Verwaltungsrecht

Zurechnung der fehlenden Mitwirkung der Eltern bei der Passbeschaffung für ihr minderjähriges Kind

Aktenzeichen  19 C 21.1914

Datum:
5.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30622
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 48 Abs. 3 S. 1, § 61 Abs. 1c S. 2, § 80 Abs. 4
BGB § 1626, § 1629

 

Leitsatz

1. Eine Aufenthaltsbeschränkung stellt keine Sanktionsmaßnahme für vergangenes Fehlverhaltens dar, sondern soll Ausländer, die über ihre Identität täuschen oder die bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten nicht ausreichend mitwirken, enger an den Bezirk der Ausländerbehörde binden, um ggf. sicherzustellen, dass sie für etwaige erforderliche Mitwirkungshandlungen leichter erreichbar sind und um ein mögliches Untertauchen zu erschweren. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Nichtbeachtung der Verpflichtung des gesetzlichen Vertreters, für den Minderjährigen alle für seinen Aufenthalt und die Passerlangung erforderlichen Anträge zu stellen, ist ein Verstoß gegen die eigene Mitwirkungspflicht. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein minderjähriges Kind, für das die gesetzlichen Vertreter nach § 80 Abs. 4 AufenthG verpflichtet sind, die erforderlichen Anträge auf Erteilung und Verlängerung des Aufenthaltstitels und auf Erteilung und Verlängerung des Passes, des Passersatzes und des Ausweisersatzes zu stellen, muss sich bei der Frage der Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen das Verhalten der gesetzlichen Vertreter zurechnen lassen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 6 K 20.1113 2021-06-25 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Klägerin, eine am 14. April 2017 im Bundesgebiet geborene äthiopische Staatsangehörige, deren Asylantrag ebenso wie der ihrer Mutter und ihres Bruders unanfechtbar abgelehnt wurde (ablehnender Bundesamtsbescheid gegenüber der Klägerin vom 24.4.2017, bestandskräftig seit 3.5.2019), die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die gegen den Bescheid des Beklagten vom 29. September 2020 gerichtete Klage weiter. Mit diesem Bescheid hat der Beklagte den Aufenthalt der Mutter der Klägerin räumlich auf das Gebiet der Stadt H. beschränkt (Ziffer 1) und die Geltung der räumlichen Beschränkung auch für die beiden Kinder (die Klägerin und ihren Bruder, Ziffer 2) angeordnet.
Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage gegen den Bescheid vom 29. September 2020 mit der Begründung abgelehnt, die Mutter der Klägerin habe zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt, weil sie jedenfalls an der Beschaffung von Heimreisedokumenten und damit an der Beseitigung von Ausreisehindernissen trotz wiederholter Aufforderungen nicht ernsthaft und zielführend mitgewirkt habe. Die Klägerin müsse sich die Verletzung der Mitwirkungspflichten durch ihre Mutter zurechnen lassen (unter Verweis auf § 80 Abs. 4 AufenthG sowie VG Potsdam, B.v. 17.01.2020-8 L 950/19-juris Rn. 14; NdsOVG, B.v. 02.07.2008 – 2 ME 302/08 – juris Rn. 12).
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit dem Beschwerdevorbringen, ihr sei Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da es sich bei der Klägerin um ein Kind handle, das aufgrund ihres Alters rechtlich nicht handlungsfähig sei und somit keine rechtswirksamen Entscheidungen treffen könne. Aufgrund dieser Tatsache sei auch davon auszugehen, dass damit auch keine rechtliche Verantwortlichkeit bei Kindern vorliegen könne. Zwischen der Handlungsfähigkeit und der Verantwortlichkeit gebe es einen Zusammenhang. Nur derjenige, der rechtlich als voll handlungsfähig angesehen werde, trage in der Regel auch die Verantwortung für die Folgen seiner Entscheidungen und Handlungen. Derjenige der nicht voll verantwortlich sei, werde in seinen Entscheidungen und Handlungen von Dritten vertreten, die dann auch die Verantwortung dafür tragen würden. Es sei jedoch nicht so, dass die Handlungen der Dritten den Kindern zugerechnet werden könnten. Aus § 12 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ergebe sich, dass Kinder im Verwaltungsrecht nicht handlungsfähig sind. Verwaltungsrechtlich müssten also die Eltern für die Kinder handeln. Sollten diese Handlungen bzw. Mitwirkungspflichten durch die Eltern