Verwaltungsrecht

Zweckentfremdung, Wiederzuführung zu Wohnzwecken, Fälligkeit Zwangsgeld, Erneute Androhung eines Zwangsgelds

Aktenzeichen  M 9 S 20.4774

Datum:
18.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20642
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
VwGO § 123 Abs. 1
VwZVG Art. 19 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 43.750,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller sucht einstweiligen Rechtsschutz gegen die Fälligkeitsmitteilung der Antragsgegnerin vom 17. April 2020 hinsichtlich eines Zwangsgeldes in Höhe von 32.000,00 Euro, die Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 37.000,00 Euro mit Bescheid der Antragsgegnerin vom selben Tage sowie die diesbezügliche Fälligkeitsmitteilung der Antragsgegnerin vom 12. November 2020.
Zugrunde liegt ein bestandskräftiger zweckentfremdungsrechtlicher Grundbescheid der Antragsgegnerin vom 23. August 2019, mit dem der Antragsteller aufgegeben wurde, den Wohnraum W. …str., *. OG links unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen (Nr.1) und ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000,00 Euro angedroht wurde für den Fall, dass der Antragsteller dieser Anordnung nicht innerhalb von 3 Monaten ab Zustellung des Bescheids Folge leistet (Nr. 3). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Wohnung seitens der Antragsgegnerin bei einer Ortseinsicht am 22. Januar 2019, bei der der Antragsteller und sein Hausverwalter zugegen gewesen waren, unbewohnt vorgefunden worden sei. Seitens des Antragstellers und seines Hausverwalters wurde mitgeteilt, dass die Wohnung seit Ableben des Vormieters im Juli 2018 leer steht. Dabei zeigte sich die Wohnung bei der Ortsbesichtigung – abgesehen von wünschenswerten Schönheitsreparaturenin einem bezugsfertigen Zustand. Der Antragsteller erklärte jedoch, dass geplant sei, in Kürze vor der Aufnahme einer erneuten Wohnnutzung kleinere Renovierungsarbeiten (Maler- und Bodenarbeiten sowie neue Fliesen) durchführen zu lassen. Diese wurden jedoch in der Folge nicht durchgeführt. Der Antragsteller teilte hierzu am 12. Juli 2019 mit, es sei aufgrund der Renovierung und Fertigstellung der Dachgeschosswohnungen zu finanziellen Engpässen gekommen. Die Renovierung werde aber sofort nach Vermietung der Dachgeschosswohnungen aufgenommen. Am 23. August 2019 erließ die Antragsgegnerin, nach Anhörung, den o.g. Grundbescheid.
Nachdem die Wohnung lt. Auskunft des Hausverwalters (Telefonat am 29. November 2019) weiterhin leer stand und der Antragsteller die Renovierung nicht vornehmen ließ bzw. entsprechende Bemühungen nachwies, folgte mit Schreiben und bestandskräftigem Bescheid vom 2. Dezember 2019 die Fälligkeitsmitteilung hinsichtlich des mit o.g. Bescheid angedrohten Zwangsgelds i.H.v. 4.000,00 Euro sowie die Androhung eines weiteren Zwangsgelds i.H.v. 8.000,00 Euro (1. Folgebescheid). Mit Schreiben und bestandskräftigem Bescheid vom 7. Februar 2020 (2. Folgebescheid) teilte die Antragsgegnerin mit, dass das Zwangsgeld i.H.v. 8.000,00 Euro aufgrund des weiterhin anhaltenden Leerstands fällig geworden sei und drohte ein weiteres Zwangsgeld i.H.v. 16.000,00 Euro an.
Nachdem der Antragsteller in einem Telefonat mit der Antragsgegnerin am 14. April 2020 erklärte, dass die Wohnung weiterhin leer stünde, teilte die Antragsgegnerin dem Antragsgegner mit Schreiben 17. April 2020 mit, dass das Zwangsgeld i.H.v. 16.000,00 Euro fällig geworden sei (Zi. I) und erließ einen 3. Folgebescheid, mit welchem ein Zwangsgeld i.H.v. 32.000,00 Euro angedroht wurde für den Fall, dass der Antragsteller der Anordnung zur Wiederzuführung der Wohnung zu Wohnzwecken gemäß Grundbescheid innerhalb von 2 Monaten ab Zustellung des Bescheides nicht erfüllt. (s. hierzu die Verfahren M 9 S 21.1324 und M 9 K 20.2291).
