegen.
Auch der Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 27. Dezember 2017 bzw. die darin festgestellte Behinderung der Klägerin erlauben keine Rückschlüsse auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV. Dem Bescheid lässt sich nur entnehmen, dass für sie auf Grund einer psychischen Entwicklungsstörung ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt wurde. Allein aus der Behinderung der Klägerin kann nicht abgeleitet werden, dass sie einen Anspruch auf Schülerbeförderung unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der Schülerbeförderungsverordnung hat. Hierzu hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass für Schüler und Schülerinnen mit Behinderung die durch Art. 1 Abs. 1 Satz 2 SchKrfG erweiterte Beförderungspflicht nur zur nächstgelegenen Schule im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht.
Das Verwaltungsgericht hat somit richtigerweise angenommen, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV nicht vorliegen. Somit kommt es nicht darauf an, ob abweichend vom Kreistagsbeschluss vom 3. Mai 2004 eine individuelle Ermessensausübung erforderlich gewesen wäre. Die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin können die Zulassung der Berufung ebenfalls nicht rechtfertigen.
(2) Da die Klägerin aus den vorstehenden Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufgezeigt hat, ist die Berufung bereits deshalb nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Im Zulassungsverfahren kommt es somit nicht auf die Tatsache an, dass der Tatbestand des § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV bereits deshalb nicht erfüllt ist, weil kein Schulwechsel im Sinne der Vorschrift vorgelegen hat. Die Klägerin wechselte im Schuljahr 2016/2017 erstmalig zum Beginn der 7. Jahrgangsstufe auf die vierjährige Städtische Wirtschaftsschule Sch. (Jahrgangsstufe 7 – 10). Von einem Schulwechsel im Sinne des § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV ist jedoch dann nicht auszugehen, wenn der Schüler oder die Schülerin von Anfang an nicht die nächstgelegene Schule der gewählten Schulart besucht (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2009 – 7 ZB 08.3048 – juris Rn. 15 m.w.N.). Eine Kostenerstattung scheidet dann nicht nur im ersten Jahr des Besuchs einer solchen Schule aus, sondern auch in Folgejahren (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2008 – 7 B 08.550 – juris Rn. 26). Ein Anspruch der Klägerin aus § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV wäre daher auch aus diesem Grunde abzulehnen gewesen.
2. Ungeachtet dessen, ob die Klägerin ihren Darlegungspflichten aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO im gebotenen Maß nachkommt, weist die Rechtslage vorliegend keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Entscheidend für besondere rechtliche Schwierigkeiten ist dabei stets die Qualität, nicht die Quantität (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 27). Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt (vgl. Happ, a.a.O., § 124 Rn. 33).
Allein die Bezugnahme auf möglicherweise anzuwendendes europäisches Recht genügt für die Annahme besonderer rechtlicher Schwierigkeiten nicht. Dafür, dass der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht besonders unübersichtlich oder besonders schwierig zu ermitteln ist, ist nicht ausreichend vorgetragen.
3. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nichtrevisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.11.2019 – 4 ZB 19.1671 – juris Rn. 10 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren sowie deren (2.) Klärungsfähigkeit, (3.) Klärungsbedürftigkeit und (4.) allgemeine Bedeutung substantiiert darlegen (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Diesen Darlegungsanforderungen kommt das Zulassungsvorbringen nicht nach. Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Frage, die über den hier streitgegenständlichen Einzelfall hinausgeht.
4. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
a) Die Klägerin hat den – mit ihrem Hinweis auf die Nichteinholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens – sinngemäß gerügten Aufklärungsmangel schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise geltend gemacht.
Wer, wie die Klägerin, die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht erhebt, obwohl sie – durch eine nach § 67 Abs. 1 VwGO postulationsfähige Person vertreten – in der Vorinstanz keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO), muss, um den gerügten Verfahrensmangel prozessordnungsgemäß zu bezeichnen, insbesondere substantiiert darlegen, warum sich dem Tatsachengericht aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der aufgezeichneten Richtung hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 5.3.2010 – 5 B 7.10 – juris Rn. 9 m.w.N.; BayVGH, B.v. 5.2.2016 – 7 ZB 15.1073 – juris Rn. 11). Die Rüge unzureichender Sachaufklärung stellt kein Mittel dar, um das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen in einer mündlichen Verhandlung zu kompensieren. Diese aufgezeigten Darlegungsanforderungen erfüllt die Zulassungsbegründung nicht. Nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2018 keine förmlichen Beweisanträge gestellt hat, hätte die Klägerin somit darlegen müssen, warum sich dem Verwaltungsgericht eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen. Hierzu verhält sich die Klägerin nicht. Ihr Verweis auf die Atteste aus den Jahren 2009 und 2012 ist nicht ausreichend; das Attest vom 27. Juli 2018 lag dem Verwaltungsgericht nicht vor.
Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht nicht gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen. Sind – wie hier – keine förmlichen Beweisanträge gestellt worden, so bestimmt das Gericht den Umfang seiner Aufklärung nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Die Grenzen dieses Ermessens überschreitet es dabei nur, wenn es eine Ermittlung unterlässt, die sich nach den Umständen des Falles von seinem Rechtsstandpunkt aus aufdrängen musste, d.h. wenn die bisherigen Tatsachenfeststellungen seine Entscheidung noch nicht sicher tragen (BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 5 ZB 15.804 – juris Rn. 21 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben musste es sich dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängen, in eine Beweiserhebung durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens einzutreten. Denn für das Gericht reichten die tatsächlichen Anhaltspunkte (Vortrag der Klägerin, Attest Dr. med. R. B. v. 3.3.2009; Stellungnahme der Frühförderung Kinderhilfe v. 2.3.2009) nicht aus, um das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung „nicht zumutbar“, wofür die Klägerin im Übrigen beweispflichtig ist, weiter aufklären zu müssen.
b) Die Berufung ist auch nicht wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zuzulassen (Art. 103 Abs. 1 GG). Unabhängig davon, ob die Klägerin insoweit ihren Darlegungsverpflichtungen nachkommt, greift hier die Rüge, das Verwaltungsgericht habe gegen die ihm nach § 86 Abs. 3 VwGO obliegende Hinweispflicht verstoßen und damit zugleich eine mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zu vereinbarende Überraschungsentscheidung getroffen, nicht durch. Das Gericht war nicht verpflichtet, die durch einen Rechtsanwalt vertretene Klägerin in alle denkbaren materiell-rechtlichen Richtungen zu beraten und ihr damit das Risiko abzunehmen, die Tatbestandsvoraussetzungen ihrer anspruchsbegründenden Norm ausreichend darzulegen und nachzuweisen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 86 Rn. 85 f.) Es darf grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt mit der Sach- und Rechtslage hinreichend vertraut ist (BayVGH, B.v. 4.2.3016 – 4 ZB 15.2506 – juris Rn. 20).
5. Lediglich zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 27. April 2017 nicht zu beanstanden ist. Sie beruht auf Art. 80 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG. Die Höhe der Gebührenbemessung beruht auf Art. 9 Abs. 1 Satz 4 Kostengesetz. Dieser gibt einen Rahmen von bis zu 5.000 Euro vor. Vor diesem Hintergrund ist eine Gebührenfestsetzung in Höhe von 60 Euro für das Widerspruchsverfahren angemessen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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