Zivil- und Zivilprozessrecht

Schadensersatzanspruch, Verletzung, Minderung, Rechtsanwaltskosten, Rechtsverfolgungskosten, Mangel, Schadenersatz, Gutachten, Minderwert, Sachschaden, Beschaffenheit, Wertminderung, Nachweis, Anerkennung, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Rechtsprechung des BGH

Aktenzeichen  2 O 6476/16

Datum:
1.10.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 54109
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 4.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2016 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 376,52 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2016 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 81 % und der Beklagte 19 % zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird bis zum 28.06.2017 auf 21.535,50 € und für die Zeit danach auf 41.535,50 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist, soweit noch rechtshängig, nur zum Teil begründet.
I.
Infolge des Endurteils des OLG Nürnberg vom 10.09.2019 steht zwischen den Parteien rechtskräftig fest (§ 318 ZPO), dass der Beklagte dem Kläger wegen der Verletzung seines Pferdes an der Zunge im Juni 2016 dem Grunde nach zum Schadenersatz verpflichtet ist (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB). Nach vorangegangenem Grund- und Teil-Endurteil war nunmehr durch Schlussurteil zu entscheiden.
II.
Dem Kläger ist der Nachweis eines einer Wertminderung des Pferdes in Höhe von 4.000 € gelungen.
1. Für die Bemessung einer Wertminderung ist nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen der Erkenntnisstand zugrundezulegen, wie er sich im Zeitpunkt der mündlichen letzten mündlichen Verhandlung darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2020 – VI ZR 115/19 -, juris). Für die Höhe einer etwaigen Wertminderung ist jedoch nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (faktisch also den Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens) abzustellen, sondern auf den der Ausheilung der Verletzung (vgl. für ein Kraftfahrzeug BGH, Urteil vom 2.12.1966 – VI ZR 72/65, NJW 1967, 552: „Für die Bemessung des merkantilen Minderwertes eines unfallbeschädigten Wagens ist der Zeitpunkt der beendeten Instandsetzung maßgebend“).
Auch wenn die Verletzung eines Tieres nicht in jeder Hinsicht einem Schaden an einer Sache, etwa einem Kraftwagen, gleichgestellt werden kann (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18 -, juris Rn. 28), bestehen doch keine Bedenken, diese Rechtsprechung zu Sachen auf Tiere zu übertragen (vgl. auch § 90 a S. 3 BGB): Beim Minderwert handelt es sich um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger Instandsetzung einer Sache bzw. Ausheilung eines Lebewesens allein deshalb verbleibt, weil bzw. wenn bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden bzw. negativen Eigenschaften, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb beschädigter Sachen bzw. vormals verletzter Lebewesen besteht. Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar (BGH NJW 2005, 277). Dieser kann sofort gefordert werden, auch wenn er mit der Weiterbenutzung der Sache durch den Geschädigten bzw. zunehmendem Alter des Tieres mit der Zeit an Bedeutung verliert (vgl. BGH NJW 1961, 2253) und sich erst beim Verkauf der Sache bzw. des Lebewesens realisiert (vgl. BGH NJW 1980, 281). Der Schädiger hat den merkantilen Minderwert also unabhängig davon zu ersetzen, welche Dispositionen der Eigentümer über seine Sache bzw. Lebewesen trifft (BGH NJW 1967, 552).
2. Die Sachverständige beziffert den Verkehrswert des Pferdes zum Zeitpunkt vor der Zungenverletzung 2016 auf 40.000-45.000 €. Sie geht dabei vom Vergleichswertverfahren aus, dass auch von den Parteien als zutreffende Herangehensweise anerkannt wird. Die Sachverständige begründet dabei ihr Ergebnis ausführlich und gut nachvollziehbar anhand einer umfangreichen Beschreibung der Qualitätsmerkmale des Pferdes. Mangels eines öffentlichen Marktes für vergleichbare Pferde hat sie zwei neutrale Anfragen bei „hochdekorierten, glaubwürdigen“ Trainern getätigt. Deren sich im wesentlichen deckende Einschätzung entspricht den eigenen Erfahrungen der Sachverständigen und stellt damit einen belastbaren Wert dar.