nicht erfüllt werden, so seien diese allein verantwortlich und nicht etwa die Kinder. Aufgrund des Zusammenhangs der Handlungsfähigkeit und der Verantwortlichkeit könnten die Verletzungen von Mitwirkungspflichten, die durch die Eltern begangen würden, nicht den Kindern zugerechnet werden. Aus diesen Gründen verletze der streitgegenständliche Bescheid die Rechte der Kinder und sei vollumfänglich aufzuheben. Gegen Minderjährige dürfe keine räumliche Beschränkung verhängt werden, da diese selbst im verwaltungsrechtlichen Sinne nicht handlungsfähig seien und aus diesen Gründen auch nicht gegen verwaltungsrechtliche Vorschriften verstoßen könnten. Auch habe der Gesetzgeber selbst in seiner Gesetzesbegründung in der Bundestagsdrucksache (BT-Drs.) 18/11546 auf Seite 22 seinen gesetzgeberischen Willen dahingehend kundgetan, dass sich geduldete Minderjährige das Verhalten ihrer Eltern nicht zurechnen lassen müssten. Es sei also nicht ausschlaggebend, dass der Gesetzgeber dies nicht explizit in der Vorschrift des § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG nochmals schriftlich niedergelegt habe.
Aus dem Beschwerdevorbringen, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage gegen die räumliche Beschränkung zu Unrecht abgelehnt hat.
Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Klage der Klägerin voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird.
Gemäß § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG soll eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
Eine Aufenthaltsbeschränkung stellt sich nicht als Sanktionsmaßnahme vergangenen Fehlverhaltens dar. Vielmehr sollen gerade Ausländer, die über ihre Identität täuschen oder die bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten nicht ausreichend mitwirken, enger an den Bezirk der Ausländerbehörde gebunden werden, um ggf. sicherzustellen, dass sie für etwaige erforderliche Mitwirkungshandlungen leichter erreichbar sind und um ein mögliches Untertauchen zu erschweren (vgl. BT-Drs. 18/11546, S. 22). Darüber hinaus soll die Aufenthaltsbeschränkung auch eine intensivere ausländerrechtliche Betreuung des Ausländers ermöglichen. Demgegenüber muss das Recht auf Freizügigkeit insbesondere dann zurücktreten, wenn der Betroffene keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und kein zwingender Bedarf auf Freizügigkeit besteht.
Ein ausreisepflichtiger Ausländer hat im Rahmen der Mitwirkungsverpflichtung nach § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG alle zur Erfüllung seiner Ausreisepflicht erforderlichen Maßnahmen, und damit auch die zur Beschaffung eines gültigen Passes oder Passersatzpapiers, grundsätzlich ohne besondere Aufforderung durch die Ausländerbehörde unverzüglich einzuleiten. Nach § 80 Abs. 4 AufenthG sind die gesetzlichen Vertreter eines Ausländers, der minderjährig ist, und sonstige Personen, die an Stelle der gesetzlichen Vertreter den Ausländer im Bundesgebiet betreuen, verpflichtet, für den Ausländer die erforderlichen Anträge auf Erteilung und Verlängerung des Aufenthaltstitels und auf Erteilung und Verlängerung des Passes, des Passersatzes und des Ausweisersatzes zu stellen. Bei der Mitwirkung an der Beschaffung eines Rückreisedokuments handelt es sich nicht um eine einmalige, separierbare Einzelpflicht, sondern um ein Pflichtenbündel zur Erlangung von Identitätspapieren. Dabei kann der Ausländer sich nicht allein auf die Erfüllung derjenigen Pflichten, die ihm konkret von der Ausländerbehörde vorgegeben werden, beschränken, sondern ist vielmehr angehalten, eigenständig die Initiative zu ergreifen und weitere erforderliche Schritte in die Wege zu leiten, um das bestehende Ausreisehindernis nach seinen Möglichkeiten zu beseitigen (vgl. Winkelmann/Wunderle in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 48 Rn. 6). Die allgemeinen Obliegenheiten und Mitwirkungspflichten des Ausländers bei der Klärung seiner Identität unterliegen regelmäßig ausschließlich dessen eigenem Einflussbereich, dasselbe gilt für die aus der elterlichen Sorge resultierende Pflicht zur Besorgung der rechtlichen Angelegenheiten für die minderjährigen Kinder als gesetzliche Vertreter (§§ 1626, 1629 BGB, die Personensorge umfasst auch die Pflicht zur Beantragung notwendiger Ausweispapiere, vgl. Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 1626 Rn. 16).
