Verwaltungsrecht

Zweitwohnungsteuer, Reine Kapitalanlage, Beabsichtigter Abriss des Gebäudes, Gas- und Wasserverbrauch, Leerstand der Zweitwohnung (nicht ausreichend belegt)

Aktenzeichen  M 10 S 20.6854

Datum:
10.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11073
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 105 Abs. 2a
Zweitwohnungsteuersatzung der Gemeinde … … (ZwStS) § 2
ZwStS § 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.376 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer. Die Antragsgegnerin erhebt mit der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer (Zweitwohnungssteuersatzung – ZwStS) vom 1. April 2019 Zweitwohnungsteuern.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2020 wurde für die Zweitwohnung des Antragstellers in der … straße 19, … … …, die Zweitwohnungsteuer für den Zeitraum 1. September bis 31. Dezember 2019 auf 2.950,40 Euro, für das Jahr 2020 auf 8.851,20 Euro und ab dem Jahr 2021 ebenfalls auf 8.851,20 Euro festgesetzt.
Gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2020 ließ der Antragsteller über seine damaligen Bevollmächtigten am 5. November 2020 Widerspruch erheben und beantragte die Aussetzung der Vollziehung in voller Höhe. Mit Schreiben vom 23. November 2020 lehnte die Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 28. Oktober 2020 ab. Mit Änderungsbescheid vom 22. Januar 2021 hob die Antragsgegnerin den verfahrensgegenständlichen Bescheid insoweit auf, als für das Jahr 2021 eine Zweitwohnungsteuer in Höhe von 8.851,20 Euro festgesetzt wurde. Der Widerspruch wurde von der Widerspruchsbehörde mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2021 zurückgewiesen, soweit der Zweitwohnungsteuerbescheid vom 28. Oktober 2020 nicht durch den Änderungsbescheid vom 22. Januar 2021 geändert wurde.
Bereits mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2020, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, ließ der Antragsteller über seine jetzige Bevollmächtigte Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2020 erheben. Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Erhebung der Zweitwohnungsteuer nicht vorlägen, da das auf dem Grundstück stehende Haus wegen eines Wasserschadens nicht nutzbar sei. Es sei auch zu keiner Zeit eine Nutzung erfolgt. Der Wasserzähler im Haus sei am 21. Dezember 2020 ausgebaut, das Gas im Haus abgesperrt und die Heizungsanlage entwässert worden. Der Antragsteller habe seinen Architekten beauftragt, den Abbruch des auf dem Grundstück stehenden Gebäudes inklusive der Garage zu planen und ausführen zu lassen. Nach Abbruch des Bestandes sei beabsichtigt, ein neues Gebäude zu erstellen. Die neue Immobilie solle zunächst als reine Kapitalanlage genutzt werden, da der Antragsteller in Düsseldorf wohnhaft sei und dort seiner beruflichen Tätigkeit nachgehe. Von dem „Innehaben“ einer Zweitwohnung im Sinne von § 2 Zweitwohnungsteuersatzung (ZwStS) könne nach alledem keine Rede sein, da zu keinem Zeitpunkt eine Nutzungsmöglichkeit gegeben noch diese beabsichtigt gewesen sei.