Da nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin aus einer Ortseinsicht sowie einer Recherche im Einwohnermelderegister vom 28. August 2020 die Wohnung nach wie vor leer stand, teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1. September 2020 mit, dass das mit Bescheid vom 17. April 2020 angedrohte Zwangsgeld fällig geworden sei und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 37.000,00 Euro an für den Fall, dass der Antragsteller der ihm mit Grundbescheid vom 23. August 2019 aufgegebenen Verpflichtung, das *. OG W. …str. * unverzüglich Wohnzwecken wieder zuzuführen nicht innerhalb von 2 Monaten ab Zustellung des Bescheides erfüllt.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller mit Schriftsatz vom 29. September 2020 Klage erheben. Zugleich beantragte der anwaltliche Vertreter des Antragstellers
die Aussetzung der Vollziehung der Ordnungsverfügung/Zwangsgeldfestsetzung der LH München, Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration Wohnraumerhalt, Bestandssicherung, Aktenzeichen S-III-W/ Bs 115-2 wegen Wohnung W. …straße, M. …, *. OG links, gemäß Zi. I im Bescheid vom 01.09.2020, zugestellt am 04.09.2020.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der nahezu 80-jährige Antragsteller, der Eigentümer des Anwesens W. …str. * sei, sich nach seinen Möglichkeiten darum bemühe, die Wohnung einer Vermietung zuzuführen. Aufgrund der 60jährigen Mietdauer des verstorbenen Vormieters sei die Wohnung in einem katastrophalen Zustand und der Antragsteller für eine umfangreiche fachgerechte Sanierung, auch wegen Asbests, auf Handwerksbetriebe angewiesen. Handwerksunternehmen hätten ihm trotz seiner Bemühungen abgesagt oder noch keine hinreichenden Kostenvoranschläge unterbreitet, diese Situation hätte sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie noch verschlechtert. Zudem gehöre der Antragsteller zur typischen Risikogruppe. Der Bescheid sei insofern zur Unzeit ergangen. Der Antragsteller sei insgesamt alters- und gesundheitsbedingt nicht im geforderten Umfang leistungsfähig. Die Anmerkung der Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid, dass eine Vertragsanbahnung über elektronische Plattformen in die Wege geleitet werden könne, empfinde der Antragsteller nur als zynisch. Im Übrigen befinde sich die Wohnung nunmehr in einem vermietbaren Zustand. Derzeit bemühe er sich intensiv um die Vermietung und habe zu diesem Zwecke Anzeigen auf dem Immobilienportal I. … geschaltet. Auf die Anzeigen würden sich Interessenten melden, denen der Antragsteller im Falle deren Geeignetheit Besichtigungstermine anbiete. Bisher habe die Wohnung noch nicht vermietet werden können. Es sei jedoch davon auszugehen, dass dies in Kürze erfolgen werde. Vor diesem Hintergrund seien die angegriffenen Bescheide und die Vollstreckung aus den angegriffenen Bescheiden und die Androhung weiterer Ordnungsgelder rechtswidrig und verletzten den Antragsteller in seinen Rechten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde zunächst auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen. Zudem wurde auf die Ausführungen der Antragsgegnerin im Verfahren M 9 K 20.2291 verwiesen. Der Leerstand halte nach wie vor an. Trotz entsprechender Anschreiben habe weder der Antragsteller noch sein Bevollmächtigter reagiert, sodass weiterhin von einem Leerstand auszugehen sei. Im Übrigen seien etwaige Nachweise über angebliche Vermietungsbemühungen der Antragsbegründung nicht wie behauptet beigefügt gewesen. Das Zwangsgeld sei nicht überhöht. Vielmehr zeige die Tatsache, dass die Wohnung weiterhin leer steht, dass das vorherige Zwangsgeld offensichtlich zu niedrig angesetzt worden war, da es ihn nicht zu der Wiederzuführung zu Wohnzwecken habe motivieren können.
Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2020 ließ der Antragsteller eine Anzeige auf dem Portal I. … vorliegen, die seine Wohnung betreffe. Die 102 Quadratmeter große 4-Zimmer-Wohnung in M. …-G. … wird zum Preis von 2.300 Euro/kalt angeboten. Des Weiteren wurden Korrespondenzen von 14 Interessenten mit der Hausverwaltung vorgelegt, beginnend mit dem 11. September 2020.
Mit Schriftsatz vom 1. November 2020 beantragt der Bevollmächtigte des Antragstellers
die Aussetzung der Vollstreckung.
Die Antragsgegnerin habe den Kläger mit Schreiben vom 26. Oktober 2020 wegen der Zwangsgeldforderung in Höhe von 32.000,00 Euro angemahnt und Vollstreckungsmaßnahmen angekündigt. Der Kläger habe die Wohnung wieder in einen vermietbaren Zustand versetzt und bemühe sich derzeit intensiv um die Vermietung. Vor diesem Hintergrund sei die Zwangsvollstreckung rechtswidrig. Dadurch drohten dem Antragsteller existenzielle Nachteile und Schäden. Die Zwangsvollstreckung sei auch im Hinblick auf deren Höhe völlig unverhältnismäßig. Jedenfalls sei diese bis zum Abschluss des Verfahrens auszusetzen.
Mit Schriftsatz vom 5. November 2020 teilte die Antragsgegnerin mit, dass dort kein Anlass gesehen werde, die Vollstreckung des am 1. September 2020 für fällig erklärten Zwangsgeldes auszusetzen. Dies gelte auch im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen zu dem Inserat, da bis auf zwei Absagen nicht nachvollziehbar sei, warum trotz zahlreicher Absagen kein Mietverhältnis zustande gekommen sei. Dies entspreche den Erfahrungen mit dem Antragsteller in anderen zweckentfremdungsrechtlichen Verfahren.
Mit Schreiben vom 7. November 2020 übermittelte der Bevollmächtigte des Antragstellers ein Schreiben der Antragsgegnerin vom 5. November 2020. In diesem wurde im Hinblick auf die verstrichene Frist aus dem streitgegenständlichen Bescheid vom 1. September 2020 die Vorlage eines Wiederbelegungsnachweis angefordert, der vor dem 12. November 2020 der Antragsgegnerin vorliegen solle.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 11. November 2020 ließ der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin vortragen, er habe die Vermietung nicht vornehmen können, da er seine Ehefrau am 11. November 2020 in einer mehrstündigen Operation operiert worden sei. Der Antragsteller habe sie zum Krankenhaus begleitet und während der Operation dort gewartet. Vor diesem Hintergrund habe ein für den 11. November 2020 vorgesehener Termin mit einer namentlich benannten Mietinteressentin auf den nächsten Tag verlegt werden müssen. Der Antragsteller bemühe sich intensiv um die Vermietung, die jedoch noch nicht habe erfolgen können. Daher werde um Fristverlängerung und Aussetzung der Vollstreckung gebeten.
Die Antragsgegnerin erachtete dieses Vorbringen für die Frage der Fälligstellung als unerheblich und teilte dem Antragsteller daher mit Schreiben vom 12. November 2020 mit, dass das mit Bescheid vom 1. September 2020 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 37.000,00 Euro fällig geworden sei.
Am 28. Januar 2021 erging gegenüber dem anwaltlichen Vertreter des Antragstellers ein richterlicher Hinweis zur Antragstellung (Bl. 32 Gerichtsakte). Ebenso wurden die Beteiligten zur Möglichkeit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Dieses Schreiben wurde dem Vertreter des Antragstellers lt. Empfangsbekenntnis am 1. Februar 2021 zugestellt, der Antragsgegnerin lt. Empfangsbekenntnis am 4. Februar 2021.
Die Antragsgegnerin teilte mit Schreiben vom 12. Februar 2021 mit, dass mit dem Erlass eines Gerichtsbescheids Einverständnis bestünde. Darüber hinaus wurde mitgeteilt, dass die fälligen Zwangsgelder in Höhe von 4.000,00 Euro, 8.000,00 Euro und 16.000,00 Euro bezahlt worden seien. Fällig und offen blieben die Zwangsgelder in Höhe von 32.000,00 Euro sowie 37.000 Euro.
