Verwaltungsrecht

Zuständigkeit für Abänderung einer Wohnsitzauflage in Duldung

Aktenzeichen  10 ZB 20.1593

Datum:
15.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24621
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 61 Abs. 1d S. 3
AsylG § 50
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3

 

Leitsatz

Die Abänderungsbefugnis des § 61 Abs. 1d S. 3 AufenthG steht der Ausländerbehörde des bisherigen Wohnorts und nicht der Zuzugsbehörde zu (Rn. 4). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 19.943 2020-05-26 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die ihr vom Erstgericht auferlegte Verpflichtung, über den Antrag des Klägers auf Abänderung einer Wohnsitzauflage zu entscheiden.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Solche Zweifel bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die allein streitige Zuständigkeit der Beklagten für die Änderung der Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG zu Recht bejaht. Die Auffassung, dass die mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern (BGBl. I S. 2439) mit Wirkung zum 1. Januar 2015 geschaffene Abänderungsbefugnis des § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG der Ausländerbehörde des bisherigen Wohnorts und nicht der Zuzugsbehörde zusteht, entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OVG SH, B.v. 30.7.2020 – 4 MB 23/20 – juris Rn. 24; OVG LSA, B.v. 22.01.2015 – 2 O 1/15 – juris Rn. 8, 12; vgl. auch Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 61 AufenthG Rn. 22 m.w.N.; zur alten Rechtslage etwa BayVGH, B.v. 13.4.2010 – 10 CE 09.2877 – juris Rn. 12 m.w.N.) sowie der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. nur VG Köln, U.v. 17.3.2016 – 12 K 5061/14 – juris Rn. 21; VG Saarland, B.v. 1.2.2016 – 6 L 1103/15 – juris Rn 30; VG Aachen, U.v. 22.05.2015 – 4 K 317/14 – juris Rn. 45 ff.) und wird auch von der Vertreterin des öffentlichen Interesses unter Verweis auf die behördliche Praxis geteilt. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Erstgerichts.
Im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen ist lediglich ergänzend auszuführen, dass die Zuweisungsentscheidung der Regierung von Schwaben nach § 50 AsylG der Zuständigkeit der Beklagten nicht entgegensteht‚ denn die Zuweisungsentscheidung erlischt, wenn der Ausländer ausreist oder sein Aufenthalt aus asylverfahrensunabhängigen Gründen ermöglicht wird, was auch der Fall sein kann, wenn dem Ausländer eine Duldung erteilt wird, die nicht nur der Abwicklung des asylverfahrensbedingten Aufenthalts dient (BVerwG, U.v. 31.3.1992 – 9 C 155/90 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 1.9.2015 – 21 C 15.30131 juris Rn. 7; Röder in BeckOK MigR, Stand 1.7.2020, § 50 AsylG Rn. 40 m.w.N.; Kluth/Heusch in BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.7.2020; § 50 AsylG Rn. 28). So liegt der Fall hier. Dass die dem Kläger von der Beklagten zuletzt (ohne nähere Begründung) erteilten Duldungen lediglich der Abwicklung des wegen des Asylbegehrens gewährten Aufenthalts dienen würden, ist spätestens seit der Geburt der im Bundesgebiet aufenthaltsberechtigten Tochter des Klägers nicht mehr anzunehmen.
2. Sind die von der Beklagten aufgeworfenen Zuständigkeitsfragen damit durch die genannte Rechtsprechung geklärt, kommt ihnen auch nicht mehr die von der Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, für Streitigkeiten, die sich auf eine Duldung oder eine Nebenbestimmung zu einer Duldung beziehen, den halben Regelstreitwert anzusetzen (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 3.7.2020 – 10 CS 20.1371 – juris Rn. 9; grundlegend BayVGH, B.v. 29.7.2002 – 10 C 02.1729 – juris Rn. 3).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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