Der Antragsteller beantragt ferner im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 5. November 2020 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Soweit sich der Antragsteller auf den Veranlagungszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2021 beziehe, für den die Antragsgegnerin mit Änderungsbescheid vom 22. Januar 2021 die Zweitwohnungsteuer auf 0 festgesetzt habe, sei der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig (geworden). Für die Kalenderjahre 2019 und 2020 sei der Antrag unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen würden und die Vollziehung für den Abgabepflichtigen keine unbillige Härte zur Folge habe. Soweit der Antragsteller vortrage, dass er die Zweitwohnung als eine zweitwohnungsteuerfreie reine Kapitalanlage nutze, sei zu sehen, dass nicht die unüberprüfbare innere Absicht des Zweitwohnungsinhabers maßgeblich sei. Diese innere Tatsache sei vielmehr nur auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände zu beurteilen. Der Antragsteller habe nach diesen Vorgaben für die hier noch streitigen Zeiträume aber weder seine Vermittlungsbemühungen noch einen baumängelbedingten Leerstand substantiiert geltend gemacht. Unabhängig davon, dass ein Wasserschaden nicht belegt worden sei, sei es in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass es im Zweitwohnungsteuerrecht ausreiche, wenn die betroffenen Räume zur Nutzung als Wohnung objektiv geeignet seien. Eine Ausnahme bestehe nur dann, wenn das Bewohnen der Räumlichkeiten mit der Gefahr nicht unerheblicher Gesundheitsschäden verbunden sei. Die vorgelegten Fotos würden lediglich auf kleinere Feuchtigkeitsschäden an den Wänden und Decken zweier Zimmer hindeuten. Dies begründe jedoch nicht die Unbewohnbarkeit, da hieraus eine erhebliche Gesundheitsgefährdung nicht abgeleitet werden könne. Etwas anderes könne unter Umständen nur im Hinblick auf einen Schimmelbefall von Wänden und Decken gelten (unter Verweis auf VG München, U.v. 15.9.2011 – M 10 K 11.1245 – juris).
Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der weiteren, von der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppe des Nachweises der reinen Kapitalanlage, ein jahrelang bestehender nachgewiesener Leerstand, seien nicht dargetan. Der Antragsteller habe einen Leerstand nicht etwa anhand von Verbrauchsdaten nachgewiesen. Für das Jahr 2019 habe der Antragsteller der Antragsgegnerin keinen Wasserzählerstand gemeldet. Im Jahr 2020 hätte ein neu eingebauter Wasserzähler einen Wasserverbrauch von 403 m³ aufgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 14. April 2021, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, stellte der Antragsteller klar, dass sich die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin auch in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2021 richte. Weiter wird ausgeführt, dass die Widerspruchsbehörde schon den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt habe. Es komme sehr wohl darauf an, ob ein Nutzungswille überhaupt gegeben gewesen sei oder nicht. Der Antragsteller habe auch nicht nur bloß behauptet, die Wohnung weder in der Vergangenheit genutzt zu haben, noch dies zukünftig zu beabsichtigen, vielmehr habe sein von ihm beauftragter Architekt dies bestätigt. Der Architekt sei auch schon 2019 mit der beabsichtigten Baumaßnahme betraut gewesen. Hinsichtlich der Verbrauchsabrechnungen zum Wasser und Erdgas sei zu sehen, dass diese der Widerspruchsbehörde vorgelegt worden seien. Die angegebenen Verbrauchswerte seien Standby-Werte. Im Hinblick auf die Wohnfläche des Hauses wäre einer erfolgten Nutzung der Verbrauch mindestens doppelt so hoch gewesen. Der Wasserverbrauch in Höhe von 403 m³ sei zu gering, als dass er auf eine Nutzung des Hauses schließen lassen würde. Im Übrigen käme es nicht darauf an, ob das Bewohnen mit der Gefahr nicht unerheblicher Gesundheitsschäden verbunden sei oder nicht, weil von vornherein überhaupt keine Nutzungsabsicht bestanden hätte, sondern das Objekt als Kapitalanlage zur Vermietung erworben worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg. Er ist erst nach Umdeutung zulässig und im Übrigen unbegründet.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist nicht zulässig.
Soweit der Antrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Veranlagungszeiträume 2019 und 2020 abzielt (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist dieser im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Abschluss des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 11. März 2021) an sich nicht mehr statthaft. Das Gericht ist aber nicht daran gehindert, nach den Umständen des vorliegenden Falles dem hypothetischen Willen des Antragstellers im Wege der Umdeutung gerecht zu werden und diesen seinem Antrag zugrundezulegen (Peters/Kujath in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 88 Rn. 37 ff.). Der gestellte Antrag ist dabei so umzudeuten, dass er den erkennbaren Interessen des Antragstellers bestmöglich Rechnung trägt (Peters/Kujath, a.a.O, Rn. 39). Vorliegend hat der Antragsteller mit der Einbeziehung des Widerspruchsbescheids in das Klageverfahren am 14. April 2021 (dazu sogleich) zu erkennen gegeben, dass er seine Klage (nunmehr) gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids richtet. Da die Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat, entspricht es demnach dem hypothetischen Willen des Antragstellers, dass (nunmehr) die aufschiebende Wirkung seiner Klage (anstatt des Widerspruchs) angeordnet werden soll, weshalb der ursprüngliche Antrag vom 23. Dezember 2020 entsprechend umzudeuten war.