Dass der Ausländer diesen Pflichten in ausreichender und zumutbarer Weise nachzukommen versucht hat, hat er daher zunächst darzulegen und ggf. zu belegen. Erst wenn er die aufgezeigten (üblichen) Mitwirkungshandlungen und Obliegenheiten nachweislich erfüllt hat, trägt die Ausländerbehörde die Darlegungs- und Beweislast dafür, welche konkreten weiteren und nicht von vornherein aussichtslosen Mitwirkungshandlungen der Betroffene zur Beseitigung des Ausreisehindernisses noch unternehmen kann. Zweifel in Bezug auf die Möglichkeit einer Identitätsklärung bzw. Passbeschaffung gehen dabei grundsätzlich zu Lasten des Ausländers, weil er für die ausschließlich seinem Einflussbereich unterliegenden, ihm günstigen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig ist und dies auch in Ansehung einer für ihn möglicherweise schwierigen Beweissituation gilt (VGH BW, B.v. 9.4.2019 – 11 S 2868/18 – juris Rn. 8; OVG NRW, B.v. 18.9.2006 – 18 A 2388/06 – B.v. 5.6.2008 — 18 E 471/08 -; B.v. 21.8.2014 – 18 A 1668/12 – jeweils juris).
Ausländer, die den aufgezeigten Obliegenheiten und Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachkommen, haben die sich aus ihrem Verhalten ergebenden Nachteile grundsätzlich hinzunehmen; es ist ihre Sache, die Nachteile gering zu halten, indem sie sich frühzeitig und nachhaltig um die Beseitigung der Ausreisehindernisse bemühen. Dies gilt erst recht, wenn sie ohne oder mit gefälschten Reisedokumenten nach Deutschland eingereist sind und damit gezielt die Umstände herbeigeführt haben, die nun ihrer freiwilligen Ausreise und ihrer Abschiebung entgegenstehen (OVG NRW, B.v. 18.9.2006 – 18 A 2388/06 – juris Rn. 4 ff.; BVerwG, B.v. 30.4.1997 – 1 B 74/97 – juris). Die Nichtbeachtung der Verpflichtung des gesetzlichen Vertreters, für den Minderjährigen alle für seinen Aufenthalt und die Passerlangung erforderlichen Anträge zu stellen, ist ein Verstoß gegen die eigene Mitwirkungspflicht (vgl. Samel in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 80 Rn. 10; vgl. NdsOVG, B.v. 12.8.2010 – 8 PA 183/10 – juris Rn. 9). Kinder haften zivilrechtlich nach § 278 BGB für ihre Eltern, soweit sie auf Grund ihres Sorgerechts bestehende Verpflichtungen des Kindes (nicht) erfüllen (vgl. Budzikiewicz in Jauernig, BGB, 18. Aufl. 2021, BGB § 1626 Rn. 9). Unabhängig von der Zurechnung etwaiger Täuschungshandlungen teilen minderjährige ausländische Kinder das Schicksal ihrer Sorgeberechtigten. Ausländer, die über ihre Identität täuschen oder ihre Abschiebung durch mangelnde Mitwirkung verhindern, können sich der Verantwortung für ihre Handlungen nicht dadurch entziehen, dass ihre Kinder zwangsläufig von ausländerrechtlichen Maßnahmen mitbetroffen sind. Besondere Umstände, die eine Abweichung hinsichtlich der minderjährigen Familienangehörigen gebieten, können dann vorliegen, wenn die Auswirkungen einer räumlichen Beschränkung Kinder unverhältnismäßig hart treffen und in ihren berechtigten Integrationsinteressen beeinträchtigen würden (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand: 2/2020, § 61 Rn. 36).
Der Senat hat im Beschluss vom heutigen Tage in dem Verfahren der Mutter der Klägerin (Az.: 19 C 21.1913) dargelegt, dass voraussichtlich zu Recht gegen die Mutter der Klägerin gemäß § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG eine räumliche Beschränkung auf das Stadtgebiet H. angeordnet werden konnte, da sie (ebenso wie der Kindsvater) zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen im Hinblick auf die Identitätsklärung und die Beschaffung von Identitätspapieren nicht erfüllt hat. Anders als die Klägerin meint, muss sie sich das Verhalten ihrer Eltern zurechnen lassen.
