Verwaltungsrecht

Zuwendungsbescheid, Zuwendungen, Verwaltungsgerichte, Rechtswidriger Verwaltungsakt, Begünstigender Verwaltungsakt, Maßgeblicher Zeitpunkt, Rücknahmebescheid, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung, Vorzeitiger Maßnahmebeginn, Ständige Verwaltungspraxis, Maßnahmenbeginn, Rechtswidrigkeit, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter, Gleichheitssatz, Prozeßkostenhilfeverfahren, Elektronische Antragstellung, Rücknahmeentscheidung, Grobe Fahrlässigkeit

Aktenzeichen  M 31 K 20.5502

Datum:
16.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2776
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
BayVwVfG Art. 48
BayHO Art. 23, 44

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen. 
II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Beide Beteiligte haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt, sodass das Gericht im schriftlichen Verfahren entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 30. September 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den streitbefangenen Bescheid ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, weil der Zuwendungsbescheid vom 16. Juni 2020 – ausgehend vom Zeitpunkt seines Erlasses – rechtswidrig war. Die Klägerin durfte auch nicht in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes, der eine einmalige Geldleistung gewährte, vertrauen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG). Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG wurde gewahrt; auf Rechtsfolgenseite ist die Ermessensbetätigung des Beklagten nicht beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sofern es sich – wie hier – um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist bei der Rücknahme die Vertrauensschutzregelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zu berücksichtigen. Ein Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Das Vertrauen ist dabei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht und eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Auf Vertrauen kann sich der Betroffene nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG vorliegen, insbesondere wenn der begünstigte Verwaltungsakt durch im Wesentlichen unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt wurde (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG).
1. Die Maßnahme, für die die Klägerin bei der nach Nr. 7 Satz 2 bis 4 der Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms vom 24. Juli 2019 zuständigen Regierung von Niederbayern eine Förderung beantragt hat, ist zwar dem Grunde nach förderfähig. Der Zuwendungsbescheid vom 16. Juni 2020 war allerdings wegen eines Verstoßes gegen Art. 23 und 44 Abs. 1 Satz 1 BayHO i.V.m. den vorgenannten Förderrichtlinien rechtswidrig, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung aus dem bayerischen 10.000-Häuser-Programm hatte.
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Beklagten. Eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Richtlinien geregelt, müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig angewendet werden. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung der jeweiligen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung im zugrunde liegenden Haushaltsgesetz/Haushaltsplan gezogen ist, nicht beachtet worden ist. Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6; U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26; VG München. U.v. 27.1.2020 – 31 K 19.4697 – juris Rn. 22). Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die – wie hier – nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf Verwaltungsvorschriften beruhen, kommt es nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern nur darauf, wie die entsprechenden Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind. Der Beklagte bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Vergabeermessens darüber, welche Positionen er in welcher Höhe dem Fördergegenstand als zuwendungsfähig zuordnet. Insoweit hat er auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften, sodass es allein darauf ankommt, wie die Förderrichtlinien als administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger behördlicher Praxis gehandhabt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2020 aaO juris Rn. 10).
Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. In den hier einschlägigen Förderrichtlinien selbst wird zudem auch einleitend klargestellt, dass die Förderung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erfolgt (vgl. Vorbemerkung Satz 2 der Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms vom 24.7.2019).
Der Zuwendungsbescheid war deshalb rechtswidrig, weil die Klägerin entgegen Nr. 6.1 Satz 1, 2 und 4 der Förderrichtlinien bereits vor der Bestätigung des Eingangs des elektronischen Förderantrags durch die Bewilligungsstelle, mit der die Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn verbunden ist (vgl. auch Merkblatt S zu den Förderrichtlinien, Seite 4 unter „Maßnahmenbeginn/-abschluss“), mit der beantragten Maßnahme begonnen hatte. Als Maßnahmenbeginn gilt nach der Vollzugspraxis zu Satz 5 und 6 der vorgenannten Nr. 6.1 und Seite 4 des Merkblatts S die Erteilung eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsauftrags; maßgeblicher Zeitpunkt ist grundsätzlich die bindende Willenserklärung des Antragstellers zum Vertragsschluss.