Der so verstandene Antrag ist zulässig, soweit er sich gegen die Veranlagungszeiträume 2019 und 2020 wendet. Soweit sich der Antragsteller auch gegen die (ursprüngliche) Festsetzung der Zweitwohnungsteuer für den Veranlagungszeitraum 2021 wendet, fehlt seinem Antrag (mittlerweile) das Rechtsschutzbedürfnis. Da die Antragsgegnerin mit Änderungsbescheid vom 22. Januar 2021 die Zweitwohnungsteuer für 2021 nachträglich auf 0 herabgesetzt hat, kann der Antragsteller mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag insoweit keine Verbesserung seiner Rechtsposition (mehr) erreichen. Auch wenn die Klageerhebung am 23. Dezember 2020 i.S.v. § 75 Satz 1, Satz 2 VwGO verfrüht erfolgte, konnte die ursprünglich unzulässige Untätigkeitsklage mit Erlass des Widerspruchsbescheids als Anfechtungsklage fortgeführt werden. Nach Angabe des Antragstellers wurde ihm am 17. März 2021 der Widerspruchsbescheid vom 11. März 2021 zugestellt. Da in der Widerspruchsakte die Postzustellungsurkunde nicht enthalten ist und damit ein früherer Zustellungszeitpunkt nicht i.S.v. § 173 S. 1 VwGO, § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 418 Abs. 1 ZPO nachgewiesen ist, ist zugunsten des Antragstellers davon auszugehen, dass der Widerspruchsbescheid binnen der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem am 14. April 2021 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz rechtzeitig in das gerichtliche Verfahren miteinbezogen wurde (s. dazu BayVGH, B.v. 12.3.2010 – 11 ZB 08.1495 – juris Rn. 14).
2. Soweit der Antrag zulässig ist, hat er in der Sache keinen Erfolg. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung anordnen, wobei es zwischen dem öffentlichen Interesse am Vollzug der getroffenen Regelung und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers abzuwägen hat. Die Interessensabwägung berücksichtigt dabei insbesondere die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. In entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Aussetzung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Nach diesem Maßstab war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abzulehnen, da hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2019 und 2020 keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des verfahrensgegenständlichen Bescheids vorliegen. Der Bescheid ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, weshalb die Anfechtungsklage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht nimmt zunächst gem. § 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung des Widerspruchbescheids vom 11. März 2021 Bezug, der es folgt. Ergänzend wird ausgeführt:
Nach ständiger Rechtsprechung ist in einem Eilverfahren grundsätzlich von der Gültigkeit einer Satzung auszugehen, wenn nicht ausnahmsweise Gründe, die die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen, offen zu Tage treten (siehe statt vieler etwa VG München, B.v. 26.5.2010 – M 10 S 10.1249 – juris Rn. 26). Solche Gründe sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Der Antragsteller ist gem. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 ZwStS zweitwohnungsteuerpflichtig, da er die streitgegenständliche Wohnung zur persönlichen Lebensführung innehat.
Die vom Antragsteller im behördlichen und gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Argumente sind nicht geeignet, die Vermutung zu erschüttern, dass die Zweitwohnung auch für die Zwecke der persönlichen Lebensführung vorgehalten wird. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die bloße Behauptung, die Zweitwohnung nicht zu nutzen und auch künftig nicht zum Wohnen nutzen zu wollen, grundsätzlich nicht ausreichend ist, um diese Vermutung zu widerlegen. Der Leerstand der Zweitwohnung trotz rechtlich bestehender Nutzungsmöglichkeit lässt gerade auf die der Besteuerung zugrundeliegende Leistungsfähigkeit (die sich im Aufwandsbegriff des Art. 105 Abs. 2a GG spiegelt) des Wohnungsinhabers schließen (s. zum Ganzen BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 5.13 – juris Rn. 12, 13).
