Verwaltungsrecht

Zurechenbarkeit der Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers einer GmbH

Aktenzeichen  22 ZB 21.1937

Datum:
11.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 969
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4, Abs. 5

 

Leitsatz

1. Die Unzuverlässigkeitsgründe des Geschäftsführers sind der gewerbetreibenden Gesellschaft nur insoweit zuzurechnen, als sie sich aus dessen Pflichtverletzung als Geschäftsführer ergeben. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus der Nichtabgabe der Vermögensauskunft ergibt sich die Weigerung der Gewerbetreibenden, durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (vertreten durch den Geschäftsführer) ihren Gläubigern den notwendigen Überblick über ihre Vermögensverhältnisse zu verschaffen, was mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung nicht zu vereinbaren ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 20.167 2021-03-01 Ent VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2019 untersagte die Beklagte der Klägerin die gewerbliche Tätigkeit „Groß- und Einzelhandel mit, sowie Im- und Export von verpackten Lebensmitteln, Kosmetika, Getränken, Körperpflegemitteln und Textilien; Entwerfen und Vermittlung von Werbemitteln; Organisation und Durchführung von Veranstaltungen; Tätigkeit im Marketingbereich; An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen (neu- und gebraucht); Betrieb eines Organisationsbüros; Auf- und Abbau von Messeständen; Einzelhandel mit Hanf- und/oder Naturprodukten (keine zulassungspflichtigen CBD-Produkte), sowie die Ausübung jeglicher selbstständige[r] Tätigkeit im stehenden Gewerbe“ (Nr. 1 des Bescheids). Der Klägerin wurde aufgegeben, die unter Nr. 1 fallenden Gewerbetätigkeiten spätestens zehn Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nr. 2); für den Fall, dass sie dem nicht nachkommt, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nr. 3). Zudem setzte die Beklagte Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 450,- € gegen die Klägerin fest (Nr. 4).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin als Gewerbetreibende und der mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragte alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer C. die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besäßen. Die Unzuverlässigkeit der Klägerin ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass sie trotz des drohenden Gewerbeuntersagungsverfahrens ihren Zahlungsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkomme bzw. nachgekommen sei, wobei es keine Rolle spiele, aus welchen Gründen sie dies nicht könne oder wolle. Die beharrliche Nichterfüllung der Verpflichtungen lasse nicht nur auf wirtschaftliche Schwierigkeiten schließen, sondern auf die Neigung der Klägerin, diesen Schwierigkeiten unter Verletzung der Rechtsordnung Herr zu werden. Die Klägerin befinde sich in ungeordneten Vermögensverhältnissen, was die drei Eintragungen im Vollstreckungsportal/Schuldnerverzeichnis mit „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ beweisen würden. Die Einträge belegten zugleich, dass die Klägerin weder freiwillige Zahlungen leiste noch mit den Gläubigern tragfähige Sanierungskonzepte erarbeiten habe können. Ihr Vorbringen im Rahmen der Anhörung könne die erhobenen Vorwürfe nicht entkräften. Es liege zudem eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit vor, welche nach der ständigen Rechtsprechung eine erweiterte Gewerbeuntersagung rechtfertige.
Gegen den Bescheid ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten am 14. Januar 2020 Klage zum Verwaltungsgericht München erheben.
Mit Urteil vom 1. März 2021, den Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 18. Juni 2021, wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
Mit am 15. Juli 2021 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag beantragten die Bevollmächtigten der Klägerin die Zulassung der Berufung. Zur Antragsbegründung wurden mit Schriftsatz vom 18. August 2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht.
Die Beklagte ist dem Antrag auf Zulassung der Berufung entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichtsakten beider Rechtszüge im vorliegenden und im Verfahren 22 ZB 21.1936 (M 16 K 20.166) sowie auf die Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in der Antragsbegründung (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426.17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.).
Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen vorliegend nicht.