Im weiteren bewertet die Sachverständige die streitgegenständliche Verletzung. Sie stellt fest, dass der Verletzung im Maul insoweit zentrale Bedeutung zukommt, als die Kommunikation des Pferdes maßgeblich über die Zäumung führt. Da der psychische Umgang des Pferdes mit der Verletzung ein Unsicherheitsfaktor bleibt, werden entsprechende Schadensereignisse von Kaufinteressenten sensibel betrachtet. Hinzu kommt ein Trainingsstillstand, der zwar nur wenige Wochen betrug, aber doch zu einem Ausfall von Starts bei zwei bedeutenden Turnieren in einer wichtigen Phase der Turnierkarriere des Pferdes führte. Die Gutachterin setzt die Wertminderung deshalb bei 10 % bis 15 % des Verkehrswertes an. Bei ihrer grundsätzlichen Einschätzung sieht sich die Sachverständige auch in Übereinstimmung mit dem Gutachter ….
Diese ersichtlich fachkundigen Ausführungen sind gut begründet, für den Vorsitzenden ohne weiteres nachvollziehbar und damit überzeugend.
3. Der Hinweis des Beklagten auf Rechtsprechung des BGH, wonach Abweichungen eines verkauften Pferdes von der „physiologischen Norm“, die sich im Rahmen der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Pferde halten, nicht deswegen als Mangel einzustufen sind, weil „der Markt“ auf derartige Abweichungen mit Preisabschlägen reagiert (BGH, Urteil vom 07. Februar 2007 – VIII ZR 266/06 -, juris), steht der Annahme einer Wertminderung nicht entgegen. Zum einen geht es streitgegenständlich nicht um einen Kauf und Mangel, sondern streitgegenständlich ist ein Schadensersatzanspruch und die Frage nach einem tatsächlich eingetretenen Schaden. Insoweit ist der „irrationale Markt“, eben nicht zu vernachlässigen, sondern gerade maßgeblicher Grund für die Anerkennung einer merkantilen Wertminderung trotz völliger Ausheilung einer Verletzung („vollständige Reparatur“).
Ebenso wenig vermag der Hinweis des Beklagten auf die uneingeschränkte Nutzbarkeit des Pferdes nach völliger Ausheilung der Zungenverletzung die Verneinung einer Wertminderung zu tragen. Es wird zugrunde gelegt, dass weder Fressverhalten noch grundsätzliche reiterliche Nutzung durch die (ausgeheilte) Zungenverletzung (dauerhaft) beeinträchtigt sind bzw. waren. Konkret geht es aber nicht um die allgemeine reiterliche Nutzbarkeit des Pferdes, sondern dessen spezifischen Einsatz als hochwertiges und durchaus erfolgreiches Turnierpferd. Dies sind die maßgeblichen wertbildenden Faktoren des streitgegenständlichen Pferdes und deshalb müssen gerade diese Faktoren bzw. deren (von potentiellen Käufern gefürchtete) Einschränkungen für eine Wertminderung Bedeutung erlangen. Damit verbleiben am Eintritt einer Wertminderung keine vernünftigen Zweifel.
4. Da der Kläger nicht nur hinsichtlich des „ob“, sondern auch hinsichtlich der Höhe der Wertminderung beweispflichtig ist, kann auch unter Berücksichtigung der verminderten Beweisanforderungen des § 287 ZPO lediglich der „untere Rand“ ermittelter Bandbreiten als hinreichend gesichert nachgewiesen angesehen werden. Dies bedeutet, dass auszugehen ist von einem Verkehrswert von 40.000 € und einer Wertminderung von 10 % dieses Verkehrswertes, mithin einer Wertminderung in Höhe von 4.000 €.
III.
Der Kläger hat zudem Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlich erforderlich gewordenen Rechtsanwaltskosten.
Der Beklagte ist diesem schlüssig vorgetragenen und auf der Grundlage einer deliktischen Schadenersatzverpflichtung berechtigten Anspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach entgegengetreten. Ausgehend von einem berechtigten vorgerichtlichen Gegenstandswert in Höhe von 7.735,59 € (4.000 € Wertminderung, 735,59 € zugesprochene Sachverständigen- und Arztkosten; 3.000 € Feststellungsantrag) ergibt sich auf der Grundlage der Berechnung der Klageschrift S. 8 ein Betrag in Höhe von 376,52 €.
IV.
Der Kläger hat Anspruch auf Verzinsung seiner berechtigten Schadensersatzforderungen.
Auch insoweit ist der Beklagte der Berechtigung der Zinsforderung weder dem Grunde nach noch zum Zinsbeginn entgegengetreten.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Auszugehen ist dabei von einem Streitwert in Höhe von 41.535,50 € und einem Obsiegen in Höhe von wertmäßig insgesamt 7.735,59 € (4.000 € Wertminderung; 735,59 € zugesprochene Sachverständigen- und Arztkosten; Feststellungsantrag). Dabei wurde der Feststellungsantrag der plausiblen und unwidersprochen gebliebenen Bewertung des Klägers folgend mit 3.000 € berücksichtigt.
Über die Kosten des Berufungsverfahrens ist mit dem Endurteil des OLG Nürnberg vom 10.09.2019 bereits rechtskräftig entschieden.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.


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