Verwaltungsrecht

Zustellungen an Asylbewerber in einer Aufnahmeeinrichtung

Aktenzeichen  9 ZB 19.33265

Datum:
25.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2020, 64
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 10 Abs. 4, § 78 Abs. 3, § 80, § 83b

 

Leitsatz

Aus dem Wortlaut und dem Aufbau von § 10 Abs. 4 S. 4 AsylG ergibt sich, dass für den Beginn einer Rechtsmittelfrist auf den Zeitpunkt der Aushändigung an den Asylbewerber abzustellen ist, wenn dieser innerhalb dreier Tage ab der Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung liegt; wird der Bescheid hingegen in dieser Zeit nicht ausgehändigt, so ist der dritte tag nach Übergabe der Zustellung oder formlosen Mitteilung maßgebend für den Beginn der Frist. Eine Aushändigung nach dem dritten Tag setzt die Frist nicht erneut in Gang (vgl. OVG Hamburg BeckRS 2018, 15445). (Rn. 4) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

Au 6 K 17.34295 2019-07-23 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 23. Juli 2019 wies das Verwaltungsgericht seine Klage ab, weil der Kläger die Klagefrist versäumt habe. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 9 ZB 19.30606 – juris Rn. 3 m.w.N.). Die Frage, „ob der Eintritt der Drei-Tages-Fiktion“ (nach § 10 Abs. 4 Satz 4 Halbs. 2 AsylG) „auch für Fälle greift, wo nachweisbar eine Zustellung später erfolgt ist“, ist nicht klärungsbedürftig, da sie sich unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt.
Nach § 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG sind Zustellungen und formlose Mitteilungen „mit der Aushändigung an den Ausländer bewirkt; im Übrigen gelten sie am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt.“ Aus dem Wortlaut und dem Aufbau der Norm ergibt sich unmittelbar, dass für den Beginn einer Rechtsmittelfrist auf den Zeitpunkt der Aushändigung an den Asylbewerber abzustellen ist, wenn dieser innerhalb dreier Tage ab der Übergabe liegt; wird der Bescheid dagegen in dieser Zeit nicht ausgehändigt, so ist der dritte Tag nach Übergabe der Zustellung oder formlosen Mitteilung an die Aufnahmeeinrichtung maßgebend für den Beginn der Frist. Eine Aushändigung nach dem dritten Tag setzt die Frist nicht erneut in Gang (vgl. HambOVG, U.v. 28.6.2018 – 1 Bf. 32/17.A – juris Rn. 69). Die Norm stellt eine Sonderregelung gegenüber den allgemeinen Zustellmöglichkeiten nach § 2 VwZG dar und beinhaltet – anders als § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG – gerade keine Regelung, wonach die Zustellfiktion nicht greift, wenn das Dokument nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Der Gesetzgeber wollte mit § 10 Abs. 4 Satz 4 Halbs. 2 AsylG verhindern, dass es der Asylbewerber selbst in der Hand hat, wann der Lauf der Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt wird (VGH BW, B.v. 5.5.2004 – A 11 S 619/04 – BeckRS 2004, 13099).
Soweit sich das Zulassungsvorbringen gegen die Versagung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO durch das Verwaltungsgericht wendet, macht es der Sache nach ernstliche Zweifel geltend. Diese stellen jedoch keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund dar (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2019 – 9 ZB 19.31401 – juris Rn. 4).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungstgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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