Verwaltungsrecht

Zwangsgeldandrohung, Aufschiebende Wirkung, Antragsgegner, Sofortige Vollziehbarkeit, Summarische Prüfung, Konkrete Gefahr, Verwaltungsgerichte, Bescheid, Leinen- und Maulkorbzwang, übertragener Wirkungskreis, Gemeindeordnung, Teil des Gemeindegebiets, Gemeindeaufgabe, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Anordnung der sofortigen Vollziehung, Besondere Anordnung, Behördliche Anordnung, Sicherheitsrecht, Formelle Rechtswidrigkeit, Vorläufiger Rechtsschutz

Aktenzeichen  RN 4 S 20.3099

Datum:
18.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4768
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
LStVG Art. 18 Abs. 2
VGemO Art. 4 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Antrag zurückgenommen wurde.
II. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 2, 3, 4 und 5 des Bescheids vom 16.11.2020 wird wiederhergestellt, gegen Nr. 8 und 9 angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 1/5, die Antragsgegnerin zu 4/5.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine seine Hundehaltung betreffende sicherheitsrechtliche Anordnung.
Der Antragsteller ist Halter der Rottweiler-Hündin „R …“. Dieser wurde aufgrund eines positiven Wesenstests vom 25.01.2016 von der Antragsgegnerin ein Negativattest nach Art. 37 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) ausgestellt. Als Auflage wurde dem Antragsteller aufgegeben, den Hund in Ballungsgebieten mit Rücksicht auf andere Personen an der Leine zu führen, um Ängsten und ggf. Fehlverhalten anderer Personen entgegenzuwirken. Zu den Ballungsgebieten wurde ein Merkblatt beigefügt.
Am 13.10.2020 wurde bei der Antragsgegnerin ein Vorfall mit der Hündin „R …“ vom 24.02.2017 angezeigt, bei dem ein anderer Hund durch „R …“ angegriffen und mehrmals gebissen wurde, sodass er tierärztlich versorgt werden musste. Dieser Vorfall ereignete sich nahe des Halteranwesens, welches die Hündin unbeaufsichtigt verlassen konnte.
Mit Schreiben vom 24.10.2020 wurde von der Polizeiinspektion L … mitgeteilt, dass sich am 08.10.2020 gegen 7:20 Uhr in H … ein Beißvorfall mit der Rottweiler-Hündin ereignet hat. Der Antragsteller ging mit der Hündin spazieren, wobei diese nicht angeleint war. Die freilaufende Rottweiler-Hündin entfernte sich aus dem Einwirkungsbereich des Antragstellers und griff ein 13-jähriges Mädchen an, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorbeiging. Die Hündin biss das Mädchen dreimal in den linken Unterarm, sodass dieses rettungsdienstlich versorgt werden musste und sich mehrere Tage in stationärer Behandlung befand.
Unter dem 29.10.2020 wurde der Antragsteller zum beabsichtigen Erlass einer sicherheitsrechtlichen Anordnung angehört. Hierbei wurde lediglich der Vorfall am 08.10.2020 zum Anlass genommen, dem Antragsteller mitzuteilen, dass gegen ihn der Erlass einer sicherheitsrechtlichen Anordnung (Leinenzwang, Maulkorbzwang) beabsichtigt ist.
Am 15.11.2020 wurde bei der Antragsgegnerin ein weiterer Beißvorfall mit der Hündin des Antragstellers vom 07.07.2016 angezeigt, bei dem eine Person beim Zeitungsaustragen von „R …“ angegriffen und gebissen wurde. Hierbei sei der Hund über das Mülltonnenhäuschen des eingezäunten Grundstücks gesprungen, als die Person gerade die Zeitung in den Briefkasten eingeworfen habe und habe sie direkt angegriffen und durch die Hose in den rechten Oberschenkel gebissen. Bilder der Verletzung wurden beigefügt.
Unter dem 16.11.2020 erließ die Antragsgegnerin folgenden Bescheid, der dem Antragsteller am 19.11.2020 zugestellt wurde:
1. Für die Rottweiler-Hündin „R …“ ist bis spätestens 31.12.2020 ein neues Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Hundewesen vorzulegen.
2. Durch ausbruchsichere Unterbringung (z.B. Zaun, Schließvorrichtung, Zwinger) ist zu gewährleisten, dass die Hündin „R …“ sicher verwahrt wird; d.h. weder das Grundstück, auf dem sie gehalten wird, unbeaufsichtigt verlassen kann, noch sich dort aufhaltende Personen gefährden kann.
3. Die Hündin „R …“ ist außerhalb des Halteranwesens ausschließlich an einer maximal 1,0 m langen, reißfesten Leine mit schlupfsicherem Halsband und einem angelegten, passgerechten, abstreifsicherem Maulkorb zu führen, solange die Hündin sich in bebauten Gebieten und im Umkreis von 150 m davon aufhält.
Die Leine und der Maulkorb sind „R …“ vor Verlassen der Einzäunung auf dem Halteranwesen anzulegen und erst nach sicherem Wiederverbringen abzunehmen.
4. Die Hündin „R …“ ist außerhalb bebauten Gebieten und im Umkreis von 150 m davon an einer max. zehn Meter langen, reißfesten Feldleine mit schlupfsicherem Halsband und einem angelegten, passgerechten, nicht abstreifbarem Maulkorb zu führen.
5. Die Hündin „R …“ darf nur von Personen ausgeführt werden, die diese sicher beherrschen und zum Führen der Hündin körperlich geeignet sind. Es ist sicherzustellen, dass die Hündin das Anwesen auf dem sie gehalten wird, nicht alleine bzw. unbeaufsichtigt verlassen kann.