Weder ergeben sich aus dem Wortlaut des § 61 Abs. 1c AufenthG Anhaltspunkte dafür, dass die Vorschrift auf Minderjährige keine Anwendung finden darf und diese sich das Verhalten ihrer Eltern nicht zurechnen lassen müssen, noch ist ersichtlich, dass sich aus dem systematischen Gesamtzusammenhang oder nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift eine solche Interpretation ergeben könnte. Soweit der Klägerinbevollmächtigte auf die amtliche Begründung zum Gesetzentwurf verweist (BT-Drs. 18/11546, S. 22), wonach minderjährige Geduldete sich das Verhalten der Eltern oder sonstiger Personensorgeberechtigter nicht zurechnen lassen müssten, ist festzuhalten, dass die dortigen Ausführungen im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden haben. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Gelegenheit, die Frage der Zurechenbarkeit unterlassener Mitwirkungspflichten der Eltern für minderjährige Kinder abweichend von § 80 Abs. 4 AufenthG bzw. den allgemeinen Zurechnungsnormen zu regeln, ungenutzt gelassen. Aus diesem Grund liegt es fern, die Bedeutung der amtlichen Begründung zum Gesetzesentwurf in einer Weise überzubewerten, dass diese den Willen des Gesetzgebers darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2021 – 19 ZB 20.1219 – juris Rn. 9 m.w.N.; VG Potsdam, B.v. 17.1.2020 – 8 L 950/19 – juris Rn. 14).
Steht mithin nicht bereits eine Gesetzesauslegung der Anwendung des § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG auf die minderjährige Klägerin entgegen, ist auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf § 80 Abs. 4 AufenthG der Klägerin die Handlungen ihrer gesetzlichen Vertreter aufgrund ihrer Minderjährigkeit und fehlenden Handlungsfähigkeit im Sinne des Aufenthaltsgesetzes zurechnet (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2021 – 19 ZB 20.1219 – juris Rn. 9). Die Klägerin muss sich als minderjähriges Kind, für den die gesetzlichen Vertreter nach § 80 Abs. 4 AufenthG verpflichtet sind, die erforderlichen Anträge auf Erteilung und Verlängerung des Aufenthaltstitels und auf Erteilung und Verlängerung des Passes, des Passersatzes und des Ausweisersatzes zu stellen, bei der Frage der Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen das Verhalten der gesetzlichen Vertreter zurechnen lassen (resultierend zum einen aus den familienrechtlichen Regelungen zur Personensorge nach § 1626 BGB und zum anderen entsprechend zahlreicher Zurechnungsnormen wie §§ 278 Satz 1, 254 Abs. 2 Satz 2 BGB; § 32 Abs. 1 Satz 2 VwVfG; § 51 Abs. 2 ZPO, vgl. VG Potsdam, B.v. 17.1.2020 – 8 L 950/19 – juris Rn. 14 m.w.N.). Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird davon ausgegangen, dass der durch die gesetzlichen Vertreter vertretene minderjährige Ausländer bezüglich der Beseitigung von Ausreise- und Abschiebungshindernissen sich das Verhalten seines gesetzlichen Vertreters – mithin auch dessen Mitwirkungspflichtverletzungen – zurechnen lassen muss (vgl. BVerwG, B.v. 30.4.1997 – 1 B 74/97 – juris; U.v. 26.10.2010 – 1 C 18/09 – juris Rn. 22; U.v. 27.1.2009 – 1 C 40/07 – juris Rn. 22). Abgesehen davon führt die von Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Beziehung zwischen Eltern und Kindern dazu, dass Kinder in der familiären Gemeinschaft grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Erziehungsberechtigten teilen (BVerwG, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18/09 – juris Rn. 15). Der gesetzliche Zweck von § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG, eine bessere Erreichbarkeit des Ausländers zu gewährleisten, erstreckt sich naturgemäß auf die gemeinsam zu behandelnde und ggf. notwendigerweise im Familienverband abzuschiebende Familieneinheit. Insofern ist nicht ersichtlich, weshalb die 4-jährige Klägerin, die rechtlich noch weit von aufenthaltsrechtlicher Handlungsfähigkeit und einem eigenen Aufenthaltsbestimmungsrecht entfernt ist, im Hinblick auf die auch für sie nicht erfüllten Mitwirkungspflichten nicht ebenso von der für die Kindsmutter geltenden Aufenthaltsbeschränkung erfasst sein sollte. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Auswirkungen einer räumlichen Beschränkung die Klägerin unter Berücksichtigung ihres Alters unverhältnismäßig hart treffen und in ihren berechtigten Integrationsinteressen beeinträchtigen könnten. Das Recht auf Freizügigkeit der Klägerin hat gegenüber dem mit § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG verfolgten Zweck ebenso zurückzutreten wie das ihrer Eltern.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO). Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es im Hinblick auf § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG nicht.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO).


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