Verwaltungsrecht

Zweitantrag nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat

Aktenzeichen  M 21 S 17.43589

Datum:
18.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 71a Abs. 1

 

Leitsatz

§ 71a AsylG setzt den erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat voraus. Hierbei muss der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat durch rechtskräftige Sachentscheidung festgestellt werden und feststehen; bloße Mutmaßungen genügen nicht. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.Der Antrag wird abgelehnt.
II.Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der nicht ausgewiesene Antragsteller ist nach eigenen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20. August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 3. August 2016 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Bei seinem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am 3. August 2016 erklärte der Antragsteller, er habe bereits in Schweden internationalen Schutz beantragt. Bei einer Befragung durch die Regierung von Oberbayern zur Klärung seiner Identität am 6. Oktober 2015 führte er darüber hinaus aus, sein Asylantrag sei in Schweden abgelehnt worden.
Der Kläger wurde am 14. September 2016 durch das Bundesamt angehört. Er erklärte, sein Asylantrag in Schweden sei abgelehnt worden. Er habe aber keine Papiere von dort. Sein Heimatland habe er verlassen, weil er homosexuell sei. Er habe mit seinem Freund geschlafen und die Fenster nicht geschlossen. Deswegen seien die Nachbarn in seine Wohnung gekommen und hätten seinen Freund totgeschlagen. Er habe fliehen können, aber sein gesamtes Vermögen sei in Brand gesetzt worden. Ein weiterer Freund habe ihm dann gesagt, er solle das Land verlassen. In Nigeria werde überall nach ihm gesucht. Überall seien Bilder von ihm. Da er bereits ein Visum für Italien gehabt habe, habe er dieses zu seiner Flucht benutzt und sei nicht in ein anderes westafrikanisches Land geflohen.
Auf ein Informationsersuchen nach Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 erklärte das schwedische Migrationsverket mit Schreiben vom 25. April 2017, der Antragsteller habe am 21. Mai 2013 Asyl in Schweden beantragt. Am 6. November 2014 sei dies abgelehnt worden. Die Entscheidung sei am 16. April 2015 vollstreckbar geworden. Der Antragsteller sei verschwunden, bevor ihm diese Entscheidung habe zugestellt werden können.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 24. Mai 2017 wiederholte und vertiefte der Antragsteller nochmals seine Verfolgungsgeschichte. Er betont, homosexuelle Handlungen seien in Nigeria strafbar. Es sei ihm daher nicht möglich, seine Sexualität dort frei auszuleben. Er habe kürzlich durch Bekannte erfahren, dass er aufgrund seiner Homosexualität im ganzen Land gesucht werde. Sein Foto sei im örtlichen TV-Sender mit der Bitte um Hinweise nach seinem Aufenthalt gezeigt worden.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30. Mai 2017 wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, und der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Die Abschiebung nach Nigeria wurde angedroht. Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich bei dem erneuten Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland um einen Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylG, da der Antragsteller bereits in einem sicheren Drittstaat gemäß § 26 a AsylG ein Asylverfahren erfolglos betrieben habe. Wiederaufgreifensgründe habe der Antragsteller weder dargelegt noch seien sie sonst ersichtlich. Abschiebungsverbote lägen nicht vor.
Hiergegen hat der Antragsteller am 1. Juni 2017 durch seine Bevollmächtigten Klage erhoben (M 21 K 17. 43585), mit der er beantragt, den Bescheid vom 30. Mai 2017 aufzuheben und hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Mit Schriftsatz vom selben Tag beantragt er, hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Schreiben vom 24. Mai 2017.
Das Bundesamt hat mit Schreiben vom 21. Juli 2017 die Akten vorgelegt und sich weder zu der Klage noch zu dem Antrag geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist un-begründet.
Gemäß §§ 71a Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Ab-schiebung im Falle eines Zweitantrages, in dem ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99). Dies ist hier im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) nicht der Fall.
Nach § 71a Abs. 1 AsylG ist dann, wenn ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvor-schriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchfüh-rung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen. Andernfalls ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG.
§ 71a AsylG setzt damit den erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat voraus (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 22ff; BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50069 – juris Rn. 24ff). Hierbei muss der voran-gegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat durch rechtskräftige Sachentscheidung festgestellt werden und feststehen; bloße Mutma-ßungen genügen nicht (Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 71a AsylG, Rn. 3 und 9 m.w.N.). Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewer-ber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen.
Dies ist vorliegend der Fall. Auf ein Informationsersuchen nach Art. 34 VO 604/2013 hat der Mitgliedstaat Schweden die erbetenen Informationen, einschließlich eingelegter Rechtsbehelfe und deren Ausgang, übermittelt. Damit ist die Antragsgegnerin ihrer Amtsermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Das Gericht hat auch keinen Anlass an der Rechtmäßigkeit des Asylverfahrens in Schweden zu zweifeln, zumal der Antragsteller hierzu nichts vorgetragen hat.
Wiederaufgreifensgründe hat der Antragsteller nicht geltend gemacht. Sein Vortrag beschränkt sich auf Geschehnisse vor seiner Ausreise, die er im Asylverfahren in Schweden bereits geltend gemacht hat oder jedenfalls geltend machen musste. Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist insoweit nicht eingetreten.
Damit ist der Antrag zu Recht als unzulässig abgelehnt worden. Auch neue Beweismittel wurden nicht geltend gemacht.
Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller sich darauf beruft, wegen seiner Homosexualität in seinem Heimatland verfolgt zu werden, schenkt das Gericht diesem Vorbringen keinen Glauben. Dem Antragsteller ist es bereits nicht gelungen, einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, sein Schutzbegehren lückenlos zu tragen. Die Angaben des Antragstellers waren weder kohärent noch plausibel oder wirklichkeitsnah (vgl. BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – juris Rn. 11). So ist es bereits wenig nachvollziehbar, dass der Antragsteller nur wenige Jahre nach der Tötung seines Lebensgefährten, bei der er jedenfalls teilweise Zeuge gewesen sein will, dessen Nachname vergessen haben will. Dass er während seines zum Zeitpunkt der Anhörung über ein Jahr andauernden Aufenthalts nicht erfahren haben will, dass Homosexualität in Deutschland nicht nur legal, sondern auch alltägliche Lebenswirklichkeit ist, erscheint dem Gericht gänzlich unwahrscheinlich, erst recht vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller in Schweden durchaus Mitglied in einer Gay-Community gewesen sein will. Gleiches gilt für die Behauptung, er werde in Nigeria landesweit über Fernsehsender gesucht.
Insgesamt erachte das Gericht die Behauptung des Klägers, er sei homosexuell, somit als reine Schutzbehauptung.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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