6. Die sofortige Vollziehung der Nrn. 2 bis 5 dieses Bescheides wird angeordnet.
7. Falls Herr W … seiner Verpflichtung aus Nr. 1 dieses Bescheides nicht bis spätestens 31.12.2020 nachkommt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 € zur Zahlung fällig.
8. Falls Herr W … seiner Verpflichtung aus Nr. 2 bis 5 dieses Bescheides nicht sofort nachkommt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 € zur Zahlung fällig.
9. Herr W … hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr in Höhe von 20,00 € erhoben.
Zur Begründung wird ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Anordnung in den Nr. 1 bis 5 des Bescheides sei Art. 18 Abs. 2 LStVG. Danach könnten die Gemeinden zum Schutz von Leben, Gesundheit, Eigentum oder der öffentlichen Reinlichkeit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen, wobei die Größe des Hundes keine Rolle spiele. Erforderlich sei das Vorliegen einer konkreten Gefahr, also einer Sachlage, bei der die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass in absehbarer Zeit der abzuwehrende Schaden eintrete. Hierbei seien an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden sei, und die Ranghöhe des bedrohten Rechtsguts zu beachten. Vorliegend könne das Verhalten der Hündin „R …“ aufgrund des Beißvorfalls vom 08.10.2020 nicht mehr als harmlos bezeichnet werden. Es handle sich um einen großen Rottweiler, der bei vielen Personen, insbesondere bei Kindern, schon durch das bloße Umherlaufen Angst und unkontrollierte Reaktionen hervorrufen könne. Somit sei zu befürchten, dass aufgrund des bisherigen Verhaltens von „R …“ diese auch in Zukunft eine konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Bevölkerung darstelle. Die Antragsgegnerin halte ein Einschreiten im öffentlichen Interesse für notwendig. Die Vorfälle in der Vergangenheit zeigten, dass es auch in Zukunft zu Sicherheitsstörungen durch die Rottweiler-Hündin kommen könne, wenn nicht die Hundehaltung durch die Anordnungen reglementiert werde. Die Vorfälle zeigten, dass die Hündin aus ihrer ungebändigten Natur heraus zu einer schweren Gefahr für Gesundheit und Leben von Menschen und Tieren werden könne. Die Anordnungen seien verhältnismäßig. Sie seien geeignet, um die von der Hündin ausgehenden Gefahren zu verhindern. Mildere Mittel zur Gefahrenabwehr seien nicht ersichtlich. Dem Auslaufbedürfnis der Hündin werde dadurch Rechnung getragen, dass außerhalb der bebauten Gebiete ein Auslauf mit einer 10 m langen Feldleine möglich sei. Die sofortige Vollziehung werde im überwiegenden öffentlichen Interesse angeordnet. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass in der Zeit zwischen dem Erlass des Bescheids und seiner Bestandskraft die hochrangigen Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung, dem Schutz des Eigentums anderer Tierhalter in Form der Unversehrtheit ihrer Tiere, geschädigt würden. Schwer wiege, dass „R …“ ein auffälliges Verhalten gegenüber Tieren und Menschen gezeigt habe. Dies könne von der Allgemeinheit nicht hingenommen werden. Die Androhung des Zwangsgeldes für den Fall der Nichteinhaltung der unter Nr. 1 bis 5 festgelegten Verpflichtungen stütze sich auf Art. 19 Abs. 1, 2 Nr. 1, Art. 31 und 36 VwZVG. Unabhängig davon, ob vorliegend Unterlassungs- oder Handlungspflichten auferlegt worden seien, sei dem Antragsteller gem. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 eine Frist zur Befolgung der Anordnungen gewährt worden.
Auf Seite 4 des Bescheids findet sich der Hinweis, dass die Anordnungen nach den Nrn. 3 bis 5 des Bescheidstenors nicht auf das Gebiet der Gemeinde W … beschränkt seien, sondern bayernweit gelten.