Gemessen an diesem Maßstab können die argumentativen Einwände des Antragstellers, eine Nutzung des Hauses sei in den Jahren 2019 und 2020 nicht erfolgt und auch zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen, nicht durchgreifen. Der Antragsteller übersieht mit seinen Ausführungen an mehreren Stellen bereits im rechtlichen Maßstab, dass nicht seine – unüberprüfbare – innere Absicht maßgeblich ist, sondern dass der Verwendungszweck nur auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen ist. Im Übrigen stehen im vorliegenden Fall die objektiv nach außen tretenden Umstände aufgrund von Inkonsistenzen, Widersprüchlichkeiten und Unvollständigkeiten nicht mit der kommunizierten inneren Absicht des Antragstellers bezüglich des Verwendungszwecks der Zweitwohnung in Einklang.
a) Soweit der Antragsteller mehrfach betont, eine Nutzung des Hauses in den Jahren 2019 und 2020 sei nicht erfolgt, nicht möglich und auch nicht beabsichtigt gewesen, kann dies nicht überzeugen. Nach dem oben dargestellten Maßstab ist der Vortrag, eine Nutzung der Zweitwohnung sei nicht erfolgt und auch künftig nicht beabsichtigt, gerade nicht ausreichend. Soweit vorgetragen wird, eine Nutzung des Hauses sei „nicht möglich“ gewesen, bleibt auch dies ohne nachvollziehbare und ausreichende Begründung. Die Ausführungen des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 14. April 2021 verkennen, dass die objektive Nutzbarkeit der Zweitwohnung durch den Zweitwohnungsteuerpflichtigen nicht vom Vorhandensein bestimmter Einrichtungsgegenstände im Gebäude abhängt. Solange eine Schlaf- und Aufenthaltsmöglichkeit gegeben ist, schließt sogar das völlige Fehlen einer Kochmöglichkeit den Wohnungscharakter nicht aus (s. BayVGH, U.v. 22.4.2010 – 4 BV 09.3013 – juris Rn. 18; VG München, U.v. 23.10.2015 – M 10 K 15.989 – juris Rn. 24; VG München, U.v. 18.6.2015 – M 10 K 15.482 – juris Rn. 27). In jedem Fall erfordert das Tatbestandsmerkmal „zur persönlichen Lebensführung“ i.S.v. § 2 ZwStS entgegen dem Antragsteller nicht das Vorhandensein einer Einbauküche, weil es nicht darauf ankommt, was nach den subjektiven Vorstellungen des Wohnungsinhabers in der Wohnung für die persönliche Lebensführung vorhanden sein muss (vgl. BayVGH, U.v. 22.4.2010 – 4 BV 09.3013 – juris Rn. 18; zur fehlenden Einbauküche s. auch BayVGH, B.v. 29.10.2015 – 4 ZB 15.830 – juris Rn. 19).
Der Widerspruchsbescheid weist unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung der Kammer zutreffend daraufhin, dass die Bewohnbarkeit zur Beseitigung der Zweitwohnungsteuerpflicht erst dann entfällt, wenn das Bewohnen der Räumlichkeiten unzumutbar ist. Die Zumutbarkeit ist allerdings entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht subjektiv zu definieren, sondern nach objektiven Kriterien, insbesondere, wenn gewisse hygienische Mindeststandards nicht eingehalten sind, die bei einem Aufenthalt zu einer Gefahr nicht unerheblicher Gesundheitsschäden führen (s. VG München, U.v. 26.7.2012 – M 10 K 11.5081 – juris Rn. 28). Bei der im Eilverfahren erfolgenden summarischen Prüfung ist das Unterschreiten hygienischer Mindeststandards aber weder (ausreichend) vorgetragen noch ist dies nach Aktenlage ersichtlich. Ähnlich wie in dem von der Kammer entschiedenen Fall im Urteil vom 26. Juli 2012 deuten die vom Antragsteller vorgelegten Fotos auf mehrere feuchte Stellen hin, die aber gerade nicht zur Unbewohnbarkeit der Räumlichkeiten führen. Jedenfalls wurde diesbezüglich nichts substantiiert vorgetragen.