Der Antragsteller ließ nach wiederholter Fristverlängerung mitteilen, dass mit dem Erlass eines Gerichtsbescheides zum jetzigen Zeitpunkt kein Einverständnis bestünde. Im Übrigen seien die Angaben zum Stand der Zwangsgeldvereinnahmung im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 12. Februar 2021 korrekt. Der Antragsteller wende sich gegen die Berechtigung der dort genannten Zwangsgelder und im Eilverfahren gegen die Einziehung der Zwangsgelder i.H.v. 32.000 Euro und 37.000 Euro.
Die Einziehung der Zwangsgelder würde einen finanziellen Nachteil im Sinne einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Antragstellers darstellen. Auch aufgrund einer Rechtsnachfolge hätte dieser Steuernachzahlungen i.H.V. 704.378,21 Euro zu leisten, die aufgrund der unzureichenden Leistungsfähigkeit des Antragstellers gestundet worden seien. Zur Leistung der Raten habe der Antragsteller einen Kredit i.H.v. 300.634,00 Euro erhalten. Das Konto des Antragstellers weise derzeit ein Sollsaldo i.H.v. knapp 100.000,00 Euro aus. Dem stünden lediglich Guthaben seiner beiden anderen Konten i.H.v. insges. rund 27.000,00 Euro gegenüber. Die vierte Rate (rund 400.000,00 Euro) habe der Antragsteller nicht in einem Betrag leisten können, sodass diese durch weitere Raten i.H.v. 100.00 Euro geleistet werden. Hinzu kämen für das zweite Quartal geschuldete Steuervorauszahlungen in Höhe von 75.000,00 Euro. Es werde auch gebeten zu berücksichtigen, dass dem Kläger aufgrund seines Alters nicht ohne Weiteres weitere Darlehen gewährt würden.
Schließlich seien die Zwangsgeldforderungen in der Sache unberechtigt. Bereits am 19. November 2020 sei der Antragsgegnerin ein zuvor mündlich geschlossener schriftlicher Mietvertrag zur streitgegenständlichen Wohnung ab 1. Januar 2021 vorgelegt worden. Die Antragsgegnerin habe daraufhin mit Schreiben vom 23. November 2020 mitgeteilt, die Anwendung von Zwangsmaßnahmen zunächst auszusetzen. Im Dezember 2021 habe sich bei den Vorbereitungsarbeiten zur Wohnungsübergabe dann allerdings herausgestellt, dass Asbest in der Wohnung vorhanden sei. Die Beseitigung der Materialien sei im Januar 2021 erfolgt. Nach sodann erforderlichen Anschlussarbeiten sei die Wohnung nunmehr in einen vermietbaren Zustand versetzt. Jedoch sei der Mieter im Hinblick auf den Asbestbefund vom Mietvertrag zurückgetreten. Derzeit bemühe der Antragsteller sich mit Hochdruck um die erneute Vermietung der Wohnung.
Ergänzend wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antragsteller hat mit seinem Begehr um einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der Fälligkeitsmitteilung betr. das Zwangsgeld in Höhe von 32.000,00 Euro (1.), mit seinem Begehr um einstweiligen Rechtsschutz betr. die Androhung eines weiteren Zwangsgelds in Höhe von 37.000,00 Euro (2.) und mit seinem Begehr um einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der Fälligkeit betr. das Zwangsgeld in Höhe von 37.000,00 Euro (3.) keinen Erfolg.
Fraglich ist zunächst, wie mit den Anträgen aus den Schriftsätzen vom 29. September 2020 (Aussetzung der Vollziehung der Ordnungsverfügung/Zwangsgeldfestsetzung gemäß Zi. I im Bescheid vom 01.09.2020) und 1. November 2020 (Aussetzung der Vollstreckung) umzugehen ist. Auf richterlichen Hinweis vom 28. Januar 2021 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 24. Februar 2021 erläutert, der Kläger wende sich gegen die im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 12. Februar 2021 genannten Zwangsgelder und im Eilverfahren gegen die Einziehung der Zwangsgelder in Höhe von 32.000,00 Euro und 37.000,00 Euro.