Der Antragsteller ließ mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 16.12.2020, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Klage gegen diesen Bescheid erheben (Az. RN 4 K 20.3100) und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen. Vorgetragen wird, bis zum 08.10.2020 sei es nie zu einem ähnlichen Vorfall gekommen, sodass der Antragsteller nicht damit rechnen habe müssen. Auch sei am 08.10.2020 für den Antragsteller keinerlei Gefahrensituation erkennbar gewesen. Er gehe den betreffenden Weg mehrfach täglich mit regelmäßigem Kontakt zu anderen Menschen und Hunden. Im Nachhinein habe der Antragsteller von Nachbarn erfahren, dass das gebissene Mädchen den Hund des Antragstellers mehrfach am Gartenzaun provoziert habe. Dadurch gehe eine gewisse Erklärbarkeit der an sich völlig überraschenden Spontanaktion des Hundes auf die Geschädigte einher. Die Hündin sei grundsätzlich voll in die vierköpfige Familie des Antragstellers integriert und werde grundsätzlich im Haus gehalten. Tagsüber könne sie sich frei auf dem Haltergrundstück bewegen. Rückzugsmöglichkeiten seien über einen Zwinger geschaffen. Das Grundstück sei bereits vollständig mit einem Gartenzaun umfriedet. Der Bescheid genüge bereits nicht der Begründungspflicht nach § 39 Abs. 1 Satz 2, 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), sodass er in den angegriffenen Punkten formell rechtswidrig sei. Auch sei im Hinblick auf die einzelnen Regelungen bzw. auf das Gesamtgefüge der getroffenen Regelungen eine nachvollziehbare Ermessensausübung nicht erkennbar und die Regelungen verstößen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Antragsgegnerin habe Anordnungen getroffen, die im Einzelnen bzw. in Kombination nicht erforderlich gewesen seien, um der von der Hündin ausgehenden Gefahr zu begegnen. Ziffer 2 des Bescheids sei bereits deshalb aufzuheben, weil die Anordnung im Hinblick auf die Regelung hinsichtlich sich auf dem Haltergrundstück aufhaltender Personen von der Rechtsgrundlage des Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht gedeckt sei. Auch bei Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 sei der Anwendungsbereich des Art. 18 Abs. 1 LStVG zu beachten, da im Abs. 2 ausdrücklich auf den Schutzbereich des Abs. 1 Bezug genommen werde und zudem Art. 6 LStVG eine gemeindliche Aufgabe als Sicherheitsbehörde nur zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorsehe. Daher ermächtige Art. 18 Abs. 2 LStVG Gemeinden nur zum Erlass von Anordnungen, soweit die Haltung von Hunden in öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen im Sinne von Abs. 1 geregelt werde, nicht aber zu Einschränkungen der Hundehaltung auf Privatgrundstücken. Dies gelte insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Art. 7 Abs. 1 LStVG Anordnungen der Sicherheitsbehörden, die in Rechte anderer eingreifen, nur zulasse, wenn eine besondere Ermächtigung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes vorliege. Daher sei die Antragsgegnerin nicht berechtigt gewesen, eine Anordnung zu erlassen, nach der die Hündin innerhalb des eigenen Grundstücks in bestimmter Art und Weise zu halten sei, soweit es nicht um die Abwehr von Gefahren für Dritte außerhalb des Anwesens durch Entweichen des Hundes gehe (VG Bayreuth, U. v. 04.12.2012, B 1 K 11.5; VG Würzburg, U. v. 09.04.2015, W 5 K 14.250). Zudem sei die Anordnung rechtswidrig, weil sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Vorliegend habe keinerlei Notwendigkeit einer grundstücksbezogenen Anordnung bestanden. Eine solche ergebe sich aus dem streitgegenständlichen Beißvorfall nicht. Der Hund habe das Haltergrundstück niemals unbeaufsichtigt verlassen, noch weise das Haltergrundstück im Hinblick auf die Ausbruchssicherheit irgendwelche Defizite auf. Die ausnahmslose Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang auf allen öffentlichen Flächen innerhalb und außerhalb bewohnter Gebiete in Ziffer 3 und 4 des Bescheids erweise sich als unverhältnismäßig. Ein zusätzlicher Maulkorbzwang könne nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nur verfügt werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr unabdingbar sei, z.B. weil eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der Hund auch angeleint zubeißen oder sich von der Leine losreißen würde. Eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit, dass die Hündin auch angeleint zubeißen würde, bestehe nicht. Der Beißvorfall habe sich vorliegend mit dem gerade nicht angeleinten Hund des Antragstellers ereignet, der die Geschädigte nur aufgrund der fehlenden Leine überhaupt erreichen habe können. Ähnliche künftige Vorfälle könnten bereits durch Anlegen einer reißfesten Leine alleine verhindert werden. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Leinenzwang alleine nicht bereits zur Gefahrenabwehr ausreichend sei. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre die Antragsgegnerin zudem verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob geeignete öffentliche Flächen vom Leinenzwang ausgenommen werden können, um dem Bewegungsdrang der großen Hündin Rechnung zu tragen, oder ob dieser auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets beschränkt hätte werden können. Der Antragsteller dürfe nach dem Inhalt des Bescheides den Hund auch außerhalb bewohnter Bereiche nicht ohne lange Leine laufen lassen, was dem Bewegungsbedürfnis des Tieres nicht hinreichend Rechnung trage. Milderes Mittel und ebenso ausreichend zur Gefahrenabwehr wäre z.B. eine Kombination aus freier Auslaufmöglichkeit außerhalb bebauter Gebiete mit Maulkorb oder Auslauf an der Schleppleine ohne Maulkorb gewesen. Für Ziffer 5 des Bescheides fehle es an jeglicher Begründung im Bescheid, sodass diese bereits formell rechtswidrig sei. Die Anordnung sei nicht geeignet, der bestehenden Gefahr angemessen zu begegnen. Der zugrundeliegende Beißvorfall beruhe nicht darauf, dass die Hündin nicht von Personen ausgeführt worden sei, die diese sicher beherrschen. Außerdem habe die Hündin das Haltergrundstück nie unbeaufsichtigt verlassen. Daher sei die Anordnung betreffend das Haltergrundstück rechtswidrig, weil sie unverhältnismäßig sei. Auch die akzessorischen Regelungen der Ziffern 6, 7, 8 und 9 des Bescheids könnten keinen Bestand haben und seien aufzuheben. Überdies verstoße die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 8 gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 37 BayVwVfG. Da die Zwangsgeldandrohung nicht jeweils auf eine einzelne Verpflichtung bezogen sei, bleibe unklar, an welche Handlungspflichten die Zwangsgeldandrohung anknüpfe, da der Antragsteller nicht absehen könne, in welchen Fällen er mit der Fälligstellung eines Zwangsgeldes rechnen müsse. Die Beschränkung einer Zwangsgeldandrohung auf jeweils eine einzelne Verpflichtung ergebe sich auch aus dem Wortlaut des Art. 31 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Zudem werde dem Antragsteller für jeden Fall des Verstoßes ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR angedroht, womit gegen das Kumulationsverbot aus Art. 36 Abs. 3 Satz 2 VwZVG verstoßen werde, der die gleichzeitige Androhung mehrerer Zwangsmittel untersage.