Das Verbot des vorzeitigen Maßnahmenbeginns entspricht der Vorgabe des Art. 23 BayHO und stellt einen allgemeinen förderrechtlichen Grundsatz dar, der auch in den Förderrichtlinien zum bayerischen 10.000-Häuser-Programm ausdrücklich Niederschlag gefunden hat. Danach darf mit der Durchführung der zu fördernden Maßnahme nicht vor dem Eingang des elektronischen Förderantrags bei der Bewilligungsstelle begonnen werden. Sinn und Zweck des Verbots des vorzeitigen Maßnahmenbeginns ist zum einen der Schutz des Antragstellers vor finanziellen Nachteilen sowie zum anderen insbesondere die Sicherung einer ausreichenden Einwirkungsmöglichkeit der Bewilligungsstelle. Sie soll nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Ein Antragsteller, der vor Erlass des Förderbescheides bzw. vor der Zustimmung der Bewilligungsstelle zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn mit der Realisierung der zur Förderung beantragten Maßnahme beginnt, gibt zu erkennen, dass er das Projekt ungeachtet einer möglichen staatlichen Förderung realisieren will und kann (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 aaO Rn. 39; U.v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – juris Rn. 18).
Die Klägerin hat unstreitig der Elektrotechnik S … GmbH am 10. September 2019 den Auftrag für die Installation einer PV-Anlage ohne Batteriespeicher erteilt. Maßgeblich für den Maßnahmenbeginn – und damit vorliegend förderschädlich – ist nach der Vollzugspraxis des Beklagten die Erteilung eines Auftrags auch für nur eine der Komponenten eines PV-Speicher-Systems. Gegenstand der Förderung ist das System als Ganzes, das aus der PV-Anlage und einem Batteriespeicher besteht. Folglich ist es vorliegend unerheblich, ob die weitere Auftragserteilung zur ergänzenden Installation auch eines Batteriespeichers – zusätzlich zur bereits vorab beauftragten Installation der PV-Anlage – sodann erst nach Stellung des Förderantrags erfolgt ist. Dies entspricht der vom Beklagten schriftsätzlich erläuterten und in der Sache von der Klägerin auch unbestritten gebliebenen maßgeblichen ständigen Verwaltungspraxis im Vollzug der Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms im Programmteil „PV-Speicher-Programm“ und steht zudem auch mit dem Wortlaut der Richtlinien, des Merkblatts S und den Antragsformularen im Einklang.
Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass das semantische und systematische Verständnis der Klägerin zu Nr. 1 Satz 1 der Förderrichtlinien fehlgeht. Danach fördert das 10.000-Häuser-Programm im Programmteil „PV-Speicher-Programm“ Hauseigentümer, die einen neuen Batteriespeicher kombiniert mit einer neuen Photovoltaikanlage erstmals einbauen oder ergänzen wollen. Nach der allein maßgeblichen ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten wird Nr. 1 Satz 1 der Förderrichtlinien dahingehend verstanden und angewandt, dass eine Förderung nur im Falle der Ergänzung eines PV-Speicher-Systems, bestehend aus PV-Anlage und Batteriespeicher, zu einem bereits existenten (Speicher-) System gewährt wird, während die isolierte Förderung der Installation einer PV-Anlage oder eines Batteriespeichers nicht in Betracht kommt. Diese Vollzugspraxis deckt sich insbesondere auch mit dem Wortlaut der Nr. 14 der Förderrichtlinien. Nach Satz 2 dieser Richtlinienbestimmung wird die Erst-/oder Ergänzungsinstallation eines neuen Batteriespeichers jeweils in Verbindung mit einer neuen Photovoltaikanlage gefördert, während nach deren Satz 4 der alleinige Einbau eines Batteriespeichers oder einer Photovoltaikanlage nicht gefördert wird. Ohne weiteres nachvollziehbar weist der Beklagte darauf hin, dass daraus deutlich wird, dass die Fördermaßnahme im Programmteil „PV-Speicher-Programm“ stets die (Erst- oder Ergänzungs-) Installation eines „PV-Speicher-Systems“ ist. Wird durch die vorzeitige Beauftragung einer der beiden Komponenten des einheitlich zu betrachtenden Systems mit der Maßnahme in unzulässiger Weise vorzeitig begonnen, kommt keine isolierte Förderung der nachträglich beauftragten zweiten Komponente, hier also des Batteriespeichers, in Betracht.
