Verwaltungsrecht

Zwangsvollstreckung von Rundfunkbeiträgen

Aktenzeichen  M 26 K 15.4667

Datum:
3.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 2 Abs. 1
BayVwZVG BayVwZVG Art. 17 Abs. 2, Abs. 4, Art. 21

 

Leitsatz

1. Materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Vollstreckung eines Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheids können bei Bestandskraft des zugrunde liegenden Bescheides über den Weg des Art. 21 BayVwZVG bei der Anordnungsbehörde geltend gemacht werden, die über den Antrag in Form eines Verwaltungsaktes zu entscheiden hat. (redaktioneller Leitsatz)
2. Einwendungen gegen die Vollstreckung, die den zu vollstreckenden Anspruch betreffen, sind zunächst gegenüber der Anordnungsbehörde geltend zu machen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die History-Aufstellung der elektronisch geführten Vorgangsverwaltung einer Verwaltung genügt den Vorgaben des Art. 17 IV BayVwZVG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung (Nr. II des Urteils) ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keine Aussicht auf Erfolg, weil sie bereits unzulässig ist.
1. Den vom Kläger gestellten Antrag legt das Gericht laiengünstig gemäß §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO i. V. m. den Rechtsgedanken der §§ 133, 157 Bürgerliches Gestzbuch – BGB – als Verpflichtungsantrag gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsaktes aus, welcher die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt, §§ 113 Abs. 5, 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO i. V. m. Art. 21 VwZVG. Dem Kläger geht es vorliegend nicht um formelle Einwendungen, die je nach deren Art ggf. im Wege der §§ 766 f. Zivilprozessordnung – ZPO – i. V. m. § 167 Abs. 1 VwGO geltend zu machen wären (str.), sondern er erhebt materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Vollstreckung der Feststellungsbescheide. Solche materiell-rechtlichen Einwendungen können (bei Bestandskraft des zugrundeliegenden Bescheides) über den Weg des Art. 21 VwZVG bei der Anordnungsbehörde geltend gemacht werden, welche über den Antrag in Form eines Verwaltungsaktes zu entscheiden hat (im Einzelnen dogmatisch strittig, vgl. z. B. zur Frage der Statthaftigkeit/Zulässigkeit VG Würzburg, U. v. 25.1.2016 – W 6 K 15.1182 – juris; VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 28.9.2015 – B 3 K 15.546 – juris; dagegen bei ausdrücklich erhobener Vollstreckungsabwehrklage vgl. VG München, B. v. 25.3.2015 – M 6a K 14.4769 – juris).
Dieser Verpflichtungsantrag ist zwar bereits unzulässig (s.u. unter 2.1); es ergibt sich aber kein anderer Rechtsbehelf, der dem Klagebegehren des Klägers Rechnung tragen würde und zulässig wäre. Das Gericht hat auf sachdienliche Anträge hinzuwirken, §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO. Sofern mehrere mögliche Rechtsbehelfe in Betracht kommen, darf das Gericht folglich nicht diejenige Auslegung wählen, die zur Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs führt, wenn eine Auslegung auch derart möglich wäre, dass zumindest ein zulässiger Rechtsbehelf ergriffen worden ist. Dies ist aber nicht der Fall.
2.1 Die Klage ist unzulässig, weil ihr das Rechtschutzbedürfnis fehlt. Gemäß Art. 21 Satz 1 VwZVG sind Einwendungen gegen die Vollstreckung, die wie vorliegend den zu vollstreckenden Anspruch betreffen, zunächst gegenüber der Anordnungsbehörde, hier dem Beklagten, geltend zu machen. Der Kläger hat sich jedoch sofort an das Gericht gewandt, ohne zuvor beim Beklagten Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung zu erheben. Ein vorheriger Antrag nach Art. 21 Satz 1 VwZVG bei der Anordnungsbehörde ist zweckmäßig, weil die Anordnungsbehörde, die den Verwaltungsakt gesetzt und die Vollstreckung veranlasst hat, nach Art. 22 VwZVG verpflichtet ist, die Vollstreckung einzustellen, wenn und soweit dies erforderlich ist (Giehl, Bayerisches Verwaltungsverfahrensrecht, Loseblatt, 40. Aktualisierung Stand September 2016, Art. 21 VwZVG, IV Ziffer 1). Ob sich der Kläger zuvor an den Beklagten wenden musste, um das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage darzulegen, ist eine Frage des konkreten Falles. In