Der Antragsteller beantragt wörtlich,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 16.12.2020 gegen den Bescheid vom 16.11.2020 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Vorgetragen wird, nach ständiger Rechtsprechung insbesondere des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs seien in Fällen, in denen es in der Vergangenheit bereits zu Beißvorfällen mit Verletzungen der Gesundheit von Menschen gekommen sei, Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht nur zulässig, sondern regelmäßig sogar geboten. Bei dieser Konstellation bedürfe es keiner weiteren Gefahrenprognose, auch wenn diese mit Blick auf die aktenkundigen und auch vom Antragsteller eingeräumten Beißvorfälle zweifelsohne zu dem Ergebnis führe, dass ohne adäquate Anordnungen auch in überschaubarer Zukunft weitere Schadensereignisse wahrscheinlich seien. Die Antragsgegnerin habe sowohl ihr Entschließungs- als auch das Auswahlermessen beanstandungsfrei ausgeübt. Dass bei der vorliegenden Ausgangssituation eine entsprechende sicherheitsrechtliche Anordnung geboten sei, stehe außer Frage. Sämtliche Anordnungen seien zudem geeignet, aber auch erforderlich, um der mit Blick auf bereits drei einschlägige Vorfälle fortbestehenden Gefährdungslage zu begegnen. Hierzu zähle zum einen eine ausbruchsichere Unterbringung, die gewährleiste, dass die Rottweiler-Hündin das Haltergrundstück nicht unbeaufsichtigt verlassen oder sich auf diesem Anwesen aufhaltende Personen gefährden könne. Zwei der aktenkundigen Vorfälle hätten sich unmittelbar ausgehend vom Halteranwesen ereignet. Bei sämtlichen Vorfällen sei die Hündin nicht angeleint gewesen. Die Angemessenheit des Leinen- und Maulkorbzwangs stehe außer Frage. Der Leinenzwang würde sich im Übrigen bereits aus der Tatsache rechtfertigen, dass es sich bei der Rottweiler-Hündin um einen großen Hund handle, von dem sich Menschen per se bedroht fühlen könnten. Angesichts der Beißvorfälle würde es indes nicht ausreichen, den Leinenzwang nur auf den innerörtlichen Bereich zu beschränken. In unangeleintem Zustand bestehe die Gefährdungssituation durch die Hündin „R …“ auch außerhalb bebauter Bereiche. Für einen adäquaten Auslauf der Hündin sei Sorge getragen, da im Außenbereich eine Leine mit einer Länge von bis zu zehn Metern verwendet werden dürfe. Auch der Maulkorbzwang sei gerechtfertigt und verhältnismäßig, da in Anbetracht der bekannt gewordenen Vorfälle weitere Beißattacken insbesondere gegen Personen zu besorgen seien. Der Leinenzwang alleine reiche zur Abwehr der diesbezüglichen Gefahrenlage nicht aus. Dies schon allein aufgrund der alles andere als auszuschließenden Möglichkeit, dass sich die Hündin von der Leine losreiße und andere Personen oder Tiere anfalle. Es sei auch nicht möglich, bestimmte Gebiete im Außenbereich vom Leinen- und Maulkorbzwang auszunehmen. Im Gemeindebereich der Antragsgegnerin gebe es keine Hundespielwiesen oder ähnliche Bereiche, in denen ein nur geringes Gefährdungspotential vorherrschen würde. Dass es zudem erforderlich sei, die große Rottweiler-Hündin nur durch Personen ausführen zu lassen, die dieser sicher beherrschen und zum Führen der Hündin körperlich geeignet seien, sei offenkundig und entspreche dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Mit Schriftsatz vom 22.02.2021 nahm der Antragsteller den Antrag zurück, soweit er sich gegen Nr. 1 des Bescheids vom 16.11.2020 richtet.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 02.03.2021 wurde die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass das Gericht davon ausgeht, dass nicht sie, sondern die Verwaltungsgemeinschaft W … für den Erlass der Nrn. 2 bis 5 des Bescheids zuständig ist und die Anordnungen in Nr. 4 und Nr. 8 des Bescheids darüber hinaus materiellen Bedenken begegnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte mit den eingereichten Schriftsätzen und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen. Die Akte des Verfahrens RN 4 K 20.3100 wurde beigezogen.
II.
Soweit der Antragsteller den Antrag zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (dazu 1.) Der danach noch rechtshängige Antrag ist im Rahmen des Entscheidungssatzes erfolgreich, im Übrigen jedoch erfolglos (dazu 2.).