Es bleibt damit weiterhin unklar, welches Rechtsschutzziel der Antragsteller verfolgt. Es ist umstritten, inwieweit ein von anwaltlichen Vertretern ausdrücklich gestellter Antrag einer Auslegung gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO überhaupt zugänglich ist, was im Hinblick darauf, dass es sich beim Vertreter der Antragstellerin um einen Rechtsanwalt handelt, durchaus zweifelhaft ist (Eyermann/Rennert, 15. Aufl. 2019, VwGO § 88 Rn. 9). Die Auslegungsfähigkeit von Anträgen, die durch Rechtsanwälte gestellt werden, ist umstritten und tendenziell streng zu sehen. Der Streit kann im vorliegenden Fall im Ergebnis jedoch offen bleiben.
Denn selbst bei der für den Antragsteller günstigsten, weil rechtsschutzintensivsten, Auslegung, wonach nicht nur eine einstweilige Anordnung hinsichtlich der Beitreibung („Einziehung“) des lt. Schreiben der Antragsgegnerin vom 1. September 2020 fällig gewordenen Zwangsgelds in Höhe von 32.000,00 Euro, sondern auch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage gegen die Androhung des Zwangsgeld i.H.v. 37.000,00 Euro (und damit das Entfallen des gesetzlichen Sofortvollzugs, Art. 21 a VwZVG, Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG) und zusätzlich eine einstweilige Anordnung hinsichtlich der Beitreibung („Einziehung“) des lt. Schreiben der Antragsgegnerin vom November 2020 fällig gewordenen Zwangsgelds in Höhe von 37.000,00 Euro begehrt wird, hat der Antrag keinen Erfolg. Beide Begehren sind unbegründet.
1. Soweit der Antragsteller sich gegen die Beitreibung („Einziehung“) des lt. Schreibens der Antragsgegnerin vom 1. September 2020 fällig gewordenen Zwangsgelds in Höhe von 32.000,00 Euro wendet, kommt mangels Verwaltungsaktcharakter dieser Mitteilung (vgl. hierzu z.B. BayVGH, B.v. 24.1.2011, 2 ZB 10.2365, juris Rn. 3) einstweiliger Rechtsschutz allein im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß
§ 123 Absatz 1 VwGO in Betracht.
Gemäß § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Dieser Antrag hat vorliegend keinen Erfolg, weil der Antragsteller weder das Vorliegen eines Anordnungsanspruches noch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht hat.
a. Für einen Anordnungsgrund muss glaubhaft gemacht werden, dass allein die Zahlung des Zwangsgelds wesentliche Nachteile begründet, welche auch durch eine spätere Rückforderung des Zwangsgelds nach Art. 39 VwZVG in einem Hauptsacheverfahren nicht wieder entfallen würden (BayVGH, B.v. 18.08.2008 – 9 CE 08.625 – juris Rn. 4 – 5). Die Glaubhaftmachung ist dem Antragsteller nicht zur Überzeugung der Kammer gelungen.
Sowohl hinsichtlich der geltend gemachten Steuerverbindlichkeiten in Höhe von 704.378,21 Euro bzw. 75.000,00 Euro lässt der Vortrag Ausführungen dazu missen, welche Einkünfte bzw. Aktiva dem entgegenstehen. Ebenso unerwähnt ließ der Antragsteller auf der Vermögensseite mindestens sein gerichtsbekanntes Immobilieneigentum am streitgegenständlichen Anwesen (5stöckiges Mehrfamilienhaus in bester Lage in M. …*) sowie an einem Einfamilienhaus in M. … Es ist daher fernliegend, dass dem Antragsteller durch Zahlung des Zwangsgeldes ein wesentlicher Nachteil entstehen könnte, der auch durch eine spätere Rückforderung nach Art. 39 VwZVG in einem Hauptsacheverfahren nicht wieder entfallen würde.
b. Schließlich hat der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da das Zwangsgeld nach summarischer Prüfung fällig geworden ist.