der Regel ist dafür – selbst im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes – entweder eine große Eilbedürftigkeit notwendig oder ein vorheriger Antrag bei der Behörde müsste offensichtlich aussichtslos und damit ausnahmsweise verzichtbar sein. Beides ist vorliegend nicht der Fall. Gerade wenn man den Vortrag des Klägers, er habe keines der o.g. Schriftstücke erhalten, sondern (scheinbar) erst das Vollstreckungsersuchen vom … September 2015, als wahr unterstellt, ist es nicht gerechtfertigt, dass sich der Kläger ohne vorherige Befassung des Beklagten sofort an das Gericht gewandt hat. Denn gerade in einem solchen Fall liegt es auf der Hand und entspricht auch dem Sinn und Zweck des Art. 21 VwZVG, sich zunächst bei der Behörde zu melden, um die vom Kläger vorgetragenen Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung zu erheben und einen entsprechenden Antrag zu stellen. Auch zeitlich wäre dies ohne weiteres für den Kläger zumutbar gewesen, zumal der Gerichtsvollzieher den Kläger bereits am … Oktober 2015 zum erst am … Oktober 2015 stattfinden Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft geladen hatte. Daher fehlt es der Klage am Rechtschutzbedürfnis.
2.2 Im Übrigen wäre, wenn man die Zulässigkeit des Verpflichtungsantrags unterstellt, die Klage jedenfalls unbegründet. Die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung gemäß Art. 18 ff., 23 ff. VwZVG liegen vor. Die eine Geldleistung (Art. 18 Abs. 1, 23 Abs. 1 VwZVG) festsetzenden Bescheide sind bestandskräftig und überdies sofort vollziehbar (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwZVG). Die den Bescheiden zugrundeliegenden Forderungen sind fällig (Art. 23 Abs. 2 VwZVG) und wurden nicht rechtzeitig erfüllt (Art. 19 Abs. 2 VwZVG). Der Beklagte hat den Kläger jeweils ordnungsgemäß gemahnt (Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG).
Insbesondere wurden die Bescheide ordnungsgemäß zugestellt (Art. 23 Abs. 1 i. V. m. Art 17 VwZVG). Die Voraussetzungen der Zustellungsfiktion des Art. 17 Abs. 2 Satz 1 VwZVG sind gegeben; der Beklagte hat in seinen Akten laut History-Aufstellung gemäß Art. 17 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwZVG den Tag der Aufgabe zur Post als elektronische „Post-Ab-Vermerke“ aufgelistet. Die History-Aufstellung der elektronisch geführten Vorgangsverwaltung des Beklagten genügt, was die vorgelegten Ausdrucke in den Behördenakten dokumentieren, den Vorgaben des Art. 17 Abs. 4 VwZVG.
Gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 2 VwZVG hat im Zweifel die Behörde den Zugang nachzuweisen. Dabei kann sie ihrer Beweispflicht hinsichtlich des Zugangs jedoch auch nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins genügen, wenn sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger einen Bescheid oder ein Schreiben tatsächlich erhalten haben muss (vgl. BayVGH, U. v. 18.2.2016 – 11 BV 15.1164 – juris; BayVGH, B. v. 6.7.2007 – 7 CE 07.1151- juris Rn. 8 m. w. N.). Vorliegend wurden laut Behördenakten bzw. der elektronischen Vorgangsverwaltung des Beklagten alle Schreiben an den Kläger korrekt adressiert und sind nicht als unzustellbar in Rücklauf gekommen. Demgegenüber hat der Kläger den Zugang lediglich pauschal bestritten und keinen atypischen Geschehensablauf schlüssig vorgetragen, aus dem sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Schreiben – ihren Versand unterstellt – nicht zugegangen sind und dass sie etwa im Postbetrieb verloren gegangen sein könnten. Im Gegenteil schreibt des Kläger selbst, dass er seit März 2014 an seiner derzeitigen Adresse einen ordnungsgemäß aufgestellten, mit seinem Namen versehenen Briefkasten besitze. Wieso er dennoch alle Bescheide nicht erhalten haben will, kann der Kläger daher nicht schlüssig darlegen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 84 und 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist der angefochtene Gerichtsbescheid zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
mündliche Verhandlung beantragen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 550,96 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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