1. Mit Schriftsatz vom 22.02.2021 hat der Antragsteller den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zurückgenommen, soweit er sich gegen Nr. 1 des Bescheids vom 16.11.2020 richtet. Insoweit ist das Verfahren daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
2. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Nrn. 2, 3, 4 und 5 des Bescheids vom 16.11.2020 wiederherzustellen und gegen die Nrn. 7, 8 und 9 des Bescheids vom 16.11.2020 anzuordnen, §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO. Soweit Nr. 7 des Bescheids betroffen ist, ist der Antrag unzulässig (dazu a)). Im Übrigen ist er jedoch zulässig und begründet (dazu b)).
a) Hinsichtlich Nr. 7 des Bescheids ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unzulässig. Mit Blick darauf, dass Nr. 1 des Bescheids weder kraft Gesetzes noch aufgrund behördlicher Anordnung sofort vollziehbar ist, fehlt dem Antrag hinsichtlich Nr. 7 das Rechtsschutzbedürfnis. Da die erhobene Klage gegen Nr. 1 des Bescheids aufschiebende Wirkung hat, ist die darauf bezogene Zwangsgeldandrohung – trotz Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (BayVwZVG) und damit gegebener Statthaftigkeit – mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 BayVwZVG nicht vollstreckbar, solange der Bescheid nicht in Bestandskraft erwachsen ist.
b) Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings nach § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO dann, wenn die Anordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (Nr. 8 des Bescheids gem. Art. 21a BayVwZVG, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO und Nr. 9) oder die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders anordnet (hier für die Nr. 2 bis 5 des Bescheids). In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch anordnen (wenn diese aufgrund Gesetzes ausgeschlossen ist) oder wiederherstellen (wenn eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vorliegt). Das Gericht trifft insoweit eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit ihres Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die gebotene summarische Prüfung, dass Rechtsbehelfe gegen den angefochtenen Bescheid keinen Erfolg versprechen, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung regelmäßig hinter das Vollziehungsinteresse zurück und der Antrag ist unbegründet. Erweist sich die erhobene Klage hingegen bei summarischer Prüfung als zulässig und begründet, dann besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist stattzugeben. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht ausreichend absehbar, muss das Gericht die widerstreitenden Interessen im Einzelnen abwägen. Die Begründetheit eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann sich daneben auch daraus ergeben, dass die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig ist, weil sie den formellen Anforderungen nicht genügt.
Vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe hat der noch rechtshängige Antrag Erfolg. Der angeordnete Sofortvollzug ist in formeller Hinsicht zwar nicht zu beanstanden (dazu aa)). Eine summarische Prüfung der erhobenen Klage ergibt allerdings, dass diese in der Hauptsache voraussichtlich im Hinblick auf Nr. 2 bis 5, 8 und 9 des Bescheids erfolgreich sein wird, sodass diesbezüglich kein öffentliches Interesse am Vollzug des angegriffenen Bescheids besteht (dazu bb)).
aa) Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit genügt den formellen Anforderungen. Insbesondere ist dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Genüge getan. Diese Begründungspflicht verlangt von der zuständigen Behörde, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit eines Bescheids unter Bezugnahme auf die Umstände des konkreten Einzelfalls darzustellen (BayVGH, B. v. 14.2.2002 – 19 ZS 01.2356, NVwZ-RR 2002, 646). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hat unter anderem eine Warnfunktion für die handelnde Behörde. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters ihrer Anordnung bewusst wird und die konkret betroffenen Interessen sorgsam prüft und abwägt (BayVGH, B. v. 3.5.2018 – 20 CS 17.1797, juris Rn. 2). Sie soll sich bei ihrer Entscheidung hinreichend mit den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls auseinander setzen. Nichtssagende, formelhafte Wendungen reichen deshalb nicht aus. Allerdings genügt dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, dass die Behörde diese Interessenlage aufzeigt und deutlich macht, dass sie auch im vorliegenden Fall gegeben ist. Dies kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch der streitgegenständliche Bescheid gehört, in Betracht (BayVGH, B. v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453, juris Rn. 16).
Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Begründung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid als ausreichend. Im Bescheid wurde für die Nrn. 2 bis 5 die sofortige Vollziehung angeordnet. Die Begründung dieser Anordnung entspricht den Vorgaben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin hat dargelegt, dass – falls der Sofortvollzug nicht angeordnet würde – die Gefahr bestünde, dass in der Zeit zwischen dem Erlass des Bescheids und seiner Bestandskraft die hochrangigen Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung und des Eigentums anderer Tierhalter in Form der Unversehrtheit der Tiere geschädigt würden. Insoweit hat sich die Antragsgegnerin in genügender Weise auf das hier widerstreitende Interesse des betroffenen Antragstellers und das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit bezogen und dabei deutlich gemacht, weshalb aus ihrer Sicht dem öffentlichen Interesse der Vorrang gebührt.
bb) Die gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Klage gegen den Bescheid vom 16.11.2020 weitestgehend erfolgreich sein wird. Die Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG in den Nrn. 2 bis 5 des Bescheids sind mangels Zuständigkeit der Antragsgegnerin bereits formell rechtswidrig (dazu (1)). Nr. 4 ist darüber hinaus auch materiell rechtswidrig (dazu (2)). Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Nrn. 2 bis 5 ist auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 8 des Bescheids rechtswidrig (dazu (3)). Nr. 9 des Bescheids ist ebenfalls rechtswidrig (dazu (4)).