Weder zum Tag des Ablaufs des gemäß II. des Bescheids vom 17. April 2020 gesetzten Frist noch im Übrigen bis zum heutigen Tage hat der Antragsteller den Leerstand beendet. Dies räumt selbst der Bevollmächtigte des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 24. Februar 2021 ein. Daran ändert auch die – im Übrigen erst nach Fälligkeitseintritt vorgenommene und damit für die Frage der Fälligkeit irrelevante – Aufgabe einer Anzeige im Internetportal I. … nichts. Denn, wie die Antragsgegnerin zu Recht anmerkt, hat der Antragsteller damit sein geeignetes Bemühen (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 ZeS) nicht nachgewiesen. Bis auf zwei Fälle ist nicht nachvollziehbar, weshalb es trotz einer nicht unerheblichen Anzahl von Interessenten nicht zum Abschluss eines Mietvertrages gekommen ist. Schließlich lässt auch die Vorlage eines Mietvertrages am 19. November 2020 die bereits eingetretene Fälligkeit unberührt.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgelds (37.000,00 Euro) ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist nach Ergebnis der summarischen Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, sodass das öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts überwiegt.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Hierbei entscheidet das Gericht auf Grundlage einer eigenen, originären Ermessensentscheidung, in welcher das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung abgewogen wird. Im Rahmen dieser Abwägung kommt den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs eine entscheidende Bedeutung zu. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und auch ausreichenden summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts. Erweist sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung demgegenüber als erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse des Adressaten des Verwaltungsakts, von dessen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Stellen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingegen bei der allein gebotenen summarischen Überprüfung als of-fen dar, so ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, bei der in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe bei bestehender Unsicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs für und gegen eine Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes sprechen.
Die angefochtene Zwangsgeldandrohung erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig.
(1) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Die im Grundbescheid angeordnete Verpflichtung, die streitgegenständliche Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen kann nicht mehr mit einem förmlichen Rechtsbehelf angegriffen werden, da der Bescheid bestandskräftig geworden ist (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG).
Auch hat der Antragsteller diese Pflicht zum maßgeblichen Zeitpunkt (Bescheidserlass am 17. April 2020) nicht erfüllt, Art. 19 Abs. 2 VwZVG. Er hat die streitgegenständliche Wohnung nach den Feststellungen der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses bzw. bis zum heutigen Tage nicht einer Wohnnutzung zugeführt, wie sein Vertreter zuletzt im Schriftsatz vom 24. Februar 2021 selbst eingeräumt hat.
Er bleibt aber auch bis heute einen ausreichenden Nachweis schuldig, dass er sich darum nachweislich geeignet bemüht hätte, s. § 4 Abs. 2 Nr.1 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS). Auch ein nachweislicher zügiger Umbau, Instandsetzung oder Modernisierung liegt nicht vor, s. § 4 Abs. 2 Nr. 2 ZeS.
Wie die Antragsgegnerin anlässlich der Ortseinsicht am 22. Januar 2019 festgestellt hat, befand sich die Wohnung in einem bewohnbaren Zustand. Nachweise über geeignete Bemühungen um eine Vermietung hat der Antragsteller zum maßgeblichen Zeitpunkt (Erlass Zwangsgeldandrohungsbescheid) nicht vorgelegt.
Soweit der Antragsteller sich in der Antrags- und Klagebegründung vom 25. Mai 2020 in den Verfahren M 9 S 21.1324 und M 9 K 20.2291 erstmals auf die Erforderlichkeit umfangreicher Sanierungsmaßnahmen berufen hat, die ist dieses Vorbringen nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung in Frage zu stellen. Soweit dies nicht ohnehin als Schutzbehauptung zu werten ist, wofür im Hinblick auf die Feststellungen der Antragsgegnerin zum Zustand der Wohnung und im Hinblick auf die wiederholten Aussagen des Antragstellers, dass nur Renovierungsarbeiten geplant seien, einiges spricht, scheitert es schon an dem Merkmal der nachweislichen Zügigkeit der Maßnahmen. Das Vorbringen des Antragstellers zur angespannten Lage am Handwerkermarkt kann seitens der Kammer zwar generell bestätigt werden, allerdings ist in keinster Weise mehr nachvollziehbar, weshalb es dem Antragssteller – trotz seines Alters – bzw. seiner Hausverwaltung nicht gelungen sein soll, in der seit Beginn des Leerstands Mitte 2018 bzw. seit Erlass des Grundbescheides im August 2019 verstrichenen Zeit entsprechende Auftragnehmer zu finden und die Arbeiten durchführen zu lassen. Schließlich zeigt der vom Bevollmächtigen des Antragstellers im Schriftsatz vom 24. Februar 2021 dargestellte Sachverhalt zum Verlauf von Vorbereitungsarbeiten zur Übergabe der Wohnung an den – mittlerweile schon wieder vom Vertrag zurück getretenen – Mieter, dass die Beauftragung entsprechender Firmen sowie die Vornahme der Arbeiten letztlich innerhalb kurzer Zeit erledigt werden konnten (Dezember 2020: Asbestfund; Materialprobenanalye 11.12.2020, Ende der Arbeiten Mitte Februar 2021). Auch der Verweis auf die Corona-Pandemie lässt diesen Mangel an Zügigkeit nicht entfallen. Bei den entsprechenden Ausführungen des Antragstellers handelt es sich nach Ansicht der Kammer offensichtlich um Schutzbehauptungen.
