Verwaltungsrecht

Zuweisungsentscheidung nach § 47 Abs. 1a AsylG ist eine asylrechtliche Streitigkeit

Aktenzeichen  21 ZB 16.30251

Datum:
19.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 55036
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 47 Abs. 1a, § 78 Abs. 4 S. 1, S. 4

 

Leitsatz

1 Der Anwendungsbereich des § 78 AsylG ist danach zu bestimmen, ob die angefochtene oder begehrte Maßnahme oder Entscheidung ihre rechtliche Grundlage im Asylgesetz hat. (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Zuweisungsentscheidung nach § 47 Abs. 1a AsylG handelt es sich um eine asylrechtliche Streitigkeit. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 24 K 16.519 2016-07-25 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig.
1. Der Kläger hat entgegen § 78 Abs. 4 Satz 1 und Satz 4 AsylG die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des angegriffenen Urteils dargelegt.
Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. Juli 2016 wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 3. August 2016 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt (§ 56 Abs. 2 VwGO, § 172 Abs. 1, § 174 Abs. 1 und 4 ZPO). Das Urteil ist mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen, aus der u. a. hervorgeht, dass in dem innerhalb eines Monats beim Verwaltungsgericht einzureichenden Antrag auf Zulassung der Berufung die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen sind. Die Monatsfrist endete mit Ablauf des 5. September 2016 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).
Mit am 30. August 2016 per Telefax beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten, wahrte der Kläger zwar die Antragsfrist gemäß § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG; er hat seinen Antrag auf Zulassung der Berufung jedoch nicht innerhalb der Frist hinreichend begründet. Die am 19. September 2016 eingegangene Zulassungsbegründung des Klägers ist verfristet.
2. Entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten des Klägers handelt es sich vorliegend um eine „Rechtsstreitigkeit nach dem AsylG“. Die Vorschrift des § 78 VwGO enthält einige Besonderheiten gegenüber den allgemeinen Vorschriften zu den Rechtsmitteln gegen erstinstanzliche Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, wie z. B. die Verkürzung der Rechtsmittelfristen.
Der Anwendungsbereich des § 78 AsylG ist danach zu bestimmen, ob die angefochtene oder begehrte Maßnahme oder Entscheidung ihre rechtliche Grundlage im Asylgesetz hat. Dies ist bei Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), die es in Wahrnehmung der ihm vom Asylgesetz übertragenen Aufgaben getroffen hat, immer der Fall. Ob Maßnahmen oder Entscheidungen anderer Behörden ihre rechtliche Grundlage im Asylgesetz haben, ist nach dem Gefüge und Sinnzusammenhang der einzelnen Regelungen zu bestimmen. So liegt es nahe, dass Maßnahmen und Entscheidungen im Rahmen der Unterbringung und Verteilung Asylbegehrender (§§ 44 ff. AsylG) ihre rechtliche Grundlage im Asylgesetz finden (vgl. BVerwG, U. v. 25.9.1997 – 1 C 6/97 – juris, Rn. 14). Die Zuordnung einer Entscheidung richtet sich, wenn es sich um die Anfechtung eines belastenden Verwaltungsakts gegenüber einem Ausländer handelt, danach, auf welche Rechtsvorschrift die Behörde ihre Maßnahmen tatsächlich gestützt hat. Ist dies eine solche des Asylgesetzes, liegt eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz vor (BVerwG, U. v. 31.3.1992 – 9 C 155/90 – juris, Rn. 13).
Nach diesem Maßstab ist die vorliegende Streitigkeit dem Asylgesetz zuzurechnen: Der Beklagte hat die verfügte landesinterne Umverteilung des kosovarischen Klägers, dessen Folgeantrag zuletzt im Mai 2015 bestandskräftig abgelehnt wurde, aus einer Wohnung (dezentral) in A. in die Ankunfts- und Rückführungseinrichtung (ARE I) in I. auf § 47 Abs. 1a AsylG gestützt. Die Vorschrift trifft für Ausländer aus sicheren Drittstaaten (§ 29a AsylG) eine Sonderregelung im Hinblick auf die Wohnverpflichtung in einer Erstaufnahmeeinrichtung. Mit der Zuweisungsentscheidung soll die Wohnpflicht des § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG vollzogen werden, die mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I, Seite 1722) neu geschaffen wurde. Danach sind Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat abweichend von § 47 Abs. 1 AsylG verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags nach § 29a AsylG als offensichtlich unbegründet oder nach § 27a AsylG als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Anhand dieser asylrechtlichen Norm beurteilt sich materiellrechtlich, ob der Kläger die dort normierten Voraussetzungen erfüllt und ob die verfügte Umverteilung rechtmäßig ist.
Die materiellrechtlichen Fragen, ob der Wohnpflicht des § 47 Abs. 1a AsylG auch bereits aus einer Aufnahmeeinrichtung im Sinne des § 47 Abs. 1 AsylG entlassene und gemäß § 51 AsylG verteilte Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat bzw. Folgeantragsteller (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 2 AsylG) unterfallen, bedürfen für die Zuordnung der Streitigkeit zum Asylrecht keiner Klärung.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 83 b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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