(1) Art. 18 Abs. 2 LStVG weist den Gemeinden als unteren Sicherheitsbehörden die Aufgabe zu, im Einzelfall Anordnungen zur Haltung von Hunden zu treffen. Dass Art. 83 Abs. 1 Bayerische Verfassung (BV) die „örtliche Polizei“ als Angelegenheit der Gemeinde bezeichnet, führt nicht zwangsläufig dazu, dass Anordnungen auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinde gehören würden (BayVGH, B.v. 7.4.2004 – 24 CS 04.53 – juris Rn. 11). Gleiches gilt für die Bestimmung des Art. 57 Abs. 1 Gemeindeordnung (GO), wonach Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem eigenen Wirkungskreis zuzuordnen sind (BayVGH, B.v. 7.4.2004 – 24 CS 04.53 – juris Rn. 11). Vielmehr entscheiden Art und Tragweite der konkreten Maßnahme und der rechtliche Gesamtzusammenhang, in dem sie steht, ob eine sicherheitsrechtliche Anordnung dem eigenen oder dem übertragenen Wirkungskreis der Gemeinde zuzuordnen ist. Die Zugehörigkeit richtet sich nach der allgemeine Regel des Art. 7 GO i.V.m. Art. 83 Abs. 1 BV, wonach zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinde alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zählen. Anordnungen im Bereich des Sicherheitsrechts rechnen dementsprechend dann zum eigenen Wirkungskreis, wenn die Gefahr, die abgewehrt werden soll, in ihren Auswirkungen und in ihrer Tragweite auf das Gemeindegebiet beschränkt ist (BayVGH, B.v. 7.4.2004 – 24 CS 04.53 – juris Rn. 12). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine getroffene Anordnung ausdrücklich nur im Gemeindegebiet gelten soll (Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: September 2015, Art. 18 Rn. 93). Ein anderes gilt dann, wenn eine Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht nur innerhalb des Gemeindegebiets vor dem gefährlichen Hund schützen soll, sondern alle Personen, die mit dem Hund zusammentreffen können, in ihren Schutzbereich einbezieht – unabhängig davon, ob sie sich innerhalb oder außerhalb des Gemeindegebiets aufhalten (BayVGH, B.v. 7.4.2004 – 24 CS 04.53 – juris Rn. 12). Weil eine solche Schutzrichtung regelmäßig anzunehmen ist, sofern sich aus dem Bescheid nichts anderes ergibt, haben Anordnungen gemäß Art. 18 Abs. 2 LStVG im Regelfall bayernweite Geltung und gehören deshalb zum übertragenen Wirkungskreis (BayVGH, B.v. 7.4.2004 – 24 CS 04.53 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 20.1.2011 – 10 B 09.2966 – juris Rn. 20).
Der angegriffene Bescheid lässt weder im Tenor noch in der Begründung erkennen, dass die ausgesprochenen Anordnungen in Nr. 2 bis 5 auf das Gemeindegebiet der Antragsgegnerin beschränkt sein sollen. Im Gegenteil – ausweislich des Hinweises auf Seite 4 des Bescheids vom 16.11.2020 – sind die Nrn. 3 bis 5 gerade nicht auf das Gebiet der Gemeinde W … beschränkt, sondern gelten bayernweit. Deren Erlass gehört daher nicht mehr zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sondern ist dem übertragenen Wirkungskreis zuzuordnen. Die Antragsgegnerin ist Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft W …, die nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgemeinschaftsordnung (VGemO) grundsätzlich alle Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises ihrer Mitgliedsgemeinden wahrnimmt. In der Folge ist nicht die Antragsgegnerin, sondern die Verwaltungsgemeinschaft W … für den Erlass der Anordnungen in Nr. 3 bis 5 des Bescheids nach Art. 18 Abs. 2 LStVG zuständig.
Gleiches gilt nach gebotener summarischer Prüfung auch für die Anordnung der sicheren Verwahrung der Hündin auf dem Grundstück des Antragstellers in Nr. 2 des Bescheids, obwohl diese Nummer nicht explizit in oben genannten Hinweis auf Seite 4 des Bescheids aufgenommen wurde. Zwar betrifft die Einfriedung zunächst nur das im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin gelegene Grundstück. Mit der angeordneten ausbruchsicheren Einfriedung des Grundstücks soll aber das unbeaufsichtigte Entweichen und das Herumstreunen der Hündin vermieden werden. Diese Zielsetzung der Anordnung betrifft damit aber (auch) außerhalb des Gemeindegebietes gelegene Bereiche und ist daher im Ergebnis ebenfalls dem übertragenen Wirkungskreis zuzuordnen. Eine abweichende Zuständigkeit der Gemeinde wäre daher nicht sachgerecht (vgl. VG Augsburg, U. v. 06.11.2012 – Au 1 K 12.153, BeckRS 2012, 59795 Rn. 24). Hinsichtlich der Vermeidung der Gefährdung sich auf dem Grundstück aufhaltender Personen im 2. Teil der Nr. 2 des Bescheids gilt aufgrund der Tatsache, dass die Anordnungen im Zusammenhang zu sehen sind das Gleiche. Insbesondere ist der erste Halbsatz der Nr. 2 des Bescheids „Durch ausbruchsichere Unterbringung (z.B. Zaun, Schließvorrichtung, Zwinger) ist zu gewährleisten, dass die Hündin „R …“ sicher verwahrt wird; “, welcher die eigentliche Anordnung darstellt, nicht teilbar, wogegen der insoweit teilbare zweite Halbsatz „d.h. weder das Grundstück, auf dem sie gehalten wird, unbeaufsichtigt verlassen kann, noch sich dort aufhaltende Personen gefährden kann“ aus Sicht des entscheidenden Gerichts lediglich eine Erläuterung des ersten Halbsatzes darstellt. Auch insoweit wäre es im Hinblick auf den Zusammenhang der Anordnungen nicht sachgerecht, eine abweichende Zuständigkeit der Gemeinde anzunehmen. Somit ist die Verwaltungsgemeinschaft W … auch für den Erlass der Anordnung in Nr. 2 des Bescheids nach Art. 18 Abs. 2 LStVG zuständig.
Die Nrn. 2 bis 5 des angegriffenen Bescheids sind also von der sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden und dementsprechend formell rechtswidrig. Entsprechend besteht kein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehbarkeit mit der Folge, dass die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der in Nr. 2 bis 5 getroffenen Anordnungen wiederherzustellen ist.
