Verwaltungsrecht

Zweitantrag nur bei feststehendem Abschluss des Asylverfahrens im Drittstaat

Aktenzeichen  M 21 S 17.43512

Datum:
26.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 26a, § 71a
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1

 

Leitsatz

Der erfolglose Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat als Voraussetzung eines Zweitantrages (§ 71a AsylG) setzt voraus, dass der negative Ausgang des Asylverfahrens in dem  Mitgliedstaat sicher feststeht; bloße Mutmaßungen reichen nicht. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der nicht ausgewiesene Antragsteller ist nach eigenen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 24. September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 26. April 2016 bei dem Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Im Rahmen seines persönlichen Gesprächs zu Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates erklärte der Antragsteller, er habe 2014 in Schweden bereits internationalen Schutz beantragt. Neue Gründe und Beweismittel, die nicht in diesem früheren Verfahren geltend gemacht worden seien, habe er nicht. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 14. Oktober 2016 führte der Antragsteller ergänzend aus, er habe das Ergebnis des Asylverfahrens in Schweden nicht abgewartet und sei vorher ausgereist.
Auf ein Informationsersuchen des Bundesamtes nach Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 wandte sich das schwedische Migrationsverket mit Schreiben vom 16. März 2017 an das Bundesamt und erklärte, der Antragsteller habe am 25. März 2014 in Schweden Asyl beantragt. Er sei allein gekommen. Seine Frau und zwei Kinder seien noch in Nigeria. Der Asylantrag des Antragstellers sei am 16. Juli 2014 abgelehnt worden. Ein Rechtsmittel hiergegen sei erfolglos geblieben und die Ausweisungsentscheidung am 19. Februar 2015 rechtskräftig geworden. Weil sich der Antragsteller geweigert habe, Schweden zu verlassen, sei der Fall am 26. Mai 2015 der Polizei übergeben worden.
Der Antragsteller erklärte daraufhin mit am 21. April 2017 beim Bundesamt eingegangenen Schreiben, sein Antrag auf internationalen Schutz in Schweden sei abgelehnt worden. Über ein hiergegen ergriffenes Rechtsmittel sei noch nicht entschieden. Er ergänzte, sein Leben sei in Gefahr, wenn er in sein Heimatland zurückkehren müsse.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22. Mai 2017 wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, und der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Die Abschiebung nach Nigeria wurde angedroht. Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich bei dem erneuten Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland um einen Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylG, da der Antragsteller bereits in einem sicheren Drittstaat gemäß § 26 a AsylG ein Asylverfahren erfolglos betrieben habe. Wiederaufgreifensgründe habe der Antragsteller weder dargelegt noch seien sie sonst ersichtlich. Abschiebungsverbote lägen nicht vor.
Hiergegen hat der Antragsteller am 1. Juni 2017 durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben (M 21 K 17.43434), mit der er beantragt, den Bescheid vom 22. Mai 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Mit Schriftsatz vom selben Tag beantragt er, hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus der Anhörung. Ergänzend trägt er vor, sein Asylantrag sei nicht offensichtlich unbegründet. Weder sei sein Vorbringen unsubstantiiert noch widersprüchlich gewesen.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 24. Juli 2017 die Behördenakten vorgelegt. Eine Äußerung erfolgte weder zum Klagenoch zum Eilverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowohl in diesem als auch im Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.
Gemäß §§ 71a Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung im Falle eines Zweitantrages, in dem ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99). Dies ist hier im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) nicht der Fall.
Nach § 71a Abs. 1 AsylG ist dann, wenn ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen. Andernfalls ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG.
§ 71a AsylG setzt damit den erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat voraus (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 22ff; BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50069 – juris Rn. 24ff). Hierbei muss der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat durch rechtskräftige Sachentscheidung festgestellt werden und feststehen; bloße Mutmaßungen genügen nicht (Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 71a AsylG, Rn. 3 und 9 m.w.N.). Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen.
Dies ist vorliegend der Fall. Auf ein Informationsersuchen nach Art. 34 VO 604/2013 hat der Mitgliedstaat Schweden die erbetenen Informationen, einschließlich eingelegter Rechtsbehelfe und deren Ausgang, übermittelt. Damit ist die Antragsgegnerin ihrer Amtsermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Das Gericht hat auch keinen Anlass an der Rechtmäßigkeit des Asylverfahrens in Schweden zu zweifeln, zumal der Antragsteller hierzu nichts vorgetragen hat.
Damit ist der Antrag zu Recht als unzulässig abgelehnt worden.
Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich. Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheides, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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