Schließlich liegt auch in den nun vorgelegten Nachweisen zu Vermietungsbemühungen des Antragstellers, auch kein nachweislich geeignetes Bemühen um eine Vermietung. Insofern wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen. Ergänzend ist anzumerken, dass die frühesten E-Mails vom 11. September 2020 datieren, sodass sie schon vom zeitlichen Ablauf her die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung vom 1. September 2020 nicht beeinträchtigen können. Gleiches gilt für den am 19. November 2020 vorgelegten Mietvertrag.
(2) Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen für die erneute Androhung eines Zwangsgeldes liegen vor (Art. 31, 36 VwZVG). Im Übrigen sind Ermessensfehler bei der Androhung des Zwangsmittels nicht ersichtlich oder vorgetragen. Die Höhe des Zwangsgeldes orientiert sich am wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG) und ist angemessen.
3. Der Antragsteller hat mit seinem als solchen zu verstehenden Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO hinsichtlich der Fälligkeitsmitteilung vom 12. November 2020 betr. das Zwangsgeld in Höhe von 37.000,00 Euro keinen Erfolg.
Der zulässige Antrag hat vorliegend keinen Erfolg, weil der Antragsteller weder das Vorliegen eines Anordnungsanspruches noch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht hat.
a. Für einen Anordnungsgrund muss glaubhaft gemacht werden, dass allein die Zahlung des Zwangsgelds wesentliche Nachteile begründet, welche auch durch eine spätere Rückforderung des Zwangsgelds nach Art. 39 VwZVG in einem Hauptsacheverfahren nicht wieder entfallen würden (BayVGH, B.v. 18.08.2008 – 9 CE 08.625 – juris Rn. 4 – 5). Die Glaubhaftmachung ist dem Antragsteller nicht zur Überzeugung der Kammer gelungen. Auf die Ausführungen zu 1.a. wird verwiesen.
b. Schließlich hat der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da das Zwangsgeld nach summarischer Prüfung fällig geworden ist.
Weder zum Tag des Ablaufs des gemäß II. des Bescheids vom 1. September 2020 gesetzten Frist noch im Übrigen bis zum heutigen Tage hat der Antragsteller den Leerstand beendet. Dies räumt selbst der Bevollmächtigte des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 24. Februar 2021 ein.
Der Antragsteller hat bis zum maßgeblichen Zeitpunkt (Eintritt der Fälligkeit am 4. November 2020) nicht nachweislich geeignete Bemühungen an den Tag gelegt, um die Wohnung einer Wohnnutzung zuzuführen, § 4 Abs. 2 Nr. 1 ZeS. Daran ändert auch die Aufgabe einer Anzeige im Internetportal I. … nichts. Denn, wie die Antragsgegnerin zu Recht anmerkt, hat der Antragsteller damit sein geeignetes Bemühen nicht nachgewiesen. Bis auf zwei Fälle ist nicht nachvollziehbar, weshalb es trotz einer nicht unerheblichen Anzahl von Interessenten bis zum Eintritt der Fälligkeit nicht zum Abschluss eines Mietvertrages gekommen ist. Schließlich lässt auch die Vorlage eines Mietvertrages am 19. November 2020 die zu diesem Zeitpunkt bereits eingetretene Fälligkeit unberührt. Unbeachtlich ist auch das Vorbringen des Antragstellers zur Begleitung seiner Ehefrau in das Krankenhaus am 11. November 2020, da die Fälligkeit des Zwangsgeldes bereits mit Ablauf des 4. November 2020 eingetreten ist.
4. Der Antrag war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 1.7.1 Satz 2 Streitwertkatalog.


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