Im Übrigen ist der Vortrag des Antragstellers, das Haus sei von ihm nicht genutzt bzw. die Nutzung nicht möglich gewesen, auch unter tatsächlichen Gesichtspunkten inkonsistent und teilweise widersprüchlich. Auffällig ist zum einen, dass der Antragsteller in tatsächlicher Hinsicht seine Einwände undifferenziert sowohl auf die Veranlagungszeiträume 2019 und 2020 erstreckt. So ist der Antragsteller etwa dem Vorhalt im Widerspruchsbescheid, dass der Wasserschaden unter Zugrundlegung objektiver Gesichtspunkte erst im Jahr 2020 entstanden sein kann, in keiner Weise entgegengetreten. Gleiches gilt für den Vorhalt, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin für den Veranlagungszeitraum 2019 keinerlei Verbrauchsdatennachweise (Gas, Wasser) vorgelegt hat. Soweit im Schriftsatz vom 14. April 2021 vorgetragen wird, dass Abrechnungen des Erdgasversorgers und der Zählerstand des (neu eingebauten) Wasserzählers übermittelt wurden, ist anzumerken, dass sich diese nur auf das Jahr 2020 beziehen. Hinsichtlich des Gasverbrauchs ist anzumerken, dass dieser bezüglich der Zeiträume 1. Januar 2020 bis 12. März 2020 (kein Verbrauch) und der Folgezeiträume 13. März 2020 bis 30. Juni 2020 sowie 1. Juli 2020 bis 30. November 2020 nicht erklärbare Schwankungen enthält, jedenfalls ist dies nicht mit dem vom Antragsteller mehrfach behaupteten durchgängigen „Standby-Betrieb“ der Anlage plausibel in Einklang zu bringen. Ebenso ist der Wasserverbrauch in Höhe von 403 m³ im Jahr 2020 nach Ansicht des Gerichts nicht plausibel zu erklären, wenn nach dem Vortrag des Antragstellers das Haus durchgängig leer gestanden haben soll. Der Widerspruchsbescheid weist zurecht darauf hin, dass die vorgetragenen Wasserschäden nicht von einem derartigen Wasserverbrauch stammen können. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass der Verbrauch von 403 m³ viel zu gering sei, als dass er auf eine Nutzung des Hauses schließen lassen würde, geht nach Ansicht des Gerichts an der Lebensrealität vorbei. Der Verbrauch einer derartigen Wassermenge – die sinnbildlich vorgestellt den Inhalt eines Schwimmbeckens mit etwa den Maßen 15x15x1,8 Meter füllen würde – ist gerade nicht als gering anzusehen und lässt sich nur mit einer Nutzung des Hauses erklären.