1.1 Soweit die Bevollmächtigten der Klägerin einwenden, dass sich die Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers C. nicht aus dessen Steuerschulden oder den ihn betreffenden Eintragungen im Schuldnerverzeichnis herleiten lasse, können sich daraus bereits keine ernstlichen Zweifel ergeben, weil das Verwaltungsgericht seine Entscheidung darauf nicht gestützt hat. Im Gegenteil stellt das Verwaltungsgericht ausdrücklich klar, dass es, soweit die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit der Klägerin als Grundlage für ihre gewerberechtliche Unzuverlässigkeit herangezogen wird, nur auf ihre Vermögensverhältnisse und Verbindlichkeiten ankommt. Die Unzuverlässigkeitsgründe des Geschäftsführers C. sind der Klägerin nur insoweit zuzurechnen, als sie sich aus dessen Pflichtverletzung als Geschäftsführer ergeben (vgl. UA S.8, Rn. 22 m.V.a. BayVGH, U.v. 14.8.2014 – 22 B 14.880 – juris Rn. 16). Daran anknüpfend erörtert das Verwaltungsgericht die Unzuverlässigkeit der Klägerin ausschließlich anhand deren Eintragungen im Schuldnerverzeichnis und dem sich daraus ergebenden Schluss auf die Leistungsunfähigkeit und Leistungsunwilligkeit (vgl. UA S. 9, Rn. 23 ff).
1.2 Aber auch soweit sich die Klägerin gegen diese zuletzt angeführten (entscheidungstragenden) Ausführungen des Verwaltungsgerichts wendet, vermag sie keine ernsthaften Zweifel darzulegen. Der Vortrag, die Staatsanwaltschaft habe ab Januar 2019 Unterlagen bei ihrem Geschäftsführer C. beschlagnahmt, so dass diese Unterlagen seinem Zugriff und seiner Kenntnis entzogen gewesen seien, ist rein wiederholend und setzt sich nicht substantiiert mit der zutreffenden Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander. Dieses hat zutreffend festgestellt, dass eine der Eintragungen im Vollstreckungsportal die Klägerin betreffend bereits im April 2018 erfolgt ist und die Forderungen, welche den beiden anderen Eintragungen zugrunde liegen, aus der Zeit vor 2019 stammen, so dass die Forderungen lange vor den monierten Durchsuchungen zu begleichen gewesen wären (vgl. UA S. 9, Rn. 24). Ebenso hat sich das Verwaltungsgericht bereits erstinstanzlich mit dem Vortrag, die Eintragungen betreffend die Klägerin seien zwischenzeitlich sämtlich materiellrechtlich erledigt und könnten keine negative Prognose rechtfertigen, auseinandergesetzt. Insoweit wird seitens der Klägerin eingewandt, dass es sich bei zwei der vier Eintragungen um mittlerweile ausgeglichene und damit erledigte Forderungsangelegenheiten handle. Bei den zwei anderen, zwischenzeitlich ebenso erledigten Angelegenheiten habe die Klägerin ab Oktober bzw. November 2018, d.h. bereits vor Bescheiderlass, wiederholte und mit der Gläubigerseite abgestimmte Zahlungen geleistet. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen keine Ratenzahlungsvereinbarung entnehmen lasse, begegne daher ernsthaften Zweifeln. Ohnehin würde die geringe Höhe der Rückstände keine Gewerbeuntersagung rechtfertigen. Die von den Bevollmächtigten der Klägerin behaupteten Zweifel bestehen nicht; insbesondere ergeben die vorgelegten Unterlagen keinen Anlass zu solchen. Weder geht daraus hervor, dass sämtliche Eintragungen schon vor Bescheidserlass erledigt waren, noch dass für die zugrundeliegenden Forderungen eine Ratenzahlungsvereinbarung auf Basis eines Sanierungskonzepts bestand. Zwar sind Teilzahlungen zwischen Oktober 2018 bis Februar 2019 dokumentiert; gerade die beiden zum 16. April 2019 und 4. Juni 2019, also zu einem späteren Zeitpunkt erfolgten Eintragungen ins Schuldnerverzeichnis belegen aber, dass, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, insoweit kein mit den Gläubigern abgestimmtes Tilgungs- und Sanierungskonzept zugrunde gelegen haben kann. Auch der Einwand einer „geringen Höhe der Rückstände“ ist insoweit irrelevant. Denn das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich auf die Nichtabgabe der Vermögensauskunft abgestellt und diese zu Lasten der Klägerin als Ausdruck der Leistungsunwilligkeit gewertet (vgl. UA S. 9, Rn. 23). Denn aus der Nichtabgabe der Vermögensauskunft ergibt sich die Weigerung der Klägerin, durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (vertreten durch den Geschäftsführer, dessen Verhalten ihr insoweit zuzurechnen ist, s.o.) ihren Gläubigern den notwendigen Überblick über ihre Vermögensverhältnisse zu verschaffen, was mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung nicht zu vereinbaren ist und die Annahme rechtfertigt, dass die Klägerin nicht nur leistungsunwillig, sondern auch leistungsunfähig ist (stRpr des Senats, vgl. etwa B.v.19.10.2020 – 22 ZB 20.362 – juris Rn. 24 m.V.a. den auch vom VG zitierten B.v. 19.2.2009 – 22 ZB 09.218 – juris Rn. 2).
Dass die Gewerbeuntersagung unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft ist, wird angesichts dessen und auch mangels konkreter Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen erstinstanzlichen Vortrag ebenso wenig plausibel dargelegt wie ernstliche Zweifel an der Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 54.2.1 und Nr. 54.2.2 der Empfehlungen des. Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (wie Vorinstanz).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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