Folglich ist von einer förderschädlichen vorzeitigen Auftragsvergabe der Klägerin auszugehen. Der damit verbundene vorzeitige Maßnahmenbeginn führt insgesamt zum Verlust der Förderfähigkeit. Einem Zuwendungsempfänger, der ein Vorhaben begonnen hat, ehe die Zuwendung bewilligt ist oder ehe der Zuwendungsgeber wenigstens dem vorzeitigen Maßnahmenbeginn zugestimmt hat, gleichwohl noch Zuwendungen zu gewähren, verstößt gegen Art. 23, 44 Abs. 1 Satz 1 BayHO i.V.m. den Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms.
Damit war der Zuwendungsbescheid vom 16. Juni 2020 rechtswidrig.
2. Der rechtswidrige Zuwendungsbescheid konnte auch ohne Verstoß gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG) vom Beklagten zurückgenommen werden.
Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil sie die Zuwendung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Sie hat mit Antragstellung erklärt, dass zum Zeitpunkt der elektronischen Antragstellung am 9. Januar 2020 noch kein Auftrag für die zu installierende Anlagentechnik erteilt wurde, obwohl sie bereits am 10. September 2019 die Elektrotechnik S … GmbH mit der Installation der PV-Anlage ohne Batteriespeicher beauftragt hatte. Gleichzeitig hat sie bei der Antragstellung auch bestätigt, dass sie die Programmrichtlinien sowie das einschlägige Merkblatt zur Kenntnis genommen habe. Daher greift neben Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG auch Nr. 3 der Vorschrift ein. Danach kann sich der Begünstigte auf ein schutzwürdiges Vertrauen nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Der vorzeitige Maßnahmenbeginn fällt in den Verantwortungsbereich des Antragstellers (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – juris). Selbst wenn man der Klägerin zugutehalten möchte, dass sie die nachträgliche ergänzende Beauftragung der Installation eines Batteriespeichers nach ihrem Verständnis der Nr. 1 Satz 1 der Förderrichtlinien für möglich und damit keinen unzulässigen vorzeitigen Maßnahmenbeginn für gegeben erachtet hat, so hätte es ihr gleichwohl oblegen, sich vor Antragstellung bei der Bewilligungsbehörde verbindliche Klarheit darüber zu verschaffen, ob durch die Vergabe des Auftrags für die zunächst isolierte Installation der PV-Anlage am 10. September 2019 ein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmenbeginn vorgelegen hat (vgl. OVG NRW, U.v. 20.4.2012 – 4 A 1055/09 – juris; B.v. 8.1.2013 – 4 A 149/12 – juris; OVG Brandenburg, U.v. 11.2.2004 – 2 A 680/03 – juris). Die Obliegenheit, sich bei möglichen Unklarheiten über die konkreten Bedingungen der Auszahlung, der Verwendung und der Abwicklung der Zuwendung bei der Bewilligungsstelle zu informieren, folgt aus der Eigenart des Zuwendungsverhältnisses. Dieses ist dadurch geprägt, dass der Zuwendungsempfänger Steuergelder, die dem haushaltsrechtlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Art. 7 Abs. 1 BayHO) unterfallen, letztlich für eigene Zwecke ausgibt. Der vorzeitige Maßnahmenbeginn fällt daher grundsätzlich, wie auch hier, in den Verantwortungsbereich des Antragstellers. Die Klägerin hat durch ihr Verhalten folglich auch die erforderliche Sorgfalt zur Erkundigung über die Fördervoraussetzungen in erheblicher Weise verletzt. Namentlich der Wortlaut in Nr. 14 Satz 4 der Förderrichtlinien und zudem der ausdrückliche Hinweis im Antragsformular (vgl. dort unter 1.a), dass noch kein Auftrag für die zu installierende Anlagentechnik erteilt sein durfte, hätte es der Klägerin in jedem Falle geboten, beim Beklagten nachzufragen und die einschlägige Förderpraxis aufzuklären.