(2) Die sicherheitsrechtliche Anordnung in Nr. 4 des Bescheids ist darüber hinaus bei summarischer Prüfung auch materiell rechtswidrig.
Rechtsgrundlage für die Nr. 4 des Bescheids ist Art. 18 Abs. 2 LStVG. Demgemäß dürfen zum Schutz vor Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder die öffentliche Reinlichkeit für den Einzelfall Anordnungen zur Haltung von Hunden getroffen werden. Eine solche Anordnung setzt voraus, dass im individuellen Fall eine konkrete Gefahr für die in der Vorschrift in Bezug genommenen Schutzgüter vorliegt. Dies ist zu bejahen, wenn eine Sachlage besteht, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens in dem zu beurteilenden Einzelfall in überschaubarer Zukunft ohne die betreffende Anordnung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer künftigen Verletzung der geschützten Güter führt (BayVGH, B.v. 29.4.2013 – 10 ZB 10.2523, juris Rn. 5). Hierbei sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden und je bedeutsamer das bedrohte Rechtsgut ist (Schwabenbauer in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand: 1.11.2020, Art. 18 LStVG Rn. 26). Die Sicherheitsbehörde hat hinsichtlich der Gefahr eine gerichtlich voll überprüfbare Prognose vorzunehmen (BayVGH, B.v. 18.11.2011 – 10 ZB 11.1837, juris Rn. 17). Die Prognose muss sich auf zutreffend ermittelte, tatsächliche Anhaltspunkte stützen und die Annahme tragen, dass von dem betreffenden Hund mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit Gefahren für die von Art. 18 Abs. 2 LStVG geschützten Rechtsgüter ausgehen (Schwabenbauer in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand: 1.11.2020, Art. 18 LStVG Rn. 30). Dabei genügt es, wenn die Behörde die für die Annahme einer Gefahr relevanten Umstände ermittelt. Eine vollständige Aufklärung auch solcher Gesichtspunkte, die für die vorzunehmende Prognose keine Rolle spielen, verlangt der Grundsatz der Amtsermittlung in derartigen Fällen nicht. Ist es in der Vergangenheit bereits zu Beißvorfällen oder sonstigen Zwischenfällen gekommen, dann ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom Vorliegen einer konkreten Gefahr auszugehen (B.v. 25.8.2014 – 10 ZB 12.2673, juris Rn. 8), mit der Folge, dass Maßnahmen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG regelmäßig geboten sind (B.v. 31.7.2014 – 10 ZB 14.688, juris Rn. 9, B.v. 28.9.2012 – 10 CS 12.1791, juris Rn. 24).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Antragsgegnerin nach summarischer Prüfung zwar zutreffend bejaht, dass von der Hündin „R …“ eine Gefahr für die in Art. 18 Abs. 2 LStVG geschützten Rechtsgüter ausgeht (dazu (a)). Jedoch erweist sich Nr. 4 des Bescheids als voraussichtlich unverhältnismäßig (dazu (b)).
(a) Das Gericht hat angesichts der bisherigen, in der Behördenakte dokumentierten und seitens des Antragstellers nicht substantiiert in Abrede gestellten Zwischenfälle mit dem Hund „R …“ nach der gebotenen summarischen Prüfung keinen Zweifel daran, dass die Antragsgegnerin zu Recht angenommen hat, dass von diesem eine konkrete Gefahr für die von Art. 18 Abs. 2 LStVG geschützten Rechtsgüter ausgeht.
Es ist für die Bejahung einer konkreten Gefahr nicht erforderlich, dass vor dem Erlass entsprechender Anordnungen bereits (Beiß-)Zwischenfälle stattgefunden haben (BayVGH, U.v. 21.12.2011 – 10 B 10.2806, juris). Ist es jedoch bereits zu einem Beißvorfall oder einem sonstigen Vorfall gekommen, bei dem ein Hund eine Person oder einen anderen Hund angegriffen hat, so hat sich die von jedem Hund ausgehende abstrakte Gefahr bereits realisiert. Es besteht dann die konkrete Gefahr weiterer derartiger Vorfälle, die Gefährlichkeit des Hundes bedarf dann keiner weiteren Nachprüfung mehr (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Sept. 2015, Art. 18 Rn. 40, 42).