b) Soweit der Antragsteller argumentiert, das Haus sei nicht nutzbar gewesen, weil es abgerissen werden solle, kann er auch hiermit nicht durchdringen. Dieser Vortrag ist bereits in tatsächlicher Hinsicht inkonsistent, soweit der Antragsteller die Nutzbarkeit sowohl im Veranlagungszeitraum 2019 und 2020 in Zweifel zieht. Ausweislich eines Schreibens des Antragstellers vom 7. Oktober 2020 wird der Abriss als „Option“ in Erwägung gezogen, die mit dem Architekten Ende Oktober 2020 „erörtert“ werden sollte. Vor diesem Hintergrund ist nicht erklärbar, auf welcher Grundlage der Architekt in seiner eidesstattlichen Versicherung (Anlage zum Schriftsatz vom 19.1.2021) bezeugen können will, dass eine Eigennutzung des Hauses durch den Antragsteller im Jahr 2019 und bis zum Oktober 2020 nicht stattgefunden habe. Ebenso ist unerklärlich, wie der Architekt seine Beauftragung durch den Antragsteller bezüglich des Abrisses bereits im Jahr 2019 bezeugen will, wenn nach den eigenen Angaben des Antragstellers der Abriss erst Anfang Oktober 2020 als „Option“ in Erwägung gezogen und Ende Oktober 2020 mit dem Architekten erörtert werden sollte. Unabhängig von den dargestellten tatsächlichen Ungereimtheiten ist aber auch rechtlich zu sehen, dass das In-Erwägung-Ziehen des Abrisses des Hauses die Möglichkeit der Eigennutzung nicht aufhebt (vgl. VG Greifswald, U.v. 7.6.2013 – 2 A 1604/12 – BeckRS 2013, 52684). Gegen die Ansicht der Widerspruchsbehörde, dass die Nutzbarkeit der Wohnung bis zum Beginn der Abbrucharbeiten nicht per se ausgeschlossen ist, ist rechtlich nichts zu erinnern.
c) Soweit der Antragsteller argumentiert, er hätte das Grundstück nur zu dem Zweck erworben, um dieses als Kapitalanlage zu nutzen, legt er auch hiermit keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des verfahrensgegenständlichen Bescheids dar. Der Antragsteller hat sich auch in diesem Punkt nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, dass es nicht auf seine unüberprüfbare innere Absicht ankommt, sondern auch insoweit der Verwendungszweck auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen ist (so auch das von ihm zitierte Urteil des BVerwG, U.v. 14.12.2017 – 9 C 11.16 – juris Rn. 33). So ist anerkannt, dass die Kapitalanlageabsicht durch nachgewiesenen langjährigen Leerstand belegt werden kann, insbesondere, wenn objektive Nachweise zu den Verbrauchsdaten der Wohnung vorgelegt werden (BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 5.13 – juris Rn. 16). Im vorliegenden Fall ist aber weder der Aspekt der Langjährigkeit noch der des Leerstehens ausreichend belegt. Insofern wird auf die obigen Ausführungen zum Gas- und Wasserverbrauch verwiesen. Gegen das Vorliegen der Kapitalanlageabsicht spricht zuletzt auch, dass nicht geklärt erscheint, ob der (geplante) Neubau durch den Antragsteller selbst genutzt oder vermietet werden soll. Nach Aktenlage trägt der Antragsteller zwar verschiedentlich vor, dass eine Vermietung nur bei einem Neubau wirtschaftlich rentabel sei, räumt aber andererseits an anderer Stelle ein, dass er keine Inserate bezüglich einer künftigen Vermietung oder eines künftigen Verkaufs veröffentlicht habe. In diesem Zusammenhang bleibt der objektive Nachweis der Kapitalanlageabsicht nicht zuletzt auch deshalb fraglich, weil ausweislich des Schreibens des Architekten an die Antragsgegnerin „ein neues Wohnhaus für Herrn Dr. … erstellt [wird]“. Diese Formulierung lässt sich durchaus so interpretieren, dass das neue Wohnhaus (auch) der Eigennutzung durch den Antragsteller dienen soll, jedenfalls bleibt die nähere Verwendungsabsicht gerade offen.
3. Die Kostenentscheidung in Nummer II folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts in Nummer III beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, Nr. 1.6, Nr. 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 2013. Da sich der Antragsteller insgesamt gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2020 gewandt hat, beziffert das Gericht den wirtschaftlichen Gesamtbetrag auf 29.504 Euro, der sich aus der festgesetzten Zweitwohnungsteuer für 2019 (2.950,40 Euro) und wegen der Fortgeltungsanordnung für die Folgejahre dem Dreifachen des Jahresbetrags der Zweitwohnungsteuer für 2020 ergibt (8.851,20 Euro x 3). Ein Viertel des errechneten Gesamtbetrags von 29.504 Euro ergibt den hier festgesetzten Streitwert in Höhe von 7.376 Euro.


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