Ihr Vertrauen ist somit nicht schutzwürdig, selbst wenn sie die Fördermittel bei ihrer Vermögensdisposition miteinbezogen hat (vgl. Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Wenn die Klägerin, wie hier, sehenden Auges einen Auftrag für die Realisierung einer Komponente eines aus zwei Komponenten bestehenden PV-Speicher-Systems bereits erteilt, bevor sie die Förderfähigkeit in einem solchen Falle beim Beklagten aufgeklärt hat bzw. von ihm die Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn gerade auch für eine solche sukzessive Beauftragung erlangt hat, kann sie gerade nicht darauf vertrauen, gleichwohl eine Förderung zu erhalten und auch behalten zu dürfen.
3. Der Beklagte hat schließlich auch ermessensfehlerfrei von seiner Rücknahmebefugnis Gebrauch gemacht. Das Gericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Die im Bescheid angeführten Erwägungen der Regierung von Niederbayern sind sonach nicht zu beanstanden. Sie hat bei der Entscheidung über die Rücknahme des Zuwendungsbescheids die auf die Durchsetzung des Haushaltsrechts gerichteten öffentlichen Interessen gegen die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin abgewogen und sich sonach im Lichte des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung sowie unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dafür entschieden, den rechtswidrigen Zuwendungsbescheid zurückzunehmen und die Fördermittel nicht mehr auszuzahlen.
Nach Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG wird in den Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. In einem solchen Fall entfällt sodann nicht nur die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, sondern es greift zudem auch eine entsprechende Ermessenslenkung im Sinne einer regelmäßigen behördlichen Pflicht zur Rücknahme ein. Anders wäre es nur bei einem atypischen Ausnahmefall (vgl. statt vieler Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 48 Rn. 127b und 127c), für dessen Vorliegen vorliegend allerdings nichts ersichtlich ist. Die Regierung von Niederbayern hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit der Haushaltsführung (Art. 7 Abs. 1 BayHO) für die Rücknahme spricht und keine besonderen schutzwürdigen Gründe für den Bestand des Zuwendungsbescheids inmitten stehen. Diese Vorgehensweise entspricht der geübten Verwaltungspraxis des Beklagten im Vollzug der Förderrichtlinie und genügt auch insoweit dem Gleichheitssatz.
4. Die Regierung von Niederbayern hat den Zuwendungsbescheid vom 16. Juni 2020 auch gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von den Tatsachen, die die Rücknahme des Bescheids rechtfertigen, zurückgenommen. Zur Rechtfertigung der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts gehört – neben weiteren Voraussetzungen – die Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, der zurückgenommen werden soll. Die Frist für die Rücknahme beginnt deshalb erst zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr dazu die für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (vgl. rechtsgrundsätzlich BVerwG, B.v. 19.12.1984 – BVerwG GrS 1.84 und 2.84 – BVerwGE 70, 356; aktuell U.v. 23.1.2019 – 10 C 6/17 – juris Rn. 39). Es handelt sich bei der Frist nach Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG folglich um eine Entscheidungs-, nicht aber um eine Bearbeitungsfrist.
Der Beklagte hat frühestens nach Ablauf der Anhörungsfrist am 17. August 2020 bzw. hier wohl sogar erst nach Eingang der E-Mail der Elektrotechnik S … GmbH am 16. September 2020 die für den Fristanlauf nach Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG notwendige Tatsachenkenntnis erlangt, sodass der Erlass des Rücknahmebescheids am 30. September 2020 ohne weiteres innerhalb der Jahresfrist erfolgt ist.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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