Die Vorfälle vom 07.07.2016, 24.02.2017 und 08.10.2020 zeigen in genügender Weise, dass von dem Hund „R …“ konkrete Gefahren für die durch Art. 18 LStVG geschützten Rechtsgüter ausgehen, und bieten einen hinreichenden Anlass für den Erlass von Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG. Nach dem seitens des Antragstellers nicht substantiiert widersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin fiel „R …“ am 07.07.2016 eine Person beim Zeitungsaustragen an und biss diese. Am 24.02.2017 wurde – von Seiten des Antragstellers insoweit ebenfalls nicht substantiiert bestritten – ein anderer Hund durch die Hündin des Antragstellers angegriffen und mehrmals gebissen, sodass er tierärztlich versorgt werden musste. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass am 08.10.2020 ein Mädchen von „R …“ in den Unterarm gebissen wurde. Somit hat sich die durch den Hund bestehende konkrete Gefahr bereits mehrfach in erheblichster Weise realisiert, so dass an der Prognose, dass vom Hund des Antragstellers (auch weiterhin) eine konkrete Gefahr für die Schutzgüter des Art. 18 Abs. 2 LStVG ausgeht, keine ernstlichen Zweifel mehr bestehen. Dass der Antragsteller in der Antragsbegründung angab, bisher sei es in der Vergangenheit nie zu dem vom 08.10.2020 ähnlichen Vorfällen gekommen, verfängt nach summarischer Prüfung schon aufgrund der Tatsache, dass die beiden anderen Beißvorfälle vom 07.07.2016 und 24.02.2017 in der Behördenakte jeweils mit Lichtbildern der Verletzungen dokumentiert wurden, nicht. Auch wurden die Vorfälle vom 07.07.2016 und 24.02.2017 seitens des Antragstellers nach Erhalt der Klageerwiderung nicht mehr substantiiert bestritten. Angesichts dessen wertet das Gericht das Vorbringen des Antragstellers bei summarischer Prüfung als Schutzbehauptung. Auch dass er den betreffenden Weg täglich mehrfach mit Kontakt zu anderen Hunden und Menschen geht und „R …“ grundsätzlich voll in die vierköpfige Familie integriert sei, ändert am Vorliegen der konkreten Gefahr aufgrund der erwiesenen Vorfälle nichts. Die Frage, ob das am 08.10.2020 von „R …“ gebissene Mädchen die Hündin im Vorfeld des Öfteren provozierte, ist vorliegend ebenfalls nicht entscheidungserheblich.
(b) Nach gebotener summarischer Prüfung erweist sich die Anordnung in Nr. 4 des Bescheids, die dem Antragsteller die Pflicht auferlegt, seinen Hund außerhalb bebauter Gebiete sowohl an einer maximal zehn Meter langen, reißfesten Feldleine mit schlupfsicherem Halsband als auch mit einem angelegten, passgerechten, nicht abstreifbaren Maulkorb zu führen, als unverhältnismäßig. Eine Kombination aus Leinen- und Maulkorbpflicht ist nur dann das gefahradäquate, mildeste Mittel, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Leinenzwang allein nicht ausreicht, um den von dem streitgegenständlichen Hund ausgehenden Gefahren zu begegnen. Ein zusätzlicher Maulkorbzwang kann dann verfügt werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr unabdingbar ist, einen kombinierten Leinen- und Maulkorbzwang zu verhängen (vgl. BayVGH, B. v. 17.04.2013 – 10 ZB 12.2706, juris). Demnach ist die Anordnung eines Maulkorbzwangs neben dem Leinenzwang grundsätzlich verhältnismäßig, wenn es dem Hund gelungen ist, einen Menschen oder ein anderes Tier zu verletzen, obwohl er angeleint war (vgl. BayVGH, B.v. 31.07.2014 – 10 ZB 14.688, juris Rn. 9). Dies war jedoch vorliegend nicht der Fall. Es ist nicht ersichtlich, dass der Hund bei einem der in der Behördenakte dokumentierten drei Beißvorfälle angeleint war. Vielmehr ging der Antragsteller am 08.10.2020 gerade mit der unangeleinten Hündin spazieren. Auch bei den Vorfällen vom 07.07.2016 und 24.02.2017 befand sich die Hündin unangeleint im Grundstück des Antragstellers. Insofern stellt die Kombination aus Leinen- und Maulkorbzwang gerade nicht das mildeste Mittel dar. Das entscheidende Gericht geht entgegen der Begründung des angegriffenen Bescheids davon aus, dass das mildere Mittel der Anordnung eines alternativen Leinen- und Maulkorbzwangs außerhalb bewohnter Gebiete ausreichend gewesen wäre, um der von einem großen, kräftigen Hund ausgehenden Gefahr hinreichend Rechnung zu tragen. Die Vorfälle lassen nicht den Rückschluss zu, dass sich „R …“ zum Angriff auf andere losreißen würde, wenn sie angeleint ist, angeleint zubeißen würde oder bereits einmal aus dem Halsband geschlüpft wäre (vgl. BayVGH, B. v. 17.04.2013 – 10 ZB 12.2706, BeckRS 2013, 50873 Rn. 5). Das Gericht hält indes eine Alternative aus Leinen- und Maulkorbzwang auch unter Berücksichtigung tierschutzrechtlicher Aspekte, wie dem Bewegungsbedürfnis der großen Hündin, für gefahradäquat. Hierdurch wird den durch sie ausgehenden Gefahren entgegengewirkt.
(3) Sind die in Nr. 2 bis 5 getroffenen Anordnungen des Bescheids vom 16.11.2020 bereits rechtswidrig, muss bei summarischer Prüfung auch das in Nr. 8 angedrohte, hierauf bezogene Zwangsgeld rechtswidrig sein. Denn dieses dient zur Durchsetzung der in Nr. 2 bis 5 getroffenen Anordnungen und teilt daher deren rechtliches Schicksal.
Darüber hinaus ist die Zwangsgeldandrohung unter Nr. 8 des Bescheids unbestimmt und verstößt gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Aus der Zwangsgeldandrohung ist nicht ersichtlich, wann genau das Zwangsgeld fällig werden soll. Offen ist, ob es bereits fällig werden soll, wenn der Antragsteller lediglich gegen eine der Nrn. 2 bis 5 verstößt oder nur dann, wenn der Antragsteller gegen alle vier Nummern kumulativ verstößt.
Insoweit ist die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, weil Rechtsbehelfen gegen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a BayVwZVG von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt.
(4) Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Nrn. 2 bis 5 und 8 des Bescheids kann auch die Kostenentscheidung in Nr. 9 des Bescheids keinen Bestand haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des eingestellten Teils auf § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 35.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs (Hälfte des Streitwerts der Hauptsache).


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