Zivil- und Zivilprozessrecht

Keine Erstattung der Kosten der Reiserücktrittsversicherung bei Flugannullierung

Aktenzeichen  35 C 4177/21

Datum:
1.12.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37702
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
Fluggastrechte-VO Art. 2 lit. f, Art. 8 Abs. 1 lit. b

 

Leitsatz

Unter dem Begriff der Flugscheinkosten werden neben den erhobenen Steuern und Gebühren auch etwaige Buchungspauschalen verstanden. Des Weiteren sind hiervon auch die Kosten, die für die Leistungen, welche mit der Durchführung des Fluges eng verbunden sind, erfasst. Die Kosten für die Reiserücktrittsversicherung sind jedoch nicht eng mit der Durchführung des Fluges verbunden. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 747,40 € sowie weitere 147,56 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren jeweils zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.08.2020 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Berufung des Klägers wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 791,19 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist bzgl. des nicht anerkannten Teils unbegründet.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung über den bereits anerkannten Teil hinaus gem. Art. 8 Abs. 1 lit. A) Spiegelstrich 1 Fluggastrechte-Verordnung in Höhe von 43,80 €.
1. Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 21.10.2021 bezüglich der Hauptforderung in Höhe von 747,40 € nebst Zinsen sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen anerkannt.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der Reiserücktrittsversicherung in Höhe von 43,80 €.
a) Ein Anspruch ergibt sich nicht aus Art. 8 Abs. 1 lit. A) Spiegelstrich 1 Fluggastrechte-Verordnung.
Zwar hat der Fluggast gemäß der genannten Norm einen Anspruch auf Rückerstattung der vollständigen Flugscheinkosten, jedoch fallen die Gebühren für eine Reiserücktrittsversicherung nicht darunter.
Flugscheinkosten werden in Art. 2 lit. f Fluggastrechte-Verordnung definiert. Dabei wird unter dem Begriff der Flugscheinkosten neben den erhobenen Steuern und Gebühren auch etwaige Buchungspauschalen verstanden.
Des Weiteren sind hiervon auch die Kosten, die für die Leistungen, welche mit der Durchführung des Fluges eng verbunden sind, wie Sitzplatzreservierungen, vorgebuchten Speisen o. ä. erfasst. Solche eng verbundenen Leistungen unterfallen ebenfalls dem Erstattungsanspruch (BeckOGK/Steinrötter, 1.8.2021, Fluggastrechte-VO Art. 8 Rn. 14).
Die Kosten für die Reiserücktrittsversicherung sind jedoch nicht eng mit der Durchführung des Fluges verbunden. Bereits aufgrund dessen, dass die Reiserücktrittsversicherung für den Fall abgeschlossen wird, dass die Reise durch den Versicherungsnehmer (= Fluggast) nicht angetreten werden kann, ergibt sich, dass diese Leistung nicht im Zusammenhang mit der Durchführung des Fluges verbunden ist, sondern für den Fall abgeschlossen wird, dass der Kläger an dieser nicht teilnehmen kann.
Hierbei ist insbesondere zu unterscheiden, dass die Reiserücktrittsversicherung eine fakultative Leistung ist, welche der Fluggast zusätzlich abgeschlossen hat. Diese Leistung wird jedoch nicht von der Beklagten, sprich dem Flugunternehmen angeboten, sondern von dem Versicherer. Insofern es insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte kein Versicherungsunternehmen ist, sondern eine Fluggesellschaft. Die Beklagte hat keinen Einfluss auf die Höhe der Kosten, welche für die Reiserücktrittsversicherung anfallen. Hierbei ist auch die Wertung der EuGH-Entscheidung vom 23.04.2020 heranzuziehen. In diesem Fall ging es um die Check-in-Gebühren, welche der Beklagten dem Flugunternehmen bekannt sind und dementsprechend als Teil der Flugscheinkosten auszuweisen sind (EuGH (7. Kammer), Urteil vom 23.4.2020 – C-28/19, NJW 2020, 1793). Im Unterschied zu den Check-in-Gebühren, welche dem Flugunternehmen bekannt sind, ist diese Kenntnis nicht bzgl. der Versicherung anzunehmen.
Zudem ist in diesem Fall zu berücksichtigen, dass für den Zeitraum zwischen der Buchung (17.01.2020) und der Stornierung durch die Beklagte am 29.05.2020 zudem Versicherungsschutz bestanden hat. Wäre der Kläger in diesem Zeitraum entsprechend der für den Versicherungsbedingungen erkrankt, hätte die Reiserücktrittsversicherung entsprechend erstatten müssen. Auch wenn ein Umbuchen seitens der Beklagten auf einen Flug aus München hätte erfolgen können, führt dies nicht dazu, dass die Aufwendungen für die Kosten der Reiserücktrittsversicherung gänzlich frustriert sind.
b) Auch ergibt sich kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
Die Buchung erfolgte unstreitig über das Portal . Da die Beklagte unstreitig keine Versicherung ist, hat sie den Betrag für die Reiserücktrittsversicherung nicht erhalten.
c) Das Vorbringen der Beklagten ist insoweit auch nicht rekrutiert, da es nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits gekommen ist, § 96 Abs. 1 ZPO.
II.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die zu viel Forderung der Klagepartei führt als verhältnismäßig geringfügig betrachtet, weshalb die Beklagte die gesamten Prozesskosten auferlegt werden.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.
Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 Nummer 1 ZPO zuzulassen, da bezüglich der rechtlichen Auslegung der Flugscheinkosten eine Rechtssache grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 3 ZPO.


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